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Hebenshausen (Gemeinde Neu Eichenberg, Werra-Meißner-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Hebenshausen bestand eine jüdische
Gemeinde bis in die 1930er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit
des 17. Jahrhunderts zurück. 1603/06 werden erstmals Juden am Ort genannt.
1713 werden 13 jüdische Familien, 1776 11 jüdische Familien gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1835 92 jüdische Einwohner (17,1 % von insgesamt 537 Einwohnern),
1861 104 (20,2 % von 515), 1971 76 (14,5 % von 523), 1885 40 (10,6 % von 379),
1895 29 (7,9 % von 366), 1905 18 (5,0 % von 363). Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh, Wolle und
Manufakturwaren.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich
als Vorbeter und Schochet tätig war. Um 1866 wird als solcher M. Speier genannt
(Quelle).
Um 1900 gab es noch acht jüdische Familien in Hebenshausen: Familien Isak Grunsfeld (Viehhändler), Julius Rosenstein (Vieh-
und Pferdehandel, 1913 nach Göttingen verzogen), Moritz Katz (Pferdehandlung,
1898 nach Witzenhausen verzogen), Meier und Ruben Hecht (Schreibwarenhandel),
Julius Schwabe (Fellhandel), Kugelmann (nach Witzenhausen verzogen, dort
Manufakturwarengeschäft) sowie Abraham Hesse (Stoff- und Fellhandel).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Unteroffizier Oskar
Grunsfeld (geb. 17.1.1884 in Hebenshausen, vor 1914 in Harmuthsachsen wohnhaft,
gef. 29.9.1915).
Um 1925 war zwar auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen
Einwohner kein Gottesdienst mehr im Synagogengebäude möglich (s.u.), doch
bestand die Gemeinde fort unter dem Vorsteher Abraham Hesse. Damals waren noch
sechs jüdische Personen in Hebenshausen wohnhaft (von ca. 350 Einwohnern). Auch
1932 wird Abraham Hesse als Gemeindevorsteher geführt bei gleichfalls
sechs jüdischen Gemeindegliedern (drei Geschwister Kugelmann, Gebrüder Hecht
und Abraham Hesse).
Nach 1933 (sechs jüdische Einwohner) litten auch die wenigen noch in Hebenshausen
lebenden Juden unter der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien. Vorübergehend wurden alle sechs nach Kassel gebracht, konnten
aber nach einigen Tagen wieder zurückkehren. 1943 wurden die Geschwister
Kugelmann und die Brüder Hecht nach Witzenhausen zwangsumquartiert und von dort
deportiert.
Von den in Hebenshausen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Henriette
Abt geb. Nussbaum (1863), Hulda Bienheim geb. Grunsfeld (1872), Carl Hecht
(1895), Ruben Hecht (1857), Bernhard Heinemann (1867), Julius Heinemann (1866),
Bertha (Blümchen) Katz geb. Nussbaum (1869), Sara Katz (1857), Jettchen
Kugelmann (1864), Jenny Oppenheim geb. Grunsfeld (1877), Frieda Poli geb.
Grunsfeld (1871), Louis Rosenstein (1903), Minna Rosenstein geb. Grunsfeld
(1879), Rosa Rosenstein (1906), Julius Schwabe (1868).
Nach 1945: Abraham Hesse (1867-1956), der mit einer nichtjüdischen Frau
verheiratet war, überlebte die Verfolgungszeit. Er wurde nach seinem Tod 1956
auf dem allgemeinen Friedhof von Hebenshausen beigesetzt.
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus
der Geschichte der jüdischen Lehrer
70. Geburtstag von Lehrer i.R. Josef Kaschmann (1931 in
Netra; war 1883 bis 1884 Lehrer in Hebenshausen)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. Juni 1931: "Netra.
J. Kaschmann, Netra, Lehrer
i.R., feiert am 29. Juni dieses Jahres seinen 70. Geburtstag. Zu
Rapperhausen (sc. vermutlich Großropperhausen),
Kreis Ziegenhain, am 29. Juni 1861 geboren, besuchte er von 1880 bis 1883
das israelitische Lehrerseminar zu Kassel. Seine Lehrertätigkeit begann
am 1. Juni 1883 mit seiner Anstellung als Religionslehrer in Hebenshausen.
Schon nach einem Jahr wurde er an die Volksschule nach Bischhausen
berufen, an welcher er acht Jahre wirkte. 1892 erfolgte seine Versetzung
von dort nach Ungedanken, als
Nachfolger von Lehrer Markus Kaufmann. In dieser Stelle verblieb er
bis zu ihrer Auflösung, welche im Jahre 1900 erfolgte. Am 1. Mai 1900 war
er Inhaber der israelitischen Lehrerstelle zu Netra
geworden. Nach einer 24-jährigen Tätigkeit in der genannten Gemeinde
erfolgte am 1. Juni 1924 seine Pensionierung. Seine körperliche und
geistige Rüstigkeit befähigen ihn, auch ferner für das Wohl seiner
Gemeinde tätig zu sein, sodass er seit seiner Ruhestellung den
Vorsängerdienst wie seither versieht und den Religionsunterricht
erteilt." |
Sonstiges
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
des in Hebenshausen
geborenen Moses Kugelmann |
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Kennkarte (Mainz 1939)
für Moses Kugelmann (geb. 28. September 1855 in Hebenshausen),
Rentner |
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Zur Geschichte der Synagoge
Mitte des 19. Jahrhunderts war noch eine alte Synagoge vorhanden, die
vermutlich noch aus dem 18. Jahrhunderts stammte (Mitte des 18. Jahrhunderts
wird erstmals von einer Synagoge am Ort berichtet). Wegen der "Länge ihres
Bestandes" war sie 1850 "dem Einsturze nahe", weswegen die
Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge plante. Da die Finanzmittel der wenigen
jüdischen Familien jedoch nicht ausreichten, bat die Gemeinde durch Aufrufe in
verschiedenen Zeitschriften um Kollekten zur Finanzierung des Neubaus.
Aufruf in der
Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 31. Mai 1850: Aufruf der Gemeinde Hebenshausen in Kurhessen, um
Unterstützung zum Bau einer Synagoge: Unsere Synagoge, durch die Länge
ihres Bestandes dem Einsturze nahe, nötigt uns den Angriff zu einem Neubau
derselben zu machen.
Wie aber unsere Gemeinde selbst klein und schwach ist, so ist es ihr gleich auch
unsere Gemeindekasse; diese kann den Bau nicht vollenden, kann die Kosten zu
demselben nicht bestreiten.
Sollten wir aber darum die längst in uns gehegten freudigen und notgedrungenen
Hoffnungen, in unserer Mitte bald ein neues Gotteshaus erstehen zu sehen,
aufgeben? Ist ja unter Israel schon so mancher Bau zur Ehre Gottes vollendet
worden durch die edle Gesinnung und wohltätige Hilfe seiner Glaubenstreuen, so
wird es auch dieser unter dem Schutz Gottes werden.
Wir müssen hierbei namentlich auf die Unterstützung edler und wohlwollender
Menschenfreunde rechnen und damit dieselben auch bei dieser heiligen Gelegenheit
ihren edlen Sinn betätigen und ihr Scherflein beitragen können, haben wir uns
bereits an mehrere Herren Rabbiner gewendet und bittend dieselben aufgefordert,
in ihren Rabbinatsbezirken Kollekten zu unserem angegebenen Zweck zu
veranstalten und die hierdurch gesammelten Liebesgaben gütigst an uns
einzusenden.
(Zusätzlich im Aufruf der Allgemeinen Zeitung des Judentums vom 3.
Juni 1850 siehe unten): Wir richten darum
eine gleiche Bitte auch in diesem Blatte an alle Edeldenkende, die sich die
Unterstützung eines frommen Werkes und die Aufhilfe einer kleinen Gemeinde zum
Segen rechnen, und sich sicher, Berücksichtigung zu finden. Der Gemeindeälteste Lehmann Kugelmann. Der Lehrer W.L.
Levor.
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Letzter Abschnitt des
Aufrufes in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. Juni 1850. |
Die im Mai/Juni 1850 veröffentlichten Aufrufe hatten offensichtlich
Erfolg. Dennoch dauerte es noch mehrere Jahre, bis die Synagoge eingeweiht
werden konnte. Das genaue Datum hierfür ist nicht bekannt.
Thomas Blumenstein (Mitteilung vom 14.
Februar 2012) weist zur weiteren Baugeschichte der Synagoge auf
Quellen im Staatsarchiv Marburg hin (Bestand 17k Nr. 150/1; Reiseberichte des Baupersonals im Kreis Witzenhausen
1852-56). Nach einem Dokument in diesem Bestand vom 9. Juni 1853 wurde
"auf Ersuchen des Vorstehers der israelitischen Gemeinde zu Hebenshausen das dasige Schulhaus behufs Erbauung einer neuen Synagoge
aufgemessen". Nach einem Dokument in demselben Bestand vom 22. Mai
1856 wurde "in Hebenshausen der Bauplatz zur neuen Synagoge für die dasige israelitische Gemeinde aufgemessen".
Nach Thomas Blumenstein wollte man anscheinend zuerst die Schule zur Synagoge umbauen, bevor man sich zu einem Neubau
entschloss, der dann erst ab 1856 entstanden ist. |
Bis 1908 wurden in dem Gebäude die Gottesdienste der jüdischen
Gemeinde abgehalten. Dann musste die Synagoge geschlossen werden, da kein
regelmäßiger Minjan (Zehnzahl der jüdischen Männer zum Gottesdienst) mehr
erreicht wurde. Nach 1908 trafen sich Gemeindeglieder noch einige Zeit zum Gebet
in der Synagoge, doch auch dies musste mit der Zeit eingestellt werden. Die
Kultgegenstände wurden der jüdischen Gemeinde in Witzenhausen übergeben.
1937 verkaufte die jüdische Gemeinde Witzenhausen, in deren Besitz
das Gebäude zwischenzeitlich übergegangen war, die ehemalige Synagoge an den
Gastwirt W. Waldmann. Seine Gastwirtschaft befand sich im Gebäude der
ehemaligen jüdischen Schule, das neben der Synagoge stand. Waldmann baute das
Synagogengebäude zu einer Scheune beziehungsweise einem Lagerschuppen um
(Veränderung von Dach, Fenster). Seit einigen Jahren steht das Gebäude unter
Denkmalschutz.
Adresse/Standort der Synagoge: Lange Straße 30
Fotos
(Quelle der Rekonstruktion und der Pläne: Altaras s. Lit. S.
75; Quelle für die historischen Fotos der Eingangstüre und des Innenraumes:
Lars Klein; Fotos um 1980 bei Altaras a.O.)
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Hinweis
auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde
Hebenshausen |
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs
(innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus
hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar:
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41
Zu Hebenshausen sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur
Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):
HHStAW 365,821 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Hebenshausen 1825 - 1902: enthält Geburtsregister 1825 - 1902,
Trauregister 1833 - 1870 und Sterberegister 1825 - 1899; enthält
auch Angaben zu Personen aus Marzhausen und Hermannrode https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3031394
HHStAW 365,433 Geburts-, Trau- und Sterberegister der Juden
von Hebenshausen 1825 - 1902: enthält Geburtsregister 1825 - 1902,
Trauregister 1833 - 1870 und Sterberegister 1825 - 1899;
enthält auch Angaben zu Personen aus Marzhausen und Hermannrode https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3553157
HHStAW 365,434 Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs von
Hebenshausen, aufgenommen durch Curt Wolf aus Eschwege und D. Goldschmidt
aus Frankershausen im Juli 1938; Laufzeit 1881 - 1922 (1938); enthält
hebräische und deutsche Grabinschriften auf dem jüdischen Friedhof in
Hebenshausen https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v289876
|
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 1 S. 339-341. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 74-76. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 234. |
| Karl Kollmann / Thomas Wiegand: Spuren einer
Minderheit. Jüdische Friedhöfe und Synagogen im Werra-Meissner-Kreis.
Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Werralandes. Kassel 1996. S.
90-91 u.ö. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hebenshausen
Hesse-Nassau. Jews lived there from 1600 and opened their first synagogue around
1750. Numbering 104 (20 % of the total) in 1861, the community dwindled to 12 (3
%) in 1910 and six in 1933. The last Jews disposed of the synagogue (1937);
only one survived the Holocaust.
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