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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Hengstfeld (Gemeinde Wallhausen, Landkreis
Schwäbisch Hall)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der
jüdischen Gemeinde
In Hengstfeld bestand eine jüdische Gemeinde bis 1898/1904,
zuletzt als Filiale der Synagogengemeinde Michelbach. Bereits Ende des 16.
Jahrhunderts waren einzelne Juden am Ort (Nennung 1588). Die
Entstehung einer Gemeinde geht in die Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts zurück
(Aufnahmen seit 1708). 1735 wurden 15 jüdische Familien am Ort
gezählt.
Im 19. Jahrhundert wurde die höchste Zahl jüdischer Einwohner um
1845 mit 144 Personen erreicht.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.) und
eine jüdische Schule (seit 1835 in einem Privathaus). 1843/44 wurde nahe der
Synagoge ein Schulhaus mit Lehrerzimmer, Gemeindezimmer und einem rituellen Bad
erbaut. Dieses Gebäude ist als Wohnhaus erhalten (Kurze Straße 5). Die Toten
der jüdischen Gemeinde wurden zunächst in Schopfloch, seit 1840 in
Michelbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(siehe Ausschreibung von 1876 unten). Unter den Lehrern war um 1880 der aus
Russisch Polen stammende Lehrer Mendel (Manuel, Menachem) Cohn, der sich 1882
mit der Hengstfelderin Jeanette geb. Wassermann verheiratete (siehe unten).
An ehemaligen, bis Ende des 19. Jahrhunderts bestehenden Handels- und
Gewerbebetrieben im Besitz jüdischer Familien / Personen sind bekannt:
Metzgerei Familie Alexander (Kurze Straße 1), Pferdehandlung Familie Eichberg I
(Hauptstraße 123), Pferdehandlung Familie Eichberg II (Hauptstraße 154; der
Stall der Pferdehandlungen Eichberg war Hauptstraße 150), Getreidehandlung
Familie Rosenfeld (Marktweg 2).
Von den in Hengstfeld geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Babette (Jette) Bamberger
geb. Feldenheimer (1855), Gottlieb (Götz) Rosenfeld (1869), Ida Schulmann geb.
Cohn (1886), Clara Trepp geb. Cohn
(1889).
Aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juni 1876:
"Die hiesige Religionslehrer-, Schächter und Vorsängerstelle
verbunden mit einem Fixum von 650 Mark und mit circa ebensoviel
Nebeneinkünften und freier Wohnung ist vakant und sofort zu besetzen.
Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen an den Unterzeichneten
franco einsehen.
Hengstfeld, Eisenbahnstation Wallhausen (Württemberg),
den 16. Juni 1876: Rufen Süßfeld." (nicht: Kufen
Süßfeld) |
Der Hengstfelder Lehrer Mendel Cohn sucht (für sich
oder eine andere Person?) eine neue Stelle
(1878)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Oktober 1878:
"Ein junger Mann, der bisher als Schächter und Religionslehrer,
ungeprüft, fungiert hat und dem gute Zeugnisse zur Seite stehen, sucht
eine passende Stelle. Nähere Auskunft erteilt Lehrer und Vorsänger M.
Cohn, Hengstfeld, Post Wallhausen, Württemberg." |
Zum Tod der Lehrerswitwe Jeanette Cohn geb. Wassermann
(1928)
Anmerkung: Jeanette Cohn geb. Wassermann (geb. 27. August 1854, gest.
12. März 1928) wurde auf dem jüdischen Friedhof in Crailsheim neben ihrem Mann
beigesetzt: Mendel (Manuel, Menachem) Cohn (geb. 27. August 1854, gest.
12. März 1928), Sohn von Schalom Dow Cohn aus Wadislawow / Russisch Polen.
Jeanette geb. Wassermann war die Tochter von Hirsch Zwi Wassermann und seiner
Frau Idel geb. Gutmann in Hengstfeld. Sie hatte 1882 den Mendel Cohn
geheiratet, der damals Religionslehrer und Vorsänger in Hengstfeld war. In
Hengstfeld kamen die Kinder Hermann (1883), Hugo (1884), Ida (1886) und Clara
(1889) zur Welt (evtl. noch weitere Kinder). Die Tochter Ida heiratete
nach Wallerstein (mit Josef Schulmann); sie kam in der NS-Zeit ums Leben.
Ihre Schwester Clara Trepp geb. Cohn (geb. 1889 in Hengstfeld) ist
gleichfalls in der NS-Zeit umgekommen; sie war seit 1919 mit dem im Artikel
unten genannten Lehrer Abraham Trepp in Quakenbrück verheiratet. Zur
Lehrerfamilie Trepp siehe Seite
zu "Stolpersteinen" in Quakenbrück (zu Clara Trepp weitere
Seite); auf Wunsch der Angehörigen wurden jedoch in Quakenbrück keine
"Stolpersteine" für Angehörige der Familie Trepp
verlegt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. März 1928: "Crailsheim
in Württemberg, 14. März (1928). Unter großer Beteiligung von nah
und fern wurde heute, nachdem die Überführung von Nürnberg aus erfolgt
war, die Lehrerswitwe Jeanette Cohn geb. Wassermann, an der Seite
des ihr im Tode vorausgegangenen Gatten - das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen - zu ihrer letzten Ruhe bestattet. Plötzlich und
unerwartet hatte sie in der Nacht zum 20. Adar der Tod überrascht,
tiefbetrübte Kinder, Schwiegerkinder und Enkel, sowie einen trauernden
Freundeskreis zurücklassend. Bis vor 5 Jahren stand sie ihrem streng
religiösen und gelehrten Gatten als mustergültige Lebensgefährtin treu
und würdig zur Seite und war ihren Kindern zu Vorbild wahrer Tugend und
echter Frömmigkeit. Am Grabe entwarf Herr Lehrer Silbermann - Crailsheim
ein getreues Bild dieser wahrhaft jüdischen Frau, und der Schwiegersohn, Herr
Lehrer Trepp, Quakenbrück, sprach im Namen der Familie herzliche
Worte des Abschieds. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die Auflösung der jüdischen Gemeinde (1904)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. September
1904: "Die israelitische Gemeinde Hengstfeld (für Hengstberg),
die noch in den 1880er-Jahren eine stattliche Anzahl Angehörige zählte,
hat sich nunmehr nach Wegzug der Negstfelder Israeliten aufgelöst.
Die meisten Familien verzogen nach Würzburg, andere nach Nürnberg, Hall
und Crailsheim. Für die politische Gemeinde bedeutet der Wegzug der
steuerkräftigen Israeliten einen nicht unbedeutenden finanziellen
Verlust." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Meldungen zu Adolf Jandorf (1904 / 1910
/1911)
Anmerkung: Adolf Jandorf (1870 Hengstfeld - 1932 Berlin, Grab im Friedhof
Berlin-Weißensee), Kaufmann, eröffnete 1892 in Berlin ein Geschäft, aus dem er einen Warenhaus-Konzern entwickelte, 1907 das KaDeWe
("Kaufhaus des Westens"). Jandorf wurde Kommerzienrat und verkaufte 1926 den Konzern (3000 Angestellte) an die Fam. Hermann Tietz. Sein Elternhaus stand in der Mittelgasse 5. 1908 wurde er zum (bislang einzigen) Ehrenbürger in Hengstfeld ernannt.
Meldung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Juli 1910:
"Der Mitinhaber der bekannten Berliner Warenhausfirma A. Jandorf
& Cie., Herr Adolf Jandorf, der Süddeutscher von Geburt ist, wurde
zum Königlich Bayerischen Kommerzienrat ernannt." |
|
Meldung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. August 1911:
"Herr Kommerzienrat Adolf Jandorf, der kürzlich vom Fürsten Leopold
zur Lippe auf sein Schloss Götschendorf zum Tee befohlen wurde, erhielt
bei dieser Gelegenheit vom Fürsten den Leopoldsorden zweiter
Klasse." |
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Im
Zusammenhang mit den Ausführungen zu Adolf Jandorf Link zu einer Seite in
der Website von hertie.de:
"Geschichte und Leben des Hermann Tietz": http://www.hertie.de/Info-Seite-Hermann-Tietz_c193 |
Zum Tod von Bernhard Jandorf, Vater von Adolf Jandorf
(1914 in Berlin)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 2. Januar 1914:
"Rentier Bernhard Jandorf, der Vater des Begründers und
Inhabers der Firma A. Jandorf u. Co., ist am 24. Dezember kurz vor
Vollendung seines 73. Lebensjahres in seiner Wohnung, (Berlin), Augsburger
Straße 22, gestorben. Die Beerdigung fand am vergangenen Freitag unter
großer Beteiligung auf dem Friedhof in (Berlin-)Weißensee
statt." |
Zum Tod von Jacob Feldenheimer (1906)
Anmerkung: da die Familie Feldenheimer aus Hengstfeld stammte, könnte Jacob
Feldenheimer möglicherweise noch hier geboren sein.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. März 1906:
"Philadelphia. ...
Im 78. Lebensjahre starb hier Herr Jacob Feldenheimer. Er war in
Württemberg geboren, nahm an der Revolution von 1848 teil, kam 1855 nach
Amerika und focht im Bürgerkriege unter General Lee in einer Anzahl
Schlachten." |
Zur Geschichte des Betsaals/der Synagoge
Um 1735 wurde ein Betsaal
in einem jüdischen Wohnhaus eingerichtet. Im Dezember 1804 erschien der
Ortsvorsteher Lippmann Jandorf beim Kreisdirektorium in Crailsheim und gab zu
Protokoll, dass bislang in seinem Haus die Gemeindeversammlungen und
Gottesdienste stattfanden, er aber dies nicht mehr wolle und auch die jüdische
Gemeinde seit langem endlich eine eigene Synagoge haben wolle. Im Garten seines
Hauses könne sie erstellt werden. Nach einigem Hin und Her mit den zuständigen
Behörden konnte mit dem Bau einer Synagoge begonnen werden.* Sie wurde am 8.
Februar 1811 eingeweiht, worüber ein Bericht des Ortspfarrers Christoph Mützel
vorliegt: "Freitags, den 8. Februar wurde die hiesige neuerbaute
Juden-Schule (Synagoge) eingeweiht, wobei eine große Menge von vornehmen
gemeinen Leuten zugegen waren. Der feierliche Zug ging nachmittags um 2 Uhr von
des Liebmann Jandorfs Haus aus in die Mittelgasse zu des Vorsängers Hänles
(gemeint Hänle Eichberg) Haus, und von da aus wieder zurück in die
Juden-Schule, unterwegs wurde etliche mal gesungen mit der Einstimmung der
Musik, in der Schule wurde von dem neuen Vorsänger zu Michelbach eine Rede
gehalten, ein Gebet für den König getan, und dann die gewöhnlichen Zeremonien
mit den 10 Geboten (sc. Torarollen) gemacht".
Zum Bau der Synagoge hatte der Hengstfelder Schmiedemeister Johann Michael Mayer
der jüdischen Gemeinde 400 Gulden geliehen. 1834 drohte die Schließung der
Hengstfelder Synagoge, da die Hengstfelder Gemeinde mit der Michelbacher
zusammengelegt werden sollten. Wenig später wurde jedoch von der israelitischen
Oberkirchenbehörde "der Filialgottesdienst in der Hengstfelder
Synagoge" genehmigt, "solange zur Unterhaltung der Michelbacher
Synagoge beigetragen wird". Da die Hengstfelder Gemeinde jedoch
keinen eigenen Vorsänger bezahlen konnte, war auch 1838/40 nochmals die
Synagoge von der Schließung bedroht. Eine Lösung wurde nicht gefunden, die
Synagoge zum 13. Januar 1840 geschlossen. Von hier an besuchten die Hengstfelder
Juden, wenn auch sehr widerstrebend, die Gottesdienste in der Michelbacher
Synagoge. Erst 1850 konnte eine Wiedereröffnung des Gotteshauses erreicht
werden. Zuletzt wurde das Gebäude 1879 nochmals renoviert. 1891 wird noch vom
Geschenk eines "Lebensbaumes" für die Synagoge berichtet:
Geschenk für die Synagoge (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1891:
"Hengstfeld (Württemberg). Mit einem wunderschönen und wertvollen
Geschenk wurde unsere kleine Gemeinde überrascht und erfreut. Frau Jette
Kahn hier stiftete ein paar Ez Chajim, welche am verflossenen Chag
HaSchawuot (Wochenfest) beim Morgengottesdienst durch ihren
Schwiegersohn, Herrn Rufen Süßfeld, Vorstand der hiesigen Gemeinde, der
Synagoge übergeben wurde. Indem wir der Geberin auf diesem öffentlichen
Wege unsern Dank sagen, hoffen und wünschen wir, dass der Spenderin
bei ungestörter Gesundheit und Frische noch recht lange Zeit beschieden
sein möge, das von ihr gestiftete religiöse Geschenk benützen zu sehen
und dass an ihr die Worte in Erfüllung geben: 'Ein Baum des Lebens ist
sie (sc. die Weisheit) den an ihr Festhaltenden, und die sie erfassen,
sind selig gepriesen' (Sprüche Salomons 3,18)." |
Nach Wegzug der meisten jüdischen Bewohner aus Hengstfeld
wurde die Synagoge vermutlich um 1895 geschlossen und 1905 abgebrochen.
1902 ist das Inventar der Synagoge verkauft worden:
Verkauf des Inventars der Hengstfelder Synagoge
(1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Dezember 1902: "Michelbach a.d. Lücke Württemberg. In
Folge Auflösung der israelitischen Filialgemeinde Hengstfeld ist die
fast ganz neue innere Einrichtung der dortigen Synagoge, bestehen
in 9 langen Ständen mit Bänken, Almemor, 2 schöne, große neue
Leuchter und dergleichen zum billigen Preis zu verkaufen.
Liebhaber wollen sich melden beim Israelitischen Kirchenvorsteheramt,
Michelbach a.d. Lücke." |
Standort der Synagoge: auf dem Grundstück Hauptstraße 142, das
seit Abbruch der Synagoge als Rasen und
Gemüsegarten
genutzt wird.
* Nach Taddey (Jerusalem s. Lit. S. 144) war
die Hengstfelder Synagoge bereits 1806 fertig, was sich jedoch mit den Angaben
bei Ströbel nicht vereinbaren lässt.
Fotos/Pläne
Historische Pläne:
Entwürfe für die Synagoge
in Hengstfeld
von 1805
(Quelle: Taddey s. Lit. Abb. 9 + 10) |
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Grundriss und Seitenansicht der
geplanten
Synagoge in Hengstfeld 1885
(Quelle: Taddey s. Lit. Abb. 8) |
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos vom Grundstück der
ehemaligen Synagoge sind noch zu erstellen,
über Zusendungen freut sich der Webmaster von "Alemannia
Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 127. |
| Otto Ströbel: Hengstfeld. Leben in der ritterschaftlichen
Pfarrgemeinde. 1990. S.278-304. |
| ders.: Juden und Christen in dörflicher Gemeinschaft. Geschichte der
Judengemeinde Michelbach/Lücke. 2000. |
| Gerhard Taddey: Kein kleines Jerusalem. Geschichte der Juden im
Landkreis Schwäbisch Hall. 1992. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
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