Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
Zurück zur Seite über die Jüdische Geschichte/Synagoge
in Hürben
Hürben und Krumbach (Stadt
Krumbach, Kreis Günzburg)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte des Ortes / der Stadt
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Hürben / Krumbach wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Letzte Aktualisierung:
7.6.2014.
Übersicht:
Allgemeine Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Gemeindebeschreibung (1842)
Anmerkung: die in der liberal geprägten "Allgemeinen Zeitung
des Judentums" geäußerte Kritik richtet sich an konservativ-orthodoxe Kreisen, die im Gemeindeleben Hürbens nur sehr
zögerlich auf die von den Liberalen geforderten "Reformen"
reagierten.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1842: "Hürben
(Bayern), im März. Unsere Gemeinde, eine der reichsten und zahlreichsten
in Bayern, sie zählt ungefähr 120 Gemeindeglieder, schließt alle Keime
des Bessern in sich, aber sie werden von denen gewaltsamer Weise
niedergetreten, die zu ihrer Pflege berufen sind. Es befinden sich hier
sehr viele Handwerker, die ausschließlich von ihrer Hände Fleiß leben,
mehrere nicht unbedeutende Kaufleute; es herrscht sehr viel Sinn für
Wohltätigkeit, wiewohl mehr für partielle als für großartige,
allgemeine Zwecke. Es hat sich in kürzerer Zeit ein Holzverein gebildet,
von welchem jährlich ein nicht unbedeutendes Quantum Holz an hiesige Arme
verteilt wird; außer diesem Verein verfolgen noch vier andere ihr
menschenfreundliches Ziel und ein Humanitäts- und Industrieverein, über
welchen diese Blätter schon berichtet haben, lässt sich die Verbreitung
jüdischer Schriften angelegen sein und ist nicht wenig bemüht, armen
Jünglingen ein zweckmäßiges Handwerk erlernen zu lassen.
An unserer
Religions- und Elementarschule wirken drei Lehrer, und an unserem jungen
Rabbiner Herrn Schwarz besitzen wir einen klugen, gebildeten Mann.
Wie
überall regt sich, besonders unter dem nachkommenden Geschlecht, der
Geist des Fortschritts, der Wunsch nach zeitgemäßer Umgestaltung unserer
Institutionen, nach Ersetzung abgelebter Formen durch lebensfrische
Einrichtungen nach dem Beispiele anderer Gemeinden. Man ist für die
Religion und ihre Interessen begeistert, muss aber schmerzlich gewahren,
wie man die nichtssagendsten Gebräuche aufrecht zu erhalten, jede
zeitgemäße Konzession hartnäckig verweigert und das durch die
Notwendigkeit und gegen den Willen der Wortführer eingedrungene Bessere
über die Achsel anschaut, und nach Umständen als religionswidrig
darzustellen sucht.
In unserer schönen Synagoge wird man, trotz der
vorhandenen Mittel, weder durch Chorgesang, noch durch öfteres Predigen
erbaut. Man glaubt sich vielmehr durch die vorgetragenen Ouvertüren und
Triller bald in ein Theater, bald in eine polnische Synagoge des vorigen
Jahrhunderts versetzt. Außer Schabbat Tschuwa (sc. Schabbat
zwischen Neujahr und Versöhnungstag) und Schabbat HaGadol (sc.
letzter Schabbat vor Pessach), wofür
ein besonderes Honorar ausgesetzt ist, hören wir nur selten eine Predigt,
auch an Rosch HaSchana und Jom Kippur blieb die Kanzel stumm. Am Sabbat
und Feiertagen sieht man bei diesem eine Kappe, bei jenem einen Hut und
bei einem dritten sogar noch eine so genannte breite Haube als
Kopfbedeckung. Trifft es sich nun, dass ein Bekappter zur Tora berufen
wird, so muss er entweder von seinem Nachbarn den Hut borgen, oder wenn
ihm dieser nicht konveniert, zur allgemeinen Belustigung die reservierte
Allerwelts-Breite-Haube aufsetzen.
In den erwähnten Predigten werden
nicht die Bedürfnisse der Zeit gewürdigt, sondern nur auf das Strafbare
der Übertretung eines äußeren Gebrauchs oder die Nichtachtung
irgendeiner religiösen Observanz mit Fingern hingewiesen. Das Rasieren
wurde schon ein Dutzend Mal von der Kanzel geworfen. Wirklich unmoralische,
unjüdische Handlungsweisen, die eine wahre Gotteslästerung veranlassen
und durch deren Ausübung wir so manche Schmach und allgemeine Vorwürfe
zu erdulden haben, werden gänzlich ignoriert.
Die durch die Kreissynode
verfasste und von der königlichen Regierung bestätigte Synagogenordnung
schreibt unter anderem die Abhaltung einer öffentlichen Konfirmation vor.
Sie wurde auch einige Mal zur Erbauung aller Bessergesinnten abgehalten.
Unser Herr Rabbiner versteht es schon, auf die Herzen zu wirken. Auf den
Antrag einiger Eiferer wurde sie aber wieder abgestellt. Die in eben
dieser Synagogenordnung gebotene Verkündigung der Brautpaare aber, wofür
Gebühren bezahlt werden, bleibt streng eingehalten.
Wir erkennen es mit Dank an, dass der Rabbiner unsere Lehrer fleißig
moralisiert, dass er ihnen die Erfüllung ihrer hohen Pflichten ans Herz
legt, dass er sie zum fleißigen Besuch der Synagoge etc. ermahnet, allein
wir würden dem Rabbiner lieber raten, Taten an die Stelle der Worte
treten zu lassen; wir würden ihm raten nicht wie bisher, nur alle 14 Tage
einmal, sondern jeden Tag, oder wenigstens jede Woche zweimal |
die
Schule zu besuchen und, wie wir von anderen Rabbinen wissen, den Kindern
selbst einigen Unterricht zu erteilen. Wir wollen zwar von dem Rabbinen
nicht Alles fordern und hätte er sich in früherer Zeit nicht ebenso
verhalten, wir würden seine gegenwärtige prekäre Stellung recht wohl zu
würdigen wissen.
Aber eben darum ist es an dem Gemeindeausschuss mit
Energie gegen die Bigotterie aufzutreten. Es fehlt diesem Ausschusse an
Männern nicht, die Intelligenz und Sachkenntnis genug besitzen, gegen das
Übel zu wirken, die es einsehen, dass es an der Zeit ist, etwas für Gott
zu tun, damit der Riss zwischen dem Alten und Neuen nicht unheilbar werde.
Dann wird auch unser Rabbiner – dessen sind wir gewiss – aus seiner
Lethargie erwachen und in Hinblick auf den Lohn, der seiner bei dem Herrn
des Lichtes wartet, eines kleinen pekuniären Schadens nicht achten, der
ihm bei diesem, oder jenem erwachsen könnte. -
Lassen Sie mich meinen Bericht, der so wenig Erfreuliches bietet, mit
etwas Traurigem schließen: am 9. Februar dieses Jahres hat es der
Vorsehung gefallen, unseren Elementarlehrer Herrn Joseph Kahn, nach einem
27jährigen treuen Wirken an unserer Schule in seinem 54. Lebensjahre von
diesem Leben zu einem besseren abzuberufen. Obwohl sein Leichenbegängnis
nicht auf eine angemessene, würdige Weise begangen wurde, so wurde z.B.
von Seiten des Rabbiners oder Vorstandes nicht einmal die Schuljugend
angehalten, ihren Lehrer und Wohltäter zu seiner Ruhestätte zu
begleiten, so gab doch die überaus zahlreiche Begleitung, so wie die
unzähligen heißen Tränen, die an seinem Grabe fielen, den deutlichsten
Beweis, welcher Liebe und Verehrung er sich von Seiten sämtlicher
Gemeindeglieder, insbesondere von Seiten seiner Schüler zu erfreuen
hatte. …r." |
"Geschichtliches von Hürben-Krumbach" -
Artikel des jüdischen Hauptlehrers Isidor Kahn (1926)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Mai 1926:
"Geschichtliches
von Hürben-Krumbach. Von Hauptlehrer J. Kahn (Krumbach).
Nur wenige
Urkunden und Aufzeichnungen geben uns Kunde über die alten schwäbischen
Gemeinden, nur dürftige Berichte in den Chroniken der Städte geben und
Einblick in die jüdischen Gemeinden zurzeit des Mittelalters. Donauwörth
war seiner Lage gemäß ein Knotenpunkt für Handel- und Verkehrsleben auf
Land- und Wasserstraßen. Aus Salzburg gingen seit Jahrhunderten große
Mengen von Salz auf der Salzach und dem Inn nach Passau und von hier auf
der Donau stromaufwärts zur Salzniederlage in Donauwörth, wo der Handel
mit Salz einen regen Verkehr nach weiten Kreisen unterhielt (Steichele).
Kaiser Otto III. verlieh dem Orte einen Wochenmarkt samt Münze und Zoll.
Und Kaiser Konrad II. bestimmte 1030, dass jedes Jahr ein 3 Tage dauernder
Markt gehalten werden dürfte. Um diese Zeit ließen sich auch viele Juden
nieder, welche den Handel großenteils an sich brachten und reges
Verkehrsleben nach Norden und Süden entfalteten. Sie besaßen eine
Synagoge, Judenschul genannt, wo ein Rabbiner und Vorsänger auf das
religiös sittliche Leben der Gemeinde und auf die Erziehung der Jugend
einzuwirken suchte. Im Laufe der Jahre hatten sie sich den Unwillen der
Bevölkerung zugezogen. ‚Sie waren keineswegs wohl gelitten’,
berichtet der Chronist, ‚und mussten sich in eine eigene Gasse hinter
der Stadtmauer, Judengasse genannt, zurückziehen’. Hass und Neid
verbanden sich mit blindem Vorurteil und bewirkten, dass die Juden 1518
aus Donauwörth gänzlich ausgewiesen wurden. Die Vertriebenen wandten
sich nach den südlich in der Hochebene gelegenen Ortschaften und seit
dieser Zeit finden sich Juden in oberschwäbischen Gemeinden, wie Ichenhausen,
Hürben, Neuburg a. K., Thannhausen, Hohenraunen und
Veisenhausen. Eine Urkunde des Herrschaftsgerichts Neuburg a. Kammel
bestätigt, dass die Juden daselbst um 1540 Feldbau betrieben. Mitte des
17. Jahrhunderts wohnten noch 6 Familien in Neuburg, welche freiwillig
nach Hürben auswanderten. Das Alter der jüdischen Gemeinde Hürben, ihr
Entstehen und Werden, ist in Dunkel gehüllt: nur soviel verkündet eine
alte Urkunde des Landgerichts Urberg, dass 1504 vier jüdische Familien
ansässig waren. Louis Lamm, Verlagsbuchhandlung in Berlin, besitzt ein
Dokument, nach welchem Reb Moses aus Angelberg, Bezirksamt Mindelheim,
1568 nach Hürben übersiedelte und in einem Revers sich verpflichtete,
auch nach seiner Domiziländerung sich der Angelberger Jurisdiktion zu
unterwerfen. Der Kronzeuge, der Friedhof, auf einem bewaldeten
Hügelrücken gelegen und so alt wie die Gemeinde, ist zum Schweigen
verurteilt, da im Jahre 1800 bei einem Gefechte zwischen Franzosen und
Österreichern dort lagernde österreichischem Soldaten die alten,
eichenen Grabdenkmäler verbrannten.
Im Mittelalter bildete Krumbach-Hürben mit etwa 350 Ortschaften die
Markgrafschaft Burgau, die großenteils durch österreichische Herzöge
verwaltet wurde und in Günzburg a.d.D. ihren Wohnsitz nahm. Als 1570 die
Rechte und Privilegien der Juden im Burgauischen geschmälert wurden,
indem man sie mit neuen Steuern belegte und Zölle und Mautgebühren über
alles Maß erhöht wurden, ja sogar Schuldner von der Bezahlung ihres von
Juden geliehenen Kapitals los gesprochen wurden, erließ Kaiser Maximilian
II. ein Mandat, in dem er gebot, dass die Juden in ihren Rechten und
Privilegien beschützt und beschirmt und all ihre zuerkannten Rechte
gewahrt werden müssen. Ebenso wurden dem Rabbiner Isaak zu Günzburg das
Recht zuerkannt, die Rechtsstreitigkeiten der Juden nach jüdischem
Gesetze zu behandeln und über Widerspenstige den Bann auszusprechen (Kohat).
1630 erhielten die Grafen von Lichtenstein durch Abtretung eines Gutes an
Österreich die Herrschaft über Krumbach und Hürben. Nach einem Urbarium
des Rentamts Ursberg gab Grab Maximilian von Lichtenstein 1675 die
Erlaubnis zum Bau einer Synagoge, welche jährlich mit 6 Gulden Steuer
belegt wurde. Für die Wohnung eines Vorsängers (zur damaligen Zeit waren
die Rabbiner Schaz und Maz, d.h. Vorsänger und Rabbiner) wurde ein
Nebenhaus bewilligt gegen jährlichen Grundzins von 1 Gulden. Die
Lichtensteinsche Herrschaft währte nur bis Ende des 17. Jahrhunderts,
worauf Krumbach-Hürben wieder der vorderösterreichischen Herrschaft
angeschlossen wurden. Durch die Einwanderung jüdischer Familien aus
Neuburg a.K., Hohenraunen und Deisenhausen, sowie durch die Aufnahme der
1718 aus Thannhausen vertriebenen Juden vergrößerte sich die jüdische
Gemeinde dermaßen, dass die christliche Gemeinde Beschwerde einreichte
bei der Vorderösterreichischen Herrschaft wegen Überschreitung der
Normalzahl und wegen der neuen Häuserbauten, jedoch ohne Erfolg. Die 1675
erbaute Synagoge war zu klein geworden und musste 1710 und 1765 durch
Anbauten vergrößert und erweitert werden. Im Jahre 1819 wurde sie
gänzlich umgebaut im schönen Empirestil. Durch besondere Vergünstigung
wurde die Anbringung großer abgerundeter Kirchenfenster genehmigt und
auch die innere Ausstattung erfolgte in gleichem Stile. Die Synagoge
besitzt zwei prächtige goldbestickte Toravorhänge (Paroches) mit der
Jahreszahl 5483 und 5487, gestiftet von dem Goldsticker Jakob Ganz aus
Höchstädt a.d.D. Über das Erwerbsleben der jüdischen Bewohner Hürbens
gibt am prägnantesten die Aufzeichnung des Rabbiners Schwarz vom 26.
April 1839 Ausschluss: ‚Anno 1839 zählt Hürben 116 Familien und 13
Witwen mit 576 Seelen, 289 männlichen und 287 weiblichen. Diese 116
Familien bestehen aus 1 Rabbiner, 2 Lehrern, 56 konzessionierten Kauf- und
Handelsleuten, 11 Hausierhändlern, 1 Seifensieder, 4 Bäckern, 4
Metzgern, 2 Schustern, 1 Schneider, 4 Tuchmachern, 2 Uhrmachern, 1
Barbier, 6 Ökonomen, 1 Taglöhner, 1 Tuchscherer, 1 Hutmacher, 1
Buchbinder, 1 Glaser, 1 Drechsler, 1 Hafner, 1 Stricker, 1 Lebküchner, 6
Webers, 1 Weißgerber, 1 Kürschner, 1 Spengler, 1 Bürstenbinder, 2
Briefboten. Vor 2 Jahren sind 2 Jünglinge, in diesem Jahr 2 Mädchen nach
Amerika ausgewandert. Die Jugend widmet sich einem Gewerbe. Einige
Studierende und Handlungslehrlinge ausgenommen, sind fast sämtliche
hiesige Jünglinge Handwerkslehrlinge oder Gesellen.’ Die den
Schutzjuden auferlegten Steuern waren benannt:
1. Unbedingtes Schutzgeld, so genanntes Jägergeld, das vierteljährlich,
nach vorhergegangener |
Bekanntgabe
durch den Amtsdiener in der Synagoge beim Markgräflichen Burgauischen
Rentamt zu Günzburg erlegt werden musste. Die ersten 12 Familien, die
Zwölfer genannt, (Stamm der Gemeinde) zahlen zusammen jährlich 100
Gulden, jede weitere ansässige Familie 6 Gulden.
2. Todesfallfeld. Für
jede erwachsene Person, die stirbt 4 Gulden, für jedes Kind die Hälfte 2
Gulden, für jedes tot geborene Kind 1 Gulden zu zahlen.
3. Gansgeld. Ein
jeder Jude, der auch nur ein viertel Haus (für vermutlich. falsch:
Gans) besitzt, hat jährlich 2 gemästete Gänse, ein nur ansässiger
Juden 1 gemästete Gans zu liefern oder den festgesetzten Betrag zu
zahlen.
4. Weingeld. Wer Koscherwein in den Keller bringt, hat die 13.
Maß oder den Preis derselben an die Herrschaft zu geben. Die Fässer
müssen auf ihr Maß geprüft werden.
5. Zahl. Von allen in der Herrschaft
Krumbach er- oder verhandelten Pferden, Vieh, Tieren, Häut und Fellen ist
der festgesetzte Zehnt zu entrichten.
6. Maßgeld geben alle Untertanen
von dem, was dem Maß unterworfen ist.
7. Nachsteuer. Von jedem
verkauften Haus ist die Nachsteuer zu erheben, von 100 Gulden
Kaufschilling 10 Gulden Nachsteuer.
8. Schächtgeld. Von jedem
geschächteten Ochsen oder Rind ist die Zunge, von einem Schmalvieh das
Gelüng abzuliefern.
Forum der Judenschaft. Die Angelegenheiten über die Veräußerung ihrer
Realitäten, Haus und Güter betreffend, gehören vor das
Herrschaftsgericht Hürben. In Schuldklagsachen Jud contra Jud wie auch in
Zeremoniensachen, Erbschaft und Heirat vor den von der Landesherrschaft
bestätigten und bei dem Oberamt der Markgrafschaft Burgau verpflichteten
jüdischen Richter, den so genannten Landrabbiner, dermalen wohnhaft zu
Pfersee; von dessen Bescheid geht die Appellation an bemeldetes Oberamt.
Die von der Gemeinde gewählten zwei Vorstände (Parnosim), der Rabbiner
und der Schulklopfer werden von der Herrschaft bestätigt." |
Rabbiner
Dr. Israel Hildesheimer berichtet über Hürben (1866)
Aus
einem Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai
1866: "Nicht weniger haben sich die Provinzialgemeinden Ichenhausen,
Hürben, Pfersee, Buttenwiesen, Harburg, Mönchsdeggingen, Ederheim u.a.
durch die Tätigkeit der Rabbinen, echt jüdischer Lehrer und Privaten,
diese Liebe zur Tora und die Sehnsucht, ihre Kinder zu den Füßen der
Großen Israels sitzen zu wissen, erhalten. Speziell verdient
hervorgehoben werden a. Hürben (jetzt ca. 70 Familien), wo die
edle Familie Landauer ein Beit HaMidrasch (Talmudschule) gründete
und mit einem reichen Schatze von Torarollen versorgte, und mehrere
Tausende zur Fondation hergab, einen talmudbeflissenen Lehrer Rabbiner
Salmon ... seligen Andenkens akquirierte, den Schülern
Freitische gab und die eigenen Söhne später auf größere Jeschiwot
(auch hierher) sendete. Wohl mag durch den Wegzug der genannten Familie
dieses Institut sehr viel an tatkräftigem Leben eingebüßt haben; indes
besteht dasselbe meines Wissens noch heute fort." |
Anmerkung: Näheres zu der
Talmudschule der Familie Landauer s.u. den Berichten
zu einzelnen Personen, dort u.a. zum Tod von Pessel Landauer. |
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über die Rabbiner in Hürben - Übersicht:
- Rabbiner Jakob ben Mordechai Kahn: bis 1777 Rabbiner in
Hürben; ihm folgte sein Sohn Israel-Isser Kahn im Amt.
- Rabbiner Israel-Isser Kahn (geb. 1749 in Hürben, gest. 1827 in
Hürben): lernte in Ichenhausen, Hohenems, Mannheim und Prag, war von 1777 bis
1827 Rabbiner in Hürben.
- Rabbiner Hayum Schwarz (geb. 1800 in Floß, Oberpfalz, gest.
1875 in Hürben): studierte an der Fürther Jeschiwa, ab 1823 an der
Universität Würzburg; war seit 1827 Rabbiner in Hürben, seit 1828
Bezirksrabbiner ebd., verheiratet mit Henriette geb. Kahn, einer Tochter seines
Amtsvorgängers.
ein Bruder von Rabbiner Hayum Schwarz war der seit 1833 in Jerusalem
ansässige Geograph Rabbiner Joseph Schwarz.
ein Sohn von Rabbiner Hayum Schwarz war Rabbiner Dr. Israel Schwarz (geb.
1828 in Hürben, gest. 1875 in Köln): lernte beim Vater und anderen Rabbinern,
studierte seit 1846 in Heidelberg, Promotion 1851 in Jena; war seit 1853
Distriktsrabbiner in Bayreuth, seit 1857 Rabbiner in
Köln.
Beiträge von
stud.theol. Israel Schwarz (Sohn von
Rabbiner H. Schwarz) und Rabbiner H. Schwarz (1848)
Beitrag in der Zeitschrift
"Der treue Zionswächter"
vom 4. August 1848 |
|
|
|
|
"Sendschreiben
an das teutsche Parlament in Frankfurt am Main, für die Aussprechung der
Judenemanzipation, und ein offenes Wort an den christlichen Klerus. Von
Israel Schwarz, stud.theol."
Beitrag wird nicht ausgeschrieben, bei Interesse: bitte Textabbildung
anklicken.
Anmerkung der Redaktion unten: "Wir verfehlen nicht, das geehrte
Lesepublikum dieser Blätter auf das unter obigen Titel jüngstens in
Heidelberg erschienene, vom Sohne des geschätzten Herrn Rabbiner Schwarz
zu Hürben verfasste Schriftchen, dessen erster Teil wir hiermit ganz
wiedergegeben, aufmerksam zu machen, und den Verfasser, der sich mit
vollkommenem Herzen als der orthodoxen Partei angehörig, frei bekannt,
sowohl in Bezug auf das zeitgemäße und gelungene Schriftchen, als auch
auf fernere in diesen Blättern noch zu erscheinende Arbeiten, dem
geneigten Wohlwollen unserer Leser bestens zu empfehlen." |
Fortsetzung des obigen
Beitrages in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 11.
August 1848 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Beitrag in der Zeitschrift
"Der treue Zionswächter"
vom 18. August 1848 |
|
|
|
|
"Arbeitsamkeit,
eine Anforderung an den Israeliten. Aus dem Vortrage des Herrn
Rabbiners
H. Schwarz zu Hürben" - Wird nicht
abgeschrieben, bei Interesse: zum Lesen Textabbildung anklicken. |
|
|
|
|
Anzeige in der Zeitschrift
"Der treue Zionswächter"
vom 18. August 1848 |
|
|
|
"Durch alle soliden Buchhandlungen, in
Altona durch A. Lehmkuhl, ist zu beziehen:
Drei Vorträge, gehalten in der Synagoge zu Hürben von H. Schwarz,
Rabbiner.
Wir verfehlen nicht auf die 'Drei Vorträge' etc. des bekannten, würden
Herrn Rabbiner Schwarz zu Hürben aufmerksam zu machen, das Zeitgemäße
mit wahrhaft Religiösen vereinend, den gerechten Ansprüchen des
denkenden, frommen Lesers gewiss Genüge leisten werden." |
|
|
Neue
Publikationen von Rabbiner Joseph Schwarz (Jerusalem), des Bruders von Rabbiner
Haium Schwarz (1847 / 1853)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 16. Februar
1847: "Hürben. Von dem berühmten Rabbinern J. Schwarz in
Jerusalem (Bruder unseres würdigen Rabbinen), der schon mehrfach durch
archäologische Arbeiten, sowie durch Herausgabe mehrere Karten des
heiligen Landes dem jüdischen Publikum hinlänglich bekannt ist, ist
jetzt ein neues Werk erschienen. Dasselbe, geographische und antiquarische
Skizzen des heiligen Landes enthaltend, ist bereits vor längerer Zeit in
Jerusalem im Drucke erschienen, durch ein Missverständnis indes bisher
dem europäischen Okzident vorenthalten worden. Da das Werk jetzt bereits
in England angelangt ist, und alsbald nach Deutschland weiter versandt
wird, haben wir schon zuvor die Leser dieses Blattes auf diese
interessante, für jeden religiösen Juden so nützliche, wie
unentbehrliche Arbeit des frommen und gelehrten Verfassers aufmerksam
machen wollen. Wie wir vernehmen, bereitet unser Rabbiner zu gleicher Zeit
eine deutsche Übersetzung dieses Werkes vor." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 23. Mai 1853:
"Im Verlag der hebräisch ant. Buchhandlung von J. Kaufmann in
Frankfurt am Main ist erschienen und durch alle Buchhandlungen, sowie beim
Verfasser, derzeit in Hürben bei Augsburg, zu beziehen:
Das heilige Land nach seiner ehemaligen und jetzigen geographischen
Beschaffenheit, nebst kritischen Blicken in das Karl v. Raumer'sche
'Palästina' von Rabbi Joseph Schwarz aus Jerusalem. Deutsch
bearbeitet von Dr. Israel Schwarz. Mit lithographischen Abbildungen und
einer Karte von Palästina. gr. 8'. XIX. S. 452. Elegant brosch. Preis Rth.
2 - 3 fl. 36 kr.
Dieses ausgezeichnete Produkt, welches die überraschendsten Forschungen
und Entdeckungen in der alten und neuen Geographie Palästinas enthält,
die Leistungen vieler Gelehrten in diesem Gebiete gewissenhaft prüft und
verwirft, wird nicht verfehlen, das Interesse des Publikums im höchsten
Grade zu erregen, zumal der berühmte Verfasser aus ganz unzugänglichen
quellen geschöpft und bei seinem mehr als sechszehnjährigen Aufenthalte
auf dem geweihten Boden seiner Väter derart vollkommen mit allen
Hilfsmitteln zur Erreichung seines Zweckes ausgerüstet war, wie es vor
ihm noch nie ein Geograph des heiligen Landes
gewesen." |
Beilage
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums", Rabbiner Haium Schwarz und
das Rabbinat in Hürben betreffend (1847)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Oktober 1847:
der Beitrag ist noch nicht ausgeschrieben; zum Lesen bitte
Textabbildungen anklicken. |
|
|
|
Anzeige
von Rabbiner Haium Schwarz gegen Dr. Ignaz Landauer (1853)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 27. Mai
1853:
"Anzeigen. Wichtige Anzeige.
Um zu verhüten, dass sich nicht Unbeschnittene untermischen in Israel,
bin ich in die Notwendigkeit gesetzt, hiermit zu erklären, dass Dr. Ignaz
Landauer von hier, gegenwärtig zu Speyer domizilierend, an seinem Sohne Robert
Landauer, geboren den 24. November 1819 die Beschneidung nicht vornehmen
ließ, dieser somit in jeder Beziehung als Unbeschnittener (=
Nichtjude) zu betrachten ist.
Hürben, den 19. Mai 1853. H. Schwarz, Rabbiner." |
Zum
Tod von Rabbiner Dr. Joseph Schwarz in Jerusalem (1865)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 18. April 1865: "Jerusalem. Hier ist der auch in
Europa rühmlichst bekannte Rabbiner Dr. Jos. Schwarz (aus Hürben
in Bayern) verstorben. Seine geographischen Arbeiten über Palästina sind
als Materialien schätzbar." |
Rabbiner Chajim Schwarz hat gesundheitliche Probleme
(1865)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juli 1865: "Hürben
(Bayern). Wegen längeren Unwohlseins bin ich außer Stand, eigenhändig
zu schreiben und muss mich daher der Hand eines anderen bedienen, was Sie
gefälligst entschuldigen wollen. – In Folge einer Zuschrift des
wohllöblichen Zentralkomitees für den Bau von Armen- und Pilgerwohnungen
habe ich am 2. Tage des Schawuotfestes in einem leider sitzend
abgehaltenen Vortrage meine Gemeinde zu abermaligen Spenden für diesen
Zweck aufgefordert. Dieselbe hatte schon vor einiger Zeit 240 Gulden 45
Kreuzer für diesen Zweck gespendet und die neue Kollekte ergab ein
Resultat von 258 Gulden 32 Kreuzer.
Dieses Ergebnis verdient umso mehr Anerkennung, als meine Gemeinde durch
Auswanderung und durch Übersiedelung in Städte in den letzten Jahren
bedeutend abgenommen hat. Nicht weniger ist der Eifer der zwei Herren
Pfleger für Erez Israel, Joseph Landauer und G. Löffler, lobenswert,
welche willig der Mühe des Kollektierens sich unterzogen. Genehmigen Sie
etc. etc. Rabbiner Chajim Schwarz." |
Neujahrsgedicht
von Rabbiner H. Schwarz (1869)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September
1869:
Zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken |
|
Zum 70. Geburtstag von Rabbiner
Hayum Schwarz (1870)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1870 (der Beitrag
ist abgekürzt zitiert): "Hürben, 31. Juli (1870). Geehrter Herr
Redakteur! Es mag den Lesern Ihres geschätzten Blattes vielleicht nicht
unwillkommen sein, wenn sie für einige Augenblicke aus der sie umgebenden
kriegerischen Tagesstimmung herausgerissen nach einem Orte geleitet
werden, in welchem sich ein rührendes Bild des stillen Friedens vor ihren
Augen entrollt, wo unseren Glaubensgenossen, trotz der Wucht der Zeit, die
auf Jedem lastet, dennoch der Sinn offen blieb, eine seltene erhebende
Feier zu begehen. Dem teueren Manne, dem es galt, unserem allverehrten,
weit über die Grenzen Bayerns und Deutschlands hinaus berühmten
Rabbiner, Herrn H. Schwarz, dem gottergebenen, für Sein heiliges Gesetz
begeisterten und durch Wort und Beispiel begeisternden Seelsorger, war sie
umso überraschender, als er selbst in seiner bekannten und selbstverleugnenden Bescheidenheit Alles sorgfältig vermied, was im
entferntesten sie veranlassen könnte, ja sogar seinen Kindern, die am 70.
Geburtstage ihres innig geliebten Vaters in seiner Nähe zu weilen
beabsichtigten, den Wunsch zu erkennen gab, sie möchten doch ihren Besuch
auf einige Wochen später festsetzen. Lediglich einem religiösen Drange
seines frommen Herzens glaubte er sich entledigen zu müssen, als er am
Schlusse seiner gestrigen, uns ewig denkwürdigen Predigt, über Psalm
111, Vers 1 ‚Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen im Rate der
Frommen und in der Gemeinde’, anknüpfend an die Talmudstelle Moed
Katan 28 'Als R. Joseph sechzig Jahre alt wurde, veranstaltete er ein
Fest für die Rabbanan...", seinem Schöpfer den tief empfundenen
Dank aussprach, dass es ihm vergönnt war als Jüngling, als Mann und auch
als Greis, schon 43 Jahre lang 'Jung war ich, bin auch alt geworden'
(Psalm 37,25), an einer und derselben heiligen Stätte Sein geoffenbartes
göttliches Wort zu verkünden, und sich nun beim Eintritt in sein höheres Lebensalter doppelt verpflichtet an die geliebte Gemeinde den
Mahnruf ergehen zu lassen, sie mögen ihren Namen als Stadt und Mutter
in Israel aufrecht erhalten und wahren alle Zeit; die Verwirk- |
lichung
dieses Gedankens allein vermöge ihm dann einst die Scheidestunde, die
jetzt mehr als sonst vor seinem Auge schwebe, denn leicht und froh zu
machen.
In solch echt patriarchalischer Weise gedachte er seinen 70. Geburtstag zu
feiern, und in einer würdigeren Form konnte es in der Tat nicht
geschehen; nur irrte er sich, wenn er glaubte, damit wäre die Sache abgemacht. Die Gemeinde hatte es längst anders beschlossen, sie wollte
nicht passiv bleiben an dem Ehrentage ihres wie ein Vater von seinen
Kindern geliebten Lehrers.
Nach Beendigung des Gottesdienstes, als der Jubilar wie gewöhnlich zur
Abhaltung eines Vortrages in der Chewra Hachnassat Kala in das
Gemeindelokal ging, siehe, das war’s in einen schmucken Festsaal
umgewandelt, an den Wänden prangten herrliche Blumengewinde und
Inschriften und hunderttönig wurden dem Eintretenden Willkommengrüße,
Danksagungen und Segenswünsche entgegen gerufen. Der Saal war angefüllt
bis auf den letzten Mann, aber auch das ganze Haus war umringt; mochte
doch Niemand zurückstehen, alt und jung, hoch und niedrig, Frauen und
Mädchen, Männer und Jünglinge, die Schüler wie die Lehrer wollten ihre
ungeheuchelten Gefühle der tiefsten Verehrung und Dankbarkeit ihrem
geliebten Rabbinen ausdrücken. Erst nachdem die verschiedenen
Exklamationen beendigt waren, traten die Mitglieder des Kultus-Vorstandes
und der Verwaltung vor, um auch ihrerseits und zugleich im Namen der
ganzen Gemeinde ihre Huldigungen darzubringen. Zu ihrem Sprecher ernannten
sie Herrn Gumpertz – der nebenbei gesagt ein ingeniöser Mensch ist, ein
gelehrter und streng frommer Jude – dessen geistreiche Ansprache wir
hiermit auszüglich mitteilen.
Hochgeehrter Herr Rabbiner! Der Gedanke an das zurückgelegte 70.
Lebensjahr kann ein doppeltes veranlassen, ein wehmütiges, wie das bei
den meisten Menschen vorherrschend ist, da die weitaus größere Zeit
ihres Daseins verflossen, oder auch ein beglückendes, frohes und
beseligendes, wenn der Jubilar sich gestehen darf: ich besitze sie alle
noch diese dahingeschwundenen 70 Jahre, sie stehen noch lebendig vor mir,
es ist keines, ja es ist kein Tag von ihnen verloren gegangen
(nachfolgendes hebräisches Zitat aus einem Midrasch in Jalkut Chai
Sara drückt denselben Gedanken aus). Ein Gleiches gilt auch von
Ihnen, hoch verehrter Herr Rabbiner! denn wer wüsste es nicht, wie Sie
während der langen Zeit Ihres amtlichen Wirkens, einer Zeit, die schon
mehr als sechs Jahrwochen umspannt und wir hoffen zu Gott, sie wird noch
Jahrzehnte hindurch sich fortdehnen – ganz und hingebend Ihrem heiligen
Berufe lebten, Tag und Nacht nur der heiligen Tora und den Wissenschaften
oblagen, die Jugend in der Gotteslehre unterrichteten, die Gemeinde in der
Gottesfurcht heranzogen, und Tugend an Tugend, wohl tun an wohl tun
gereiht haben, unermüdlich. Wahrlich keiner Ihrer Tage ging verloren,
jeder brachte Gewinn und Segen... Ein echter treuer Diener Gottes, ein
wahrer Priester des Ewigen Israelis weideten Sie nach der Vorschrift
unserer heiligen Religion das Ihrer Leitung anvertraute Volk in strenger
Gewissenhaftigkeit nach dem Willen und Geiste unserer Propheten. – Wenn
der heilige Leuchter mit seinen sieben Lichtern das Symbol für die sieben
Jahrzehnte ist, die der Ewigkeit entgegenleuchten sollen – und Salomo
hat vielleicht eben darum zehn Leuchter mit sieben Flammen aufgestellt (1.
Könige 7,19), – so dürfen wir es verkünden, dass Ihre 70 Jahre voll
und ganz dem göttlichen Lichte zugewendet waren, dass Sie selbst die
geistigen Lichter angezündet haben, die den Weg nach dem Allerheiligsten
und der ewigen Glückseligkeit zeigen. Erlauben Sie uns bei dieser
Gelegenheit den Wunsch auszusprechen, dass Sie Ihr lehrreiches Werk, aus
dem Sie die wöchentlichen Sabbat-Vorträge halten, den ‚Orech Chajim’
recht bald durch den Druck zu veröffentlichen belieben, damit sich auch
das Gesamtjudentum Ihres geistigen Lichtes erfreue.
Und so empfangen Sie denn Herr Rabbiner, die Versicherung unserer
unaussprechlichen Liebe und Hochachtung. Als einen kleinen Tribut unserer
Dankbarkeit bringen wir Ihnen die auf diesem Tische stehenden silbernen
Leuchter dar, gedenkend einerseits an das Licht der Tora und die
Sonnenstrahlen der Tugend, Wahrheit und Menschenliebe, die Sie uns
allezeit leuchten ließen – denn der Leuchter des Gebotes und der Tora
ist das Licht, und betend andererseits zum allgütigen Vater, dass er auch
das Licht Seiner Gnade auf Ihr teures Haupt herabsende, dass dem edelsten
Greise, den unsere ganze Gemeinde als ihre Krone und ihr köstlichstes
Geschmeide verehrt, ein heiterer, klarer und glücklichen Lebensabend
beschieden sein möge … Amen.
Nachträglich bemerke ich, dass der Redner im Laufe seines Vortrages auf
das seltene Vaterglück des Jubilars hinzudeuten verstand. Sohn und
Tochter seien beide bestrebt, in die Fußstapfen ihres frommen Vaters zu
wandeln. (Ersterer ist Herr Israel Schwarz, Rabbiner in Köln, letztere
die Gattin des gelehrten Bankiers H. Salomon Hirschinger in München.).
Herr Rabbiner Schwarz, den die frohe Überraschung sichtlich sehr
angegriffen, entgegnete in kurzen, aber herzlichen und gemütvollen
Worten. ‚Gewiss, ich verdanke die hohen mir widerfahrenen Ehren an
diesem schönen, unvergesslichen Tage zunächst nur der mir längst
bekannten Liebe und Anhänglichkeit meiner teuren Gemeinde, jedenfalls
mehr der nachsichtsvollen Anerkennung meines guten Willens, als den
geringen |
Verdiensten
meiner schwachen Kraftentfaltung und Wirksamkeit.
Die prachtvollen silbernen Leuchter enthalten in lateinischen Buchstaben
die Inschrift: Seiner Ehrenwürden Herrn Rabbiner Schwarz zum 70.
Geburtstag von der israelitischen Kultusgemeinde Hürben dankbarst
gewidmet. Die Vorsteher des Talmud-Tora-Vereins überreichten nun ein von
Herrn Benjamin Lippschütz in klassischem Hebräisch verfasstes Gedicht
und die Gratulationsbesuche dauerten fast den ganzen Tag hindurch. Die
für den Abend anderweitigen Festveranstaltungen wurden auf den
ausdrücklichen Wunsch des Jubilars, teils wegen der 9. Aw – Woche,
teils wegen der ernsten Zeitverhältnisse inhibiert. Wir schließen
unseren Bericht mit der Hoffnung, dass die gegenseitigen frommen Wünsche
sowohl an dem verehrten Seelsorger wie auch an der würdigen Gemeinde
Hürben ihre bestätigende Erfüllung finden mögen." |
Publikation
von Rabbiner Hayum Schwarz (1872)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Oktober 1872: "Soeben hat die Presse verlassen: Sefer
Orach Haim... (Religions- und Sittenlehre für die reifere israelitische
Jugend, zunächst ein Erbauungsbuch für Schulen und Familien) von
H. Schwarz, Rabbiner in Hürben (Bayern). 16 Bogen. g. 8. Preis
1 fl. 30 Kr. oder 26 Sgr. Zu beziehen bei dem Verfasser und der
Buchhandlung von J. Kauffmann in Frankfurt am Main.
Obstehendes Werk eignet sich ganz besonders zu Vorträgen in Chewaroth
(Vereinen)". |
Hinweis: dieses Buch ist als reprint
weiterhin (seit 2012) erhältlich; siehe
http://www.amazon.de/Sefer-Orach-Chaim-Schwartz/dp/B008QSG0OS
und http://www.amazon.com/Sefer-Orach-Chaim-Hebrew-Edition/dp/B008QSG0OS |
Zum Tod von Rabbiner Dr. Israel Schwarz in Köln (1875)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1875: "Hürben, 21.
März (1875). Die hiesige Heimatgemeinde des dem irdischen Leben so früh
entrissenen Dr. Israel Schwarz – seligen Andenkens, Rabbiner zu
Köln, veranstaltete jüngst eine Gedächtnisfeier in hiesiger Synagoge.
Herr Dr. Aaron Cohn, Rabbiner von Ichenhausen, hielt die Trauerrede in
einem einstündigen, wahrhaft würdigen und alle Gemüter tief
erschütternden Vortrage, wobei es ihm gelang, dem tief gebeugten und
greisen Vater des Verstorbenen, dem hiesigen Rabbiner Herrn H. Schwarz,
balsamischen Trost einzuflößen." |
Zum
Tod von Rabbiner Haium Schwarz (1875)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Mai 1875: "Hürben,
3. Mai (1875). Schon wieder hat der unerbittliche Tod uns tiefe Wunden
geschlagen. Noch ist der Schmerz lebendig um das so frühe Hinscheiden des
so allbeliebten und hoch geschätzten Rabbiners Dr. J. Schwarz in Köln,
und heute ging leider auch dessen Vater, unser hoch verehrter Rabbiner,
Herr H. Schwarz – er ruhe in Frieden – im Alter von 75 Jahren zur
ewigen Ruhe ein. Das ganze Leben dieses Mannes war der Tora und der
Weisung geweiht. Eine Fülle des Wissens vereinte sich in ihm mit der
seltensten Bescheidenheit. Das segensreiche 48jährige Wirken und Leben
des Verblichenen in hiesiger Gemeinde bildet eine ununterbrochene Reihe
edler Handlungen, die ihm in unserem Herzen ein bleibendes Andenken
sichern. Stets unermüdlich in der Verbreitung von unserer Heiligen Tora,
selbst Tag und Nacht ihrem Studium ergeben, verband er mit einer echten,
innigen Frömmigkeit ein edles, allem Guten zugängliches Herz. Viele
Wohltätigkeitsvereine unserer Gemeinde betrauern in ihm ihren Gründer
und Leiter, denn er pflegte sie mit der größten Gewissenhaftigkeit und
Sorgfalt. Sein Leichenbegängnis bewies die allgemeine Trauer um den
teuren Toten. Aus der Nähe und Ferne waren viele Verwandte und Freunde
herbeigeeilt, sämtliche Beamten, Geistliche und der Magistrat von
Krumbach, wie die Verwaltung von Hürben und die Kultusverwaltung von
Ichenhausen schlossen sich aus reiner Pietät für den Verstorbenen dem
unabsehbaren Zuge an. Herr Rabbiner Dr. Cohn in Ichenhausen, vom hiesigen
Kultusvorstand mit Abhaltung der Leichenrede betraut, lieh in einem tief
empfundenen, warmen Nachrufe, worin er die seltenen Tugenden und Vorzüge
des Verklärten schilderte, der schmerzlichen Stimmung der äußerst
zahlreichen Trauerversammlung beredten Ausdruck. Dann sprach Herr Rabbiner
Bamberger auf Fischach über die Stelle … und hob in seiner
vorzüglichen Rede besonders hervor, welche große Anerkennung und
Verbreitung das Werk des Verblichenen Sefer Orech Chajim allseitig
gefunden. Einen erhabenen Abschluss fand diese Feier durch die
Abschiedsrede des Dahingeschiedenen an seine Gemeinde, welche, auf
besonderen Wunsch durch ein Mitglied des Wohltätigkeitsvereins, wozu Herr
Gumperz bestimmt wurde, vorgetragen werden sollte: Wir geben dieselbe hier
dem Inhalte nach wieder:
Zunächst nahm darin der ehrwürdige Rabbiner rührenden Abschied von der
Herde, der er so lange ein treuer Hirte gewesen, dankte für alle ihm
erwiesene Liebe und Treue und bat jeden, den er etwa aus Berufseifer oder
privatim beleidigt haben sollte, um Verzeihung; dann ermahnte er die
Gemeinde, stets eine fromme Kehilla (Gemeinde) zu bleiben,
Einigkeit und Eintracht zu bewahren und die Kinder in Gottesfurcht zu
erziehen; auch dafür Sorge zu tragen, dass die Vereine und
Wohltätigkeitsanstalten in voller Blüte erhalten werden, damit die
Gemeinde in Bezug auf Tora und Gemilut Chassadim (Wohltätigkeit)
ihren altbewährten Beruf sich bewahre. Schließlich führte der
ehrwürdige Greis Worte des Segens hinzu, die von der innigen Liebe
zeugten, welche er stets für seine Gemeinde gehegt hatte.
Diese Worte sowohl wie auch die von den beiden genannten Rabbinen
gehaltenen Trauerreden fanden ungeteilte Aufmerksamkeit und machten auf
alle Anwesenden den tiefsten, hoffentlich bleibenden Eindruck. Der Verlust
solcher Männer, die als hell leuchtende Sterne, Führer und Steuerlenker
nicht bloß dem engen Kreise der eigenen Gemeinde, sondern dem gesamten
Israel belehrend und ratend vorangingen, stellt an die jüngere Generation
die ernste Pflicht, die großen Lücken auszufüllen. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. Mai 1875: "Augsburg,
10. Mai (1875). Wir haben heute über das Hinscheiden eines sowohl durch
seine Gelehrsamkeit, wie durch seinen Charakter und seine Wirksamkeit
ehrwürdigen Greises, des Rabbiners H. Schwarz zu Hürben zu berichten:
Herr H. Schwarz war geboren im Jahre 1800 zu Floß in der
Oberpfalz.
Nachdem er seine Studien in Würzburg vollendet hatte, trat er seine erste
und einzige Stelle als Rabbiner in Hürben an, woselbst er nun seit 48
Jahren segensreich wirkte. Dieser würdige Seelsorger hat besonders
vorzügliche Resultate in seiner Eigenschaft als tüchtiger Schulmann
erzielt; früh und spät war er tätig in der Schule und in seinem Hause,
sodass mit Recht von ihm gesagt werden kann: ‚Er stellte viele Schüler
aus.’ Vergangenen Montag nun, den 4. Mai, wurde er in die ewige Heimat
abberufen, nachdem ihm vor 6 Jahren seine Gattin, vor wenigen Monaten erst
sein einziger, allverehrter Sohn, der selige Dr. Isr. Schwarz, Rabbiner zu
Köln, vorangegangen waren. Dieser herbe Schlag, der den alten Vater so
schmerzlich getroffen, mag wohl das Herannahen seiner Todesstunde
beschleunigt haben. Dienstagnachmittags 5 Uhr wurde die teure Leiche zu Grabe geleitet, nicht nur von den sämtlichen Mitgliedern der Gemeinde,
sondern auch von Deputationen der politischen Gemeinden Hürben und
Krumbach und von den Königlichen Beamten des Bezirksamtes und
Landgerichtes. Ein stattlicher Zug ging hinter dem, vor kurzem auf
Veranlassung des Verlebten, neu erbauten, prächtigen Leichenwagens, in
schönster Ordnung einher. Auf dem Gottesacker angelangt, hielt Herr Dr.
Cohn aus Ichenhausen in schwungvollen Worten die Leichenrede. Nach ihm
sprach Herr Rabbiner Bamberger aus Fischach, in pietätvoller Weise den
Text einem, vom Verstorbenen vor einiger Zeit herausgegebenen Werke
entnehmend. Hierauf verlas Herr Gumperts, ein Mitglied des Sterbevereines
Hürben, auf speziellen Wunsch des nun Verblichenen, rührende, trostvolle
und ermahnende Abschiedsworte, die dieser selbst vor einigen Wochen, als
er das Todesnahen fühlte, an seine Gemeinde gerichtet hatte. Ich kann
wohl sagen, dass kein Auge trocken blieb bei Verlesung dieser Worte,
welche so recht Zeugnis davon ablegen, dass ein Vater gestorben sei,
dessen Verlust die Gemeinde Hürben die Gemeinde Hürben schmerzlich
empfinde. L.K." |
Zum Tod von Rabbiner Mordechai Rosenthaler (1894)
Rabbiner Mordechai Rosenthaler war nicht mehr Bezirksrabbiner von
Hürben.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Februar 1894: "Hürben, 20.
Januar (1894). Nachdem unsere Gemeinde erst kürzlich unseren allgeliebten
Herrn M.S. Landauer durch den unerbittlichen Tod verloren hat, traf uns
schon nach einigen Wochen ein ebenso harter Schlag; unser Lehrer,
Rabbiner Mordechai Rosenthaler, unsern unvergesslichen Magid Mescharim hat
der allgütige Vater zu sich in ein besseres Jenseits abberufen! Ein
Vierteljahrhundert war der edle Verblichene ein eifriges Mitglied der Chewrat
Schass, fast ebenso lange entzückte er durch seine herrlichen
Vorträge in den Vereinen Talmud Tora und Hachnassat Kala
allsabbatlich die Zuhörer. Zu den Gebetszeiten in der Synagoge erschien
er als Erster und verließ sie als Letzter, bis in die tiefe Nacht hinein
forschte er in der von ihm so heiß geliebten Lehre unseres Gottes, die
auch, als schon die Krankheit ihn ans Haus fesselte, nicht aus seinem
Munde wich, als ihn endlich der Tod am 6. Schewat im 74. Jahre
seines Lebens von dem schmerzhaften leiden, das er mit frommer Ergebung in
den Willen Gottes trug, befreite. Wie in Ausübung der religiösen
Satzungen, so war er auch im Handel und Wandel der Prototyp eines echt
religiösen Jehudi. – Da Herr Rabbiner Dr. Cohn – sein Licht
leuchte – aus Ichenhausen erkrankt war, hielt Herr Lehrer Heinemann
dem teuren Heimgegangenen die Grabrede. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens.
Möge Gott unsere nun fast verwaiste Gemeinde vor harten
Schicksalsschlägen in Zukunft bewahren! J." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1845 /
1871 / 1872 / 1909 / 1922
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Februar 1845: "Bekanntmachung.
Auf hoher Anordnung der königlichen Regierung von Schwaben und Neuburg
soll die durch den Tod des Religionslehrers und Vorsängers erledigte
Stelle wieder besetzt werden. Das Einkommen beträgt 550 Gulden in Gold
und einer freien Wohnung im Schulhause. Hiervon sind auf die Dauer von
zehn Jahren 55 Gulden als Absenz, der Witwe des jüngst verlebten
Vorsängers Sänger alljährlich bar zu leisten, welche Abgabe aber auf 27
Gulden 30 Kreuzer vermindert wird, wenn sich genannte Witwe innerhalb der
ersten zehn Jahre wieder verehelichen sollte. Bewerber um diese Stelle
werden hiermit aufgefordert, ihre Gesuche längstens bis zum 16. März
dieses Jahres mit ihren legalen Zeugnissen und Qualifikations-Noten
portofrei an den unterfertigten Kultus-Ausschuss einzuschicken, wobei aber
bemerkt wird, dass Vorstellungen ohne amtlich gefertigte Zeugnisse
durchaus nicht berücksichtigt werden. Die Konkurrenzen haben vor der Wahl
noch eine Probe über ihre Fähigkeiten als Vorsänger an den, von dem
Ausschuss zu bestimmenden Tagen, wofür keine Entschädigung für
Reisekosten etc. geleistet wird, zu erstehen und die von der Gemeinde noch
besonders festgesetzten Bedingungen durch ihre Unterschriften zu
akzeptieren. Hürben, den 26. Januar 1845. Der israelitische
Kultus-Ausschuss." |
1875 wurde ein qualifizierter Schochet
gesucht: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1871: "Ein Schochet,
welcher von einer anerkannten religiösen Autorität Kabbala hat, wird von
hiesiger Kultusgemeinde vorerst auf ein halbes Jahr unter annehmbaren
Bedingungen engagiert. Wenn derselbe die Befähigung besitzt, auch
Kantorstelle zu versehen, so wäre für denselben Aussicht geboten,
späterhin eine definitive Anstellung dahier zu erlangen. Bewerber wollen
sich melden beim israelitischen Kultusvorstand. Hürben, den 18. August
1871." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1872: "Die Stelle
eines Kantors, Toravorlesers und Schächters kommt in hiesiger Gemeinde
bis Mitte März kommenden Jahres in Erledigung. Fixer Gehalt 800 Gulden,
freie Wohnung mit Benützung eines Gartens und nicht unbedeutenden
Nebenverdiensten. Wünschenswert, aber nicht Bedingung wäre, wenn der
Reflektierende seinerzeit öffentliche Vorträge in der Synagoge halten
könnte, wofür ein weiterer Gehalt von 100 Gulden zugesichert würde.
Qualifizierte, religiöse und musikalisch gebildete Bewerber belieben sich
unter Anschluss ihrer Zeugnisse innerhalb 6 Wochen an den Vorstand der
hiesigen Gemeinde zu wenden. Hürben (bei Augsburg), 26. Juli 1872." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. August 1909: "In hiesiger
Gemeinde ist alsbald die Stelle eines Schächters und Synagogendieners
zu
besetzen. Fester Gehalt bei freier Wohnung 650 Mark mit annähernd
gleichem, jedoch nicht garantiertem Nebenverdienst. Bewerber wollen sich
unter Angabe ihres Familienstandes und Beilage von Zeugnisabschriften bei
der Unterzeichneten melden. Krumbach (bayerisch Schwaben (Rabbinat
Ichenhausen). Israelitische Kultusverwaltung." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1922:
"In hiesiger Gemeinde ist die Stelle eines Schächters,
Hilfskantors und Kultusdieners sofort zu besetzen. Mindesteinkommen
Mark 13.000.- und freie Wohnung. Nebeneinkünfte nicht eingerechnet. Die
Stelle gestattet Ausübung eines Nebenberufes. Meldungen unter Vorlage von
Zeugnissen an Israelitische Kultusgemeinde Krumbach (Schwaben)." |
Schwierigkeiten
mit christlichen Büchern im jüdischen Religionsunterricht (1860)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1860: "Aus
Schwaben, im Dezember (1860). Sie schenken dem jüdischen Schulwesen so
viele Aufmerksamkeit, dass Sie gewiss auch folgendem Artikel die Aufnahme
nicht versagen. Die für Elementarschulen in Bayern gesetzlich
vorgeschriebenen Lesebücher sind ausschließlich in katholischem Sinne
geschrieben und größtenteils von katholischen Geistlichen verfasst.
Dieses gilt aber ganz vorzüglich, von der, wie ich glaube, in allen
Schulen eingeführten biblischen Geschichte von Chr. v. Schmid. Wenn auch
dieses Buch in echt kindlicher und wahrhaft gemütlicher Sprache
geschrieben ist, so ist doch gewiss nicht in Abrede zu stellen, dass die
Tendenz desselben eine speziell katholische ist. Die neueste Auflage
dieser biblischen Geschichte ist aber so umgearbeitet, dass sie für
jüdische Schulen geradezu unbrauchbar wurde. Schon seit Jahren trägt der
Unterzeichnete, der diesen Missstand aus eigener Erfahrung genau kennt,
den Wunsch in sich, in jüdischen Elementarschulen geeignetere Lesebücher
eingeführt zu |
sehen, und schon öfters wurde dieser Wunsch von mir öffentlich
geäußert; doch bis jetzt leider ohne Erfolg. – Durch die schon oben
erwähnte neueste Ausgabe der Schmid’schen biblischen Geschichte sind
auch viele Herren Rabbiner auf diesen Missstand aufmerksam gemacht wurden
und Herr Rabbiner Schwarz aus Hürben (Anmerkung: ebenso Herr
Bezirksrabbiner Bamberger zu Würzburg, wie wir seinerzeit berichtet
haben. Die Redaktion) richtete deshalb eine Eingabe an die königliche
Regierung von Schwaben und Neuburg, worauf beschieden wurde, dass fortan
der Unterricht in der biblischen Geschichte ausschließlich Gegenstand der
Religionsschule sein soll; doch damit ist dem Übel gar nicht abgeholfen,
denn es handelt sich ja um Einführung anderer Lesebücher in
Elementarschulen für jüdische Kinder. Der Gegenstand ist wichtig genug
und gemeinsames Handeln würde bald zum erwünschten Ziele führen. Unser
Kultusministerium ist loyal genug, um geeignete in Vorschlag gebrachte
Bücher in Einführung zu bringen, oder doch gewiss die Einführung zu
bewilligen. Bisher wurde die Sache, obwohl oft dazu angeregt wurde, sehr
lau betrieben – wir haben ja Eisenbahnen und nicht Schneckenposten. –
Solche Bücher wirken nach meinem Dafürhalten nicht weniger nachteilig
als Missionsbibeln, und darum verdient der Gegenstand von allen denen, die
ein Wort mitzureden haben, wohl beachtet zu werden. Folgende Bücher
dürften nach meiner unmaßgeblichen Meinung als sehr zweckmäßig einer
königlichen Regierung vorzulegen und zu empfehlen sein: Für die I.
Klasse: kleine Erzählungen aus der biblischen Geschichte von Flehinger,
Rabbiner in Meisenheim. Für die II. Klasse: Kinderfreund von Rabbiner
Herxheimer oder biblische Geschichte von Emanuel Hecht. Für die III.
Klasse: Erzählungen und Belehrungen aus den heiligen Schriften von
Rabbiner Flehinger in Meisenheim. Tun wir das Unsrige! Der liebe Gott wird
seine Hilfe dazu geben. H….r.
(Wir könnten uns mit allen vorgeschlagenen Büchern nicht unbedingt
einverstanden erklären, am wenigsten mit denen sub. Nr. 2; überhaupt ist
uns kein jüdischer Lesebuch bekannt, das nur den billigsten Anforderungen
gesetzestreuer Juden genüge; wir möchten daher unsere fähigen und
begabten orthodoxen Rabbiner und Lehrer, an denen wir ja Gott sei Dank
nicht arm sind, dringend auffordern, dem vorhandenen tief gefühlten
Bedürfnisse abzuhelfen. Bei verhältnismäßig geringer Mühe wird das
Werk äußerst lohnend, wenn es mit Takt und pädagogischer Umsicht
ausgeführt wird; es müsste außer den üblichen Lesestücken zur
Belehrung und Unterhaltung, einen Abriss der jüdischen Geschichte bis auf
unsere Zeit enthalten und müsste auch der jüdisch-deutschen Schrift
Rechnung tragen. Würde jemand ein solches Buch orthodoxen Männern von
Ruf zur Begutachtung vorlegen und deren Empfehlung erlangen, so
versprechen wir unsererseits zur Beförderung und Verbreitung desselben
nach Kräften beizutragen. Die Redaktion)." |
Kantor J. Lachmann wirbt für eine neue Publikation (1899)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1899: "Im
Selbstverlage des Unterzeichneten ist soeben erschienen: Awodat Jisrael
– der israelitische Vorbeterdienst. Vollständige Sammlung
traditioneller Synagogengesänge und Rezitative des süddeutschen Ritus.
1. Teil: Wochentags-Gottesdienst. Fol. 101 S., 170 Nr. Gesammelt und
bearbeitet von J. Lachmann, Kantor in Hürben (Bayern). Preis 5 Mark, für
Kantoren und Lehrer 4 Mark." |
|
Rezension
in der Zeitschrift "Der Israelit" (1900) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1900: "Awaudas
Jisroeil. Der israelitische Vorbeterdienst. Traditionelle
Synagogengesänge des süddeutschen Ritus. I. Teil.
Wochentagsgottesdienst. Gesammelt und bearbeitet von J. Lachmann, Kantor
in Hürben. Selbstverlag. Preis Mark 5.
Durch die Einflüsse der Reform, der Orgel, des Chorgesangs, ist der
jüdische Gottesdienst in seinem musikalischen Teil in den meisten
jüdischen Gemeinden seiner Ursprünglichkeit mehr oder weniger entkleidet
worden, und die Gefahr lag nahe, dass wir bald nicht mehr wissen, das
'traditionell' ist, welche die von unserem Vorvätern überlieferte
Melodie ist. Mit einer seltenen Sach- und Fachkenntnis, mit einem Fleiße,
der Bewunderung und Staunen erregt, hat der Autor sich der Mühe
unterzogen, das ungeheure Material zu sammeln und zu suchten und mit
verblüffendem Kennerblick, mit einer Sicherheit, die man nur durch
ständige, jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Gegenstande erwirbt,
unterschied er aus den zahllosen Variationen das Echte von dem später
hingefügten Beiwerk.
Die uns vorliegende erste Abteilung, 'Wochentags-Gottesdienst', ist
umfassend. Da fehlt nichts. Jedem Lernenden, Lehrenden und Ausübenden im
Kantorate wird Lachmanns 'Awaudas Jisroeil' ein unentbehrlicher Führer,
eine Schatzkammer der Gesänge, in der er nach keinem Nigun (=
Melodie, melodischer Akzent) vergeblich suchen wird, sein. Wir haben an
dem so sehr verdienstvollen Werke nichts auszusetzen, dass dass die
Textkorrektur etwas sorgfältiger hätte vorgenommen werden dürfen. Mit
Spannung erwarten wir das Erscheinen der übrigen Teile, die, wie wir dem
Vorworte entnehmen, im Manuskripte beendet sind. Möge Lachmanns 'Awaudas
Jisroeil' die ihm gebührende, weiteste Verbreitung finden und den
traditionellen Synagogengesang, der nur Zibbur und Sch'liach-Zibbur
(Vorsänger) kennt und fei ist von Orgel und Chorballast, da, wo er im
Niedergang ist, neu beleben und, wo er lebendig ist, ihn in seiner
ursprünglichen, durch viele Jahrhunderte geheiligten Schönheit,
erhalten." |
|
Rezension
in der Zeitschrift "Der Israelit" (1902) |
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. August 1902: "Awaudas
Jisroeil.' Der israelitische Vorbeterdienst. Traditionelle
Synagogengesänge des süddeutschen Ritus. I. Teil.
Wochentags-Gottesdienst. Gesammelt und bearbeitet von J. Lachmann, Kantor
in Hürben. (In Kommission bei Goldschmidt, Hebräische Buchhandlung,
Basel.).
Beitrag wird nicht ausgeschrieben - bei Interesse bitte Textabbildungen
anklicken. |
|
Zum
Tod von Lehrer und Kantor J. Lachmann (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Mai 1900:
"Hürben (Bayern). Am Dienstag, den 17. Mai entschlief zu seinen
Vätern der allseits hoch geehrte und geschätzte Kantor Herr Js.
Lachmann, im Alter von 62 Jahren. Dem Schmerze und der Trauer um den
Dahingeschiedenen gab Herr Rabbiner Dr. Cohn - Ichenhausen am Grabe
beredten Ausdruck. Mit tränenerstickter Stimme schilderte er dessen
pflichtgetreues Wirken als Kantor in hiesiger Gemeinde, wie der
Verblichene voll Andacht und Inbrunst die traditionellen Weisen vortrug
und durch seinen Gesang und Vortrag die Besucher des Gotteshauses
begeisterte. An allen Vorgängen des gemeindlichen Lebens, von der Wiege
bis zum Grabe, teilnehmend, erwarb er sich die Achtung und die Gunst
seiner Gemeinde, die sich auch durch die zahlreiche Beteiligung bei der
Beerdigung auch seitens der nichtjüdischen Bevölkerung bekundete; galt
es doch, einem treu besorgten Gatten und Vater, pflichttreuen Beamten und
aufrichtigen Menschenfreunde die letzte Ehre zu erweisen. - Ein besonderes
Verdienst erwarb sich der Verstorbene durch die Sammlung und Bearbeitung
der traditionellen Synagogengesänge im süddeutschen Ritus, welche er mit
großem Fleiße und seltener Fachkenntnis vollführte. Der vor kurzem
erschienene 1. Band fand die beifälligste Aufnahme und wurde auch im
'Israelit' rühmend beurteilt." |
Todesanzeige
für Hauptlehrer Isidor Kahn (1930)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Dezember
1930: "Unser allverehrter Lehrer und Kantor Herr Hauptlehrer Isidor Kahn
wurde heute, allzu früh für unsere Gemeinde, aus seinem Wirkungskreise
abgerufen. Mehr als drei Jahrzehnte hat der Verblichene in vorbildlicher
Pflichterfüllung, hingebender Treue und wahrer Nächstenliebe seines
Amtes als Lehrer und Seelsorger gewaltet. In tiefer Wehmut stehen wir an
der Bahre dieses schlichten, vornehmen und gütigen Mannes, dessen
Andenken in verehrungsvoller Dankbarkeit und unauslöschlicher Erinnerung
in uns fortleben wird. Krumbach, den 20. November 1930.
Die israelitische Kultusgemeinde. J. Spanier, Vorstand." |
Links: Isidor Kahn in der Synagoge in Hürben. |
Zum Tod von Lehrer Isidor Kahn
(1930)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Januar
1931: "Hauptlehrer Kahn (Krumbach) – er ruhe in Frieden. Am 20.
November ist Herr Hauptlehrer Isidor Kahn von Krumbach (geboren zu
Burgpreppach) im 67. Lebensjahre aus seinem Wirkungskreise abberufen
worden, ‚allzu früh für seine Gemeinde, der er mehr als drei
Jahrzehnte in vorbildlicher Pflichterfüllung, hingebender Treue und
wahrer Nächstenliebe als Lehrer und Seelsorger’ gewidmet hatte. Kein
Wort in dem warm empfundenen Nachruf des Vorstandes seiner Gemeinde ist
ohne tiefste innere Wahrheit und Berechtigung ausgesprochen. Hauptlehrer
Kahn – er ruhe in Frieden – gehörte zu der alten Garde
aufrechter, liberal denkender Lehrerpersönlichkeiten, deren Stolz ihr
Beruf, deren Stärke ihr Charakter und deren Größe ihr reines
Menschentum ausmachte. Er war begeistert für die Ideale seines Standes,
ein Lehrer von vorbildlichem Streben nach Vervollkommnung und
Berufstüchtigkeit, ein Chasen (Vorbeter) von feinem Verständnis und
beachtlichem Können, ein Menschenfreund und Seelenarzt – und dabei
allzeit ein froher Kamerad und ein treuer Freund jedem, der, von der Güte
seines Herzens oder dem Zauber seiner geschlossenen, abgerundeten
Persönlichkeit bezwungen, sich ihm erschloss. Kahn hat fast seine ganze
gesegnete unterrichtliche Tätigkeit an der jüdischen Volksschule (zuerst
in Fellheim, dann in Hürben bzw. Krumbach), sich auswirken lassen
können. Als vor wenigen Jahren seine Volksschule von der Regierung von
Schwaben aufgelöst wurde, blieb er der Religionslehrer seiner Gemeinde.
Er war verwachsen mit seiner Gemeinde und all ihren Institutionen wie
selten einer; daneben bewahrte er sich die Weite des Blicks für alle
Fragen des Gesamtjudentums, dem er sich unlöslich verkettet fühlte, wie
für die Schicksalsfragen seines deutschen Vaterlandes, dessen treuester
Söhne einer er gewesen ist. Darüber hinaus fand er Zeit für mannigfache
soziale Betätigungen, insbesondere für die Betreuung des Münchener
Ferienheims in Krumbach. – So ist die Trauer seiner Gemeinde um den
Verlust dieses seltenen Mannes nur zu begreiflich. Man muss es gesehen
haben, wie dem Verewigten die Hochschätzung und Verehrung seiner
Gemeindeangehörigen wie eine reife Frucht zufiel, um die Aufrichtigkeit
ihrer Klage in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Aber auch die Schar seiner
Kollegen trauert um den frühen Heimgang ihres Amtsbruders; denn sein Herz
schlug warm für alle ihre Bestrebungen, sein gastliches Haus stand jedem
offen, den der Weg ins Schwabenland führte, seines Rates und seiner Hilfe
konnte sicher sein, wer ihrer bedurfte.
Nun ruht er aus im stillen Frieden des so idyllisch gelegenen Besolom
(‚Haus der Ewigkeit’ = Friedhof) der alten Hürbener Gemeinde, der
andächtige Verehrer der Kunst, der begeisterungsfähige Bewunderer der
Natur, der schlichte Diener seines Gottes, der gütige Gatte und Vater,
der liebenswerte Mensch und Freunde. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens. Bl., Nürnberg.
Am Grabe widmete Kollege Hammelburger (Ichenhausen) im Namen des
Jüdischen Lehrervereins für Bayern und der Bezirkskonferenz Schwaben dem
heimgegangenen Freunde herzliche Abschiedsworte des Dankes und der
Verehrung." |
Über Lehrer
Walter Seligmann
Walter Seligmann war nach dem Tod von Isidor
Kahn der letzte Lehrer an der jüdischen Schule in Hürben. Nach 1935 zog
die Familie nach Gailingen, wo Walter
Seligmann Direktor des jüdischen Altersheims "Friedrichsheim"
wurde. Nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938, in deren Verlauf
Walter Seligmann in das KZ Dachau verschleppt wurde, entschloss sich die
Familie zur Auswanderung. Sie wollten nach Palästina emigrieren, doch
waren für die damals illegale Einwanderung keine Kinder an Bord der
Schiffe erlaubt. Nachdem Walter Seligmann und seiner Frau Berta zugesagt
wurde, dass ihre Tochter Henny (geb. 1927) und der Sohn Herbert (geb.
1935) zusammen mit einigen anderen Kindern in die Schweiz nach
Diessenhofen gebracht würden, verließen sie am 20. Februar 1939
Deutschland. Aus ungeklärten Gründen konnten die Kinder nicht in die
Schweiz gebracht werden und kamen einige Zeit später in das Jüdische
Kinderheim nach Köln. Die Tochter Henny konnte dank einer Frau, die sich
als ihre Tante ausgab, Deutschland noch verlassen. Der Sohn Herbert wurde
von Köln 1942 nach Minsk deportiert und ermordet. |
Quelle: Gailingen. Geschichte
einer Hochrhein-Gemeinde. Band 98 der Reihe Hegau-Bibliothek des
Hegau-Geschichtsvereins. Gailingen 2004. S. 446-447. |
|
Links:
Artikel im "Mittelschwäbischen Boten vom 7. Dezember 1996: "'Ich
sagte ihm nicht Auf Wiedersehn'. Henny Selig aus Krumbach floh vor den
Nazis: Zwei Bücher über Juden in Schwaben.
Krumbach (ltz). 'Wenn ich in Krumbach bin und die Leute alle so nett
und freundlich sind, dann denke ich: Ja, das ist heute so. Aber was ist
damals gewesen? Da hätte keiner einen Finger für einen gerührt,
keiner.' Henny Seligmann heißt die Frau, die das sagt. In den dreißiger
Jahren lebte sie in Krumbach. Am 26. Februar 1935 wurde ihr Bruder Herbert
geboren, in Krumbach. Heute lebt die Jüdin in Israel. Ihr Bruder ist tot.
Der damals siebenjährige Herbert wurde von den Nazis
ermordet..."
Zum weiteren Lesen des Artikels bitte Textabbildung
anklicken.
(Der Artikel wurde zur Verfügung gestellt von Rudolf V. Ruter) |
Der Artikel oben zur Geschichte der
Tochter von Lehrer Walter Seligmann erschien anlässlich des Erscheinens
eines Buches von:
Gernot Römer: "In der Fremde leben meine Kinder...".
Lebensschicksale kindlicher jüdischer Auswanderer aus Schwaben unter der
Naziherrschaft. 134 S. Verlag Wißner 1996. 18,00 €. |
Kleinere Beiträge aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
vgl. Berichte zur
Geschichte der Synagoge in Hürben
Über den "Humanitätsverein" in Hürben
(1838)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Februar 1838:
"Aus
Bayern, Februar. Humanitätsverein zu Hürben. Zu Hürben haben mehrere
Israeliten, in der Überzeugung, dass die aufstrebende Jugend, namentlich
die armen Jünglinge, für Gewerbstätigkeit und Bürgersinn empfänglich
gemacht werden müsse, wenn anders sich dieselbe zu einem echt
bürgerlichen Leben entfalten solle, einen ‚Verein für Industrie und
Humanität’ gestiftet, dessen Statuten unterm 28. März 1837 von Seiner
Majestät dem Könige genehmigt worden sind. Der Zweck dieses Vereins ist
einerseits die Gewerbstätigkeit, und andererseits die bürgerliche
Bildung unter den Israeliten – vorzüglich im Orte selbst – zu
befördern. Die Bestimmung des Vereines ist also: arme israelitische
Jünglinge zur Erlernung irgendeines bürgerlichen Handwerkes durch
Geldunterstützung behilflich zu sein, und unter den Vereinsgliedern
selbst in wöchentlichen Versammlungen und durch sonstige Veranstaltungen
Bürgersinn und gesellige Bildung zu verbreiten. Ordentliche Mitglieder
sind diejenigen, die sowohl dem Wohltätigkeits- als dem Bildungszwecke
beipflichten; Ehrenmitglieder aber diejenigen, welche aus ehrenwertem
Wohltätigkeitssinne bloß den Gewerbefleiß armer Israeliten befördern
wollen. Wenn es die Beschaffenheit des disponiblen Fonds gestattet, so hat
der Verein sein Augenmerk auch darauf zu richten, einen oder mehrere
talentvolle Jünglinge, die er aus seinen Mitteln in die Lehre zu einem
Handwerke tun will, jährlich in die Kreisgewerbs- oder auch in die
Weberschule nach Augsburg zu senden. Der vom Vereine begünstigte
Jüngling und dessen Vorgesetzter haben sich schriftlich zu verpflichten,
dass er das einst erlernte Handwerk auch bürgerlich betreiben, und dass,
im Falle er sein Handwerk nicht ausübe, und keine unübersteigbaren
Hindernisse da sind, die ihn desselben entledigen könnten, er das vom
Vereine bezahlte Lehrgeld, diesem wieder zurückzahlen müsse. – Zur
Beförderung der Humanität versammeln sich die ordentlichen Mitglieder
jeden Sabbat- und Feiertag in einem besonderen Lokale, und werden zu
diesem Behufe zweckmäßige Bücher, Gewerbsbücher und Zeitschriften,
welche über die bürgerlichen und religiösen Angelegenheiten der
Israeliten abhandeln, und zu belehrenden Vorträgen sowie zur geselligen
Bildung benutzt, und unter den Mitgliedern verbreitet werden, angeschafft.
– Die Mittel des Vereines sind die Beiträge seiner Mitglieder,
wöchentlich jede Person sechs Kreuzer. Es werden aber Spenden und
Stiftungen von jeder anderen Person angenommen. Diese Stiftungsgelder,
sowie die wöchentlichen Beiträge der Ehrenmitglieder dürfen nur zu
Lehrgeldern für arme Israeliten verwendet werden. Der Vorstand besteht
aus einem Vorsteher, der stets ein Handwerker sein muss, einem Sekretär,
einem Kassierer und einem Ausschuss von vier Personen. Das aufgenommene,
ordentliche Mitglied muss wenigstens zwei Jahre im Vereine bleiben, und
also ebenso lange die Pflichten und Lasten des Vereines mittragen. – Wir
schließen mit dem Wunsche, dass der Verein herrlich gedeihen und sich
ausbreiten möge, und dass noch viele andere Gemeinden diesem gewiss guten
Beispiele nachfolgen sollten. ‚Wenn du dich nährst von deiner Hände
Arbeit, wohl dir! Du hast es gut.’ Psalm 128,2." |
Rabbiner
Wechsler aus Schwabach ist zum Kuraufenthalt in Krumbach und predigt in der
Synagoge in Hürben (1849)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 31. August
1849: "Hürben, 25. Juli (1849). Wir haben schön längere
Zeit einen ehrenwerten Gast in unserer Mitte. Herr Rabbiner Wechsler aus Schwabach
beehrte das eine Viertelstunde von hier liegende Bad Krumbach. Vergangenen
Schabbat hielt er auf Einladung unseres geschätzten Herrn Rabbiners Schwarz
eine Predigt, die an zwei Stunden dauerte. Wenn in derselben auch auf
oratorische Ausschmückung weniger Gewicht gelegt wurde, so empfahl sie
sich doch durch Tiefe des Gefühls, durch Wärme des Ausdrucks, durch
wahrhafte Überzeugung, und war in dem Munde solches würdigen Mannes eine
sehr ergreifende. Er behandelte darin die Vernachlässigung mehrerer
frommer Gebräuche." |
50-jähriges
Jubiläum des Israelitischen Frauenvereins (1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Februar 1887: "Hürben. Am Schabbat
Paraschat Toledot feierte der hiesige israelitische Frauenverein sein
50-jähriges Jubiläum. Herr Rabbiner Dr. Cohn aus Ichenhausen hielt
anlässlich dieser Feier eine mit allgemeinem beifalle aufgenommene
Rede." |
Ausschreibungen
der Synagogendienerstelle (1901 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Juni 1901: "In
der hiesigen Gemeinde ist die Synagogendienerstelle alsbald zu besetzen.
Festes Gehalt 400 Mark, freies Brennmaterial und nicht unerhebliche
Nebenverdienste. Ledige Bewerber und solche, welche eventuell als Schochet
und Baal Kore Aushilfe leisten können, werden bevorzugt.
Reflektanten wollen unter Angabe ihrer Personalien ihre Gesuche innerhalb
drei Wochen anher richten.
Hürben (bayerisch Schwaben), 18. Juni.
Israelitische Kultusverwaltung." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1904:
"Die israelitische Gemeinde Krumbach (früher Hürben) sucht
zum baldigen Eintritt einen
Schochet und Synagogendiener.
Festes Gehalt 600 Mark nebst erheblichem Nebeneinkommen, sowie
Brennmaterial- und Wohnungsentschädigung. Bewerber wollen sich unter
Angabe ihres Familienstandes anher melden.
Krumbach (Bayern), den 24. Mai (1904). Israelitische
Kultusverwaltung." |
Hürben empfiehlt sich für Erholungssuchende (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1902: "Hürben
(bayerisch Schwaben) wird bei der bevorstehenden Reisezeit
Erholungsbedürftigen, die in gesunder, waldreicher Gegend einige Zeit
verbringen wollen, angelegentlichst empfohlen. Der Ort ist umgeben von den
herrlichsten Buchen- und Fichtenwäldern, durch die ausgedehnte
Spazierwege führen. Die Luft ist sehr rein und außerordentlich reich an
Ozon. Das 20 Minuten vom Orte entfernte Krumbad, 550 Meter über dem
Meeresspiegel gelegen, weist großartige Heilerfolge auf, namentlich bei
rheumatischen Leiden und Frauenkrankheiten. Hürben besitzt gut
eingerichtete Gasthäuser und billige Privatwohnungen. Das Cafe- und
Weinrestaurant von S. Weil ist streng koscher und stehen beste Referenzen
zur Seite. Allenfallsige Anfragen beantwortet bereitwilligst die
Vorstandschaft des Verschönerungsvereins Hürben." |
Hürben wird nach Krumbach eingemeindet (1902)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Oktober 1902:
"Hürben,
im Oktober (1902). Die letzten Tage unseres dahingegangenen Jahres haben
der einst so berühmten ‚frommen Gemeinde’ Hürben – in politischer
Beziehung wenigstens – das Lebenslicht gelöscht. Hürben hat sich mit
der Nachbargemeinde Krumbach unter diesem Namen zur Stadt vereinigt. Die
anlässlich dieser Vereinigung auf den 1. Oktober angesetzten
Feierlichkeiten wurden durch anerkennenswertes Entgegenkommen der
Behörden den jüdischen Mitbürgern zuliebe bereits am 28. und 29.
vorigen Monats begangen und verliefen im Beisein des
Regierungspräsidenten, des Bezirksamtmannes, der sonstigen königlichen
und städtischen Beamten, der Geistlichkeit aller Bekenntnisse, der
Kultusvorsteher etc. in glänzender Weise. Dem Gottesdienste in der
Synagoge folgte der in der Kirche, und daran schlossen sich die mancherlei
sonstigen Festveranstaltungen. Wir wünschen, dass das seit vielen
Menschenaltern mustergültige Zusammenleben und Zusammenwirken
christlicher und jüdischer Bürger der bisher politisch getrennten Gemeinden
Krumbach und Hürben für alle Zeiten in der nunmehrigen Vereinigung
bestehen bleiben möge. – Wie selten schön diese Harmonie oft zu Tage
trat, davon nur ein Beispiel, an das Schreiber dieses gelegentlich seiner
Sommerfrische kürzlich in Hürben erinnert wurde. Auf das Hungerjahr 1847
folgte 1848 in Bayerisch-Schwaben eine überreiche Ernte. Die Krumbacher
und Hürbener Bauern wollten sich durch einen besonderen Festgottesdienst
dankbar erweisen, aber der unwirsche Pfarrer von Krumbach verweigerte das
Öffnen der Kirche; da wandte man sich an den damaligen Rabbiner Schwarz,
und der veranstaltete in der Synagoge, nachdem die Bauern mit ihren
geschmückten Erntewagen vorgefahren, einen noch heute von den Alten viel
besprochenen Dankgottesdienst. Vieles dergleichen ließe sich noch
erzählen – wenn der Verfasser ihrer ‚Reiseplaudereien’ einmal in
das vormalige Hürben käme, er entdeckte dort eine wahre Fundgrube
fesselnden Stoffes aus alter und neuer Zeit. Und von dieser letzteren
möchte ich zum Schlusse nur das in diesem Sommer erbaute Münchener
Ferienheim erwähnen, um das sich nicht nur Münchener Herren und Damen,
sondern auch die Hürbener Frauen ganz besonders verdient gemacht
haben." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. November 1902:
derselbe, etwas gekürzte Bericht erschien in der Zeitschrift "Der
Israelit" |
Vortrag über
die "Freie Vereinigung" (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1908:
"Krumbach (Bayern), 9. März (1908). Gestern Abend beehrte uns Herr
stud. med. Ehrman aus München in der 'Restauration Weil' mit einem
hochinteressanten Propagandavortrag über die 'Freie Vereinigung', Nach
einigen schönen einleitenden Worten gab uns der Redner in kurzen Umrissen
ein klares Bild von den Zielen und Erfolgen der Vereinigung. Seine von
Herzen kommenden Ausführungen machten auf die Versammlung einen tiefen
Eindruck, und reicher Beifall seitens der Versammlung lohnte den Redner.
Nach der regen Debatte, die dem jugendlichen begeisterten Redner
Gelegenheit gab, sich als großartiger Diskussionsredner zu zeigen, traten
beinahe alle anwesenden Damen und Herren dem Vereine als Mitglieder
bei." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über
den in Hürben 1783 geborenen und später in Osterberg ansässigen Moses
Binswanger (Familiengeschichte)
Um 1835/40 lebte in
der Judengasse 22 in Osterberg der in Hürben 1783 geborene Handelsjude
Moses Binswanger mit seiner Familie (vgl. Übersicht oben). Er war mit
Blümle (Schenle) geb. Goetz verheiratet. Seine Söhne Jacob und
Oswald Binswanger verzogen mit ihren Familien 1863 nach Augsburg.
Die beiden waren Teilhaber der bereits in Osterberg gegründeten Firma
"Jacob Binswanger & Cie., Augsburg. Dampfbrennerei, Likör- u.
Essigfabrik - Cigarren, Weine, Fruchtsäfte" (siehe Briefbogen links,
aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries).
Die Firma bestand bis zur zwangsweisen Schließung in der NS-Zeit 1938.
Rolf Hofmann hat Übersichten zur Familiengeschichte/Genealogie erstellt:
Family
Sheet Moses Binswanger of Huerben + Osterberg (pdf-Datei)
Family Sheet Oswald Binswanger of Osterberg + Augsburg (pdf-Datei). |
Nachruf zum Tod von Pessel Landauer (1862)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Januar 1862: "Nachruf! Wenn
nicht die moderne, sondern die Jahrtausende hindurch ausschließlich
herrschende Auffassung von der Aufgabe des einzelnen Juden eine wahre und
richtige ist; wenn Entfaltung äußeren Prunkes und blendenden Glanzes ein
dem Judentum fremdes Element ist, und das wahre jüdische Wesen in dem
Leben in Gott besteht, in dem Anbau der inneren Welt, in der Geistespflege
und Gemütsveredelung; wenn demnach die wesentlichen Merkmale einer
jüdischen Größe nicht die Umfangsgröße der so genannten jüdischen
Novellen und Romane, nicht die Zahl der Petitionen, nicht die lange Reihe
von Jahren stadträtlicher Funktion – auch nicht der kostspielige Bau
prachtvoller ‚Tempel’, sondern Frömmigkeit, Bescheidenheit, Liebe zu
Gott, ungeheuchelte Treue gegen seine heilige Lehre, wahre Ehrfurcht vor
deren Trägern, Wohltätigkeit im wahren Sinne des Wortes jene talmudisch
jüdische Wohltätigkeit, die ihren Ausdruck in der Förderung der Tora,
der Brautaussteuer usw. findet, wenn diese Eigenschaft die wesentlichsten
Merkmale einer jüdischen Größe bilden: so hat die zwar kleine, aber
wegen ihrer Wohltätigkeit weit bekannte Gemeinde Hürben – und mit ihr
die gesamte jüdische Orthodoxie – gegen Ende vorigen Monats durch den
Tod ihres allgemein geachteten, geehrten und geliebten Mitgliedes, der
Frau Pessel Landauer, den Verlust einer jüdischen Größe ersten Ranges
erlitten. Schon früh in dem Alter, wo die meisten Menschen noch
tändeln, hatte diese edle Seele, angeregt und gehoben von dem innigen,
gefühlvollen Familienleben im elterlichen Hause, das unter den
bedeutendsten, durch Glaubensstärke und die ausgedehnteste
Gastfreundschaft ausgezeichnetsten jener Gegend eine hervorragende
Stellung einnahm, die auch für ein reiferes Alter nicht leicht zu
fassende Aufgabe einer jüdischen Frau in der ganzen Bedeutung des Wortes
erfasst; und von nun an kannte sie keinen höheren Wunsch, hatte sie kein
anderes Ziel, als ihr Leben durch eine Verwirklichung jener hohen Aufgabe
zu verklären. Und da ihr bald – sie heiratete nämlich nach damaliger
jüdischer Sitte im sechzehnten Jahre – das große Glück zuteil
geworden, in den bedeutenden Glücksgütern und der
Aufopferungsbereitwilligkeit ihres nicht weniger wegen seines frommen
Wirkens als seines Reichtums namhaften Mannes, Raphael Landauer, die
größte Aufmunterung und die sicherste Stütze gegen alle Hindernisse,
die sich einer solchen Lebensaufgabe entgegenzustellen pflegen, zu finden;
so vermochte ihren, namentlich bei ihrem Geschlechte so seltenen
willensstarken Charakter, der zwischen Wille und Handlung keine Brücke
kannte, für den Gedanke und Tat zusammenfielen, während ihres langen,
ereignisreichen Lebens Nichts, kein Opfer, kein noch so gewaltiges
Ereignis von der einmal eingeschlagenen Bahn abzulenken. Diese glänzende
Laufbahn eröffnete sie damit, dass sie das von ihrem Vater und ihrem
Manne mit großem Kostenaufwand errichtete und mit einem entsprechenden
Legate bedachte Beth HaMidrasch (Toralehrhaus) in Hürben – woran
selbst sie keinen geringen Anteil hatte – mit Betten, Polstern und
Bettflaschen versag und mehrere mittellose Talmudbeflissene dieser Anstalt
beständig, das ganze Jahr hindurch an ihrer Tafel hatte. Diese, sich aufs
Kleinste erstreckende und ins Einzelne gehende Fürsorge war bei ihr aber
nicht, wie man es sonst im Leben gewöhnlich bei den in der Regel mit
Launen geplagten Reichen findet, eine ausschließliche
Lieblingsbeschäftigung, auf die sie sich gar viel zu gut getan und alles
Andere vernachlässigt hätte; vielmehr erfreuten sich alle
Hilfsbedürftigen, die sich einmal an sie gewandt und ihre Unterstützung
in Anspruch genommen hatten, ununterbrochen und pünktlich ihrer
vertraulichen, warmen und wohltätigen Teilnahme. Wie manchem Armen wird
nicht die so Geistesstärkende und Gemütserhebende sabbatliche Feier zur
wahren Qual durch die ihn die ganze Woche peinigende Sorge, am Sabbat, dem
Tage der Ruhe und Erholung, die an sich schon so drückende Leiden der
Entbehrung noch durch das demütigende Bewusstsein, mitten in der
freudigen Gemeinschaft und vergnügten Gesellschaft sein Elend zur Schau
tragen zu müssen; bis zur Verzweiflung gesteigert zu sehen! Vielen
Dürftigen Hürbens aber war dieses traurige Gefühl ganz fremd; denn sie
wussten, die für sie unermüdliche Frau Landauer habe schon für Kiddusch
Wein, Fische, Mehl und Öl gesorgt. Auch konnten sich dieselben den
angenehmen Augenblick des Freudenfestes, des Sukkot
(Laubhüttenfest), welches Fest durch den Hinblick auf sein Gefolge, den
Winter, für so viele der Unglücklichen seine Bedeutung verliert, ganz
ungestört hingeben; in der festen Überzeugung, dass auch diesmal, wie
alljährlich ihre Wohltäterin für das beste Holz gesorgt habe; hatte
doch dieselbe ihren Wald zu ihrem Gebrauch bestimmt! Als besonders
bezeichnend für die Art und Weise, wie ihr heller Geist den tiefen Gehalt
der väterlichen Religion aufgefasst, verdient wohl folgender Zug
hervorgehoben zu werden. Ohne Unterschied der Konfession erhielten alle
unvermögenden kranken Hürbens Suppen und zur Zeit der Rekonvaleszenz
Fleisch. Aber ihr wohltätiges, wachsames Auge beschränkte sich nicht nur
auf Hürben allein. Die von ihr in die Nähe und die Ferne regelmäßig
geschickten, bedeutenden Spenden verbreiteten so ihren Namen, erweckten
solches Vertrauen auf ihre wohltätige Hand, dass man sie höchst selten
ohne drei Gäste aus den entferntesten Gegenden in der vertraulichsten
Tischgesellschaft fand. Bei solchen Gelegenheiten wäre es dem Ankömmling
durch die Einfachheit ihrer Kleidung, da sie als echte Jüdin keinen
anderen Luxus, als der der Gerechtigkeit kannte, durch eine ungezwungene
Haltung schwer gefallen, unter den Anwesenden die gepriesene Frau
herauszufinden. Musste man aber ihr ungekünsteltes Wesen, ihre
Leutseligkeit und Demut schon im gewöhnlichen Umgange bewundern, so
glaubte man seinen Augen nicht trauen zu dürfen, wenn man ihr Benehmen
eine Talmudschüler gegenüber betrachtete. In solche Augenblicken nahm
ihre schlanke, große Figur, die durch den Seelenadel und des Bewussten
eines sittlich reinen, tugendhaften Lebens eine in unserer Zeit höchst
seltene imponierende Erscheinung dar- |
bot,
den diesem Alter und dieser Bildung fremdartigen, und doch für ihr Wesen
so zierlichen, lieblichen und interessanten Ausdruck der kindlichen
Ehrerbietung und ehrfurchtsvollen Scheu an, mit der größten Spannung und
der unschuldigen gemütlichen Wissbegierde horchte sie auf jeden Laut des
gottesfürchtigen und gelehrten Mannes; im Bewusstsein der geistigen
Überlegenheit ihres Schützlings wagte sie es nicht, demselben mit
eigener Hand die reichliche Spende zu überreichen, aus Furcht, diesen
dadurch sein unbeneidenswertes Los recht fühlbar zu machen. Vergnügen,
die sie sich selbst nicht gönnte, wurden dem Gelehrten ohne besondere Aufforderung bereitet; Gefälligkeiten, die sie ihren
eigenen Kindern versagt haben würde, erhielten jene in reichlichster
Fülle.
Nicht die Furcht, es möchte die fernere Schilderung dieser fast
beispiellos frommen und tugendhaften Frau übertrieben gefunden werden,
verbietet die genaue Beschreibung alles dessen, was sie für das
Gotteshaus, was sie für unbemittelte Bräute getan, deren es nicht wenige
gab, der der reichlichen Beisteuer der unermüdlichen Wohltätigkeit
dieser edlen Frau eine glückliche Ehe zu verdanken haben – eher habe
ich von allen denen, die das Glück hatten, sie genauer zu kennen, den
Tadel der Überschätzung eigener Kraft zu erwarten; ein Tadel, der meine
schwache und dieser Aufgabe gewiss nicht gewachsene Feder mit Recht
treffen würde, wenn ich nicht erst nach ziemlich langem vergeblichem
Warten auf einen Nachruf von einer anderen geschickteren Hand endlich
eingedenk jenes poetischen, auch hier, wenn auch in einem anderen Sinn,
anwendbaren Satzes: ‚si natura negat, facit indignatio versum,’ meine
Feder hierzu geliehen hätte – sondern die Rücksicht auf den einem
Nekrolog zugemessenen Raum, die ich ohnedies schon überschritten haben
dürfte. Doch, geehrter Herr Redakteur! Im Vertrauen auf Ihren echt
jüdischen Sinn, vermittelst dessen allein man die Gefühle eines den
Verlust einer solchen Person betrauernden Freundes zu würdigen imstande
ist, erlaube ich mir noch folgende Schlussbemerkung. Wenn man nach dem
kurz gezeichneten Umrisse dieses seltenen Lebens von der Hingeschiedenen
mit vollem Recht sagen kann, dass durch ihren Tod der Familie die Krone,
der Gemeinde die Zierde, den unbemittelten Gelehrten die
Zufluchtsstätte, den Armen die Mutter, als die musterhafteste
menschenfreundliche Seele entrissen worden ist, so glaube ich auch nicht
im Mindestens übertrieben zu haben, wenn ich gleich im Anfange diesen
Verlust als einen für die gesamte jüdische Orthodoxie fühlbaren und
herben bezeichne. Denn, wenn irgendeine individuelle irdische Erscheinung,
so war sie ein lebendiger Beweis für den göttlichen Ursprung des
orthodoxen Judentums. Ihr langes – sie hat in der besten Gesundheit und
Geistesfrische das hohe Alter von 78 Jahren erreicht – gottgeweihtes,
von Tugend und Gebet durch und durch geheiligtes Leben hatte ihr eine
solche Festigkeit und Sicherheit, eine solche freudige und feierliche Ruhe
verliehen, der Ausdruck der inneren Überzeugung war in so großartigen
Zügen auf ihrem verklärten Gesichte ausgeprägt, dass nur die tiefste
Bildungsstufe von diesem Anblick unberührt blieb; auf das fein gebildete
fromme Gemüt übte ihre Nähe einen unaussprechlichen Zauber und eine
unwiderstehliche Anziehungskraft; aber auch der frostige Zweifler fühlte,
wenn der göttliche ästhetische Funke nicht ganz in seinem Herzen
erloschen war, in ihrem Gesichtskreise eine ihm so fremde, unerklärliche,
aber wohltuende erwärmende religiöse Regung. Ehre ihrem Andenken." |
Zum Tod von Josef Samuel Landauer (1877)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1877: "Hürben.
Freitag, am 9. November (1877), ging Herr Josef Samuel Landauer in ein
besseres Jenseits über. Der Verblichene ist uns noch als ein teurer
Überrest übrig geblieben von jenen wahrhaft guten, ausgezeichneten
Männern der alten Zeit, die Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit
zu schützen und zu pflegen wussten. Schon als Jüngling widmete er sich
fleißig dem Torastudium und dessen Begeisterung und Eifer für diese
brachte derselbe auch in seiner Lebensweise durch Gottesdienst und
Wohltätigkeit vielfach Ausdruck. Er war von der innigsten Liebe zu
den Geboten Gottes erfüllt; mit der genauesten Pünktlichkeit, mit der
größten Freude und mit wahrer Freude an den Geboten erfüllte er die
Gebote unserer heiligen Tora. Kein körperliches wie materielles Opfer war
ihm dafür zu kostbar. Während er viele Jahre als Beschneider und Baal
Tokea (Schofarbläser), Baal Tefila (ehrenamtlicher Vorbeter)
hervorragend wirkte, war er als Vorstand der Chewra Gemillut Chassadim
eifrigst bemüht, deren Gedeihen und Wachstum zu fördern. Was der
Dahingeschiedene im Allgemeinen in wohltätiger Liebe geleistet und
gewirkt hat, hierin war er ja in unseren Kreisen berühmt und hat sich
dadurch auch ein sicheres Andenken bewahrt. So verliert die Gemeinde in
ihm einen verdienstreichen Mann und die Armen besonderes des Landes
Israel einen Unterstützer und Helfer zur Zeit ihrer Not. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Joseph Raphael Landauer (1877)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1877: "Hürben.
Wiederum ist einer der Besten aus Israel geschieden! Den 20. November
(1877) verschied Herr Joseph Raphael Landauer in Hürben, im Alter von 73
Jahren. Mit ihm endete ein tatenreiches, der wahren Frömmigkeit von
frühester Jugend an geweihtes Leben, und weit über die Grenzen seiner
Heimat hinaus verlieren Hunderte einen Wohltäter, einen Mann der
Gerechtigkeit in des Wortes edelster Bedeutung. Noch sehr jung war er
eifrig bemüht, in die Tiefe unserer heiligen Religion einzudringen,
sodass ihm schon im 15. Lebensjahr in Ansbach der Chawer-Titel vom Dajan
erteilt wurde. In seinem ganzen Leben hat er diese Wissenschaften nicht
nur gepflegt, sondern sie auch zum Anhalt für alle seine Handlungen
genommen.
Wie viele Tränen Unglücklicher hat er getrocknet, und mit einer seltenen
Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit liebte er da wohl zu tun, wo seine
Wohltätigkeit im Verborgenen blieb, wo sein Name nicht zu ermitteln war.
Dass ein solcher Mann auch ein zärtlicher Gatte und liebender Vater
gewesen, liegt nahe. Der unerbittliche Tod hat eine 53-jährige Ehe
gelöst, welche, wie er sich selbst vor seinem Ende äußerte, durch kein
lautes Wort getrübt war. – Alle seine Kinder, so zahlreich auch seine
Familie war, haben außer einer gründlichen, echt jüdischen Erziehung,
für welche ihm keine Opfer zu groß waren, bei jeder Gelegenheit Beweise
seiner Liebe und väterlichen Zuneigung empfangen.
Zu der großen Frömmigkeit, mit welcher der Verstorbene alle Vorschriften
unserer erhabenen Religion erfüllte, gesellte sich auch ein äußerst
strenger Rechtlichkeitssinn, und alle, die je mit ihm in Berührung kamen,
müssen bezeugen, dass er ein ebenso braver Mensch, ein ebenso ehrenhafter
Bürger, als frommer Israelite war. Deshalb ist auch die Trauer um ihn
eine allgemeine, und wir, die wir auch schon oft Gelegenheit hatten,
Vermittler seiner Wohltätigkeit zu sein, rufen seiner edlen Gattin und
Allen die um ihn trauern, aus vollem Herzen zu. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Emilie Harburger (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1878: "Hürben. Am 3.
März wurde die irdische Hülle eines Biederweibes, Frau Emilie Harburger,
zu Grab getragen, die durch die Frömmigkeit ihres Wandels und durch die
Menschenfreundlichkeit ihres Wirkens sich so wohltätig und nützlich
machte, dass es ein allgemeiner Verlust ist, den wir durch ihren Tod
erlitten. Sie vereinigte in sich die Tugenden des häuslichen Lebens, der
Einfachheit, Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit mit der seltensten
Treue, Liebe, Aufopferung und Hingebung, für Kranke und leidende Wesen
widmete sie unermüdet ihre Kräfte und darin fand sie schon ihre ganze
Lebensaufgabe. Sie verband alle Vorzüge, die ein jüdisches Weib
schmücken. Das letzte Ehrengeleite und die allgemeine Trauer hier um den
Verlust dieser Frau gibt das beredteste Zeugnis, dass eine fromme Seele
aus diesem Leben geschieden ist. Friede ihrer Asche!" |
Zum Tod
des aus Hürben stammenden Hermann Buttenwieser (1893 in Ulm)
Anmerkung: Hermann (Hirsch) Buttenwieser ist am 23. Juli 1834 in Hürben
geboren als Sohn von Benedikt Buttenwieser und der Vögele geb. Neuburger. Er
heiratete 1859 in Hürben Bertha geb. Maier (geb. 1839 in Ichenhausen).
Die beiden sind im September 1863 von Hürben nach Ulm verzogen (Bürgerrecht
seit März 1864); sie hatten zwölf Kinder, von denen zwei noch in Hürben
geboren und mehrere früh verstorben sind. Hermann Buttenwieser starb am 20.
Oktober 1893 in Ulm, seine Frau am 8. Juli 1920.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
27. November 1893: "Ulm. Am 20. Oktober (1893), starb
dahier Herr Hermann Buttenwieser im Alter von 59 Jahren. Durch strenge
Redlichkeit, größte Gewissenhaftigkeit und biederes bescheidenes Wesen
erwarb sich der Verstorbene Achtung und das Vertrauen aller derer, mit
denen er während seiner Lebenszeit in nähere Berührung trat. Er
bekleidete viele Jahre bis zu seinem Ende das Amt eines
Ausschussmitgliedes der hiesigen Männer-Wohltätigkeitsvereine mit
Gewissenhaftigkeit und Treue. Einer angesehenen und frommen Familie aus
Hürben entsprossen, blieb er dem Gesetze der Väter zugetan und trug
auch sein lang andauerndes Leiden mit Geduld und Ergebenheit. Bei seiner
Beerdigung, an der sich viele Nichtjuden beteiligten, hielt Herr Rabbiner
Dr. Fried eine ebenso tröstende wie tief ergreifende Grabrede. Möchte
der Allgütige der tief betrübten Familie zu ihrem schweren Verluste
seinen Trost spenden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Zum Tod von M. S. Landauer (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Januar 1894: "Hürben
(Bayern), 28. Dezember. Am 25. dieses Monats ist Herr M. S. Landauer, Chef
der renommierten gleichnamigen Firma M.S. Landauer, hier und in Augsburg,
die Zierde und der Stolz unserer Gemeinde wie des ganzen Ortes, nach
längerem schweren Leiden im 86. Lebensjahre verschieden. In seinen
Jugendjahren ein schlichter Webergeselle, hat der Verblichene sich
allmählich durch Fleiß und Redlichkeit zum höchst achtbaren Fabrikanten
auf dem Gebiete der Textilbranche emporgearbeitet, dessen Fabrikate den
Wettkampf auf dem Weltmarkte stets mit Ehren und Auszeichnung bestanden
und ihm Reichtum und Ansehen eingetragen haben. Aber obgleich von weit
ausgebreiteten Geschäften immer in Anspruch genommen, fehlte er niemals
im Gotteshause, oblag er mit Eifer und Verständnis dem Torastudium,
betätigte er regestes Interesse für alle die jüdische Gesamtheit
betreffenden Angelegenheiten. Er war ein Mensch in des Wortes schönstem
Sinn. Edelsinn und Biederkeit, Leutseligkeit und Menschenliebe, das waren
die Grundzüge seines Charakters. Wo es galt, das Judentum zu fördern und
Humanität zu üben, da gab er reichlich, mit vollen Händen, und hat
dabei niemals sein Reichtum das Herz übertroffen. Ihm genügte es aber
nicht, seine reichen Mittel in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, er
hat auch seine Tatkraft freudigst zur Verfügung gestellt. So war er denn
auch zugleich langjähriger Vorstand der jüdischen und Beitrat im
Kollegium der politischen Gemeinde, sowie bis vor kurzem ein sehr tätiges
Mitglied der Chewra Kadischa. An dem Leichenbegängnisse beteiligten sich
alle Konfessionen und Korporationen, sowie die Behörden. Herrn Rabbiner
Dr. Groß aus Augsburg (in Vertretung unseres erkrankten Herrn Rabbiners
Dr. Cohn) und der hoch verehrte greise Herr Gumpertz feierten in
ergreifenden Reden die vielfachen Verdienste des Heimgegangene. Seine Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Privatdozent Dr.
Samuel Landauer
wird Honorarprofessor an der Universität Straßburg (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1894: "Straßburg
(Elsass), Herr Dr. Landauer, Privatdozent an der hiesigen K.K.
Universität und Bibliothekar der hiesigen Universitäts- und
Landesbibliothek ist wegen seiner außerordentlichen wissenschaftlichen
verdienste um die arabisch-jüdische Literatur auf Vorschlag von Professor
Dr. Noeldecke zum Honorar-Professor an der hiesigen K. Universität
ernannt worden. Herr Dr. Landauer ist in Hürben in Bayern geboren." |
Zum Tod von Clara Landauer (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Januar 1907: "Krumbach
(Bayern), 20. Januar (1907). Vor kurzem starb hier im hohen Alter von 96
Jahren Frau Clara Landauer, eine durch ihre tiefe Religiosität und ihre
vortreffliche, allezeit praktisch bewährte Menschenliebe ausgezeichnete
Frau. Sie machte vermöge ihrer hohen Tugenden einen wahrhaftig
patriarchalischen Eindruck auf jeden in ihre Umgebung Gelangenden. Ihr
Andenken wird als ein Segen in ihren guten Werken weiter fortleben. Ihre
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
|
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 22. März 1907: "Krumbach. Im Alter von 96 Jahren
starb Frau Clara Landauer, die älteste Frau der Gegend". |
Zum Tod von Sally Oettinger (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1908: "Krumbach,
4. Mai (1908). Ein braver Mann und guter Jehudi wurde am Freitag unter
tiefer Trauer seiner Familie und unserer ganzen Gemeinde zu Grabe
getragen. Herr Sally Oettinger ist nach langem schwerem Leiden im Alter
von nur 58 Jahren gestorben. An der Bahre widmete ihm Herr Lehrer Cahn
einen kurzen, würdigen Nachruf. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens." |
Zum Tod von Kommerzienrat Heinrich Landauer (1917)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Februar 1917:
"Augsburg,
9. Februar. Am 4. dieses Monats verstarb hier im 79. Lebensjahr Herr
Kommerzienrat Heinrich Landauer. Einer streng religiösen Familie aus
Hürben im Regierungsbezirke Schwaben entstammend, war er Mitbegründer
der Webereifirma M. S. Landauer, die er durch seinen klaren Verstand und
seine rastlose zielbewusste Arbeit aus bescheidenen Anfängen zu großer
Blüte empor brachte, sodass sie seit langer Zeit zu den angesehensten
Unternehmungen der Augsburger Textilindustrie zählt. Über ein
Vierteljahrhundert war er Mitglied des städtischen
Gemeindebevollmächtigtenkollegiums, vielfach mit wichtigen Referaten
betraut und stets eifrig bemüht, die Interessen der Stadt zu fördern.
Bei seinem Ausscheiden aus dem Gemeindekollegium wurde ihm die goldene
Bürgermedaille verliehen, die höchste Auszeichnung, welche die Stadt
für Verdienste ihrer Bürger zu verleihen hat. Schon früher hatte er
für seine Verdienste um die bayerische Industrie den Michaelsorden
vierter Klasse mit der Krone erhalten. Fünfundvierzig Jahre gehörte er
der Verwaltung der Israelitischen Kulturgemeinde an, um deren Entwicklung
und Einrichtungen er sich in seltenem Maße verdient gemacht hat. Allen
Notleidenden und Bedrängten war er hilfreich, wie er auch allezeit die
geistigen und wissenschaftlichen Bestrebungen innerhalb des Judentums
werktätig förderte. Auch außerhalb seiner Gemeinde und seines
Heimatlandes hatte sein Name in der jüdischen Welt einen guten Klang,
u.a., war er auch Mitglied des Zentralausschusses des Verbandes der
deutschen Juden. Seinen Verwandten und Freunden hat er stets die
liebevollste Gesinnung und die größte Treue erwiesen. Er war von ganzem
Herzen ein guter Jude, der sich treu auch nach außen hin zum Judentum
bekannte und unbeschadet seiner liberalen Gesinnung die jüdischen
Traditionen hochhielt und in seinem Familienleben zur Geltung brachte,
wobei er an seiner hochsinnigen Gattin Bettina, einer Tochter des seligen
Rabbiners Dr. Leopold Stein, eine gleich gesinnte Lebensgenossin gefunden
hatte, sodass sein glückliches, harmonisches, häusliches Leben den
reichen Segen der jüdischen Familie voll und ganz in die Erscheinung
treten ließ. Leider war es dem Verewigten nicht mehr beschieden, an der
bevorstehenden Einweihung der neuen Synagoge teilzunehmen, zu deren
Ausschmückung er großherzig eine große Stiftung gemacht hatte. Seitens
der Verwaltung der Kultusgemeinde wurden ihm bei verschiedenen Anlässen
Ehrungen zuteil, welche dem Danke für seine vieljährigen Verdienste
Ausdruck verleihen sollten; er war Inhaber der silbernen Medaille für
fünfundzwanzigjähriges verdienstvolles Wirken in der Gemeinde und wurde
bei seinem vor wenigen Monaten erfolgten Austritte aus der
Gemeindeverwaltung zu deren Ehrenmitglied ernannt. Sein Name wird für
alle Zeiten mit der Geschichte der Augsburger Gemeinde verknüpft bleiben
und in hohen Ehren fortleben." |
Todesanzeige
für Rosa Oettinger (1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 17. April 1924: "Unsere herzensgute
Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester, Schwägerin und Tante Frau
Rosa Oettinger
ist am 7. dieses Monats nach längerem Leiden sanft verschieden.
Krumbach (Schwaben), 8. April 1924. Namens der in tiefer Trauer
Hinterbliebenen: Familie Julius Oettinger." |
Zum 70. Geburtstag von Louis Selinger (1928)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Dezember
1928: "70. Geburtstag. Am 21. Dezember (1928) begeht Herr Louis Selinger
seinen 70. Geburtstag. Der Jubilar entstammt einer seit Generationen in
Krumbach-Hürben ansässigen Familie. Im Jahre 1906 übersiedelte er aus
seiner Heimat, wo er als Fabrikdirektor tätig war, nach München. Hier
widmete er sich bald der jüdischen Wohlfahrtsarbeit, in deren Dienst er
seine ganze Persönlichkeit stellt. Er gehört dem Vorstand der
Krankenfürsorge, der Vereins für Krankenpflege, Bestattungswesen und
religiöse Belehrung, des Vereins zur Unterstützung von Brennmaterialien
und des Vereins zur Unterstützung durchreisender armer Israeliten an, wie
er auch in einer Reihe anderer Vereine eine unermüdliche opferfreudige
Tätigkeit entfaltet. Enge Freundschaft verband ihn mit seinem Landsmann
Albert Landauer, dem im vorigen Jahre verstorbenen Ehrenmitglied der
Gemeinde. Dieser wusste ihn auch für die Arbeit in der gemeindlichen
Verwaltung zu interessieren, sodass er, als im Jahre 1924 der Ruf an ihn
erging, in den Vorstand der Gemeinde eintrat. Hier wirkt er ebenfalls mit
einer seltenen Pflichttreue. Tagaus, tagein ist er auf seinem Platz in der
Gemeindekanzlei zu finden, wo er als Referent für das Synagogen- und
Beerdigungswesen die anfallenden Geschäft persönlich erledigt. Der
Jubilar lässt es sich auch nicht nehmen, die Gemeinde bei jeder
Beerdigung zu vertreten. Daneben gehört er zahlreichen Ausschüssen an.
So ist er Vorsitzender des Wohltätigkeits- und Waisenstiftungsausschusses
und seit dem Tode seines Freundes Landauer auch erster Beauftragter für
das Israelitische Pensionat in der Kaulbachstraße. Ferner ist er Mitglied
des Sozialen Ausschusses, des leitenden Ausschusses des Wohlfahrtsamtes
und der Verwaltung der Lipschützschen Versorgungsanstalt. Überall
entfaltet der Jubilar eine segensreiche Tätigkeit. Mögen ihm an der
Seite seiner Gattin, seiner getreuen Gefährtin und Helferin, noch
zahlreiche Jahre voll Glück und Gesundheit beschieden sein, die es ihm
gestatten, seine Arbeitskraft weiter in den Dienst unserer Gemeinde und
insbesondere ihrer Wohlfahrtseinrichtungen zu stellen." |
Zum 85. Geburtstag von
Prof. Dr. Samuel Landauer
(1931)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. März
1931: "Professor Samuel Landauer 85 Jahre. Professor Dr. Samuel Landauer
in Augsburg vollendete am 22. Februar in bester geistiger und
körperlicher Frische das 85. Lebensjahr. Der hoch angesehene Gelehrte
zählt zu den ersten Autoritäten auf dem Gebiete der orientalischen
Sprachen, namentlich des Arabischen, Persischen und Aramäischen. Geboten
in Hürben bei Krumbach (Schwaben), besuchte der Jubilar, nachdem er das
Gymnasium in Mainz absolviert hatte, die Universitäten München, Leipzig
und Straßburg. In München promovierte er 1872 auf Grund seiner
arabischen Dissertation: ‚Über die Psychologie des Ibn Sina’. 1875
wurde der junge Gelehrte Privatdozent für orientalische Sprachen in
Straßburg, 1884 Bibliothekar der Universitäts- und Landesbibliothek
dortselbst, 1894 Honorarprofessor und 1905 Oberbibliothekar in Straßburg.
Seit Ende 1918, wo er als Deutscher über Nacht Straßburg verlassen
musste, hat er sein Domizil in Augsburg. Von seinen zwölf
außerordentlichen Werken und Arbeiten seien besonders genannt: ‚Kitab
al Amanat von Saadja’, das ist eine Veröffentlichung des arabischen
Urtextes des religionsphilosophischen Werkes von Saadja (933), betitelt:
‚Emunot we – deot, Glaubenslehre und Philosophie’; ferner die ‚Masorah
zum Onkelos’ sowie Studien zu Merx ‚Chrestomathia Targumica’,
außerdem verschiedene ‚Kataloge der orientalischen Handschriften’ der
Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg und der Großherzoglich
badischen Bibliothek in Karlsruhe. Vor einigen Tagen brachte der
unermüdliche Gelehrte zu seiner und der Wissenschaft großen Freude noch
ein Hauptwerk zur Vollendung, an dem er seit acht Jahren im ehrenvollen
Auftrage der Berliner ‚Akademie für die Wissenschaft des Judentums’
gearbeitet hat: ‚Das Targum der Prophetae Posteriores’. Durch diese
Edition der aramäischen Übersetzung der Propheten ‚Jesajas’, ‚Jeremias’,
‚Ezechiel’, ‚Daniel’ und der so genannten 12 ‚Kleinen Propheten’
hat die Wissenschaft nunmehr zum ersten Male einen einwandfreien
aramäischen Targumtext dieser genannten Prophetenbücher. Der Gelehrte
war Gegenstand mannigfacher Ehrungen, sowohl lokaler Art als auch ganz
besonders seitens seiner vielen heute in höchsten Ämtern und Würden
stehenden Schüler und sonstigen Verehrer des In- und Auslandes. Mögen
sich an ihm die Worte des Psalmisten auch weiterhin ganz erfüllen: Noch
im hohen Alter sprossen und grünen sie… Dr. Fränkl". |
Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Samuel Landauer (1936)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Februar
1936: "Der Nestor der Bayerischen Judenheit: Professor Dr. Samuel
Landauer. Von Bezirksrabbiner Dr. Ernst Jacob, Augsburg. Am 22. Februar
hat das bayerische Judentum die Freude, einen der bedeutendsten Gelehrten,
der aus seinen Reihen hervorgegangen ist, in voller geistiger und
körperlicher Frische das 90. Lebensjahr vollenden zu sehen. Professor Dr.
Samuel Landauer. Dieser Mann, den heute die jüdische gelehrte Welt, aber
auch die orientalische Sprachwissenschaft als einen ihrer ältesten
Vertreter feiern darf, wurde in Hürben (jetzt Krumbach) geboren, einer
Gemeinde, die dem südbayerischen Judentum viele verdiente Männer
gestellt hat; seit 1918 verbringt er seinen Lebensabend in Augsburg, nah
der Stätte seiner Geburt. Dies 90jährige Leben war ausschließlich
gelehrter Arbeit gewidmet und spiegelt doch in seinem Gange den Wandel der
jüdischen Welt im laufe des letzten Jahrhunderts und ein Stück des
weltgeschichtlichen Geschehens wider. Samuel Landauer stammte aus dem
alten, streng gläubigen und bodenständigen süddeutschen Landjudentum,
für das es nichts Höheres gab als das Studium des Talmuds. Er ist mit
seinem erstaunlichen Gedächtnis einer der letzten Zeugen, die von jenen
alten, in der Schlichtheit des Lebens und Geradheit des Sterbens
ehrwürdigen Zeiten zu erzählen vermögen. In einer solch kleinen
Gemeinde gab es weit über ein Dutzend Hausväter, die den Talmud
studieren konnten. Man lebte in Frieden und Freundschaft mit der
nichtjüdischen Umwelt. Der elfjährige Knabe wurde auf die Jeschiwa, die
Talmudhochschule nach Eisenstadt in Ungarn geschickt, wo er sich bald
durch umfassende Kenntnisse der talmudischen Literatur auszeichnete. Wenn
sich auch später die Interessen Professor Landauers anderen Gebieten
zuwandten, so hat er doch bis jetzt nicht aufgehört, Talmud zu studieren
und ist zweifelsohne einer der besten Kenner dieser Literatur, gewiss aber
eine der ersten Autoritäten für die Sprache dieses alten jüdischen
Schrifttums. Landauer folgte dem Zuge der Zeit, der die Juden aus ihrem
engen Eigenbezirk in die weite Welt allgemeinen Wissens führte. Er ging
nach der Jeschiwa auf das |
Gymnasium
und auf Universitäten, er wurde nicht Rabbiner, sondern Doktor der
Philosophie. Im Jahre 1875 wurde er Privatdozent der semitischen Sprachen
an der Universität in Straßburg, später Bibliothekar der dortigen
Universitätsbibliothek und Titularprofessor. Er wirkte in diesen Ämtern
als einer der vielen hervorragenden Vertreter der deutschen Wissenschaft
im Elsass. So wurde er auch im Jahre 1918 als Deutscher aus Haus und Amt
in Straßburg vertrieben, musste sogar seine Bibliothek zurücklassen und
nach Deutschland zurückkehren. Er ließ sich damals mit der Gattin, die
er dann nach wenigen Jahren verlor, in Augsburg nieder. Die
wissenschaftlichen Arbeiten Professor Landauers erstrecken sich auf weite
Gebiete der orientalischen Sprachen und sind ihrer Natur nach einem
allgemeinen Publikum kaum zugänglich. Es sei hier nur das Wichtigste
erwähnt: die für die Kenntnis der jüdischen Philosophie so bedeutsame
Ausgabe des arabischen Originaltextes von Saadjas ‚Glauben und Wissen’,
die Kataloge der hebräischen, arabischen, persischen und türkischen
Handschriften der kaiserlichen Landesbibliothek zu Straßburg und der
orientalischen Handschriften der Karlsruher Bibliothek, die Mitarbeit an
der noch unvollendeten Ausgabe von Firdusi’s persischem Heldengedicht
‚Schahname’, die Targumstudien, die ihre Bekrönung fanden in einer
durch die Not der Zeit leider noch nicht zum Druck gelangten fertig
vorliegenden Ausgabe des Prophetentargums und die wichtigen Beiträge zur
Aristotelesforschung. Diese außerordentlichen wissenschaftlichen
Leistungen ließen das Jüdisch-theologische Seminar in Amerika in New
York, das ihn am 10. Januar 1935 zum Ehrendoktor der hebräischen
Literatur erhob, in der Ehrenurkunde hierüber schreiben: ‚Sein Leben
ist dem Studium und der Vermittlung der jüdischen und orientalischen
Beiträge zum Denken der Menschheit gewidmet gewesen. Er ist eine der
hervorragendsten Autoritäten der Grammatik der aramäischen Sprache
geworden’. Ebenso bezeichnete ihn erst vor wenigen Wochen ein deutscher
Gelehrter als den Altmeister der Irankunde. Es sei auch nicht unerwähnt
gelassen, was das Jüdisch-theologische Seminar für Amerika in folgenden
Worten andeutet: ‚Er ist beständig trotz seines hohen Alters durch
seine Korrespondenz eine Quelle der Anregung und Förderung.’ Denn
Professor Landauer war sein Leben lang nicht nur ein Büchergelehrter,
sondern ein Mann des lebendigsten wissenschaftlichen Gedankenaustausches.
Er war Schüler und Freund Nöldekes, der erst vor wenigen Jahren weit
über 90 Jahre alt gestorben ist. Er war der Lehrer zahlreicher
Orientalisten, die heute über die ganze Welt zerstreut sind und einst bei
ihm studiert haben oder noch jetzt brieflich von ihm Rat und Belehrung
erbitten und empfangen. Die Israelitische Kultusgemeinde Augsburg, das
gesamte bayerische und deutsche Judentum sind stolz auf Professor Samuel
Landauer. Sie vereinigen sich in diesen Tagen mit seinen Kindern und
seinen vielen Freunden und Verehrern, die er sich durch sein
herzgewinnendes und stets hilfsbereites Wesen geschaffen hat und die heute
aus ganz Deutschland, wie aus Erez Israel, aus Holland und aus Amerika
hierher denken, in dem Wunsche, dass ihm die 120 Jahre unseres Lehrer Mose
vergönnt seien, dass aber auch weiter von ihm, wie von jenem gelte: ‚seine
Augen sind nicht erloschen und seine Kraft ist nicht verfallen’." |
Zum
Tod von Prof. Dr. Samuel Landauer (1937 in Augsburg)
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. Januar 1938: "Zum Heimgang von Prof. Dr.
S. Landauer - Augsburg. Am 18. Dezember 1937 starb im 92. Lebensjahr
nach schwerer Krankheit Herr Professor Dr. S. Landauer in Augsburg. Er ist
in Hürben (Krumbach) geboren, einer
Gemeinde, aus der dem bayerischen Judentum viele verdienstvolle Männer
erwachsen sind. Er war Oberbibliothekar und Professor für orientalische
Sprachwissenschaft an der Universität in Straßburg im
Elsass." |
Anzeigen jüdischer Familien und Gewerbebetriebe
Anzeige des Seifensieders Joseph Heilbronner (1860)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1860: "Ein
oder zwei Seifensieder-Gehilfen, die im Geschäft tüchtig sind, finden
bei mir gegen gute Bezahlung dauernde Beschäftigung. Schabbat und
Feiertag wird nicht gearbeitet, daher ich einen Israeliten vorziehe. Auch
wäre ich nicht abgeneigt, einen gut erzogenen Jungen in die Lehre zu
nehmen. Joseph Heilbronner, Seifensieder in Hürben bei Augsburg." |
Werbung für Schleifsteine aus der Firma J. Tachauer (1903 / 1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1903: "Für Schochetim.
Echte russische Glattsteine - scharf und glatt - , echt belgische
Glattsteine - scharf und glatt - , prima gelbe Abziehsteine, Ia.
Ölsteine, Ia belgische Brocken, blaue Wasserabziehsteine. Aufreibsteine
sind bei mir zu haben, Lieferzeit drei Wochen. J. Tachauer. Schochet.
Krumbach (Schwaben)." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1904:
"Für Schochetim... Text wie oben." |
Todesanzeige
für Dolce Oettinger (1934)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober 1934: "Am
9. Ellul (= 20. August 1934) ist unsere teure Mutter
Frau Dolce Oettinger - seligen Andenkens -
ruhig eingeschlafen. Im Namen der Familie: Ricka Oettinger.
Krumbach (Schwaben)." |
Todesanzeige
für Rosa Höchstädter geb. Guggenheimer (1936)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
August 1936: "Unsere heißgeliebte, herzensgute Mutter, Schwester,
Schwägerin und Tante,
Frau Rosa Höchstädter geb. Guggenheimer
ist am 19. dieses Monats im 48. Lebensjahr sanft entschlafen.
Krumbach (Schwaben), New York, Zürich.
In tiefer Trauer: Im Namen der Hinterbliebenen Hans, Artur, Lis
Höchstädter." |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Briefumschlag
an die Porzellanhandlung
von S. S. Guggenheimer (1863) |
|
|
Der Brief an S.S.
Guggenheimer wurde nach dem Aufgabestempel der Post in München
am 10. August 1863 von einer Münchner Firma verschickt. Zur
Porzellanhandlung von
S. S. Guggenheimer liegen noch keine weiteren Informationen
vor. |
|
|
|
|
Postkarte,
versandt von Heinrich Lippschitz
in Hürben nach München (1882) |
|
|
|
|
Die
Postkarte wurde am 3. August 1882 von Hürben aus versandt. |
|
|
|
Postkarte,
versandt von Albert Stein
in Hürben nach Augsburg (1882) |
|
|
Die Postkarte, geschäftlicher Art, wurde versandt am 5. Juni 1882 von Herrn Albert Stein
in Hürben an die Herrn Wernecker & Farnbacher in Augsburg.
Albert Stein wurde 1845 im böhmischen Halladei* geboren.
Er war verheiratet mit Sophie geb. Harburger, eine am 21. Juli
1854 geborene Tochter von Seligmann Harburger und Mathilde Kahn. Albert
Stein, der als Glasermeister tätig war, starb am 5. Februar 1923 in
Krumbach, seine Frau Sophie ist bereits am 1. Juli 1918 gestorben. Das Ehepaar hatte neun
Kinder: Klara (1878, verh. Coblans), Juli (1880), Seligmann (1881),
Jeanette (1883), Max (1884), Wilhelm (1885), Hedwig (1887, verh. Bauer),
Rosa (1888), Sigmund (1890). In der NS-Zeit sind von den genannten
Personen umgekommen: Jeanette Stein (1883), Hedwig Bauer geb. Stein (1887)
und Sigmund Stein (1890).
Quellen: https://www.geni.com/people/Albert-Stein/6000000007454024249
und Website Jewish Genealogy in
Bavarian Swabia
|
*) einen Ort Halladei gibt es in Böhmen
nicht, möglicherweise Lesefehler für Kaladey bzw. Kaladai, heute: Koloděje nad Lužnicí,
wo es eine große jüdische Gemeinde gab (1899 94 jüdische Familien,
darunter mindestens eine Familie Stein). Siehe geni.com "Jewish
Families from Koloděje nad Lužnicí". |
|
|
|
Postkarte
an Marx Rosenthaler
in Hürben (1888) |
|
|
|
Die Postkarte mit
geschäftlichem als auch privatem Hintergrund wurde von München aus am
29. Juli 1888 nach Hürben geschickt. Die Karte enthält eine Bestellung
an Herrn Marx Rosenthaler sowie private Zeilen von Kusine Auguste an Frau
Fanni Rosenthaler (geb. Kahn). |
|
|
|
Postkarte
an Klärchen Neuburger
in Hürben (1898) |
|
|
|
Die Lithographie
Karte aus Frankfurt wurde an Frl. Klärchen Neuburger bei Benno Neuburger
in Hürben am 19. Dezember 1898 von Heidelberg aus verschickt. Da in
genealogischen Seiten mehrere Personen mit Namen Klara (Klärchen)
Neuburger mit Bezug zu Hürben genannt werden (der Geburtsjahrgänge 1868,
1882 und 1883) und auch Benno (= Bernhard oder Benedikt?) Neuburger
mehrfach vorkommt, kann derzeit keine eindeutige Identifizierung
vorgenommen werden (nach Recherchen von Peter Karl
Müller). |
|
|
|
Dokument
zum Bankgeschäft von
Isaias Weiskopf |
|
|
|
|
Bankier Weiskopf
(auf Foto links mit seiner Frau Frieda geb. Gump) hatte ein Bankgeschäft
in Krumbach(-Hürben) mit Filialen in Thannhausen, Fischach, Mindelheim
und Türkheim. Von Altenstadt her kommend, hatte Weiskopf 1888 die Filiale
des Augsburger Bankgeschäfts Gerstle & Bühler in Hürben
übernommen. Er baute das Geschäft völlig um. 1910 nahm er seinen
Schwiegersohn Jakob Spanier in das Bankgeschäft auf. Seine Frau Frieda
starb noch in Krumbach. 1938 war Weiskopf gezwungen, die Bank zu
schließen; sie wurde von der Bayerischen Hypotheken- und Wechsel-Bank
übernommen. Isaias konnte mit der Familie der Tochter über London in die
USA emigrieren (Quelle: "Ein fast normales Leben - Erinnerungen an
die jüdischen Gemeinden Schwabens" Ausstellung der Stiftung
Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben 1995. S. 100.161) |
Sonstiges
Erinnerung
an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Maier
Lemberger aus Hürben (gest. 1894)
|
|
Grabstein für "My dear wife and our
beloved mother
Amelia Lemberger
born in Gailingen Baden
who departed this life May 15th 1893 in her 71st year"
und für "Our beloved father
Maier Lemberger
born in Huerben Bavaria
who departed this life Nov 11th 1894 in his 76th year." |
Berichte zum jüdischen Ferienheim des Israelitischen
Vereins für Ferienkolonien zu München
Hinweise: Das Gebäude der Ferienkolonie für jüdische Kinder befand sich in
Krumbach im Gebäude Brunnenstraße 5. Im Haus war im Ersten Weltkrieg
zeitweise ein Lazarett. In der NS-Zeit wurde es als Ausbildungsstätte für
Fliegerkorps zweckentfremdet. Nach 1945 war in ihm für wenige Jahre ein Lager
für jüdische DPs (Displaced Persons) und auch eine Talmudschule /
Rabbinatsschule.
Das Gebäude wurde 2008 abgebrochen. Auf dem Grundstück wurde ein Neubau für
eine Wohngruppe für Menschen mit erworbener Hirnschädigung erstellt (Träger:
Ursberger Dominikus-Ringeisen-Werk).
Zum Abbruch des historischen Gebäudes erschein ein Artikel
in der Augsburger Allgemeinen vom 13. Juli 2008.
Am Neubau befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdische
Ferienkolonie.
Zur Geschichte
der DP-Lagers und der Talmudschule siehe einen Beitrag von Jim. G. Tobias bei
haGalil.com vom 25. Juli 2011 (mit weiterem Literaturhinweis).
Bericht
über die jüdische Ferienkolonie als nachahmenswertes Beispiel (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1902:
"Nürnberg, 28. August (1902). Bei einem Besuche in Hürben nahm ich
Gelegenheit, die jüdische Ferienkolonie der Münchner israelitischen
Gemeinde kennen zu lernen. Was ich da sah und hörte, bereitete mir große
Freude. Der Verein besitzt dort sein eigenes Heim, welches für diesen
Zweck umgebaut wurde. Dasselbe hat eine vorzügliche Lage, einen großen
Tummelplatz an der Kammel, wo die Kinder baden können, so viel sie
wollen. Zuerst waren 25 Mädchen da mit einer Lehrerin und jetzt sind 25
Knaben mit einem Lehrer angekommen.
In allen Städten sind die Volksfreunde an der Arbeit, die große Wohltat
eines Landaufenthalts immer mehr armen Kindern zuteil werden zu lassen,
welches Streben nicht genug anzuerkennen ist. Von Seiten der großen
israelitischen Gemeinden hört man da aber noch sehr wenig. Und wie groß
ist das jüdische Proletariat in den Großstädten! München hat den Weg
gewiesen, möge dies Beispiel bald recht viele Nachahmung finden. Überall
gibt es edle, hochherzige Menschen, und nicht zum wenigsten hier in
Nürnberg, die gern bereit wären, ihr Scherflein zu diesem wahrhaft edlen
Zwecke beizutragen, wenn sich die richtigen Personen an die Spitze
stellen. Unter der Leitung eines tüchtigen Pädagogen kann der Einfluss
dieser Kolonien auch für die jüdische Erziehung nur ein sehr
ersprießlicher sein. Also auf, ihr Philanthropen, und erbarmt Euch der bedauernswerten
israelitischen Jugend, die in den elendesten Wohnung nur zu oft den Keim
für späteres Leiden in sich aufnehmen muss. Machen wir sie wenigstens
widerstandsfähig. Ach, schon das freudestrahlende Gesicht dieser
glücklichen Kinder wäre Lohn, der reichlich
lohnt." |
Zum
70. Geburtstag von Frau Johanna Kohn geb. Villmann in München und über ihre
Verdienste für das Ferienheim (1911)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. März 1911:
"Am 18. dieses Monats beging Frau Johanna Kohn geb. Villmann in aller
Stille fern von München ihren 70. Geburtstag; sie hat sich zwar alle
Ehrungen verbeten, gleichwohl möge hier der bisherigen Bestrebungen der
Genannten auf karitativem Gebiete in Kürze gedacht werden. Frau Johanna
Kohn ist seit dem Jahre 1873 Mitglied des Frauenausschusses des
Israelitischen Frauenvereins, des größten jüdischen Vereins in
München, seit 1888 zweite und seit 1899 erste Vorsteherin desselben;
damit im Zusammenhang ist sie seit fast 40 Jahren tätiges Mitglied der
Frauenchewra, die sie seit vielen Jahren ebenfalls in vorbildlicher Weise
leitet. Am 27. Dezember 1910 beging der israelitische Verein für
Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern in München sein
25-jähriges Jubiläum; der Verein hatte nach seinem ersten Jahresbericht
einen Etat von 1.560 Mark, ein Vermögen von 400 Mark und 195 Mitglieder, bekleidete
im ersten Jahre 50 Kinder und schickte 1892 zum erstenmal 4 Kinder in die
Ferien. 1910 wurden 318 Kinder vollständig gekleidet, 106 Kinder auf
mehrere Wochen in das schöne Ferienheim des Vereins nach Hürben-Krumbach
(Schwaben) entsendet; der Verein hat jetzt ein Vermögen von 38.000 Mark
und etwa 700 Mitglieder. Frau Johanna Kohn ist Mitbegründerin dieses
Vereins und jetzt seit Jahren Kassiererin und zweite Vorsteherin
desselben. Sie gehört auch dem Kuratorium des Israelitischen
Schwesternheims seit dessen Gründung an und dem Ausschuss der Ortsgruppe
München des Vereins für das liberale Judentum in Deutschland. Mögen der
allseits verehrten Frau in ihrem bescheidenen verdienstvollen Wirken auf
dem Gebiete echt jüdischer opferfreudiger Menschen- und Nächstenliebe
noch ungezählte Jahre in Gesundheit beschieden sein!" |
Über das Ferienheim (1912)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. August 1912: "Der
Israelitische Verein für Ferienkolonien zu München hat dieses Jahr je 53
Knaben und Mädchen in das ihm gehörige Ferienheim in Krumbach-Hürben
(Schwaben) geschickt und besonders erholungsbedürftige 28 Kinder unter
Beihilfe des Israelitischen Vereins für Kindergärten und Frauenhilfe als
Vorkolonie vor Beginn der Schulferien dorthin entsandt. Der erstere Verein
kann nunmehr bereits auf ein 28jähriges segensreiches Wirken
zurückblicken." |
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1926)
Artikel
in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. September
1926: "Die Ferienkolonie in Krumbach. Am Sonntag, dem 14. August, in aller
Herrgottsfrüh, um 6 Uhr, machte sich eine Reihe von Damen und Herren,
welche in München fürsorgerisch tätig sind, auf, um das in vollem
Betrieb befindliche Ferienheim in Krumbach (Schwaben) des Münchener
israelitischen Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von
Schulkindern, zu besuchen. Sie wurden dort freudig vom Lokalkomitee, von
Schwester Laura, welche heuer zum achtzehnten Male Ferienkolonisten
betreut, und ihrer Nichte als Helferin, sowie von der neuen
Hausverwalterin Frau Adler, empfangen. Auch die Kinder, 54 an der Zahl,
zeigten eine herzliche Freude über den Besuch, welcher ja in erster Linie
ihnen galt. Sie bewiesen nachmittags durch Vorführung von reizenden
Tänzen, humorvollen Deklamationen und Gesang und einem kleinen, gut
gespielten Theaterstück, dass Schwester Laura und ihre Nichte nicht nur
auf die körperliche Erholung ihrer Schutzbefohlenen achten, sondern durch
geistige Anregung Munterkeit und Lebensfreude in der Jugend wecken. Es war
rührend, mit welch ungekünstelter, herzlicher Liebe die Kinder an beiden
hängen, wie auch an der Frau Verwalterin, welche mit größtem Eifer und
Verständnis Haus und Küche in Ordnung hält. Ein Gang durch alle Räume
überzeugte uns von tadelloser und praktischer Einteilung allenthalten.
Ein Teil des Hauses steht während der Monate außerhalb der Ferien für
erholungsbedürftige Frauen und Mädchen bereit. Es wäre wohl zu
überlegen, ob nicht innerhalb der Schulzeit besonders schwächliche
Schuler oder vor der Schulpflicht stehende Kinder, wie das schon vor der
Kriegszeit war, das Ferienheim genießen könnten. Räume sind ja
genügend da. Um bei etwa vorkommender ansteckender Erkrankung die anderen
Kinder zu bewahren, wurde auf Anregung des Herrn Bezirksarztes, welcher
mir bei einer Unterredung seine vollste Zufriedenheit mit unseren
Einrichtungen kundgab, eine eigene Absonderungsabteilung geschaffen, aus
welcher ein rasch genesendes, nicht mehr ansteckungsfähiges Kind bald
wieder zu seinen Kameraden zurückkehren oder ein längerer Behandlung
bedürftiges, ohne die Mitbewohner des Hauses zu gefährden, dem
Krankenhause zugeführt werden kann. Schwester Laura ist durch ihre
beruflichen Kenntnisse in der Lage, die Gesundheit der Zöglinge zu
überwachen und rechtzeitig ärztlichen Rat einzuholen. Dass die
Verköstigung reichlich und entsprechend ist, dafür spricht das gute
Aussehen der Kinder. Dem lebhaften Dank für die Bemühungen des
Krumbacher Ortsausschusses um die Kolonie, für die Tätigkeit der
Schwester Laura und der Verwalterin gab Herr Albert Landauer trefflichen
Ausdruck. Ihm, dem geistiger Urheber und Förderer der segensreichen
Einrichtung, wie auch der Münchener Vorstandschaft und den anderen
Gästen wurden liebe Worte gewidmet. Neben guter Verpflegung und Wartung
bieten Luft- und Lichtgenuss auf dem Spielplatz, Spaziergänge in den
schönen Wäldern beim Krumbad, Badegelegenheit in der sehenswerten
städtischen Badeanstalt, alle Möglichkeiten der Erholung und
Kräftigung. Haben doch nicht nur die Kinder der Ärmsten, sondern die
aller Stände, besonders des finanziell gesunkenen Mittelstandes, nach
langer, anstrengender Unterrichtszeit einen richtigen Genuss der Ferien so
nötig! Ihr Wert an körperlicher Stärkung und geistiger Erfrischung ist
überaus hoch. Vor Jahren konnte ich gerade an Krumbacher Ferienkolonisten
nachweisen, dass richtig angewandte Ferientage denen, welche während des
Schuljahres unter schlechten Wohnungs-, Ernährungs- und manchmal
Familienverhältnissen leiden, innerhalb einiger Wochen einen Zuwachs an
körperlicher Gesundheit bringen, welcher oft das während der Schulzeit
gegenüber Gleichaltrigen bestehende Mindermaß einholt, namentlich, wenn
ein öfterer Genuss der Ferienkolonie ermöglicht wird. Doch auch die
Schule zieht von dieser Förderung Nutzen. Durch leibliche Gesundheit und
geistige Frische wird der Schulerfolgt begünstigt. Als auswählender und
vorschlagender Arzt und Schularzt bedauere ich immer wieder, dass die
Ferienkolonienvereine, auch unsere Münchener, für jüdische Kinder nicht
so viel Mittel haben, um alles Erstrebenswerte zu leisten, namentlich auch
zu wenig, um Kränkliche, sehr Schwächliche, welche besonderer Obsorge
bedürfen, in geeignete Heime und Heilstätten genügend lange zu
schicken. Den sich mit solch edler Menschenliebe befassenden Vereinen
sollten weit mehr Spenden zufließen. Segensreiche Stiftungen – zum
großen Teil sind sie ja der bösen Zeit zum Opfer gefallen – sollten
erhöht oder neu geschaffen werden. Gesundheit und damit Glück für
einzelne, für die Familie, für die Gesamtheit erwächst hier. Welch
erhebendes, beglückendes Gefühl ist es, blasse Wangen wieder erblühen,
magere Gesichtchen sich wieder runden, müde Augen erglänzen, schwache
Glieder wieder erstarken zu sehen! Gibt es ein schöneres Geschenk?
Doernberger." |
25 Jahre Ferienheim in Krumbach (1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. April
1927: "25 Jahre Ferienheim in Krumbach. Am 1. April ist ein
Vierteljahrhundert verflossen, seit die Münchener israelitische
Wohlfahrtspflege Besitzerin eines Hauses ist, aus dem unendlich viel
Segensreiches hervorgegangen: das Ferienheim in Krumbach des
israelitischen Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von
Schulkindern. Der Verein, 1884 zunächst für Bekleidung armer Kinder
gegründet, hat 1892 ganz klein den zweiten Teil seiner Wirksamkeit
begonnen, zuerst mit Beisteuern zum Landaufenthalt von 4 Schulkindern,
dann, gefördert durch gute Menschen, stetig fortschreitend, bis 1900 die
erste Kolonie unter eigener Führung in gemietete Räume nach Krumbach
entsandt wurde. 1902, am 1. April erwarb der Verein ein Anwesen in diesem
freundlichen, schwäbischen Ort, von dessen jüdischer Gemeinde herzlichst
begrüßt. Der Bau wurde nach Möglichkeit der finanziellen Lage und den
Bedürfnissen angepasst; am 16. Juli erfolgte die Einweihung des Heims,
das in jenem Jahre in 2 Ferienhälften je 25 Münchener Kinder
beherbergte. Die Knabenkolonie wurde in den ersten Jahren von einem
Lehrer, die Mädchenkolonie von einer Dame betreut, denen eine
Krankenschwester zur Seite stand, während ein Verwalterehepaar das
Wirtschaftliche versah. 1908 konnte eine weitere bauliche Verbesserung
ausgeführt werden; der Wunsch nach einem Umbau auch des letzten alten
Flügeln ließ sich aus pekuniären Gründen bis heut noch nicht
erfüllen. Im letzten Jahre ist mit Unterstützung der Münchener
Kultusgemeinde ein Isolieraufbau errichtet worden.
Es war trotz mancher Sorgen möglich, beide Kolonien stets reichlich zu
beschicken; allmählich waren es zweimal 50 Kinder, die die Wohltat der
Landerholung genießen konnten. Das Jahr 1914 sollte wieder eine
Steigerung der Vereinsleistungen bringen; im Juni wurde eine Vorkolonie
von schwächlichen und daher vom Unterricht dispensierten Kindern
gepflegt, und hierauf sollten zwei Ferienkolonien folgen. Da kam der
Krieg; am 3. August schon kehrten die Knaben heim, und die Mädchenkolonie
musste unterbleiben. Aber 1915 und in den folgenden Jahren gelang es
wieder, den Vollbetrieb zu führen, sogar zweimal mit einer Vorkolonie.
Die Rationierung der Lebensmittel und die Verteuerung beeinträchtigen
natürlich vieles; aber guter Wille aller Mitwirkenden und verschiedener
Vereine, sowie größere Auslandsspenden schafften einen kleinen
Ausgleich. Als dann die Teuerung auch bei der Bahn, die Verkürzung der
Ferien und endlich der bedauerliche Rückgang der Kinderzahl die
Vereinstätigkeit zwingend beschränkten, schickte man in den letzten
Jahren allsommerlich nur eine Kolonie von 53 Knaben und Mädchen, die
demgemäß die ganze Ferienzeit Erholung und dadurch großen Vorteil
genossen. Die Vereinsleitung hofft aber mit Bestimmtheit, die Ferienzeit
verlängern und dadurch wieder 2 Serien von Kindern aufnehmen zu können,
da die Schulbehörde wohl sicher schwächlichen Kindern einen Dispens von
2 Wochen vor den großen Ferien gewähren, andern Schülern eine
Überweisung gestatten wird. Dadurch wird es auch möglich sein, Kinder
aus weiteren Kreisen aufzunehmen, aus Familien, wo aus gesundheitlichen,
beruflichen oder sonstigen Gründen die Eltern nicht verreisen, wohl aber
die Kosten der Erholung für ihre Kinder tragen können.
Gleich den Wünschen und Plänen für das Ferienheim ist aber auch seine
Wirksamkeit nicht stehen geblieben. Der Verein hat seine heizbaren Räume
außerhalb der Ferienzeit dem Münchener israelitischen Frauenverein von
1830 für erholungsbedürftige weibliche Personen zur Verfügung gestellt,
und der Frauenverein zahlt, eventuell mit Zuschüssen der Betreffenden,
für diese Frauen und Mädchen die Verpflegungskosten und nach
Möglichkeit eine Pauschale für Licht, Heizung, Inventarbenützung. Im
Jahre 1926 sind bei 19 Frauen und Mädchen die besten Erholungsresultate
erzielt worden. Dieses schöne Zusammenarbeiten zweiter Vereine beweist,
wie Einigkeit stark macht. Der Frauenverein ist auch gern bereit,
weibliche Personen von außerhalb Münchens aufzunehmen, wozu ein Anfang
schon gemacht ist. Die Vorzüge des Heims sind seine schöne Lage mit
großem Garten, gute Verpflegung und gemütlicher Anschluss im Hause, der
freundliche Ort selbst, in dem eine jüdische Gemeinde und ein
liebenswürdiges Lokalkomitee sich befinden, eine schöne Synagoge mit
regelmäßigem Gottesdienst besteht, also all das, was Behagen und
Heimatgefühl schaffen kann.
An leiblicher und seelischer Förderung, an liebreicher,
verständnisvoller Erziehung ist aus diesem heim schon viel Gutes in
diesen 25 Jahren entsprossen, und manche, die jetzt Väter und Mütter
sind, gedenken dankbar der schönen Ferienwochen ihrer Schulzeit im
Krumbacher Heim. Dass alles sich weiter gesegnet entwickle und beglückend
wirke, dass der Verein in die Lage komme, innerlich und äußerlich auf-
und auszubauen und immer mehr leisten zu können für diejenigen, denen zu
dienen ihm liebe Pflicht ist, dazu gebe Gott seinen Segen für weitere
Jahrzehnte! Rosa Werner." |
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927)
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 24. August
1927: "Ein Besuch im Kinderlande von Direktor Dr. Elias (Fürth) (Zum
25jährigen bestand der Münchener Ferienkolonie in Krumbach). Umsäumt
von den heimlich rauschenden Wassern der Kammel, wohl geborgen im Schoß
der altehrwürdigen Gemeinde Hürben, dehnt sich an der Peripherie des
Ortes, dem Staube der Landstraße entzogen, ein großer, grüner Rasen vor
mir aus, und darüber erhebt sich ein freundliches Haus mit der
Aufschrift: Ferienkolonie München. Und längst verklungene alte Bilder
tauchen wieder empor aus der Vergessenheit und führen die bewegte Seele
zurück ins Land meiner Kindheit. Wie zählten wir die Wochen und Tage bis
zu dem Moment, wo die Kolonien abgingen, nach Wassertrüdingen oder
Hürben oder Ingolstadt!
Und während wir uns schon wie selbstverständlich der Freude hingaben,
war das Komitee in größter Sorge, da es nicht wusste, wie es die Gruppen
legen und teilen sollte, um Platz zu bekommen. Bis vor 25 Jahren die
ideale Lösung erfolgte. Da kam er, der vor kurzem in die Erde gebettet
wurde, Albert Landauer, und kaufte den Platz hier und schuf den Kindern
ein festes geräumiges Heim.
Eine Fülle reinster Glückseligkeit und echter Kinderfreude liegt in
diesem Gebäude geborgen. Die Großen und Reichen mögen sich ihre
Kurplätze noch so viel kosten lassen, nie werden sie die Freude an der
Sommerfrische so natürlich erleben, nie so die Begeisterung fühlen, die
wie ein elektrischer Funke durch die jungen Seelen geht, alle miteinander
verbindet und den Ankömmling unwillkürlich in den Strudel kindlichen
Erlebens hineinreißt.
Es ist morgens. Der grüne Anger wimmelt von einem Rudel wilder Gesellen,
kleiner und großer, von Buben und Mädels. Ist es nicht, als ob die
Seelen aufjauchzten, weil sie der Natur zurückgegeben, weil sie nicht
mehr beengt sind von dicker Stadtluft, vom Drucke bitterernster Sorge, die
über Vätern und Müllern lagert, weil sie entronnen sind den
unerquicklichen Familienverhältnissen, die manche von ihnen das Jahr
über beschatten?
Sechs Wochen lang dürfen sie Kinder sein, dürfen sie sich sonnen in der
Farbenpracht, wie sie nur das Land zeigt, und die doch so unendlich
wichtig ist für die geistige und seelische Entwicklung eines gesunden
Kindes. Und um jede Spur von sozialer Verbitterung zu tilgen, sind soundso
viele Mittelstandskinder dabei und niemand weiß, wer zahlt und wer nicht.
Da geht bald eine merkwürdige Metamorphose vor sich: Die Wangen röten
sich, die Backen füllen sich und die Sonne bräunt die Leiber. Wie sie
Purzelbäume schlagen, Zelte bauen, Wasser treten (das Bad ist gerade
davor), Wettkämpfe ausfechten im Laufen und Springen, da rächen sie sich
für 11 Monate der Kopfarbeit und quetschender Enge. Und erst die
Kinderfeste! Die Tanten wissen gar nicht, welche Quelle der Freude ihre
Geburtstage werden können. Das sind Gelegenheiten für Spiel und Gesang,
Für Reigen und Aufführungen. Da schütten sie alle Anhänglichkeit,
deren so ein Kind fähig ist, alle Phantasie und alle Talente, die wir
unter uns bergen, aus und alles mit entzückender Naivität: Oberschwester
hat einen Mückenstich bekommen. Ganz begeistert erzählt mir da so ein
Dreikäsehoch: ‚das trifft sich ganz gut, ich hoffe, dass ihre
Kopfschmerzen noch anhalten, damit sie nichts von den Vorbereitungen
merkt, die für ihren Geburtstag am nächsten Sonntag getroffen werden.’
In der Tat wird hier Liebe gespendet und zur Liebe erzogen. Mit
unendlicher Geduld und bewundernswerter Energie hält die Oberschwester
und ihre treuen Gehilfinnen diese Schar zusammen, mit hausmütterlicher
Gewissenhaftigkeit sorgt die Frau Verwalter für die leiblichen
Bedürfnisse und Behaglichkeit. Und kommt gar der Sabbat, da senkt sich
eine zweite Seele hernieder, ein Stäubchen Ambra erfüllt die Luft und
ein besonderes Gewürz liegt in den Speisen. Dann kommt nach Mincha der
vertraute Gast des Hauses, Herr Weißkopf, und erzählt den Lauschenden
von der Sidra. Manch feiner Gedanke blitzt da auf, manch ernster
Entschluss reift da zur Tat, so mancher Plan erwacht fürs Leben.
Oft komme ich da vorüber, und immer bleibe ich stehen und weide mich an
der natürlichen Anmut und Lieblichkeit der Gestalten. Oft aber sind sie
längst vom Rasen verschwunden, während ich noch bei ihnen bin. Wer auch,
der Herz und Sinn hat für Kinder, der eine Ahnung hat von der Tragik von
Großstadtkindern, kann sich dem Zauber entziehen, der da gewoben wird aus
Kinderträumen und Jugendglück? Möge es noch vielen Kindern zugute
kommen, möge es vor allem der rührigen Protektorin, Frau Professor
Werner, beschieden sein, die fernere Entwicklung der Kolonie noch lange zu
verfolgen und zu leiten!" |
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1927)
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 11. November
1927: "Ferienheim Krumbach. Der Israelitische Frauenverein von 1830 hat
ein übereinkommen mit dem israelitischen Verein für Ferienkolonien und
zur Bekleidung von Schulkindern in München getroffen und nimmt außerhalb
der großen Ferien und des Pesachmonates in das Ferienheim in Krumbach
Frauen und Mädchen auf, die der Erholung bedürfen. Auch weibliche
Personen, die nicht in München wohnen, kommen in Betracht, jedoch nur
Erholungsbedürftige und Rekonvaleszenten, aber keine Kranken. Das Heim
bietet gesunde, behagliche Zimmer, gute Verpflegung, schönen Garten.
Nähere Auskünfte sind zu erhalten bei der Vereinsleitung, München,
Herzog-Max-Straße." |
Bericht über die Ferienkolonie in Krumbach (1928)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 4.
September 1928: "Von der Ferienkolonie München in Krumbach (Schwaben).
Im lieblichen Kammeltal, dessen Talwände ausgebreitete Laub- und
Nadelwälder tragen, liegt idyllisch schön das Ferienheim des ‚Münchener
Vereins für Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern’. Große
schöne Räume, helle Schlafsäle, Speise- und Spielsaal, die im Vorjahre
mit großem Kostenaufwand neu ausgestattet wurden, stehen der Kinderschar
zur Verfügung. Unmittelbar vor dem Gebäude zieht sich eine große
Grasfläche hin, die mit Obstbäumen aller Art bewachsen ist und den
Kindern Halbschatten bietet. Hier tummeln sich die Kinder und führen
Spiele aller Art aus. Am Südende des Gartens hat die Stadtgemeinde ein
der Neuzeit entsprechendes Flussbad eingerichtet mit Schwimm- und
Sonnenbad. Das von ärztlicher Seite gerühmte milde Kammelwasser lädt
zum Bade ein, und besonders in diesem heißen Sommer können die
Koloniekinder sich erfreuen und stärken, durch fleißiges Baden in der
Kammel. Die derzeitige Verwalterin, Frau Regina Adler, setzt ihren Stolz
darin, gute kräftige Kost zu verabreichen, und so waren alle
Vorbedingungen gegeben, dass die aus 54 Köpfen, Knaben und Mädchen
bestehende Ferienkolonie unter Führung der Oberschwester Frl. Laura Hahn
und der zum ersten Male sich betätigenden Tante, Frl. Kohn, einer Enkelin
des verewigten Gründungsmitgliedes, Frau Johanna Kohn, Erholung und
Stärkung suchen und finden konnte. Am 22. August fand die Schlussfeier
statt, die in diesem Jahre ein festliches Gepräge erhielt, da die
Oberschwester das 20. Mal die Kolonie hierher begleitete. Gesänge und
Vorträge wechselten ab mit kleinen Theaterstücken und rhythmischen
Tänzen. Ein Mädchen trug ein zu Ehren des Tages verfasstes Gedicht vor,
das die Liebe und Güte der Oberschwester Preist, und überreichte ein
Blumenbukett. Hauptlehrer Kahn dankte im Namen des Vereins und der
Vorstandschaft der verehrten Oberschwester für alle Mühe und Hingebung,
die sie der Kolonie erwiesen, rühmte besonders ihre Verdiente um das gute
Gelingen der edlen Sache und überreichte ihr, da sie sich jedes Geschenk
verbeten hatte, ein in schönem Rahmen gefasstes Bild der Ferienkolonie,
als Andenken an die Stätte ihrer ersprießlichen Tätigkeit. Sichtlich
gerührt dankte die Jubilarin für die Huldigung. Möge die Ferienkolonie
sich weiter der Gunst ihrer Mitglieder erwerben und neue Freunde und
Gönner gewinnen!
Der Israelitische Frauenverein von 1830 bietet außerhalb der Koloniezeit
im Ferienheim in Krumbach, erholungsbedürftigen Frauen und Mädchen
liebevolle Aufnahme zu billigem Verpflegplatz (Unbemittelte gratis)." |
Bericht über die Ferienkolonie
in Krumbach (1929)
Artikel
in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
September 1929: "Ein Besuch in der Ferienkolonie Krumbach. Wehende
Fahnen und Taschentücher, ein hebräischer Sang aus hellen Knabenkehlen,
poetischer Willkomm aus fröhlichem Mädchenmund begrüßten uns, die wir
der freundlichen Einladung des ‚Israelitischen Vereins für
Ferienkolonien und zur Bekleidung von Schulkindern’ gefolgt waren, das
Heim in Krumbach zu besichtigen. Ein stimmungsvoller Auftakt zu all dem
schönen und Wertvollen, das unser noch harrte. Unter sachkundiger
Führung der Leiterin, Frau Adler, und der unermüdlich wirkenden
Oberschwester Laura, die heuer zum zwanzigsten Male die Ferienkolonie
betreut, wanderten wir durch die freundlich-hellen Räume des Heims,
standen bewundernd in den bildergeschmückten hygienischen Schlafräumen,
die augenblicklich 54 Kindern Ruhe und Erholung gewähren wollen vom Lärm
und Getriebe, aber auch von den Entbehrungen des Großstadtlebens und –Hastens.
Und dass dieser Zweck erreicht wird, das bezeugten uns die
glückstrahlenden Augen der jugendlichen Schar, die ihre roten Wangen
neben der frischen Luft des schönen Schwabenstädtchens, das bekanntlich
auch anderen Heilbedürftigen in seinem ‚Krumbade’ Genesung bringt,
nicht zum mindestens der vorzüglichen Verpflegung verdankt, die ‚Mutter
Adler’ ihnen zuteil werden lässt. Wir können auch davon ein Liedchen
singen, denn das ‚einfache Mahl’ , das uns angeboten wurde, legte
Zeugnis ab von dem hervorragenden Können dieser trefflichen Fau. Und mit
Recht feierte in gewohnt-gewandter Weise Frau Rabbiner Dr. Baerwald mit
allen übrigen Rednern die Verdienste der Leiterin und ihrer bewährten
Helferinnen und gedachte pietätvoll-dankbar der beiden Verstorbenen,
deren Name und Wirken mit der Geschichte und dem Aufstieg des Ferienheims
unlösbar verbunden bleiben werden: Rosa Werner und Albert Landauer, der
aus seinem Bilde glücklich lächelnd hernieder schaute auf die festliche
Schar der Erwachsenen und Kleinen. Und als nun nach dem Mahle aus
Kindermund das Tischgebet in vollendeter Weise erscholl, als man hörte,
wie fröhlich die ganze Schar von groß und klein in die Chöre
einstimmte, da merkte man, dass neben dem Leib auch nicht der Geist, vor
allem der religiöse, vernachlässigt wird. (Wie mir nachher berichtet
wurde, versammelte an jedem Schabbosnachmittag der Vorsteher der Gemeinde,
Herr Weißkopf, die Jugend, um ihr vom Wochenabschnitt und seinen Lehren
zu erzählen). Und nun noch eine Überraschung: im Nebensaal wurden die
Stühle zusammengerückt, man nahm Platz und lauschte erstaunt den auf
seltener Höhe stehenden künstlerischen Darbietungen der Kinder, die sich
als Sänger, Tänzer und Schauspieler von erstaunlich-natürlicher
Begabung zeigten und Zeugnis davon ablegten, dass die ‚Tanten’ des
Heims es meisterlich verstehen, Jugendlust und -freude zu erwecken.
Unwillkürlich fiel mir Jean Pauls Wort ein: ‚Heiterkeit ist der Himmel,
unter dem alles gedeiht, Gift ausgenommen!’ Allzu schnell verflossen die
Stunden, und schweren Herzens nahm man Abschied mit innigem Dank für
Herrn und Frau Louis Selinger, die in so mustergültiger Weise die
Vorbereitungen der Besichtungsfahrt durchgeführt und die uns auch im
Laufe des Vormittags mit berechtigtem Stolz freudestrahlend die
Sehenswürdigkeiten ‚ihres’ Krumbachs gezeigt hatten. Man schied mit
dem Bewusstsein: Im Ferienheim Krumbach wird unter bewährter Leitung
Vorbildliches geleistet zum Segen einer erholungsbedürftigen Jugend. Und
ich bin sicher: Alle Kinder, die jemals das Glück hatten, in der
Ferienkolonie Krumbach weilen zu dürfen, scheiden aus dem Heime mit dem
Bedauern, dass diese schöne Zeit vorbei ist, und mit der Hoffnung, dass
sie im kommenden Jahre wieder nach Krumbach dürfen. Tun wir das Unsrige,
ihnen diese Sehnsucht zu verwirklichen! Dr. S. Kessler." |
Singwoche im Ferienheim in Krumbach (1931)
Artikel
in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juli
1931: "Aus bayerischen Gemeinden. Die Singwoche in Krumbach (Bayerisch
Schwaben) vom 2. bis 9. September 1931. In anderen Gegenden Deutschlands
ist die Abhaltung von so genannten Singwochen schon zu einer ständigen
Einrichtung geworden. Hier in Süddeutschland und vor allem in den
jüdischen Kreisen kennt man dagegen kaum den Namen, geschweige denn das
Wesen einer solchen Singwoche. Daher mag es berechtigt sein, zunächst
hievon eine Darstellung zu versuchen:
Ein Kreis von Menschen – sowohl junge wie auch erwachsene -, die Freude
am ungekünstelten, natürlichen Singen und an der Erarbeitung alter und
neuer Lieder haben, verbringt eine Freizeit von etwa einer Woche
möglichst abseits vom allgemeinen Trubel in einer schönen Gegend zur
körperlichen und seelischen Erholung: das nennt man dann eine Singwoche.
Etwas theoretischer Unterricht, Singen, Instrumentalmusik, Gymnastik, viel
Aufenthalt in der freien Natur, so genannte Volkstänze und Vorträge mit
Aussprachen sind einem festen Tagesplan eingegliedert, in dem auch für
Ausspannung gesorgt ist. Hierbei kommt es aber vor allem darauf an, dass
die Teilnehmer ein großes Maß von Selbstdisziplin und die Fähigkeit,
sich einem vom Geiste der Gemeinschaft getragenen Kreis harmonisch
einzufügen, mitbringen. Das Gelingen einer solchen Singwoche liegt also
großenteils an den Teilnehmern selbst. Alles so genannte ‚Gesellschaftliche’,
wie z.B. moderne Tänze, elegante Gesellschaftskleidung usw. hat hier
keinen Raum; denn diese Freizeiten sind auf Natürlichkeit und Einfachheit
abgestellt, ganz im Sinne der Jugendbewegung, aus deren Geist heraus sie
seit 1923 entstanden sind, wo Walther Hensel die erste Singwoche hielt.
Allerdings besagt eine Beschreibung recht wenig. Man sollte meinen, dass
es kaum möglich sein kann, diese ganze Zeit von einer Woche nur in dieser
Weise zu verbringen. Dass dies aber sehr wohl möglich ist, das beweist
die immer größer werdende Zahl solcher Singwochen, die mit immer
größerer Beteiligung heute schon ins ehr vielen Gegenden abgehalten
werden. Mancher wird nun denken: hier möchte ich ja auch ganz gerne
mittun, aber ich habe keine besondere Singstimme. Darauf kommt es nun gar
nicht in erster Linie an; wer Freude zum Singen hat, auch wenn die Stimme
selbst zunächst nur schwach ist, der wird sich besser für das Ganze
eines solchen Chores eignen wie die glänzende Stimme, die stets alle
anderen übertönen möchte.
Solche Singwochen wollen aber nicht nur eine musikalische Angelegenheit
sein: in einer Zeit der Mechanisierung auf allen Gebieten wollen sie
zugleich eine Selbstbesinnung wecken, dass wir nicht nur dem Menschlichen,
sondern auch dem Göttlichen wieder unseren Sinn erschließen. Das
Religiöse im allgemeinen Sinn, ohne dass eine bestimmte Festlegung
erfolgen soll und ohne dass eine bestimmte Richtung besonders betont wird,
soll die tragende Idee sein.
Da wird es nun begreiflich erscheinen, wenn nun auch einmal für jüdische
Kreise der Versuch einer solchen Singwoche gewagt wird, und zwar ist es
durch das weitgehende Entgegenkommen der Münchener Vorstandschaft wie der
Hausverwaltung der Ferienkolonie in Krumbach (Bayerisch Schwaben)
gelungen, in der Zeit vom 2. bis 9. September 1931 im dortigen Heim eine
Singwoche zu halten. Unterkunft und gemeinsame Verpflegung ist in den
Räumen der Krumbacher Ferienkolonie geboten. Die schöne Umgebung mit
ihren hübschen Laub- und Nadelwäldern, ein Schwimmbad und ein gesundes
Klima verbürgen auch eine körperliche Erholung. (Der
Verschönerungsverein in Krumbach – Bayerisch Schwaben – versendet
auch gerne gratis einen illustrierten Prospekt über Stadt und Umgebung).
Um nun vielen die Teilnahme zu ermöglichen (Höchst-Teilnehmerzahl etwa
50 Personen), ist die Teilnehmergebühr möglichst niedrig festgesetzt
worden; sie beträgt für die ganze Zeit 30 RM. Darin ist inbegriffen |
Verpflegung
(rituell), bestehend aus drei Mahlzeiten, sowie Unterkunft, die im Heim
unentgeltlich ist, ferner die Teilnahme an der Singwoche, die ebenfalls
unentgeltlich erfolgt. Auf besonderen Wunsch können auch Privatquartiere
besorgt werden, die aber in obigem Preis nicht inbegriffen sind. Es wäre
jedoch wünschenswert, wenn möglichst viele Teilnehmer im Hause selbst
wohnen würden, das mit seinen Schlafsälen und einigen Einzelzimmern alle
Teilnehmer beherbergen kann (für Jungens und Männer sowie für Mädchen
und Frauen in je einem besonderen Flügel des Gebäudes). Wer es vermag,
soll vielleicht etwas mehr Beitrag entrichten, um anderen, die es
beantragen, eine Ermäßigung gewähren zu können. Überschüsse fallen
dem Heim zu.
Anfragen und Anmeldungen (unter Beifügung einer Freikarte oder eine
Freikuverts) an Herrn Dr. Arthur Reichenberger, Ichenhausen bei Ulm. Die
Teilnehmerliste wird am 1. August geschlossen. Es wollen sich jedoch nur
solche Teilnehmer melden, die sich der Singwochen-Ordnung freiwillig
einfügen; dazu gehört z.B. auch der Verzicht auf alkoholische Getränke
(Freitagabend und Samstag ausgenommen und auch hier in kleineren Mengen)
sowie auf das Rauchen während dieser ganzen Zeit.
Je weniger der einzelne von dieser Singwoche erwartet und je mehr er sich
dem Ganzen einfügt, desto wertvoller kann sie uns allen werden. Wer sich
amüsieren will, der bleibe fern; denn er kommt bestimmt nicht auf seine
Rechnung. Wer aber sinn für Freude und echten Frohsinn hat, der wird
diese bei unserer Singwoche ebenso finden wie den Ernst, den erste Arbeit
erfordert; denn wir wollen uns etwas erarbeiten. Nicht willkommen ist uns
ein vorlautes, anmaßendes, anspruchsvolles oder unerträgliches Wesen;
denn dies zerstört jegliche Harmonie. Und die Langschläfer wie die
Nachtbummler sind auch sehr schlecht bei uns daran: spätestens 10 Uhr
abends ist Nachtruhe und morgens um 6 Uhr geht es schon wieder aus den
Federn. Also überlegt es Euch, bevor Ihr Euch meldet! Aber überlegt es
Euch auch nicht zu sehr, denn es ist vielleicht doch nicht so schlimm, wie
Ihr befürchtet. Wie aus eigener Erfahrung versichert werden kann, ist so
eine Singwoche etwas sehr Schönes, wenn… aber auf dieses ‚wenn’
kommt es nun eben bei jedem von Euch an. Wollen wir also sehen! Dr. Arthur
Reichenberger, Ichenhausen bei Ulm." |
|