In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts kurpfälzischen
Residenzstadt Mannheim besteht eine jüdische Gemeinde seit der Mitte des 17.
Jahrhundert, unterbrochen durch die Verfolgungsjahre der NS-Zeit 1940-45.
Mitte 1945 konnte wieder eine – im Vergleich zur Vorkriegszeit wesentlich
kleinere - Gemeinde begründet werden. Sie hatte im Jahr 2000 ca. 600 Mitglieder
(dazu folgende Seite).
Unter den ersten jüdischen Familien, die in den
1650er-Jahren aufgenommen wurden, stammten fünf aus Pfeddersheim sowie
sefardische Juden aus Portugal, die einige Jahrzehnte später in der deutschen
Gemeinde aufgingen. 1660 erhielten sowohl die "deutschen Juden" wie die "Portugiesen"
von Kurfürst Karl Ludwig eine "Konzession". Nach der Zerstörung Mannheims 1689
entstand die Gemeinde neu. Die Zahl der jüdischen Familien wurde 1691 auf 84
Familien beschränkt, 1698 auf 150 und 1717 auf 200 Familien (etwa ein Achtel
der Bevölkerung Mannheims). 1771 lebten 247 jüdische Familien in der Stadt. Die
jüdische Gemeinde entwickelte sich rasch und im 18. Jahrhundert durch die
Verlegung des kurfürstlichen Hofes von Heidelberg nach Mannheim einen großen
Aufschwung. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es 18 jüdische Hoffaktoren in der
Stadt. Die meisten Mannheimer Juden lebten damals jedoch als Kaufleute und
Handwerker in bescheidenen Verhältnissen. Viele waren sogar sehr arm und hatten
kein Heimatrecht.
Am wirtschaftlichen Aufschwung Mannheims im 19. Jahrhundert
hatten die jüdischen Einwohner beträchtlichen Anteil. Jüdische Tuch-, Eisen-,
Getreide- und Tabakhandelsfirmen entstanden, Zigarrenfabriken und Brennereien
wurden eröffnet, das Bankhaus Ladenburg finanzierte zahlreiche
Industrieprojekte. Weltruf genossen der 1838 gegründete Verlag von J.
Bensheimer (rechts- und staatswissenschaftliche Literatur) und die Rheinische
Gummi- und Celluloid-Fabrik der Gebrüder Bensinger. 1875 wurden 3.943 jüdische
Einwohner in Mannheim gezählt (6,6 % der gesamten Einwohnerschaft). Die höchste
Zahl wurde 1925 mit 6.972 Einwohnern (jedoch nur noch 2,8 % der Einwohnerschaft)
erreicht. Das Mannheimer Judentum spielte eine bedeutende Rolle in allen
Bereichen des städtischen Lebens, unter anderem durch verschiedene Stiftungen,
mit denen verschiedene Einrichtungen finanziert oder großzügig ausgestattet
werden konnten (Herschelbad, städtische Kunsthalle, Reißmuseum,
Stadtbibliothek).
Auf Grund der Judenverfolgungen und -ermordungen in der
NS-Zeit kamen von den 1933 in Mannheim wohnhaften 6.402 jüdischen Einwohnern
mindestens 1.300 ums Leben.
Zu den bedeutenden jüdischen Persönlichkeiten der
Stadt gehörten u.a. der kurfürstliche Hof- und Obermilizfaktor Lemle
MosesReinganum (1666-1724), der Landgerichtspräsident Dr. Nathan
Stein (1857-1927), der Handelsrechtler Max Hachenburg (1860-1951),
die Volkswirtin und Vertreterin der Frauenbewegung Elisabeth Altmann
Gottheimer (1874-1930), die Verleger Jakob Bensheimer (1807-1863) und
Julius Bensheimer (1850-1915), der Begründer der
Rhenania-Schifffahrtsgesellschaft Hermann Hecht (1877-1969), der Bankier Karl
Ladenburg (1827-1909), der Rechtsanwalt und Politiker Dr. (1874-1914), die Unternehmer Victor Lenel (1838-1917) und Richard
Lenel (1869-1950), der Kinderarzt Eugen Isaak Neter (1876-1966), der
Psychologe und Pädagoge Otto Selz (1881-1943), der Politiker Florian
Waldeck (1886-1960). Aus Mannheim stammten der Anwalt Leopold Ladenburg,
die Chemiker Albert Ladenburg, Ludwig Darmstädter und Fritz
Straus, der Jurist Otto Lenel, der Anglist Hans Hecht, der
Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979), der Physiologe Ernst
Joseph Lesser (1879-1928).
1660 ist in der Konzession Karl Ludwigs an die
deutschen Juden Mannheims bereits von einer "Schul" die Rede, in der die
Gemeinde ihren eigenen Rabbiner, Vorsänger und Schulmeister halten dürfe. Auch
in den Ratsprotokollen der folgenden Jahre wird mehrfach eine solche Schule
genannt. Der Standort dieser vermutlich 1662 eingerichteten ersten Synagoge
Mannheims ist nicht mehr bekannt.
Seit 1664 wurde der Neubau einer Synagoge geplant (zweite
Synagoge). Die Pestjahre 1666/67 dürften den Bau dieser neuen Synagoge
verzögert haben. Im November 1670 wird erstmals eine "neue" Synagoge mit
Gemeindehaus, Spital und Armenhaus erwähnt. Für diesen Neubau bezog die jüdische
Gemeinde Material vom kurfürstlichen Bauamt in der Friedrichsburg. Liselotte
von der Pfalz (1652-1722; sie besuchte Mannheim mehrfach vor 1671) erwähnt
diese "artig wohlgebaute Synagoge" in einem ihrer Briefe. Der Standort dieser
Synagoge war bereits das Grundstück in F 2,13/15 (früher Quadrat 39, Nr. 6),
wo auch die spätere Hauptsynagoge stand. Hier waren auch andere Einrichtungen
der jüdischen Gemeinde, ein Gemeindehaus, das Spital, der Backofen (Schabbesofen
zum Warmhalten der Speisen für den Schabbat) und ein Armenhaus. Diese
Einrichtungen fielen einschließlich der Synagoge der Zerstörung der Stadt
durch die Franzosen 1689 zum Opfer.
Nachdem beim Wiederaufbau Mannheims auch die jüdische
Gemeinde neu entstand, hat diese eine neue Synagoge auf dem Grundstück des 1689
zerstörten Gotteshauses in F 2,13-15 erbaut (dritte Synagoge).
Vermessungsarbeiten hierzu fanden 1698 statt. 1700 war die Synagoge
fertig. Die Kosten werden bis 1705 mit "bis 6.000 Gulden" beziffert. Diesen
Betrag konnte die Mannheimer Gemeinde damals offensichtlich ohne größere
Schwierigkeiten aufbringen. Ein Teil wird durch den Verkauf der Synagogenplätze
hereingekommen sein. Für diesen Verkauf war die Gemeinde selbst zuständig. Über
ihre Anlage und Einrichtung wird von J- G. Rieger berichtet: "Gegen die
Straße schließt eine Mauer mit einem Geländer den dazu gehörigen viereckigen
Vorhof ein. Im Hintergrunde steht das Gebäude in einfachem Style ausgeführt, mit
einigen hebräischen Inschriften. In ihrem Innern erblickt man die, den jüdischen
Gesetzen entsprechende Einrichtung. In der Mitte stehen die Stühle der Vorsänger
mit Verzierungen. Die Weiber haben ihre eigene Schule, aus welcher vergitterte
Fenster in die Hauptschule gehen, um sie den Männerblicken zu entziehen, und
damit kein Teil den andern in der Andacht störe." (J. G. Rieger
Historisch-topographisch-statistische Beschreibung von Mannheim... 1824; zitiert
nach B. Rosenthal: Heimatgeschichte der badischen Juden. 1927 S. 112).
Mehrfach wurde die Synagoge mit der zunehmenden jüdischen Bevölkerung im 18.
Jahrhundert vergrößert. So ist seit 1767 als Teil der Synagoge neben der alten
auch von einer neuen "Frauenschul" die Rede. 1771 wird eine "obere Männerschul"
erwähnt. Aus dem Jahr 1824 liegt eine Beschreibung dieser Synagoge vor: "Gegen
die Straße schließt eine Mauer mit einem Geländer den dazu gehörigen Vorhof
ein. Im Hintergrunde steht das Gebäude in einfachem Stile aufgeführt, mit
einigen hebräischen Inschriften. In ihrem Inneren erblickt man die, den jüdischen
Gesetzen entsprechende Einrichtung. In der Mitte stehen die Stühle der Vorsänger
mit Verzierungen. Die Weiber haben ihre eigene Schule, aus welcher vergitterte
Fenster in die Hauptschule gehen, um sie den Männerblicken zu entziehen, und
damit kein Teil den andern in der Andacht störe".
Neue Choralgesänge in der Synagoge
(1840)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 22.
November 1840: "Melodische Choralgesänge ertönten am
vergangenen Neujahrsfeste und am Versöhnungstage in der Synagoge zu
Mannheim. Um dieselbe recht erhebend zu machen, ließ der Vorstand zu
den hebräischen Psalmen und Gesängen eigene Musik von den besten
Künstlern in München komponieren und übertrug die Ausführung einem
Choralgesang-Dirigenten von dort. Die Wirkung davon war außerordentlich.
In der Synagoge herrschte eine feierliche Stille; kein Laut, kein
Räuspern ward vernommen, und man bemerkte Leute beim Gottesdienste, die
man seit vielen Jahren nciht an der heiligen Stätte gesehen, und die nach
beendigtem Gottesdienste äußerten, dass sie, wenn dieses so fortgeführt
würde, keinen Gottesdienst wieder zu versäumen entschlossen seien. Was
aber noch auffallender war, selbst diejenigen, welche von altem Schrot und
Korn und jeder Neuerung abhold sind, nahmen es mit großem wohlgefallen
und wahrer Pietät auf."
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Synagoge
trotz der vorgenommenen Erweiterungen für die stetig wachsende Gemeinde zu
klein geworden. Jahrelang konnten keine Plätze für neu zuziehende
Gemeindeglieder vergeben werden. Auch gefiel der alte Bau nicht mehr, er "lud in
seiner Unschöne keineswegs zum Besuche des Gottesdienstes ein" (AZJ 1855, 465).
So entschloss man sich in den 1840er-Jahren zu einem Neubau an Stelle der
bisherigen Synagoge in F 2,13. Auch der Vorhof und der Raum des an die Straße stehenden Gebäudes, in dem das Sitzungszimmer, die Registratur und die Wohnung
des Synagogendieners waren, sollten überbaut werden. Einen Bauplan ließ die
Gemeinde von Bauinspektor Ludwig Lendorff erstellen. 1851 wurde die alte
Synagoge abgebrochen. Im Juli 1851 begannen die Arbeiten für den Neubau.
Bauinspektor Lendorff erlebte nur die Fertigstellung des Rohbaus im November
1852, da er im Februar 1853 verstarb. Nach seinem Tod setzte Architekt Heinrich
Lang, der unter Lendorff die Bauaufsicht leitete, diese unter Professor
Friedrich Eisenlohr in Karlsruhe fort, und übernahm, als auch Eisenlohr starb,
die weitere Ausführung vom Sommer 1853 bis Herbst 1854. Zahlreiche Mannheimer
und auswärtige Firmen waren mit den Arbeiten, insbesondere der künstlerischen
Ausgestaltung beschäftigt. Den im Januar 1854 aufgestellten Toraschrein aus
Carrara-Marmor fertigte Firma Porzelt und Harparath in Köln. Die
Freskenmalereien führte der Münchner Maler Josef Schwarzmann aus. Er hatte
kurz zuvor den Dom in Speyer ausgemalt. Die großen Kandelaber wurden bei Firma
Junge und Walther in Frankfurt angefertigt. Auch die in byzantinischem Stil
reich geschnittene Kanzel war aus Frankfurt: der dortige Bildhauer Diehlmann
hatte sie angefertigt. Die Orgel lieferte Firma Walker aus Ludwigsburg. wobei es
sich um ein aus 24 Registern bestehendes Instrument handelte, das ein
Unbekannter gestiftet hatte (siehe Informationen:
https://walcker.com/opus/0001_0999/0127-mannheim-synagoge.html). Um das Licht der Rosette an der Vorderfassade nicht
zu verdecken und dem Chor einen passenden Platz der Aufstellung zu lassen, wurde
die Orgel in zwei Hälften konstruiert. Der wertvolle silberne Schmuck aus der
alten Synagoge wie die ewige Lampe vor dem Toraschrein, der zahlreich vorhandene
Toraschmuck und eine Menora, die bei der Orgel aufgestellt wurde, ist durch den
Mannheimer Silberarbeiter Nadenheim restauriert worden. Die genannten und viele
weiteren Gegenstände der Inneneinrichtung wurden von zahlreichen
Gemeindemitgliedern oder den Vereinen gestiftet. So übernahmen die Familien
Herrmann und Seligmann Ladenburg die Kosten der Kanzel; Joseph Hohenemser
bezahlte einen neun Fuß hohen Kandelaber mit 13 Flammen vor dem Heiligen
Schrein. Die Baukosten betrugen 85.179 Gulden.
Schon in den Monaten vor ihrer Fertigstellung wurde die
Synagoge als "eine der schönsten wohl in Deutschland" bezeichnet. "In ihr wird
ein zahlreicher Sängerchor und eine Orgel den Gottesdienst verherrlichen",
wusste die "Allgemeine Zeitung des Judentums" am 25. Mai 1855 zu
berichten und fügte im Blick auf die Mannheimer Gemeinde hinzu: "Erfreulich
ist’s, wahrzunehmen, dass die zeitgemäße Umgestaltung desselben (sc. des
Gottesdienstes) die Eintracht in der Gemeinde nicht stört. Wo wahrhaft religiöser
Sinn herrscht, da wird die Religion nicht zum Zankapfel. Der dortige
neuangestellte Rabbiner Herr Präger versteht indessen auch allen Parteien möglichst
Rechnung zu tragen und geht bei seinen Reformen im Einvernehmen mit dem
Synagogenrate besonnen vorwärts". Am 29. Juni 1855 konnte diese nunmehr vierte
Synagoge feierlich eingeweiht werden. Die "Allgemeine Zeitung des
Judentums" berichtete zur Einweihung: "Der Synagogenrat hatte Einladungen an sämtliche
Geistliche, die höhern Civil- und Militärbeamten der Stadt usw. erlassen,
welchen größtenteils entsprochen wurden. Aus der Gemeinde selbst wurden für sämtliche
Männer, Frauen, Söhne und Töchter Plätze eingerichtet und die ganze
Schuljugend nahm unter der Leitung ihrer Lehrer Anteil an dem Feste der
Einweihung. Um 6 Uhr Abends nahmen die Mitglieder des aus 90 Personen aller Stände
der israelitischen Gemeinde bestehenden Chors, die Damen festlich bekleidet,
ihre Plätze ein. Weißgekleidete Mädchen mit Kränzen traten im Zuge durch das
Portal ein und bildeten Spalier bis zur heiligen Lade. Die Rabbinen mit den aus
alten Zeiten vererbten silbergeschmückten Tora-Rollen, nämlich der
Stadt-Rabbiner, ... die Konferenz- und übrigen Rabbinen des Landes wurden an
der Pforte von dem gesamten Synagogenrat feierlichst unter den vollen Klängen
der Orgel empfangen und zur heiligen Lade beleitet. Dem Zuge folgten eine große
Anzahl von Rabbinen benachbarter Städte und alle Vorstände von Verwaltungen
der israelitischen Gemeinde und ihrer wohltätigen Stiftungen. Nachdem die
Rollen in der heiligen Lade niedergelegt, eine eigens zur Feier der Einweihung
komponierte Kantate abgesungen und von dem Stadt-Rabbinen eine der Gelegenheit
angemessene ergreifende Festrede gehalten worden war, zündete man gegen 8 Uhr
die Gas-Kandelaber an und im Glanze von 220 Flammen strahlte nun der neue
Tempel. Die Gesangsvorträge, worunter eine von Rabbi Leopold Stein gedichtete
und von dem fünfzehnjährigen Hermann Levi aus Gießen komponierte Kantate,
wurden mit Präzision exekutiert und es bewährte sich bei dieser Gelegenheit
wieder die Tüchtigkeit des Organisten Eberhard Kuhn, Lehrer des Chors, der auch
die Gesänge, mit Ausnahme der Levi’schen Komposition, die Kapellmeister
Vinzenz Lachner dirigierte, leitete. Unterstützt wurden die Gesangesvorträge
durch die sonore Stimme des Vorsängers Gallenberg..." (AZJ 1855 S. 466-467).
Eine neue Synagoge soll gebaut werden
(1851)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Juli
1851: "Mannheim, im Juni (1851). Hier wird der Bau
einer neuen Synagoge beabsichtigt, die sehr großartig werden wird."
Der Bau der Synagoge hat begonnen (1851)
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 1. August 1851: "Mannheim. Der Bau unserer neuen Synagoge hat bereits begonnen, und wenn auch bei den hinlänglich bekannten religiösen Gesinnungen unseres Synagogen-Rates nicht zu erwarten steht, dass uns in dem Neubau eine (hebräisch) blühet, so hat doch wenigstens der und entschieden ausgesprochene Wille der religiösen Minorität es bewirkt, dass wir statt der Synagoge nicht gleich einen deutsch-katholischen Betsaal etwa erbauet sehen. Auch von der Einführung der Orgel ist einstweilen Abstand genommen."
Über die neue Synagoge (1854) Anmerkung: der orthodox-konservative Berichterstatter hofft zu dieser Zeit
noch, dass keine Orgel in der Synagoge eingebaut wird, die er als
"Pestübel" bezeichnet.
Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 17. Februar 1854: "Großherzogtum Baden. Mannheim.Im
Monat Tewet. Das hiesige Journal, welches über mehrere seit einiger
Zeit dahier erstandenen Neubauten referiert, bespricht namentlich unsere
nun bald vollende Synagoge in Folgendem: 'Die Synagoge, die ein wahrer
Tempel Gottes zu werden verspricht; so erhaben sind die Formen, so edel
der Stil und so gediegen das Material. Da ist gewiss niemand, der nicht
bewundernd stehen geblieben wäre vor dieser Zierde unserer Stadt, auf den
die Harmonie in den Verhältnissen und die Konsequenz des Stils nicht den
wohltuendsten und erhebendsten Eindruck gemacht. Bis auf die kleinste
Verzierung herab treu dem byzantinischen Geschmack, steigt der großartige
Bau in einer Höhe von mehr denn 70 Fuß empor, und auch im Innern sind
die Mauer- respektive Architekturarbeiten bis auf den heiligen Schrein,
der noch zu setzen, und einige Boden-Mosaiken, vollendet. In einer Länge
von 60 Fuß erstreckt sich das Schiff des Tempels bis zum heiligen
Schrein; die Breite desselben beträgt 30 Fuß; die Decke bildet zwei
gleich Kuppeln, deren Wölbung durch Blau mit Goldverzierung geschmückt
werden wird. Auf Boden und Säulen ruhend, zieht sich nun das Schiff die
geräumige Galerie (welche die Frauensynagoge bildet) gleich dem übrigen
Mauerwerk aus gehauenem Sandstein zusammenfügt. Die Säulen nach Maßgabe
der zehn Gebote, zehn an der Zahl, und massiv aus Marmor, zeichnen sich außer
der Schönheit des Materials, ganz besonders auch durch ihre
antik-byzantinischen, würfelartigen und mit Emblemen der israelitischen
Religion verzierten Kapitäler aus, welche vergoldet werden sollen;
während die Tragpfeiler der Galerie wie dieses selbst und andere Teile im
Innern eine steinfarbene Bekleidung erhalten und mit Fresken und Arabesken
auf Goldhintergrund verziert werden, deren Ausführung dem Maler
Schwarzmann, Mitarbeiter am Speyerer Dom, übertragen ist; für die
Bekleidung der Wände ist Stuckoluster oder Gipsmarmor bestimmt, für jene
des Bodens vor dem heiligen Schrein Marmorplatten von schwarz und weißer Farbe;
der Schrein selbst ist aus kararischem Marmor und ungefähr 30 Fuß hoch.
Die Fenster, welche größtenteils schon eingesetzt sind, bestehen zum
Teil aus las mit milchfarbigem Schilf, zum Teil aus buntgefärbtem. Die
Angabe der bis jetzt aufgezählten Ausschmückungen im Innern möge
bürgen für die Übereinstimmung des Ganzen, dessen Vollendung auf
künftigen Juli festgesetzt ist; die Einweihung der Synagoge soll in dem
darauf folgenden Monat August stattfinden.' Soweit das Mannheimer Journal.
Wir sehen bei dieser Ausschmückung nichts von einer Orgel oder auch nur
vom Platze derselben erwähnt, was uns ein
gutes
Zeichen gibt, das wir von diesem Pestübel, welches schon in so mancher
Gemeinde Stoff zur Uneinigkeit und Feindschaft, ja zur Trennung gegeben
hat, verschont bleiben werden. Denn auch hier mussten über diesen
Gegenstand die streng jüdisch religiös Gesinnten geharnischt in die
Schranken treten und hierüber schon manche Lanze mit ihren Gegnern
brechen. Schon im Bauplane war der Platz für eine Orgel
bestimmt, was uns veranlasste gegen den ganzen Neubau unserer Synagoge
Opposition zu ergreifen, besonders da eine unbedeutende Renovierung
hinreichend gewesen wäre, den gefühlten Mängeln abzuhelfen. Doch
plötzlich war die Orgel aus dem Bauplane verschwunden, und dieses gab uns
Hoffnung, dass unsere Gegner davon abgegangen seien. Aber kaum war der
äußere Bau derselben vollendet, als aufs Neue wieder die Einführung der
Orgel in Anregung gebracht wurde, und zwar diesmal mit aller Kraft des
Willens, sodass die Mehrheit des Synagogenrats und der Baukommission
dafür stimmten. Da mussten wir endlich mit Energie dagegen wirken, und
wenn auch nur ein kleines Häuflein, so dachten wir mit Jonathan (1.
Samuel 14,6): 'Es hält den Ewigen nicht ab um zu helfen, ob es wenige
oder viele sind'. Und als unsere Entgegnungen, welche auf Religion,
Gerechtigkeit und Billigkeit gegründet waren, bei den jüdischen
Vorgesetzten kein Gehör fanden, da wandten wir uns an das hohe Ministerium,
welches, wir wir hoffen, uns Gerechtigkeit widerfahren lassen wird, und
wir dadurch des nur Zwietracht ausstreuenden Vermächtnisses der weiland
sogenannten Rabbinerversammlung entledigt sein werden. Wahrscheinlich wird
auch bis zur Zeit der Einweihung der Synagoge zur Wahl eines definitiven
Rabbiners für den Stadtbezirk geschritten werden, wo es alsdann wieder
neue Kämpfe abzusetzen geben wird. Denn die Orgelpartei wird sich wohl
auch einen mit den Grundsätzen der Rabbiner-Versammlung
Befreundeten wählen wollen. Nun, wir wollen es abwarten, was da geschehen
wird, und unsern möglichen Einfluss dabei auch wieder geltend zu machen
suchen. Wir wollen den Frieden, wenn er unseren religiösen Grundsätzen
nicht widerstreitet."
Der Prinz-Regent von Baden besucht die Synagoge
(1854)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. Oktober 1854: "Seine königliche Hoheit, der
Prinz-Regent von Baden hat seinen Besuch in der prachtvollen Synagoge zu Mannheim
auf Dienstag, den 24. dieses Monats anzeigen
lassen."
Weiterer Bericht zum Neubau der Synagoge (1855)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelitische Volksschullehrer" vom
Februar 1855: "Mannheim, im Februar (1855). - In unserer
Gemeinde zeigt sich seit dem Beginne des Synagogenbaues eine neue
lebensfähige Kraft, welche, tief im Gemüte wurzelnd, herrliche Früchte
zu treiben verspricht. Der leidige Indifferentismus musste, bis auf wenige
Ausnahmen, weichen, und alles ist ergriffen von dem immer tiefer
gefühlten Bedürfnisse, dem Gottesdienste eine der Zeit und dem neuen,
prachtvollen Gotteshause entsprechende Gestaltung zu geben. -
Seit vier Jahren wird an dem Neubau der Synagoge gearbeitet,
überwacht und mit rühmlichem Eifer und unermüdeter Ausdauer geleitet
von einer besonders hierzu ernannten Baukommission, welche weder
Zeit noch Mühe scheute, das ihr geschenkte Vertrauen zu rechtfertigen, -
Die Synagoge ist nun, bis auf einige kleinere Teile, bereits vollendet und
steht da zur Zierde der Stadt, zur Ehre der Baumeister und Bauinspektoren,
und zur Freude der ganzen Gemeinde und jedes fühlenden Israeliten. Sie
ist im byzantinischen Stile erbaut; ihre Fassade und ihre ganze äußere
Erscheinung ist wahrhaft imponierend. Der innere Raum und die innere Ausschmückung
übertrifft noch die Erwartungen, wozu der äußere Anblick berechtigt. -
Einfache, aber kunst- und geschmackvolle Malerei ziert Decke und Wände -
ohne überladen zu sein, bietet diese einen freundlichen und wohltuenden
Anblick. Drei prachtvolle Kuppeln bilden die Decke. Besonders imponierend,
wegen seiner bei aller Einfachheit majestätischen Gestaltung ist der
heilige Schrein - er ist ganz von Marmor, ohne alle Goldverzierungen. Im
Innern ist nicht, wie sonst, ein gewöhnlicher Schrank, in dem die
Torarollen getürmt aufeinander stehen, sondern ein kleines
Zimmer, in welchem dieselben halbkreisförmig geordnet nebeneinander
aufgestellt sind. - Die Beleuchtung ist durch Gas, nicht mit hängenden
Lichtern, sondern mit stehenden, echt vergoldeten 10 Fuß hohen
prachtvollen Kandelabern. Auch ist für Heizung durch Gas Sorge getragen.
-
Diese neue herrliche Synagoge erregte allseitig den Wunsch, für dieselbe
einen Rabbiner anzustellen, der sowohl durch einen ernsten Willen,
als durch die ihm innewohnende Energie und Fähigkeit imstande ist, einen
dem Gotteshause würdigen und entsprechenden Gottesdienst einzuführen. -
Der Synagogenrat hat, diesem allgemein geäußerten Wunsche Rechnung
tragend, den früheren Rabbiner in Bruchsal, Ihren Freund, Herrn Präger,
zu dieser für unser Gemeindeleben so wichtigen Stelle berufen. Derselbe
hat bereits diese angetreten und in seiner von allen Parteien mit un-
geteiltem
Beifalle aufgenommenen Antrittspredigt seine Richtung und seine Absichten
klar und ehrlich der Gemeinde mitgeteilt, was die freudigen Gesinnungen
noch steigerte, womit der treffliche Mann hier erwartet wurde.
-
Die Einweihung der Synagoge wird zwar erst im Monate Mai
stattfinden, jedoch hat der neu ernannte Rabbiner in Verbindung mit dem
Synagogenrate einzelne Reformen eingeführt, wahrscheinlich um die
Gemeinde, welche bisher nur an die althergebrachte Ordnung gewöhnt war,
für die neue Ordnung vorzubereiten. - Er hat nach unserer Ansicht wohl
daran getan, denn es macht bei uns in den gottesdienstlichen Einrichtungen
die Gewohnheit sehr viel aus - sobald der Israelite öfter in der neuen
Weise dem Gottesdienste beigewohnt, wird dieser ihm beliebt, erhält für
ihn bald die Autorität, welche dem Ganzen die nötige Weihe gibt.
Diese erwähnten Reformen beschränken sich vorerst auf den
Sabbat-Morgengottesdienst. Das Aufrufen beim Namen, sowie der jedesmalige
Mischeberach für den Aufgerufenen haben aufgehört, dafür spricht der
Rabbiner am Schlusse einen deutschen Segen für alle zur Tora Gerufenen.
Diesem folgt eine Paraphrase über den Toraabschnitt, wenn nicht gepredigt
wird. - Sodann die Haftara mit Vor- und Nachsegen in deutscher Sprache. Jakum
Purkan uMi Scheberach bleiben weg. - Hierauf Gebet für Vaterland und
Gemeinde deutsch. - Aschre versweise respondiert. Die
Siebensprüche werden nicht wiederholt, sondern gleich laut vorgetragen; Ein
keelohenu wird respondiert, Pitum Haketoret bleibt weg. Das Aleinu-Gebet
wird deutsch vom Rabbiner vorgetragen und der Sabbat-Psalm respondiert.
Wir betrachten diese Einrichtung als Vorbereitung für den neuen
Gottesdienst in der neuen Synagoge, welcher von einem, achtzig Sänger
und Sängerinnen zählenden Chore und der Orgel verherrlicht,
ein wahrhaft erbauender, begeisterungsfähiger werden muss. - Wie wir
hören, soll der geniale Sulzer in Wien eigens für den hiesigen
Gottesdienst sämtliche Gesänge und Rezitative bearbeiten. wir freuen uns
darauf. Auch heißt es, dass bereits viele hiesige Kaufleute, die früher
am Sabbat ihre Verkaufslokale geöffnet hatten, dieselben, wenn der neue Gottesdienst
eingerichtet ist, schließen werden.
So hoffen und erwarten wir, dass in unserer Gemeinde, wo die Wohltätigkeit
(Gemilut chasodim) durch verschiedene Vereine musterhaft geordnet
ist, nun auch der Gottesdienst (awodah) durch die Vereinigung und
Beteiligung aller würdig, und Geist und Gemüt erhebend gestaltet
wird. Unser jetziger Rabbiner genießt die Achtung, die Liebe und
das Vertrauen der Gemeinde, er besitzt ein ausgezeichnetes Rednertalent
und wird gewiss zum Heile und zum Segen des religiösen Lebens der hiesigen
Gemeinde wirken.
Diese Woche besuchte der Regent von Baden zur Eröffnung des neuen
Theaters die hiesige Stadt, beehrte aber die Gemeinde nicht durch einen
besuch der neuen Synagoge. Man sagt, der Synagogenrat habe diesen hohen
besuch zwar erwartet, es aber versäumt, diesen durchlauchtigsten Gast
besonders dazu einzuladen. Wir wissen beides nicht bestimmt - aber soviel
ist sicher, dass Er die Synagoge nicht besuchte."
Die Synagoge wird im Juni 1855 eingeweiht
(1855)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. Juni 1855: "Die Synagoge in Mannheim, an innerer
Ausschmückung eine der schönsten wohl in Deutschland, wird im Laufe des Monats
Juni eingeweiht. In ihr wird ein zahlreicher Sängerchor und eine Orgel
den Gottesdienst verherrlichen. Erfreulich ist's, wahrzunehmen, dass die
zeitgemäße Umgestaltung desselben die Eintracht in der Gemeinde nicht
stört. Wo wahrhaft religiöser Sinn herrscht, da wird die Religion nicht
zum Zankapfel. Der dortige neu angestellte Rabbiner Herr Präger versteht
indessen auch allen Parteien möglichst Rechnung zu tragen und geht bei
seinen Reformen im Einvernehmen mit dem Synagogenrate besonnen vorwärts.
Möge diesem Geistlichen vergönnt sein, den Frieden der Gemeinde zu
erhalten!"
Die Großherzogin Stephanie besucht die neue Synagoge
(1855)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Juni
1855: "Worms, im Mai (1855). Sonntag, den 20. dieses
Monats besuchte Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin Stephanie die
neu erbaute Synagoge in Mannheim. Die Einweihung dieses prachtvollen
Gotteshauses soll am 29. Juni dieses Jahres stattfinden."
Einweihung der neuen Synagoge am 29. Juni 1855 (1855)
Siehe das "Programm zur Einweihungsfeier der Neuen Synagoge in Mannheim
am 29ten Juni 1855 - Freitag (Erev Schabbat Kodesch) 13. Tammus 5615":
das
Programm ist eingestellt als pdf-Datei.
Eine
Abschrift des Programmes (von S. Reber) ist gleichfalls als pdf-Datei
eingestellt.
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 29. Juni 1855: "Mannheim, 28. Juni (1855).
Übermorgen findet ein Fest eigener Art hier statt; es wird die nach
Lendorf's Plane neu erbaute Synagoge, ein Muster von anständiger,
zweckmäßiger Nachahmung des sogenannten byzantinischen Baustils und reicher,
obwohl nicht überladener Ornamentik, ihre Eröffnung und erste Weihe
erhakten. Eine große Anzahl Gäste wird auch von auswärts erwartet. Die
Abordnung des Oberrates der Hauptstadt, Rabbiner aus dem Lande selbst, aus
Württemberg und Bayern, an der Zahl nahezu dreißig, haben ihre Anwesenheit
zugesagt. Außer den Mitgliedern des israelitischen Bekenntnisses werden die
städtischen und großherzoglichen Behörden der Feier ihre Teilnahme bezeugen
können."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. August
1855: "Vom Rhein, im Juli. In Frankfurt am Main wurde am 28.
Juni unter großer Feierlichkeit der Grundstein zur Gemeindesynagoge
gelegt und am 29. dieses Monats fand die Einweihung der prachtvollen
Synagoge in Mannheim statt."
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 1. Juli 1855: "Mannheim, 30. Juni
(1855). Die Einweihung der neuen Synagoge, dieser Zierde der Architektur,
fand gestern Abend um 6 Uhr in feierlich erhebender Weise statt. Unter den
Klängen einer besonders schön- und wohltönenden Orgel traten die Rabbinen
mit den Torarollen in den Tempel, in dessen Mitte weißgekleidete Mädchen
Spaliere gebildet, und es sprach der Stadtrabbiner in hebräischer Sprache
die Segensformel, worauf die Eröffnung der heiligen Lade unter feierlichen
Zeremonien und Absingung von Bibelstellen stattfand, welchem
gottesdienstlichen Akte die Weihe und der Abendgottesdienst folgte. Unter
den vorgetragenen Gesängen, welche teilweise von hohem Alter, zeichnete sich
auch eine Kantate des Kapellmeisters V. Lachner dahier aus. Die Einweihung
des Tempels, dessen Inneres, reich mit goldbordierten, prächtigen Samtdecken
ausgeschmückt, im Glanz des Kandelabergases erstrahlte, geschah in
Anwesenheit der Spitzen unserer Zivil- und Militärbehörden und einer großen
Zahl sonst dazu Eingeladener. Die schöne Feier endete gegen 9 Uhr, um welche
Zeit sich die Gemeinde unter Orgelklang wieder entfernte."
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 4. Juli 1855: "Mannheim, 1. Juli
(1855). Sie haben über die vorgestern Abend stattgefundene Einweihung der
neuen Synagoge schon Bericht erhalten. Ich begnüge mich, aus den zahlreichen
Teilnehmern der Feier, welche der Gemeinde nicht angehörten, von der und für
die sie veranstaltet wurde, einige Namen hervorzuheben. Es waren gegenwärtig
der Hofmarschall Ihrer Königliche Hoheit der verwitweten Frau Großherzogin
Stephanie (sc. der Hofmarschall war Max Roth von Schreckenstein, S.R.), der Generalmajor und Kommandant unserer Stadt, von Porbeck, die
Obersten der hier garnisonierenden Regimenter, der Oberhofrichter Stabel,
der Hofgerichts-Präsident Mühling, die Vorstände der gerichtlichen und
administrativen Behörden, der öffentlichen Anstalten, der sonstigen
großherzoglichen Stellen, der Bürgerschaft. Von der protestantischen
Stadtgeistlichkeit bemerkten wir zwei Pfarrer; die katholische war ebenfalls
eingeladen, hatte aber die Einladung nicht angenommen. Unter den Anwesenden
bemerkte man auch den französischen Konvertiten vom Judentum zur
katholischen Konfession, Abbé Cochleaire, und unter den Sitzenden und
Stehenden manche Honoratioren der Stadt; viele hatten aus Mangel an Raum
eine Einlasskarte nicht erhalten können. Die Beleuchtung des Gotteshauses,
die von Lachner geleiteten Gesänge waren von großer Wirkung; die Rede des
hiesigen Rabbiners, wodurch die Feier eröffnet wurde, so, wie wir hören,
durch den Druck bekannt werden."
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 11. Juni 1855: "Mannheim, 10. Juli
(1855). Schon zu wiederholten Malen ist der äußern und innern Schönheit der
neuen Synagoge dahier Erwähnung geschehen, des Reichtums ihrer
Ausschmückung. Es wird deren Wert noch erhöht durch den Umstand, dass fast
die ganze innere Tempeleinrichtung aus Spenden der Liebe besteht. Es steht
hier in vorderster Reihe die neu konstruierte Orgel von Walker u. Comp. in
Ludwigsburg, das Geschenk eines Ungekannten; von der Familie Mayer ein von
deren Urgroßvater vererbter antiker goldener Becher mit Emblemen aus der
Bibel; die reich geschnittene Kanzel aus Eichenholz von Bildhauer Diehlmann
aus Frankfurt, gestiftet von Herrmann und Seligmann Ladenburg; die ewige
Lampe, massiv von Silber, und ein etwa 9 Fuß hoher Bronzekandelaber mit 13
Flammen von Joseph Hohenemser; ein großer Teppich von den Gebrüdern Juda und
David Karlebach; und vorzugsweise ein noch nicht ganz vollendeter
Toravorhang von rotem Samt, reich mit Gold gestickt, von den Frauen und
Jungfrauen der israelitischen Gemeinde, dessen Wert über 1500 fl. geschätzt
wird; sodann zwei weitere Vorhänge von rotem Samt von Samuel Jonas
Darmstädter; ein dem schon erwähnten Kandelaber entsprechender von dem
Verwaltungsverein weiblicher Kranken; sechs Kerzenkandelaber, je zwei von
Salomon Aberle, Nauen jun. und Veit Mehler; zwei steinerne Almosenbüchsen
von Jos. Heymann und Herrmann Nother, und schließlich zehn Wandkandelaber
von je sechs Flammen von Dr. Ladenburg, Jonas Darmstädter, Amalie Mayer,
Joseph Nother, Jakob Rosenthal, Gebrüder Simon und Moritz Lenel, Gebrüder
Rudolph und Max Mayer, Heinrich Traumann, Eduard Traumann, und August
Traumann."
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 11. Juli 1822: "Von Mannheim werden
wir um Berichtigung einer die Feier der Einweihung der dortigen neuen
Synagoge betreffenden Angabe in einem unserer bezüglichen Artikel ersucht.
Darin war gesagt worden, die dabei abgesungene Kantate sei von Herrn
Hofkapellmeister V. Lachner komponiert gewesen. Dies ist nicht richtig; sie
war komponiert von einem Schüler desselben, Herrn Levi, einem
talentvollen Jüngling aus Gießen."
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 8. August 1855: "Bei A. Bielefeld in
Karlsruhe ist zu haben: Predigt, gehalten bei der Einweihung der neuen Synagoge in Mannheim,
den 29. Juni 1855, von Stadtrabbiner Präger. Auf vielseitiges
Verlangen zum Druck befördert. Preis 6 kr. Der Reinertrag ist für die
israelitische Witwenkasse in Mannheim bestimmt."
Bericht von der Synagogeneinweihung
(1855) Anmerkung: von dem liberal eingestellten Berichterstatter werden vor dem
Bericht über die Einweihung der Synagoge in kritischer Weise die
Gemeindeverhältnisse beschrieben.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
10.September 1855: "Mannheim, im Juli (1855). Ihr
Korrespondent aus Württemberg unternahm eine Ferienreise, Mannheim war
sein nächstes Ziel, um dort die am 29. Juni stattzuhabende
Synagogen-Einweihung mit anzusehen. Auf der Fahrt nach Mannheim hatte ich
meinem jüdischen Profil eine interessante Bekanntschaft zu verdanken. Ein
Mann, dessen orientalischer Gesichtsschnitt auch den Juden
repräsentierte, wurde mein Sitznachbar. Jeder von uns ließ in der
Konversation seine Fühler los, um dem andern auf den Grund zu kommen und
nach einer Viertelstunde waren schon unsere Karten gewechselt, mein
Reisegenosse war Dr. S. Mayer aus Straßburg, langjähriger Mitarbeiter
der Augsburger Allgemeinen fürs Verkehrswesen und Direktor einer
französischen Eisenbahnlinie. Vom jüdischen Volkslehrer hat sich der
Mann auf diese schöne Stellung geschwungen und während unserer kurzen
Bekanntschaft konnte ich doch erfahren, dass Bayern, das Geburtsland des
Dr. Mayer, denselben Auszeichnungen von seinen höchsten Staatsbeamten
zuteil werden ließ, die es ihm gesetzlich als bayerischer Jude hätte
nicht angedeihen lassen können. Sein französisches Bürgertum aber war
der Fittich, unter dem der bayerische Jude verdeckt wurde. Eine Anekdote,
die mir mein Reisegefährte mitteilte, will ich hier wiedergeben, um
unsere deutschen Zustände zu kennzeichnen. - Der Kabinetts-Kurier des
Kaisers Louis Napoleon auf der Route Paris-München ist Jude, derselbe sah
auf den bayerischen Bahnen öfters, dass Kondukteure Handelsjuden mit Zwerchsäcken
auffällig schikanierten und ein Kondukteur zeichnete sich besonders als
Judenfeind aus und machte von dieser Gesinnung auch gar kein Hehl. Sein
Unstern wollte aber, dass durch sein Verschulden das Reisegepäck des Kuriers
mit wichtigen Papieren verladen wurde, die dringende Depeschen enthielten.
Der Kurier beschwerte sich und der Kondukteur wurde seines Amtes kassiert.
Das ist die Nemesis und der Franzose verheimlichte gar nicht, dass ein
wenig Rachelgefühl bei seiner Handlungsweise mitunterlaufen. - Ich mag
dies nicht rechtfertigen, denn lieber gedrängt als ein Dränger sein;
aber ob Patriarch oder Eisenbahnkondukteur, Staatsrat oder Bettelvogt, der
Refrain ist der gleiche: 'Tut nichts, der Jude wird verbrannt!'
In Mannheim angelangt, besuchte ich am andern Vormittag den ersten Stadtrabbiner
Dr. Präger, ein Mann, bekannt als tüchtiger Gelehrter und geübter
Kanzelredner, was ihm auch den Ruf als Rabbinen an die Gemeinde Mannheim zuzog.
Meine Eigenschaft als Korrespondent der Zeitung des Judentums und die
Güte des Herrn Dr. Präger verschafften mir eine Einlasskarte zur Einweihungsfeier
der neuen Synagoge zu Mannheim und dazu noch einen Sitzplatz, wofür
andere zwei bis drei Kronentaler bezahlen mussten. Eine
Synagogeneinweihung zu beschreiben, ist etwas Veraltetes, aber um ein Bild
einer der ersten jüdischen Gemeinden Süddeutschlands zu
entwerfen,
darf man nur ihre neueren Bestrebungen auf dem Boden des
gottesdienstlichen Kultus geben und wir werden ihre Kulturstufe erkennen.
Mannheim ist eine Gemeinde von circa 350 jüdischen Familien, die fast
durchgängig wohlhabend, ja reich sind. Reiche Stiftungen der Altvordern
sind hier niedergelegt. Die sogenannte 'Klause', ein
Beth-Hamidrasch, gestiftet von Rabbi Lemle Moses Reinganum mit
einem Kapital von zweimal hunderttausend Gulden, ein Primator, drei
Rabbinen, zehn sogenannte 'Beter', die jeden Tag den Gottesdienst in der
Klause zu besuchen haben, ein Vorbeter und ein Synagogendiener sind
angestellt. Der edle Stifter verschenkte eine schöne Besitzung, das 'Mühlau-Schlösschen',
dem Staat, damit dieser die amtliche Beaufsichtigung seiner Stiftung
übernahm. Und was ist jetzt diese edle Stiftung geworden? - nichts als
eine reiche Pfründe, und die Angestellten sind Pfründner, die, wenn sie
nicht in Privatstudium ihre Tätigkeit finden, im Nichtstun die Zeit
verträumen. - In der Klause sind die jüdischen Volksschulen
untergebracht, an deren Spitze Herr Dr. Wolf steht; es waren gerade Ferien
und wir konnten darum das dortige Schulwesen nicht kennen lernen. - Eine
weitere Stiftung ist die 'Maier-Schule', eine Synagoge, mit
Pfründen. Der Stifter dieser Synagoge, genannt 'Maier Stuttgart',
soll Sekretär und Verwandter des in Stuttgart hingerichteten Süß
Oppenheimer gewesen sein und einen Teil von dessen Vermögen gerettet
haben. - Das jüdische Hospital ist reich dotiert, und so sind der
Stiftungen noch viele und reiche, die Edles leisten und noch Schöneres
leisten könnten. Würden nur diese reichen Mittel dem intelligenten jüdischen
Gemeindevorstande vor die Augen in einer passenden Monographie geführt,
und es würden die Vorschläge von selbst erwachsen, wie dieselben zeitgemäß
im Sinne der edlen Stifter verwendet werden könnten. Herr Rabbiner Dr.
Wagner als Angestellter an der Klause sollte die Arbeit unternehmen,
die Geschichte der Klause und der übrigen Stiftungen in Mannheim in einer
Monographie zu geben, gewiss würde der Redakteur dieser Blätter gern
auch diese Spalten einer solchen Arbeit öffnen. Wenn es nciht
unbescheiden klingt, wollen wir Herrn Dr. Wagner an dieses Unternehmen erinnern,
da derselbe uns zugesagt, die Arbeit zu übernehmen. - Die Gemeinde
Mannheim aber war bis jetzt, trotz ihrer reichen Stiftungen, ihrer vielen
und gut dotierten Rabbinen, ihrer Wohlhabenheit und Intelligenz eine
verwahrloste in Bezug auf den gottesdienstlichen Kultus. Die Synagoge
hatte ihre alten Stammgäste, aber auch nur diese; die Jugend war zu
blasiert, indifferent, um für Gottesdienst Zeit und Interesse zu haben.
Da erwachte in dem Vorstande der Wunsch, Religion und Kultus zu beleben
und der erste Schritt war, eine Synagoge zu bauen und einen tüchtigen
Rabbinen zu berufen. Beides ist erfolgt, die prachtvolle Synagoge steht,
ein würdiger Rabbine ist geworden, ob aber die Regeneration des Judentums
in der Gemeinde dadurch allein erzielt wird, müssen wir bezweifeln. - Doch
zur Synagoge und deren Einweihung. Das Gotteshaus ist im
byzantinisch-gotischen Stil aufgeführt. Das Gebäude, ein längliches
Viereck, steht mit der westlichen Giebelseite an der Straße. Ein großes,
gewölbtes Portal und zwei kleinere Eingänge rechts und links führen in
die schönen Hallen, die von drei Kolonnaden begrenzt sind, auf denen
Galerien ruhen. Im Osten und Westen am Giebel sind Sternfenster mit
farbigem Glase angebracht. die heilige Lade grüßt den Besucher unter
einem reichen Vorhange von seinem etwas mystischem Halbdunkel, durch den
dunklen Ton der Plafondmalerei hervorgebracht, von Morgen her;
nichtjüdisch erschien uns, dass der 'heilige Gottesname' unter einer
Sonne über der heiligen Lade steht; überhaupt schien es mir, dass de
jüdische Theologie bei dem Bau nicht zu Rate gezogen worden; denn die
Kreuzesform am Giebel außen und an dem Getäfel der Galerie sind Reminiszenzen
christlicher Architektur. Vor der heiligen Lade sind der Schulchan rechts,
und links die Betpulte für Rabbinen und Vorbeter. Die Säulen sind
römisch, die Ornamentik maurisch; über den zehn Säulen stehen die
Zehn-Gebote. Der Plafond ist in zwei Kuppeln gewölbt, mit reich
vergoldeter Ornamentik verziert. - Auf der westlichen Galerie ist die von
Walcker aus Ludwigsburg gefertigte Orgel angebracht, unter und um ihr
steht der Sängerchor. Die Kanzel von Holzschnitzwerk ist auf der
südlichen Längsseite unfern von der heiligen Lade; sie ist nicht sehr
akustisch angebracht, denn während wir vom Schulchan aus bei der
Erklärung der Haphtora des Predigers wohlklingende Stimme deutlich
vernahmen, ist uns von der Kanzel aus manches Wort verloren gegangen, was
mit mir viele Synagogenbesucher erfahren haben. Das Schiff der Synagoge
ist mit Stehpulten für die Gemeinde ausgefüllt, durch die mitten
hindurch ein breiter Gang führt. Unter den Kolonnaden sitzt die
Schuljugend. Reiche Kandelabers beleuchten mit Gaslicht die heiligen Räume.
Vor der heiligen Lade hängt die silberne Lampe, mit roter Flamme züngelt
darauf das
'ewige
Licht'. - Der ganze Tempel ist ein Prachtbau, zu prachtvoll, zu katholisch
geschmückt für den reinen Jehova-Kultus. Immerhin aber ein schönes
Zeugnis für die Opferbereitwilligkeit der Mannheimer
Gemeinde.
Am 29. Juni abends sechs Uhr begann die Einweihungsfeier; gegen 5.000
Menschen harrten in dem magisch beleuchteten Hause. Die Feierlichkeit
selbst war die altherkömmliche. Einzug der Torarollen, vom Rabbiner
getragen, in Prozession, darauf Benediktion der 'Schehechianu'
etc.; Kantate, dirigiert von Lachner, komponiert von Levisohn, Sohn des Rabbinen
in Gießen; Spiel der Orgel, Chorgesänge und Gebete waren die Einleitung
zur Predigt, die Dr. Präger hielt über Numeri 24,5 und 6. Das Gotteshaus
ist 1) Bethaus 2) Versammlungshaus, 3) Lehrhaus. Die Predigt war mehr
wissenschaftlicher Vortrag, als wie man erwartet, eine gefühlvolle Rede
von dem Schwunge der heiligen Feier getragen. Den Sabbat darauf hörte ich
den Prediger wieder sprechen und sein Vortrag rechtfertigte seinen Ruf als
tüchtigen Kanzelredner. die Gebetordnung in Marnheim ist neu ediert von
Präger geordnet; teils deutsch, teils hebräisch; alle Pflichtgebete sind
beibehalten; zu viel Konzessionen für 'Alte und Neue', darum
weitschichtig, der Gottesdienst dauert zu lange. Mein Synagogen-Nachbar,
ein jüdischer Frankfurter Gelehrter, bemerkte mir: 'die neuen Rabbinen
leiden an Weitschweifigkeit'. - Die Psalmen 95 bis 99 und 29 beim Sabbateingang
werden nicht mehr hebräisch rezitiert, sondern nur einer derselben
deutsch vom Rabbinen responsorisch vorgetragen. Lecho Dodi ist
verstümmelt, nur einige Strophen werden gesungen. Eines jedoch war mir
unerklärlich, die Totenfeier am Freitagabend, dieses Totenbeschwören, um
Andacht zu erwecken, taugt nicht zur Sabbatfreude und Sabbatfeier, da lobe
ich mir die Alten, die beim Sabbat-Eingang die Engel herbeiriefen, aber
die Toten - 'ach lass sie ruhen, die Toten!' Beim Gottesdienst selbst und
den Responsorien war die Gemeinde zu wenig tätig, was aber von dem Mangel
an volkstümlichen, einstimmigen Synagogenmelodien herrührt, diesem
Überstand wird später abgeholfen werden. Besonders dürfte die
Schuljugend zum Synagogalgesang mehr herbeigezogen werden, denn in
schöner Weise sagt der Talmud: vom Amensagen der Jugend hängt die
Erlösung Israels ab. Wer sich mit dem Gebetbuche der Mannheimer Gemeinde
bekannt machen will, wird dasselbe durch die Bensheimer'sche Buchhandlung
daselbst beziehen können; es ist sehr hübsch ausgestattet, mit schönen
Typen gedruckt und als Hausandachtsbuch wegen seiner schönen deutschen
Gebete und Leider zu empfehlen; es kostet nur 1 fl. rhein. - Wir müssen
noch rühmend die Einigkeit der Mannheimer Gemeinde anerkennen; viele mit
den Reformen nicht Einverstandene haben den gesetzlichen Weg betreten, sie
zu beseitigen, aber den Gottesdienst besuchen alle und kein Zwiespalt wird
die Gemeinde in zwei Lager trennen. Am Sabbat früh hielt der zweite Stadtrabbiner
Dr. Lindemann über Psalm 84 eine zweite Einweihungspredigt, hübsch
behandelt, schön vorgetragen, viel Weihrauch an Vorstand und Obrigkeit
gespendet, aber als 'da capo' der gestrigen Feier zu viel. - Am
Sabbatabend war Festessen von 300 Gedecken, kalte Küche, aber durch der
Mannheimer Gastfreundschaft viel feuriger Champagner; auch die Rabbinen,
deren etliche und zwanzig anwesend waren, ließen sich den Franzwein
munden, ihre redefertigen Zungen brachten Toaste auf Toaste und der
poetische (Rabbiner) Stein von Frankfurt ließ sogar seine gesangfertige
Kehle ertönen. Aub und Stein, Ben Israel und Levisohn Adler, Fürst und
Friedberg, Wassermann und Altmann und noch manche Rabbinen, Gelehrte und
viele aus dem Hause Israel waren fröhlich und guter Dinge, als ob sie
beim Mahle des Leviathan säßen. Und solches Zweckessen lobe ich mir,
denn nach der Aussage des Gastgebers wurde mit vieler Gründlichkeit
verfahren. - Doch war ich auch nicht beim Festessen, so besuchte ich die
Synagoge noch öfter und wünsche, dass, wenn der Reiz der Neuheit auch
gewichen, sie dennoch fort so gefüllt sein möge, wie in den ersten
Sabbaten."
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. September 1855: "Die neue Synagoge zu Mannheim.Mannheim, 15. Juli (1855). Ich übersende Ihnen anbei einen Bericht
über die hiesige neue Synagoge, wie er zum größten Teile im Mannheimer
Unterhaltungsblatt Nr. 163 gestanden, mit der Bitte, um einen Platz in der
Allgemeinen Zeitung des Judentums zu gewähren.
Ein Bau von dem Umfang und der Schönheit, von der Bedeutung, wie die
unlängst nach feierlicher Einweihung dem Gottesdienste übergebene
Synagoge, verdient wohl mit einer größeren Ausführlichkeit beschrieben
zu werden, als solches bisher geschehen; denn da ist gewiss keiner, den
diese Zierde hiesiger Stadt nicht mit Bewunderung erfülle, auf den die
Harmonie in den Verhältnissen und die Konsequenz des Stils nciht
den wohltuendsten und erhebensten Eindruck, in dem die Anschauung des
neuen Tempels nicht den Wunsch nach dessen Geschichte rege
gemacht.
Schon seit Jahrhunderten stand auf der Stelle der gegenwärtigen Synagoge,
die im Verlaufe der Kriegsereignisse, von denen Mannheim heimgesucht
wurde, verschiedene Veränderungen erlitt. Der im Jahre 1851 zum Abriss
gekommene Bau war 1691 und später aufgeführt worden, aber den
Bedürfnissen der Gemeinde nicht einmal räumlich angemessen und lud in
seiner Unschöne keineswegs zum Besuche des Gottesdienstes
ein.
Im Juli 1851 wurde der Neubau der Synagoge in Angriff genommen und steht
nun fertig und vollendet da. Bis auf die kleinste Verzierung herab treu
dem byzantinischen Stil, steigt der großartige Bau in einer Höhe von
mehr denn 70´empor. In einer Länge von 60´erstreckt sich das Schiff des
Tempels bis zum heiligen Schrein. Die Breite des Schiffs beträgt 30; die
Decke bildet zwei gleiche Kuppeln, deren Wölbung durch Blau mit Gold
geschmückt ist. Auf Bogen und Säulen ruhend, zieht sich um das Schiff
die geräumige Galerie, gleich dem übrigen Mauerwerk aus gehauenem
Sandstein gefügt. Die Säulen, nach Maßgabe der Zehngebote zehn an der
Zahl und massiv aus schwarzem Marmor von Nassau-Diez, zeichnen sich außer
der Schönheit des Materials ganz besonders auch durch ihre
antik-byzantinischen, würfelartigen, mit angemessenen Emblemen verzierten
goldgeränderten Kapitellen aus. Die Wände sind mit goldverzierten
Arabesken-Fresken, ähnlich wie beim Speyrer Dom, bemalt. Der Boden
besteht aus einem Mosaik von Solnhofer Stein, jener der Estrade vor dem
heiligen Schrein aus Marmorplatten von schwarzer und weißer Farbe; der
Schrein selbst ist aus karrarischem Marmor und ungefähr 30´hoch. Die Fenster
bestehen zum Teil aus Glas mit milchfarbigem Schliff, zum Teil aus bunt
gefärbtem. Die Kandelaber sind aus Bronze und vergoldet. Schnitzwerk und
sonstige Holzarbeiten nebst der Orgel sämtlich massiv von Eichen. Das
Ganze ist gediegen, prächtig, ohne Überladung. Der Bauplan rührt von
dem im Februar 1853 in Heidelberg verstorbenen Bauinspektor Lendorff her,
unter dessen Leitung der Bau unter Dach kam. Architekt Lang, welcher unter
Lendorff die Bauaufsicht leitete, setzte diese unter Professor Eisenlohr
in Karlsruhe fort und übernahm solche, als auch jener starb,
selbstständig vom Sommer 1853 bis Herbst 1854. Trotz des öftern Wechsels
in der Bauleitung herrscht doch überall die vollkommenste Harmonie und es
bilden die einzelnen Teile ein schönes Ganzes, dessen Herstellungskosten
bei aller Großartigkeit doch auf kaum 90.000 Fl. veranschlagt sind. An
der Ehre der Ausführung im einzelnen beteiligten sich nachstehende
auswärtige und hiesige Kräfte; die heilige Lade aus karrarischem Marmor
rührt der von Porzelt und Harparath in Köln, die Fresken-Malerei
von
Schwarzmann aus München,
Kandelaber von Junge und Walther in Frankfurt, die in byzantinistischem Styl reich geschnittene Kanzel vom Bildhauer
Diehlmann aus Frankfurt, die Orgel von Walker u. Comp. in Ludwigsburg. Es zeichnet sich diese aus 24 Registern bestehende Orgel, die Schenkung eines Unbekannten, ebenso sehr durch den schönen kräftigen Ton, als die auf Räumlichkeit und Raumersparnis berechnete neue
Konstruktion aus, indem sie, um das Licht der Rosette an der Vorderfassade nicht zu decken und dem Chor einen passenden Platz der Aufstellung zu lassen, in zwei Hälften
konstruiert werden musste. Die gemalten Fenster rühren her von Hirschvogel in München, die Steinhauer- und Maurerarbeit von Xaver Hoffmann dahier, die Bildhauerarbeit der
Fassade und Kapitelle von J. G. Korman d. ält. dahier und Bänke und
Kanzel (im Rohen) von Küstner dahier. Ein besonderes Verdienst um die sogenannten Heiligtümer, die meist von hohem
Alter und Wert, nämlich: die ewige Lampe vor dem heiligen Schrein, die siebenarmige
(sc. Lampe) bei der Orgel, die Thora-Aufsätze, die heiligen Geräte, womit die Thora verziert ist, eine
reich mit Steinen besetzte Krone usw. – erwarb sich auch Silberarbeiter
Nadenheim dahier, in dem er die gedachten Silbergerätschaften, die durch den Gebrauch von Jahrhunderten in
Aussehen und Form verdorben, in dem ursprünglichen Stil wieder herstellte.
Zum ehrenden Andenken für alle Zeit folge hier ein Verzeichnis der der neuen Synagoge gewordenen Stiftungen oder Gaben der Liebe, nämlich: die schon oben genannte Orgel, Geschenk eines Ungenannten, ein massiv goldener Becher, antik und mit Emblemen und Bildern der Bibel versehen, von der Familie Mayer,
Erbstück des Urgroßvaters Elias Hayum; die ewige Lampe von Silber in altem
Stil und der circa 9 Fuß hohe Kandelaber mit 13 Flammen an der Estrade-Einfassung des heiligen Schreins von Joseph Hohenemser; der damit
korrespondierende vom Verwaltungsrat des weiblichen Krankenvereins der israelitischen Gemeinde; zwei Vorhänge von rotem Sammet an der Sakristei- und der blinden
Türe gegenüber von Samuel Jonas Darmstädter und Frau; sechs Kerzenkandelaber
zunächst bei den Thorarollen, je zwei von Salomon Aberle, Nauen jun. und Veit Mehler und Frauen; die Kanzel von Herrmann und Seligmann Ladenburg nebst Frauen; de große Teppich vor der Estrade des heiligen Schreins von Gebrüder Juda und David Karlebach; erwartet wird in circa drei Wochen ein noch nicht ganz vollendeter Thora-Vorhang von rotem Sammet mit reicher Goldstickerei im Wert von circa 1500
Fl. Von den Frauen und Jungfrauen der Gemeinde; gespendet wurden ferner: zehn
Wandkandelaber von je sechs Flammen von Dr. Ladenburg, Jonas Darmstädter,
Amalie Mayer, Joseph Nöther, Jak. Rosenthal, Gebrüder Simon und Moritz Lenel, Gebrüder Rudolph und Max Mayer, Heinreich
Trauman, Eduard Trauman und August Trauman; ferner eine steinerne Almosenbüchse
von Jos. Herrmann und Frau und eine zweite von Herrm. Nöther und Frau. So rührt demnach der ganze Beleuchtungsapparat, mit Ausnahme der neunarmigen
Minora und der der zehn Galerie-Kandelaber, von Gaben der Liebe her, wie überhaupt fast der ganze reiche Schmuck des innern Tempels.
So wie der Bau, so ist die gottesdienstliche Einrichtung den Erfordernissen der Zeit entsprechend. Die Gebete, obgleich geschöpft aus den seit Jahrhunderten bei den
Israeliten gebräuchlichen Gebetbüchern und größtenteils auch unverändert beibehalten, sind ins Deutsche übersetzt dem Urtexte beigegeben und verherrlicht durch feierliche
Choräle und die erhebenden Klänge der Orgel. Der Stadtrabbiner Präger, erst seit sechs Monaten der Gemeinde angehörend, hat diese durch seine gediegenen Vorträge und Predigten in einer Weise für sich gewonnen, dass er ungeteilte Verehrung genießt. Dass er der rechte Mann, der Mann seines Berufs, dürfte wohl am deutlichsten daraus hervorgehen, dass es ihm gelungen, die in anderen israelitischen Gemeinden vorhandene Spaltung in zwei Lager hier zu vermeiden und und in dem neuen Gotteshause alle Glieder einig zusammen zu führen, ihn zu einem Tempel der Einigung und Vereinigung zu machen.
Vorbereitet auf diese Weise sah man sowohl hier als auswärts dem Tage der Einweihung, dem 29. Juni, mit Spannung entgegen; und es ist begreiflich, dass der Raum der neuen Synagoge nicht ausreichte, um den
vielseitigen Wünschen der Beteiligung an der schönen Feier zu genügen.
Der Synagogenrat hatte Einladungen an sämtliche Geistliche, die höheren Zivil- und
Militärbeamten der Stadt usw. erlassen, welchen größtenteils entsprochen wurde. Aus der Gemeinde selbst wurden für sämtliche Männer, Frauen, Söhne und Töchter Plätze eingerichtet und die ganze Schuljugend nahm unter der Leitung ihrer Lehrer Anteil an dem Feste der Einweihung.
Um 6 Uhr abends nahmen die Mitglieder des aus 90 Personen aller Stände der israelitischen Gemeinde bestehenden Chors, die Damen festlich gekleidet, ihre Plätze ein.
Weißgekleidete Mädchen mit Kränzen traten im Zuge durch das Portal ein und bildeten ein Spalier bis zur heiligen Lade. Die Rabbinen mit den aus alten Zeiten vererbten silbergeschmückten Thora-Rollen, nämlich der Stadtrabbiner, der eigens zur Feier von Karlsruhe abgeordnete
Oberrats-Kommissar, die Konferenz- und übrigen Rabbinen des Landes wurden an der Pforte von dem gesamten Synagogenrat feierlichst unter den vollen Klängen der Orgel empfangen und zur heiligen Lade geleitet. Dem Zuge folgten eine große Anzahl Rabbinen benachbarter Städte und alle Vorstände von Verwaltungen der israelischen Gemeinde und ihrer wohltätigen Stiftungen. Nachdem die Rollen in der heiligen Lade niedergelegt, eine eigens zur Feier der Einweihung
komponierte Kantate abgesungen und von dem Stadt-Rabbinen eine der Gelegenheit angemessene ergreifende Festrede gehalten worden
war*), zündete man gegen 8 Uhr die Gas-Kandelaber an und im Glanze von 220 Flammen strahlte nun der neue Tempel. Die Gesangsvorträge, worunter
eine von Rabbi Stein gedichtete und von dem fünfzehnjährigen Herrmann Levi aus Gießen, einem Schüler des
Kapellmeisters V. Lachner, komponierte Kantate, wurden mit Präzision exekutiert
und es bewährte sich bei dieser Gelegenheit wieder die Tüchtigkeit des Organisten Eberhard Kuhn, Lehrer des Chors, der auch die Gesänge, mit Ausnahme der Levi’schen
Komposition, die Kapellmeister B. Lachner dirigierte, leitete. Unterstützt
wurden die Gesangsvorträge durch die sonore Stimme des Vorsängers
Sallenberg.
Diesen Einweihungsfeierlichkeiten insbesondere folgte der Abend-Gottesdienst, der von nun an jeden Freitag
vollständig nach dem alten Ritual, jedoch in neuerer, den Anforderungen der Zeit entsprechenden
Formen abgehalten werden wird. Der Samstag-Gottesdienst begann um 9 Uhr Morgens und diesmal war es Rabbi Lindemann, der dabei die Rede hielt.
An die kirchliche Einweihungsfeier reihte sich ein Festessen von 250 Couverts im
'Badner Hof', bei welchem sämtliche auswärtige Rabbinen und Vorstände fremder Gemeinden anwesend waren. *) Die Festrede ist gedruckt uns so eben zugekommen, und hat uns sehr erfreut. In einer gediegenen und einnehmenden Sprache erklärt sie die dreifache Bedeutung der Synagoge als Berh hatéphila, hakeneseth und
hamidrasch.
Redact.
Das Mannheimer Gebetbuch soll im Anhang die
alten hebräischen Gebete enthalten (1855)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober
1855: "Das Mannheimer Gebetbuch soll dennoch die alten
hebräischen Gebete wieder erhalten; doch sollen dieselben einen
sogenannten 'Anhang' bilden."
Über die jüdische Gemeinde nach Einweihung der neuen
Synagoge (1856)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Mai
1856: "Noch habe ich eine sehr erfreuliche Erscheinung auf
dem Gebiete der Kultusreform zu erwähnen. Auf einer Reise besuchte ich
vor Kurzem den Gottesdienst in Mannheim, und gereichte es mir zur
großen Freude, das günstige Urteil, das über denselben besteht,
vollkommen gegründet zu finden. Die Teilnahme, welche der Gottesdienst
seit der Einweihung des prachtvollen Tempels gefunden hat, steigert sich
fortwährend sowohl von Seiten der Kultusgemeinde, als auch der fremden
Besucher. Es ist eine bis jetzt seltene Erscheinung, dass eine ganze
Gemeinde von der Bedeutung wie Mannheim, sich an einem Gottesdienste, der
die wesentlichen Reformen, wie Orgel, Auslassung der Opfergebete, Piutim
usw. in sich aufgenommen hat, beteiligt, und zwar mit nachhaltiger
Begeisterung beteiligt, und ist es herzerhebend, wahrzunehmen, wie sie
alle ohne Unterschied der religiösen Richtung in gleicher Weise Erbauung
finden. Stadtrabbiner Präger, als tüchtiger Kanzelredner bekannt, hat
sich durch die Herstellung dieses Gottesdienstes umso verdienter
gemacht, als dieser bereits den Impuls gab, dass auch andere Gemeinden
ähnliche Anstalten treffen."
Über den Synagogen-Chor
(1857) Anmerkung: bei der genannten Katastrophe in Mainz handelte es sich um die
Explosion des Pulverturms am 18. November 1847 (Wikipedia-Artikel)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 21. Dezember 1857: "Mannheim, 11. Dezember (1857). Es
ist bekannt, dass wir Juden, wo es gilt Mildtätigkeit zu üben und ein
gutes Werk zu verrichten, nicht zu den Letzten gehören; es ist bekannt,
auf welche Weise sich auch das jüdische Mitgefühl wieder bei der
schrecklichen Katastrophe in Mainz bewährte. Mit derselben
Bereitwilligkeit schloss sich auch der hiesige
Synagogen-Männer-Gesangverein in dem zum Besten der Mainzer im
Theater-Saale gegebenen Konzert den anderen hiesigen Gesangvereinen an,
und es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass diesem jugendlichen
Verein nicht weniger wie noch einem anderen älteren Verein die
Auszeichnung zuteil wurde, eine vorgetragene Solo-Nummer nach jubelndem
Hervorrufen wiederholen zu müssen. Dies Resultat verdienst umso mehr
öffentliche Würdigung, als der Verein nur aus jungen Dilettanten
besteht, noch nie öffentlich auftrat. und neben den gediegenen
musikalischen Kräften der anderen alten Gehsangvereine sich nur in
Anbetracht des edlen Zweckes in die Öffentlichkeit wagte. Die
vorgetragene Solo-Nummer bestand in einem Vaterlandslied, höchst
gelungene Komposition des Direktors E. Kuhn, der sich als erster
Heranbilder unseres Synagogenchores besonders verdient machte, und als
trefflicher Organist jedem schwierigeren Posten nur Ehre machen
würde.
Unser Synagogen-Chor (der nun aus circa 30 Frauen- und 40 Männerstimmen
besteht) hat nun außer dem erhebenden religiösen Zweck die Befriedigung
- Liebe zur Musik und zu edleren Gefühlen der Kunst in unserer Gemeinde
geweckt zu haben, und ermutigt durch die gute Aufnahme, welche die Gemüt-
und Herzerhebenden Vorträge des Gesamt-Chor-Personals in unserer Synagoge
fanden, bildete sich aus seiner Mitte jener jüdische
Männer-Gesangverein, der nun unter Leitung seines unermüdlichen
Direktors zu den besten Hoffnungen berechtigt. Möge die erwähnte
Auszeichnung nun dem jungen Verein zur Kräftigung, anderen Gemeinden aber
zum Beispiel dienen, wie viel Gutes in Eintracht und Liebe für Kunst und
Musik geschehen kann. L.M."
Der Großherzog und die Großherzogin besuchen die neue
Synagoge (1860)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Juli 1860: "Mannheim, 25. Mai (1860). Vorgestern Mittag
nach 12 Uhr besuchten Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die
Großherzogin die neue Synagoge. Ihre Königlichen Hoheiten wurden am
Portale der Synagoge von den sieben Mitgliedern des Synagogenrates
ehrfurchtsvoll empfangen und in das Innere geleitet. An den Stufen der
für die Bundeslade bestimmten Erhöhung begrüßte Herr Stadtrabbiner
Präger das erhabene Fürstenpaar in einer der hohen Bedeutung dieses
erfreulichen Ereignisses entsprechende Rede, an deren Schluss er den durch
die Religionsvorschriften beim Anblicke eines gekrönten Hauptes
angeordneten Denkspruch in hebräischer und deutscher Sprache vortrug.
Ihre Königlichen Hoheiten geruhten, über den Empfang im Allgemeinen und
insbesondere über die an Höchstdieselben gerichtete Ansprache sich in
äußerst wohlwollender Weise auszusprechen; hierauf nahmen Ihre
Königlichen Hoheiten den ganzen herrlichen Bau, insbesondere die
Bundeslade, die Kanzel und die Orgel in Augenschein und drückten Ihre
volle Anerkennung über Anlage und über Einrichtung des Gotteshauses aus.
Erst nach längerem Aufenthalte und unter der wiederholten Versicherung
Ihrer vollsten Befriedigung verließen hieraus Ihre Königlichen Hoheiten
das Gotteshaus."
Feier des Rosch HaSchana-Gottesdienstes in der Synagoge
(1884) Mit kritischem Unterton wird in der konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der
Israelt" berichtet:
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 25. September 1884: "Mannheim. Wie man den heiligen Rosch
Haschana (Neujahrsfest) hier zu feiern pflegt, darüber gibt uns eine Notiz der
'Neuen Badischen Landeszeitung' vom 20. September Auskunft. Dieselbe lautet:
Der Synagogen-Chor wird morgen früh neun Uhr in der Synagoge unter Leitung seines Dirigenten Herrn Musikdirektor Hänlein den 61. Psalm für gemischten Chor,
Sopran und Harfensolo mit Orgelbegleitung von Overthür zur Aufführung bringen. Den Sopran-Solo hat Frau Matter, welche schon öfters durch ihren seelenvollen Gesang entzückte, in freundlicher Weise übernommen. Für das Harfensolo ist Herr
Moser, Mitglied des Großherzogl. Hoftheater-Orchesters in Karlsruhe gewonnen.
Kommentar überflüssig."
Der Erbgroßherzog besucht die Synagoge
(1888)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. November
1888: "Mannheim, 19. Oktober (1888). Am Mittwoch, 17. Oktober,
geruhte der Erbgroßherzog von Baden samt seiner erlauchten Gemahlin
anlässlich höchst ihren Besuches der hiesigen Stadt auch die Synagoge
mit einem Besuche zu beehren. Ihre Königlichen Hoheiten wurden am Portale
des Gotteshauses von dem Synagogenrate empfangen und sodann in den
heiligen Raum geführt, woselbst die Begrüßung durch eine Ansprache des
Stadtrabbiners Dr. Steckelmacher erfolgte. Der Letztere hob hervor, wie
tief beglückt und gerührt wir uns ob der hohen Ehre dieses Besuches
fühlten und wie wir den innigen Dank, den wir empfänden, nicht besser
ausdrücken könnten, als indem wir an derselben geweihten Stätte, wo ach
sonst allsabbatlich unsere heißen Gebete für das ganze Kaiserliche und
Großherzogliche Haus zu Gott emporsteigen, auch in diesem für uns
denkwürdigen Augenblicke unsere Gefühle zusammenfassen in das innige und
herzliche Gebet: Der himmlische Vater möge Ihre Königlichen Hoheiten
auch ferner in Seinen gnädigen Schutz nehmen und gesund und kraftvolle
erhalten allezeit, an Ihnen erfüllend den alten priesterlichen Segen:
'Der Herr segne Dich usw.'. Sichtlich gerührt dankte für diese Worte
huldvollst das hohe Paar, ließ sich sodann ebenfalls zur Begrüßung den
zweiten Stadtrabbiner Herrn Dr. Appel vorstellen, besichtigte hierauf mit
großem Interesse das Gotteshaus und verließ dasselbe, nachdem der
Vorsitzende des Synagogenrates, Herr David Aberle sen. noch seinen
besonderen Dank im Namen der Gemeinde ausgesprochen, mit wiederholten
Zeichen inniger Befriedigung. Das Ergebnis hat in unserer Gemeinde mit
Recht das freudigste Aufsehen hervorgerufen."
Der Synagogenchor feiert sein 50-jähriges Bestehen
(1905)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. Juni 1905: "Mannheim, 23. Mai (1905). Wie ich
Ihnen bereits mitgeteilt, hat der Synagogenchor am 20. dieses
Monats das Fest seines 50-jährigen Bestehens gefeiert. Der Tag der
Einweihung der neuen Synagoge m Jahre 1855 ist zugleich der Geburtstag des
Synagogenchors. Vorher seit 1844 bestand schon ein Knabenchor. Zur Feier
des Tages veranstaltete der Synagogenchor in Gemeinschaft mit den Chören
von Bruchsal, Karlsruhe und Ludwigshafen und mit Verstärkung durch
Mitglieder eines hiesigen jüdischen Gesangvereins ein großes
Festkonzert, das außerordentlich gut besucht war. Abends fand ein Festakt
statt, an dem Deputationen von Seiten des Oberrats in Karlsruhe, des
Rabbinats, des Synagogenrats und vieler benachbarten und befreundeten
Synagogenchöre und Vereine Ansprachen hielten und wertvolle Geschenke
überbrachten. Ein Festessen mit Tanz schloss sich an und so verlief die
Feier in ebenso schöner wie angenehmer Weise."
1897/99 und 1907/08 wurden umfassende
Modernisierungsarbeiten durchgeführt. So erhielt die Synagoge 1899 eine neue
Orgel mit 31 Registern, die wie die bisherige Orgel von der Orgelbauanstalt
Walcker Ludwigsburg stammte. Der Begriff "Hauptsynagoge" taucht übrigens
erstmals im Adressbuch der Stadt Mannheim von 1919 auf. Die Synagoge hatte nach
der Renovierung 1907/08 etwa 700 Plätze.
Eine neue Gemeindesynagoge soll gebaut werden
(1925)
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 4. Dezember
1925: "Mannheim (Bau einer Gemeindesynagoge). Der
Synagogenrat der jüdischen Gemeinde zu Mannheim erlässt einen Aufruf
für den Bau einer neuen Gemeindesynagoge, die 800 Sitzplätze umfassen
soll. Wegen der schlechten Wirtschaftslage sollen die Mittel zur
Verzinsung und Amortisation des Baukapitals alljährlich durch feste
Vermietung der Plätze sichergestellt werden.
Hier scheint sich uns auch für andere jüdische Gemeinden, insbesondere
für Berlin ein Weg zu zeigen, wie man der Raumnot in den Synagogen an den
Hohen Feiertagen und der wenig erfreulichen Betsaalwirtschaft ein Ende
machen kann."
Bereits 1933 wurde die Synagoge zum ersten Mal von
SA-Männern heimgesucht und beschädigt. Die Gottesdienste wurden seitdem von
der Gestapo "überwacht", letzteres allerdings als Kontrolle, nicht zum Schutz
der Gemeinde.
Artikel
in der "Wahrheit" (Wien) vom 4. August 1933: "S.A.-Überfall
auf die Synagoge in Mannheim.
Die Mannheimer Synagoge ist, nach einer Meldung der Jüdischen
Telegraphen-Agentur, von uniformierten S.A.-Leuten geschändet worden.
Die S.A.-Leute zerstörten die Einrichtung des Bethauses, erbrachen die
Bundeslade, rissen die Thorarollen in Stücke, vernichteten zahlreiche
Gebetbücher und theologische Werke, darunter solche von hohem Werte.
Schließlich raubten sie mehrere silberne Leuchter und andere kostbare
Gegenstände."
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
vollkommen zerstört. SA-Leute veranstalteten vor der Sprengung ein
Pistolenschießen nach dem siebenarmigen Leuchter in der Synagoge. Das übrige
Inventar mit den Kultgegenständen wurde anschließend zerstört. Die völlige
Zerstörung der Synagoge wurde durch Sprengungen verursacht, die SA-Männer in
Zivil so ausführten, dass Beschädigungen der umliegenden Häuser vermieden
wurden. Diese Sprengungen ließen von der Synagoge nur noch eine Ruine übrig.
Die "Neue Mannheimer Zeitung" berichtete in ihrer Abendausgabe vom 10. November
1938: "Die Synagoge gleicht im Innern einer Trümmerstätte. Das Gestühl ist
großenteils zerschlagen. Der Orgelraum ist demoliert [...] Die Altarnische mit
der ‚Heiligen Lade’ samt dem ‚Almemor’ ist nur noch ein Trümmerhaufen.
Auf dem Boden liegen zerborstene Säulen. Der ganze Raum ist mit Schutt und
Holztrümmern bedeckt. Allenthalben tritt man auch auf Glasscherben, die Reste
der bleiverglasten Fenster. Die großen vielarmigen Leuchter neigen ihre Kronen
geknickt zur Erde. Da und dort erkennt man Reste jüdischer Gebetsbücher und
auch mit hebräischen Schriftzeichen bedeckte Papierfetzen, in denen man wohl
Teile von ‚Torarollen’ vermuten darf. Auch ein Gebetsriemen liegt inmitten
der Trümmer dieser vor rund achtzig Jahren im maurischen Stil erbauten jüdischen
Kultstätte..." An den nächsten Tagen durften Schulkinder gegen einEintrittsgeld von 10 Pfennig zugunsten der Winterhilfe die vom Feuer
nicht zerstörten Ritualgegenstände besichtigen.
In den folgenden Monaten wurde die Synagogenruine der jüdischen
Gemeinde noch zum Unterstellen gespendeter Möbel verwendet. Am 31. August 1939
schloss die Stadt Mannheim einen Kaufvertrag mit der jüdischen Gemeinde über
den Erwerb der Grundstücke F 2,13-15 für 34.000 Reichsmark. Am 5./6. September
1943 wurde beim schwersten Luftangriff auf Mannheim auch die Synagoge
getroffen und dadurch zu nunmehr 80 % zerstört.
Das Synagogengrundstück wurde 1945 von den Alliierten
beschlagnahmt und der jüdischen Vermögensverwaltung JRSO übertragen. 1953
ging das Grundstück an die Israelitische Gemeinde in Mannheim über. Die
Synagogenruine wurde 1955/56 abgetragen. Die Arbeiten dauerten vom 21. November
1955 bis 26. April 1956. Das Grundstück kam in den Besitz der Bauhütte
Baugesellschaft m.b.H. München. Der Platz wurde bis 1961 für einen Autohandel
genutzt. 1962/63 wurde ein mehrstöckiges Wohn- und Geschäftshaus auf dem
Grundstück erbaut. Im Januar 1964 wurde im Eingangsbereich dieses Gebäudes
eine Gedenktafel für die Synagoge angebracht.
Die Gebotstafeln der Hauptsynagoge blieben erhalten und
wurden im Innern der Synagoge Maximilianstraße angebracht. Ein Portal-Fragment
der Lemle-Moses-Klaus und ein Stein aus der Hauptsynagoge befinden sich in einer
Synagogein Millburn/USA (Congregation
B'nai Israel). Ein weiterer Stein der Hauptsynagoge befindet sich in New
York (United Jewish Appeal). Ein Kiddusch-Becher mit Stifterinschriften befindet
sich im Jüdischen Museum New York.
1708 konnte auf Grund einer Stiftung des damaligen Vorstehers der jüdischen Gemeinde Lemle Moses Reinganum ein Bet Hamidrasch (jüdisches Lehrhaus mit Synagoge) errichtet werden
("Lemle-Moses-Klaus"). Reinganum war unter anderem als Pächter des kurpfälzischen Salzmonopols zu großem Reichtum gekommen. Einen beträchtlichen Teil seines Vermögens nutzte er dazu, seiner Gemeinde ein großes Lehrhaus zu errichten. Am 31. Januar 1706 wurde von Kurfürst Johann Wilhelm die Konzession zum Bau und zur Einrichtung des Lehrhauses erteilt. Kurfürst Karl Philipp erneuerte sie am 23. März 1717. Darin war bestimmt, dass in der Klaus des Lemle Moses die
"Lehr- und Schulexerzitien" frei und ungehindert gehalten werden dürfen. Sechs bis zehn Rabbinerfamilien sollten in der Klaus wohnen können.
Die Klaus wurde auf einem von Lemle Moses Reinganum bereits 1698 erworbenen Grundstück im Gelände des Quadrates F 1 durchgeführt. Die Synagoge und ein Teil der für die Einrichtung nötigen Gebäude wurden 1708 in F 1,11 erstellt und Schabbat Ki Tawo des jüdischen Jahres 5468 eingeweiht (31. August/1. September 1708). Die drei Rabbiner David Ulf, Matisjahu Ahrweiler und Leser aus Kanitz hielten die Weihereden. Andere Gebäudeteile wurden erst nach 1717 fertiggestellt.
Zahlreiche Bestimmungen regelten das Leben in der Klaus und die Lehrweise. Das Werk sollte auf den drei Säulen Torastudium, Gottesdienst und Liebestätigkeit ruhen. Um diesen Mittelpunkt geistigen Lebens auch nach seinem Tod zu erhalten, vermachte Lemle Moses eine Summe von 100.000 Gulden zur ewigen Unterhaltung und Sicherstellung des Lehrhauses. Die Zinsen aus diesem Kapitel gewährleisteten unter anderem den Unterhalt der zehn Gelehrten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts war das Fortbestehen der Klaus zeitweise auf Grund von Misswirtschaft und Streitigkeiten um die Klaus gefährdet. Ein Brand in der Nacht auf den Versöhnungstag 5555 (3./4. Oktober 1794) wurde als göttliche Mahnung gedeutet, neue, strenge Verordnungen für die Klaus zu entwerfen und einzuhalten. Durch den Brand sind das gesamte Gebäude einschließlich der Synagoge schwer beschädigt worden. Die Renovierung wurde am 22. Mai 1795 abgeschlossen; die Kosten beliefen sich auf 2.000 Gulden.
Aus bautechnischen und sanitären Gründen wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Umbau dringend nötig. Seit 1885 gab es hierzu Verhandlungen zwischen der Klauskommission und dem Oberrat der Israeliten. Architekt Wilhelm Manchot (Mannheim) bekam den Planungsauftrag für den Umbau. Er entwarf ein neues Gebäude im
"maurischen" (neuislamischen) Stil. Die Pläne wurden 1887/88 ausgeführt. Das Gebäude der Synagoge wurde an derselben Stelle, jedoch mit verändertem Grundriss erbaut. Äußerlich war die Synagoge als solche nicht zu erkennen, wenngleich sie durch ihre Fassadengestaltung in der Umgebung auffiel. Im Erdgeschoss wurden 127 Plätze für die Männer, auf der Frauenempore 98 für die Frauen geschaffen. Am Beginn des Chanukkafestes 5649 (am 29. November 1888) wurde die neue Klaus-Synagoge mit großer Feierlichkeit eingeweiht.
Grundsteinlegung zur neuen Klaus-Synagoge
(1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August
1887: "Mannheim, 11. August (1887). In feierlicher
Weise fand heute Vormittag die Grundsteinlegung der neuen zur Lemle Moses
Klausstiftung gehörigen Synagoge statt. zu welcher sich ein zahlreiches
Publikum eingefunden hatte. Nachdem der Vorsitzende der
Klausstiftungs-Kommission, Herr Simon Bensheim, die feierliche Handlung
mit einer kurzen Ansprache eröffnet hatte und die in den Grundstein
einzulegenden Dokumente verlesen waren, hielt Herr Stadtrabbiner Dr. Appel
die Weiherede, die mit dem Wunsche schloss, es möge der Bau vollende
werden dem Begründen und den Erbauern zu Ruhme, der israelitischen
Gemeinde und der Gesamtheit zum Heile, der Stadt zur Zierde. Nach
Niederlegung der Dokumente in den Grundstein erfolgten die üblichen drei
Hammerschläge durch die anwesenden Herren der Klausstiftungs-Kommission
und des Synagogenrats. Eine Ansprache des Leiters des Bauers, Herrn
Architekten W. Manchot, welcher das Gelingen der Arbeiten dem Schutze des
höchsten Bauherrn empfahl, schloss die schöne und erhebende
Feier."
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. August 1887: "Bonn, 21. August (1887). (Notizen). Man
schreibt aus Mannheim vom 12. dieses Monats. Wie bekannt, wurden
die durch Alter baufällig gewordenen Gebäude der Lemle Moses Klausstiftung
dahier abgebrochen und werden zur Zeit durch stattliche Neubauten ersetzt.
Dieselben sind soweit vorgeschritten, dass gestern früh 7 Uhr die
feierliche Grundsteinlegung für die zur Klausstiftung gehörige Synagoge
stattfinden konnte. Trotz der frühen Tagesstunde hatte sich ein sehr
zahlreiches Publikum zu diesem Weiheakte eingefunden. Herr Simon
Bensheim, Vorsitzender der Klaus-Kommission, eröffnete die feierliche
Handlung durch eine, nach Form und Inhalt wohlgelungene Ansprache, über
den Ursprung der Klausstiftung und Zweck der heutigen Feier, die die
Verlesung der in den Grundstein einzulegenden Dokumente folgte. Hierauf
hielt Herr Stadtrabbiner Dr. Appel die eigentliche Weiherede, eine
meisterhaft schöne Rede von geradezu ergreifender Wirkung, welche sich an
die Erzählung der heiligen Schrift von der allerältesten
Grundsteinlegung zu einem Gotteshause durch Jakob anschloss und den Dank
gegen die Vorsehung für den seitherigen Schutz und das Vertrauen auf
Gottes ferneren Beistand zum Ausdruck brachte. Redner schloss mit dem
Wunsche, dass der Bau vollendet werden möge, dem Begründer und den
Erbauern zum Ruhme, der israelitischen Gemeinde und der Gesamtheit zum
Heile, der Stadt zur Zierde. Dann wurden die Dokumente, welche auf die
Stiftung und den Wiederaufbau Bezug haben, die von Herrn Dr. Appel beim
Abschied aus der ehemaligen Klaussynagoge am 12 März dieses Jahres
gehaltene Rede, sowie ein Kalender und je eine Nummer aller hiesigen
Zeitungen vom gestrigen Tage in den Grundstein eingelegt, worauf von den
anwesenden Herren der Klaus-Kommission und des Synagogenrates die
üblichen drei Hammerschläge erfolgten. Zum Schlusse brachte der
Architekt des Baues, Herr W. Manchot, Namens aller bei dem Bau
Beschäftigten seine Wünsche für die glückliche Vollendung des Baues
dar und empfahl das Gelingen der Arbeiten dem Schutze des höchsten
Baumeisters. Hiermit schloss die würdige Feier, die gewiss bei allen
Teilnehmern das Gefühl aufrichtiger Befriedigung hinterlassen
hat."
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13.
Dezember 1888: "Aus Mannheim vom 4. Dezember schreibt man uns:
Am ersten Tag des Chanukafestes wurde die neuerbaute Synagoge der Biele-Moses’schen
Klausstiftung eingeweiht. Bei dem feierlichen Akte waren die staatlichen und
städtischen Behörden sowie die Geistlichkeit und der Synagogenrat zahlreich
vertreten. Auch ein Vertreter des Oberrats der Israeliten, Herr
Regierungsrat Dr. Mayer aus Karlsruhe, war zugegen. Der greise Rabbiner Herr
Wagner sprach das Schehechijonu in ergreifender Weise, die Weiherede hielt
Herr Stadtrabbiner Dr. Appel über den Text 'Dieses ist die Pforte des Herrn,
Gerechte ziehen da ein' und Herr Rabbiner Dr. Fürst sprach ein längeres
Gebet. Die Feier verlief in der würdigsten Weise und machte auf alle
Anwesenden einen nachhaltigen Eindruck."
Das 200-jährige Bestehen der Klaussynagoge soll
gefeiert werden (1908)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10.
Juli 1908: "Mannheim. Ein Komitee hat sich gebildet, um
das 200-jährige Bestehen der Klaussynagoge festlich zu
begehen."
Die Lemle-Moses-Klaus in Mannheim war nach dem Bau der Hauptsynagoge immer mehr das Zentrum der konservativen (orthodoxen)
Juden geworden. Die Gottesdienste wurden in der Klaussynagoge nach der alten aschkenasischen Tradition abgehalten.
Während der 1920er-Jahre mehrten sich die Stimmen für einen umfassenden
Umbau der Klaus-Synagoge. Der Zeitgeschmack hatte sich geändert. Vieles am Bau entsprach nicht mehr den
damaligen Bedürfnissen. Im Frühjahr 1929 beschloss der Synagogenrat als Stiftungsbehörde den Umbau der Synagoge nach den Plänen des jüdischen Architekten Siegfried
Seidemann (Heidelberg). Nach dessen Plänen war 1913 bereits die Heidelberger Synagoge umgebaut worden. Durch die Neugestaltung der Klaussynagoge nach seinen Plänen wurde ein modernes, geräumiges Gotteshaus im Stil der Neuen Sachlichkeit geschaffen, wobei die Straßenfassade fast unverändert blieb. Während der Zeit des Umbaus fanden die Gottesdienste im Saal des jüdischen Restaurants Kaufmann statt (C 4,12). Die Bauarbeiten dauerten von Juli 1929 bis zur feierlichen Einweihung der erweiterten Klaussynagoge am 6. März
1930:
Die Einweihung der
erweiterten Klaus-Synagoge
(1930)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März
1930: "Die neue Klaus-Synagoge in Mannheim. Mannheim, 7. März (1930). Einen Festtag von historischer Bedeutung
beging die Klaus-Gemeinde, und mit ihr die gesamte Mannheimer jüdische
Bevölkerung, am Donnerstag, den 6. März. Die Klaus, seit Jahren eine
Stätte der Andacht und des Torastudiums, Urzelle des toratreuen Judentums
in Mannheim und Umgebung, zuletzt etwas eng und düster und altverblasst
in der äußeren Form, entstand, wie durch ein Wunder, in neuer Pracht
und Schönheit. Sie erweiterte ihre Mauern, um, gemäß ihrer
Entwicklung, neue Beter und Lernende aufzunehmen. Der altneue Bau, ausgeführt
von Architekt Seidemann, ist ein Prunkstück der Bautechnik, eine
Kombination von neuer Sachlichkeit und gesammelter Schönheit. In der
Mitte das geräumige Almemor in grauem Marmor glitzernd. In gleichem Stile
die heilige Lade, zu der liebende Hände prachtvolle Vorhänge gestiftet haben.
Ein schöner, grüner Teppich deckt den Boden des Almemor und ist eine
Liebesspende der Frauen der Klaus-Synagoge. Die Bänke und Sitze,
dunkelgrau, sind gut und zweckmäßig verteilt. Die Galerien rundherum
tragen der religiösen Vorschrift wie auch dem Schönheitsgefühl derer,
die hinter ihnen beten, Rechnung. Lehrhaus, Schule, Tauchbad schließen
sich dem Bau harmonisch an, nicht minder die Vorplätze mit Garderobe
usw.
Für 5.30 Uhr war die Einweihungsfeier in der Synagoge angesetzt, aber
schon um 5 Uhr wogte die Menge vor dem neuen Hause, und bald war es
angefüllt mit Betern und Gästen. Ein Chorgesang eröffnete die Feier,
und nach dem Mincho-Gebet, wie die anderen Sologesänge mit festlicher
Weihe von Herrn Oberkantor Epstein vorgetragen, wurden die
Torarollen ausgehoben und de üblichen Umzüge vorgenommen. Nach dem
Einheben folgte die Festpredigt des Herrn Rabbiner Dr. Unna,
der heute mit voller Genugtuung auf den Erfolg eines jahrzehntelangen
emsigen Wirkens im Dienste der Tora hinsehen darf.
An das Heiligtum in der Sidroh anknüpfend, erläuterte er geistvoll die
Dreiteiligkeit des Mischkan symbolisch als Vorbild des
jüdischen Lebens. Sodann gedachte er in ehrenden Worten des Mannes, der
vor zweihundert Jahren mit seiner großherzigen Stiftung das Fundament
für dieses Bollwerk des Torajudentums gelegt hat, Lemle Moses Rheinganum
- das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen.
Im Namen des Badischen Oberrates und des Synagogenrates von
Mannheim entbot, in Vertretung des leider erkrankten Herrn Prof. Dr.
Moses, Rabbiner Dr. Oppenheimer der Klaus-Gemeinde Grüße und
Glückwünsche. Er begrüßte die anwesenden Behörden, deren Schutz er
die Synagoge anvertraute, 'dem Schutze, den heute, in einer Zeit der
Sinnesverwirrung und politischen Verhetzung, unsere Synagogen und
Friedhöfe nötig bedürfen.'
Den Gedenkworten des Herrn Rabbiner Dr. Unna für Lemle Moses Rheinganum
schloss sich sehr harmonisch und stimmungsvoll das Sarcharti lecha
des Synagogenchors, und mit weiteren Psalmgesängen und dem Maariw-Gebete
fand die schlichte und zugleich erhebende Einweihungsfeier ihr Ende.
Gegen 9 Uhr abends fand sich eine nach Hunderten zählende illustre
Festgesellschaft im großen Saale der Lamey-Loge zusammen, um das
historische Ereignis auch in froher Geselligkeit, bei Speis und Trank und
guten Reden, zu feiern. Unter der flotten Leitung des Herrn Löffler
wickelte sich alles wie am Schnürchen ab. Bei erlesenen kulinarischen
Genüssen und einem guten Tropfen, wie ihn nur das Rhein-Neckar-Gebiet zu
liefern vermag, bekam man manch schönes und treff-
liches
Wort zu hören, das über den Tag hinaus seine Bedeutung behält. Ein
sinniger Prolog aus der Feder von Prof. Dr. Darmstädter wurde von
Frau Dr. Ascher wirkungsvoll vorgetragen. Begrüßt und gefeiert wurde
der Senior der Gemeinde, der weißbärtige Patriarch Simon, sowie
die Herren Otto Simon und Bernhard Kaufmann, die sich in der
Baukommission ewige Verdienste für die Synagoge erworben haben. Herr Rechtsanwalt
Dr. Jesselsohn, Mitglied des Synagogenrates und der Klaus-Kommission,
schildert den erzieherischen Einfluss der Klaus auf die Gesamtgemeinde zur
Stärkung des religiösen Selbstbewusstseins. Herr Oberrat Dr. Pfälzer
schildert die drei Ziele einer Gemeinde, Tora, Awoda (Gottesdienst) und
Gemillus Chesed (Wohltätigkeit) wie sie von der Klausgemeinde in
mustergültiger Weise erreicht seien. Herr Dr. Würzburger feiert
in ehrenden Worten seinen und der Gemeinde ersten Lehrer, Herrn Rabbiner
Dr. Unna und findet damit ein begeistertes Echo. Herr Bernhard
Kaufmann begrüßt den Architekten, Herrn Seidemann, und weiht
sein Glas neben dem Meister auch der Baukommission und dem unermüdlichen Herrn
Otto Simon. Rabbiner Dr. Lauer wendet sich mit gutem Humor an
Schule und Jugend. Auch Herr Rabbiner Dr. Unna kommt noch einmal zu Wort,
ermahnend, dass das heutige Fest, im Gegensatz zu den früheren, ein Fest
der Zukunft sei, dessen Erwartungen die kommenden Tage zu erfüllen
hätten. Von auswärtigen Gästen ergreift, auf Wunsch, Herr Redakteur
Schachnowitz, Frankfurt am Main, das Wort, um nach einer humorvollen
Einleitung zu betonen, dass all die Erfolge, die heute gesetzestreue
Kreise da und dort fast ohne Kampf ernten dürfen, das mittelbare
Verdienst von Samson Raphael Hirsch - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen -, die Folge seines Ringens sei. Man hörte
zwischendurch ein paar hübsche Klavierstücke. Couplets, besonders die Glorifikation
des Zylinderhutes (Verfasser Prof. Dr. Levi) fanden großen, verdienten
Beifall. Lange nach Mitternacht ging noch eine Groteske über die Bühne,
womit der Festtag seinen Abschluss gefunden.
Bet- und Lehrhaus der Mannheimer Klausgemeinde sind eingeweiht. Mögen
ihre Räume stets gefüllt sein, dass Lehre von diesem neuen, schönen
Hause ausgeht und neue jüdische Impulse sich ergeben für die badische
Judenheit in Stadt und Land.
Eine Sonderausgabe des Mannheimer Israelitischen Gemeindeblattes bringt
gute Aufsätze zur Geschichte der Klaus und anderen Inhaltes von Prof.
Dr. Moses, Prof. Dr. Darmstädter, Prof. Dr. Levi, Otto Simon und dem Bauarchitekten
Seidemann."
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 26. März
1930: "Mannheim. (Umbau der Klaus-Synagoge). Die
völlig umgebaute Klaus-Synagoge wurde feierlich ihrer Bestimmung
zurückgegeben. Die Synagoge ist der Kern der 1708 von dem kurfürstlichen
Oberhof- und Milizfaktur Lemle Moses Rheinganum gegründeten
Lemle-Moses-Stiftung. Vom Pferdehändler war Lemle Moses zu Würden und
Einfluss emporgestiegen. De Stiftung entsprang dem Wunsche des kinderlosen
reichen Mannes, seinen Namen der Nachwelt zu erhalten. Die Synagoge, die
im Jahre 1887 schon einmal umgebaut wurde, war wieder zu klein geworden.
Architekt Seidemann - Heidelberg schuf durch Heranziehung von Eisen- und
Betonkonstruktion und Einbau eines Oberlichts einen weihevollen
Gebetsraum, der mit über 500 Plätzen fast doppelt soviel Plätze
aufweist wie früher."
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde das Gebäude der Klaus-Stiftung
1933 nach Waffen durchsucht, doch wurden keine gefunden. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geplündert und völlig demoliert. Das Inventar wurde zerschlagen, die Torarollen wurden auf der Straße verbrannt. Das unersetzliche Memorbuch der Gemeinde konnte gerettet werden.
1939 durfte die Klaus-Synagoge wieder notdürftig hergestellt werden. Da die Hauptsynagoge unbrauchbar geworden war, fanden die Gottesdienste für die Gesamtgemeinde nur noch in der Klaus-Synagoge statt. Einige Bankreihen wurden aus der Hauptsynagoge gerettet und ersetzten zerstörte Bänke in der Klaussynagoge. Wegen der Enge des Raumes wurden die Gläubigen nach dem Alphabet in Gruppen eingeteilt, die die Gottesdienste besuchen konnten.
Am 22. Oktober 1940 endeten durch die Deportation der Juden nach Gurs die Gottesdienste in der Klaus. Nachdem sie leerstehend war, wurde sie von der Stadt an eine benachbarte Firma als Lagerraum für Saatgut gemietet. Durch Bombentreffer erlitt das Gebäude 1944 allerdings so große Schäden, dass 1945 vom Vorderhaus nur noch das Erdgeschoss stand. Die Wände des Synagogenraumes ragten noch in die Höhe, doch waren das Dach und die Gebäudeteile über den Frauenemporen eingestürzt.
Ein Portalfragment der Klaus wurde vom amerikanischen Militärrabbiner Henry Travel in die amerikanische Stadt Millburn gebracht, wo es sich in einer
"Memorial"-Wand der jüdischen Gemeinde (Congregation B'nai Israel) befindet. Das Grundstück der Klaussynagoge kam nach Kriegsende an die jüdische Vermögensverwaltung (JRSO), die es an das Land Baden-Württemberg verkaufte. Im Juli 1951 wurden die Ruinen der Lemle-Moses-Klaus abgetragen. Im März 1953 wurden die Reste der Straßenfassade von F 1,11 vollends abgebrochen.
Einige Jahre später wurde das Grundstück mit mehreren Geschäfts- und Wohnhäusern überbaut. Eine Gedenktafel für die Klaussynagoge befindet sich seit 2000 an der Außenfassade der katholischen Kirche St. Sebastian F 1,7.
Ein weiteres Bet Hamidrasch wurde um 1730 von Michael May gestiftet ("Michael
May’sche Klaus"), doch bereits 1765 wieder aufgelöst.
Länger bestand das von Elias Hayum begründete Bet
Hamidrasch, die "Stuttgarter Schul" (1758 bis 1880, in G 2,19/20). Elias
Hayum war 1746 mit seinem Sohn aus Stuttgart ausgewiesen worden, angeblich, weil
sie enge Beziehungen zu Jud Süß Oppenheimer hatten. Nach seiner Niederlassung
in Mannheim gelangte Elias Hayum zu großem Ansehen, vor allem auch als erster
Vorsteher der Gemeinde.
Neben den beiden großen Synagogen bestanden ab etwa 1900 bis in die NS-Zeit
noch mehrere "Betstübel" von aus dem Osten zugewanderten Juden. Hier versuchten
sie, ihre kulturellen Eigenarten und die in der Heimat gewohnten religiösen
Formen aufrechtzuerhalten.So gab es in F 3,13a einen größeren Betsaal des Vereins "Ahawas
Schulom", später des Vereins "Linas Hazedeck".
In F 7,11 war seit 1923 ein Betstübel der "Vereinigung der
Ostjuden". Es handelte sich hier um "einen hinreichend geräumigen Betsaal, der
ganz in Weiß gehalten" und durch "eine Wand in die Frauen- und Männerschule
geteilt" war (Israelitisches Gemeindeblatt). Später erwarb die Vereinigung der
Ostjuden in F 7,16 ein Haus, in dem der Verein "Ahawas Schulem" ein Bet
Hamidrasch mit einem Betstübel einrichtete. Im Sommer und Herbst fanden hier
feierliche Toraweihen statt, bei denen auch die Rabbiner der Haupt- und der
Klaussynagoge predigten.
In G 7,30 war im Erdgeschoss ab 1929 ein Betstübel des
Vereins Schomre Schabbos. Es wurde 1932 ins Hinterhaus von F 3,13 verlegt.
Dieses Betstübel bestand aus zwei Zimmern, in denen Männer und Frauen getrennt
dem Gottesdienst beiwohnten. Die Einrichtung bestand aus Bänken und langen
Tischen, auf denen weiße Tischtücher lagen. Der Schulchan bestand aus einer
Kommode mit einer Samttischdecke; ein Schrank mit einem beschrifteten
Samtvorhang diente als Aron Hakodesch. Das Vorbeterpult war eine kleine Kommode,
ebenfalls mit einer Samttischdecke.
Ungarische Juden sollen in U 1 ein Betstübel betrieben
haben. Da die ostjüdischen Vereine sich auf Drucke des Polizeipräsidiums
bereits Ende 1933 bzw. Anfang 1934 auflösen mussten, verschwanden mit der Zeit
auch die Betstübel. Der Betsaal in F 3,13 wurde beim Novemberpogrom 1938 zerstört.
Einweihung einer Torarolle im Beth-Hamidrasch der Ostjuden
(1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. August
1929: "Mannheim 28. Juli. Jomtow-Stimmung (=
Feiertagsstimmung). Das Beth-Hamidrasch (= Lehrhaus) der Ostjuden ist festlich geschmückt. Der Saal ist hell beleuchtet. Mehrere bunte Lampions sowie ein von Buchdrucker Max Silberberg kunstvoll ausgeführtes
Transparent in der Form eines Parochet (= Toraschreinvorgang) erstrahlten in vollem Lichterglanz. Der Saal ist überfüllt. Alle sind sie erscheinen. Männer, Frauen und Jugend, um an diesem seltenen Feste – der Vollendung eines Sefer-Thora
(= Torarolle) teilzunehmen. Um 5 Uhr nachmittags beginnt die Feier. Herr Bornfreund begrüßt im Namen des Vorstandes die erschienenen Gäste, insbesondere Herrn
Oberrat Prof. Dr. Moses, sowie die Herren Rabb. Dr. Unna, Dr. Lauer und
Dr. Grünewald und Herrn Oberkantor Eppstein. Er begann mit den Worten:
'atem nizawim hakjom lifne Haschem Elohechem' (= ihr befindet Euch
heute vor dem Heiligen, Eurem Gott'). Man ist hier heute einheitlich zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen dem Osten und dem Westen keine Grenzen mehr gezogen werden. Das nennen wir die wahre Achduth-Jisrael. Er benutzt
diese Gelegenheit, um dem Synagogenrat und Gemeindevorstand für das bei jeder Gelegenheit bekundete Entgegenkommen gegenüber den Wünschen der Ostjuden herzlich zu danken. Ganz besondere Anerkennung zollt er dem Spender des
Sefer-Thora, Herrn Moses Weinberger und dessen Gemahlin. Herr Prof. Dr. Moses weist darauf hin, dass durch die Thora nicht nur das
Klal-Israel (= ganz Israel), sondern auch die Völker miteinander verbunden sind.
Nach dem Gesangsvortrag des Herrn Oberkantors Eppstein'Zadik
ka’tomor jifroch' (der Gerechte wird grünen wie eine Palme' nach
Psalm 92,13) ergriff Seiner Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Unna das Wort zu einer
Ansprache meinjana d’joma (gemeint: zum Thema des Tages). Er verweist auf den Doppelcharakter der Thora, wonach durch
Kijum-Hamizvoth (= Gebotserfüllung) die wahre Simcha schel Mizwah
(= Freude über das Gebot) entsteht. So bei Schmirath-Schabath
(Einhalten des Schabbat) der Onez-Schabbath (Wonne des Schabbat). Ebenso bei der Beachtung der Speise- und
Ehegesetze, wodurch die Stufe der K'duschah (Heiligung) erlangt wird. Der Sinn des Thoralernens ist zu lehren, zu beobachten, in die Tat umzusetzen, und zu erfüllen, damit sich bewahrheitete das Prophetenwort:
'Überall wo mein Name erwähnt wird, werde ich zu dir kommen und dich
segnen'.
Hierauf sang Herr Eppstein'Baruch haba b’schem Haschem'
('Gepriesen, wer im Namen des Herrn kommt') unter allgemeinem Beifall.
Es sprachen dann noch Herr Rabbiner Dr. Grünewald, der besonders drei Momente hervorhebt, welche die Voraussetzung zu
Kijum-Hamizwoth (= Gebotserfüllung) bilden und uns zu Chisuk-Emunah
(= Festhalten an der Religion) führen: R'ijah (Sehen), Sechirah (Gedenken) und
Usijah (Tun).
Nachdem Herr Grünebaum das 'Omar Rabbi eleasar omar rabbi
Chaninah' mit klangvoller Stimme vorgetragen hatte, wurde drei Hakafoth
(Umzüge) mit allen Sifre-Toroth (= Torarollen) um den Almemor gemacht und das neue
Sefer Thora dem Aron-Hakaudesch (= Toraschrein) übergeben.
Herr Oberkantor Eppstein, welcher durch seine Gesangsvorträge viel zum Gelingen der würdigen Feier beitrug, beschloss den offiziellen Teil der Feier mit dem
'Uw'nuchoh jomar' und dem 24. Psalm.
Während der S'udah ergriff noch Seine Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Lauer zu einer eindrucksvollen Aussprache das Wort.
Mit dem Segensspruch der Kohanim und dem Wunsche, dass der Segen Jakow
awinu's (= unseres Vaters Jakob) in Erfüllung komme, und dass die göttliche Gnade auf den Werken unserer Hände ruhen möge, schloss er seine Rede.
Sodann hielt Herr Bornfreund eine sehr eindrucksvolle und sinnreiche
Draschah lichwod haachsanja w'lichwod hatorah (gemeint: Predigt
zur Ehren der heiligen Tora). Es war eine erhebende, echt jüdische Feier."
Die Hauptsynagoge (Lithographie
von Jakob Ludwig Buhl, um 1855)
Gebotstafeln aus der Hauptsynagoge,
nach 1945 in den Synagogen R 7,24
und
Maximilianstraße 6
Die Synagoge um 1895 (Quelle: Ziwes s.Lit. S. 70-73)
Die umgebenden Häuser (rechts das
jüdische Gemeindehaus) sind deutlich
niedriger, wodurch die Synagoge
herausragt
Innenaufnahme mit Blick
zum Aron Hakodesch
Die Synagoge bis 1938 (Quelle: Stadtarchiv Mannheim)
Rechts weiterhin das jüdische
Gemeindehaus; links wurde ein neues
Wohnhaus erbaut, das bis heute
erhalten ist
Innenaufnahme: auffallend sind die
vielen Ähnlichkeiten mit einer
christlichen
Kirche (Predigtkanzel, Vorlesetisch
ähnelt dem Altar
u.a.m.)
Computer-Rekonstruktion der
Hauptsynagoge Mannheim
mehr Fotos unter www.synagogen.info
zu Mannheim F 2.13, Quelle: Egon Heller, Architectura Virtualis
GmbH,
Kooperationspartner der TU Darmstadt
Blick auf das
Gebäude B 7,3, nach 1938
und bis zur Deportation 1940 als
jüdisches Altersheim genutzt; im oberen
Stockwerk war ein Betsaal eingerichtet,
im Keller eine Mikwe
Im Gebäude 7,2
wurde bis 1942 jüdischer
Unterricht abgehalten. Zwischen 7,2 und
7,3 bestand ein Durchgang. Die Gebäude
waren in der Kriegszeit letztes Zentrum
der jüdischen Gemeinde
Die Mikwe im
Keller des
Gebäudes B 7,3
Rechts:
Tafel zur Erinnerung an das ehemalige
Jüdische Altersheim in B 7,3,
angebracht am 22. November 2015.
(Foto: Michael Ohmsen, Aufnahme am 22.11.2015)
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne exemplarische Berichte Anmerkung: es werden - auf
Grund von Größe und Bedeutung der früheren jüdischen Gemeinde - zu Mannheim nur
wenige exemplarische Berichte eingestellt; über Internetrecherche können
zahlreiche weitere Berichte im Kontext von Stolperstein-Verlegungen oder anderen
Anlässen (regelmäßige Gedenkveranstaltungen, Installation von Gedenksteinen und
-tafeln, Ehrung von Persönlichkeiten u.a.m.) gefunden werden.
Exemplarisch
für die Installation einer Erinnerungsstele: März 2014:
Vor dem "Judenhaus" in der
NS-Zeit Große Merzelstraße 7 wird eine Erinnerungsstele aufgestellt
Anmerkung: vgl. zum Haus Große
Merzelstraße 7 auch das bei der Literatur unten angezeigte Buch von
Werner L. Frank: "Judenhaus: Small Ghetto at Grosse Merzelstrasse
7".
Artikel von Gerhard Bühler in der
"Rhein-Neckar-Zeitung" vom 31. März 2014: "Erinnerungsstele am
'Judenhaus' : Eine ganz persönliche 'Geschichtsstunde'
In der ehemaligen Großen Merzelstraße erinnert jetzt eine Stele an das
'Judenhaus'
Die vor einem Jahr auch als Buch erschienene Studie 'Arisierung und
Wiedergutmachung in Mannheim' der Historikerin Dr. Christiane Fritsche hatte
den beispiellosen Vorgang der Verfolgung, Ausplünderung und Verdrängung der
jüdischen Bevölkerung der Stadt nochmals in seinem ganzen Umfang ins
Bewusstsein gerufen. Noch immer können auch jene Juden, denen damals die
Flucht gelang, ihre Zeit in Mannheim nicht vergessen. Auf Initiative des als
Kind deportierten Daniel Barnea und seiner Familie wurde nun eine Stele zur
Erinnerung an die jüdischen Opfer errichtet, die vor ihrer Deportation im
'Judenhaus' Große Merzelstr. 7 am Bismarckplatz lebten. In diesem Haus in
der Nähe des Hauptbahnhofs waren während der NS-Zeit viele jüdische Familien
zwangsweise einquartiert. Der damals 15-jährige Kurt Heilbronner musste mit
Bruder Werner und den Eltern die Wohnung in der Oststadt verlassen und fand
dort ebenfalls Unterkunft. Als im Oktober 1940 die Deportation von 6400
Mannheimer Juden ins Lager Gurs folgte, war auch die Familie Heilbronner
darunter. Die Eltern und die meisten der rund 70 übrigen Hausbewohner kamen
später nach Ausschwitz und wurden ermordet. Die Söhne Kurt und Werner
konnten sich retten und in Israel unter den Namen Uri und Daniel Barnea ein
neues Leben aufbauen. Vor zwei Jahren sei Daniel Barneas Sohn Nir mit dem
Vorschlag einer Gedenktafel an ihn herangetreten, sagte der Mannheimer
Lokalhistoriker Volker Keller anlässlich der Feierstunde zur Einweihung der
Erinnerungsstele auf dem Bismarckplatz am vergangenen Freitag. Die Stele
habe hier ihren Platz gefunden, weil das Haus Große Merzelstr. 7 im Krieg
zerstört und abgerissen wurde, an seiner Stelle verläuft heute die
Reichskanzler-Müller-Straße. Neben der Familie Barnea fanden sich weitere
jüdische Familien als Sponsoren. 'Diese Gedenkstätte (,Memorial') ist nicht
beeindruckend aufgrund ihrer Größe, sondern wegen ihrer Bedeutung', bedankte
sich Nir Barnea im Namen seines Vaters auf Englisch und Hebräisch bei allen
Unterstützern und der Stadt. Wie der Leiter des Stadtarchivs Dr. Ulrich Nieß,
sagte, war bei der Suche nur ein Nachkriegsfoto des zerstörten Hauses im
Archiv gefunden worden. Die Stele trägt auf der Vorder- und Rückseite eine
Glasplatte, bedruckt mit erklärendem Text, jenem Foto des Hauses und einem
der Familie Heilbronner sowie den Namen der 70 jüdischen Bewohner. Für die
jüdische Gemeinde sprach die Vorsitzende Shoshana Maitek-Drzevitzky ein
Grußwort, Hannes Greiling für die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Zur
Enthüllung waren Daniel Barnea sowie zahlreiche Mitglieder der Familie
Heilbronner/Barnea mit Enkelkindern aus Israel und den USA gekommen."
Link zum Artikel Vgl. die Fotostrecke zum Haus Große Merzelstraße 7 im "morgenweb.de" vom
21. März 2014:
https://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_fotostrecke,-fotostrecke-judenhaus-grosse-merzelstrasse-7-_mediagalid,10459.html
Exemplarisch für
einen Bericht zu den "Stolpersteinen" in Mannheim: Mai
2015:
Verlegung des 100.
"Stolpersteines" in Mannheim im Mai 2015
Anmerkung: Die Mutter von Georges Stern - Lore Stern geb. Adler (geb.
9. März 1922) - lebte mit ihrem Bruder Siegfried Adler (geb. 28. September 1928)
und den Eltern Moses Adler (geb. 27. April 1882 in
Wertheim, umgekommen 27. Dezember
1941 im Lager Rivesalter) und Elisabeth Adler (geb. 4. Oktober 1893) in T 6,
25, ihr späterer Mann Fritz Stern (geb. 3. November 1886; Vater von
Georges Stern) in A 3,6. Entsprechend wurden auch die "Stolpersteine"
verlegt für Lore Stern geb. Adler in T 6,25 und für Fritz Stern in A 3,6.
August 2024:
Eine App zu den Mannheimer
Stolpersteinen wurde entwickelt
Artikel
von Jan Millenet in der "Rheinpfalz" vom 29. August 2024: "App zeigt den
Weg zu den Schicksalen. Stolpersteine, die an Opfer und Verfolgte des
Nationalsozialismus erinnern, findet man in vielen Städten. Auch in
Mannheim, Heidelberg oder Ludwigshafen gehören die Messingplatten im Gehweg
seit einigen Jahren zum Stadtbild. Ina Lukas hat nun das Projekt 'Mannheimer
Stolpersteine entdecken!' ins Leben gerufen - und eine App mit Daten
gefüttert..."
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken.
Weitere Informationen, das Begleitmaterial und ein Link zur App gibt es
unter
www.goethe.de/stolpersteine.
Interview von Philipp Blaich in Mannheim 2018 mit Rita
Althausen (stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-Israelischen
Gesellschaft [DIG] und Tochter von Oskar Althausen (geboren 1919 in
Lampertheim), der die Pogrome in
Mannheim 1938 erlebte. Im Bericht geht es um die Fragen: Wie war das
jüdische Leben in Mannheim in den 1920ern bis zu den 1940ern? Wie erging es
der Familie Althausen in diesen Jahren? Wie konnte der Vater flüchten, und
wie ging es dann weiter?
http://www.dialogue-of-generations.org/de_DE/rita-althausen/
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 186-196.
Hans Joachim Fliedner: Die Judenverfolgung in Mannheim 1933-1945. 2
Bände. 1971.
Hans Huth: Die Kunstdenkmäler des Stadtkreises Mannheim
2. 1982.
Karl Otto Watzinger: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Mannheims 1650-1945.
1984.1987².
Volker Keller: Die Klaus-Synagoge in Mannheim. Zur Geschichte der
Lemle-Klaus-Stiftung. In: Mannheimer Hefte 1 (1984) S. 32-53.
ders.: Die
ehemalige Hauptsynagoge in Mannheim. In: Mannheimer Hefte 1 (1982) S. 2-14.
ders.: Bilder vom jüdischen Leben in
Mannheim. 1988.
ders.: Jüdisches
Leben in Mannheim. 1995.
Lothar Steinbach:
Mannheim – Erinnerungen aus einem halben Jahrhundert. 1984.
Rainer Bell: Die jüdischen
Rechtsanwälte Mannheims. In: Mannheimer Hefte 1 (1985) S. 35-38.
Philip Vilas Bohlman: Das Musikleben während der
jüdischen kulturellen Renaissance in Mannheim
vor dem Zweiten Weltkrieg. In: Mannheimer Hefte 2 (1985) S. 111-119.
Festschrift
zur Einweihung des jüdischen Gemeindezentrums Mannheim F 3. Sonderveröffentlichung
des Stadtarchivs Mannheim 17. 1987.
Stadtjugendamt (Hg.):
Auf einmal, da waren sie weg – Jüdische Spuren in Mannheim. 1995.
Franz-Josef Ziwes(Hg.):
Badische Synagogen. 1997 S. 70-73.
Barbara Becker/Friedrich Teutsch: Spuren und
Stationen jüdischen Lebens in Mannheim: Quellen des Stadtarchivs Mannheim.
2000.
Hans-Joachim Hirsch: Ich habe Dich
bei Deinem Namen gerufen - Die Gedenkskulptur für die jüdischen Opfer des
Nationalsozialismus in Mannheim - Mit Beiträgen von Peter Kurz, Jochen Kitzbihler
und Helmut Striffler - 120 Seiten mit 43 überwiegend farbigen Abb.
- Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim Nr. 23. Mannheim 2005.
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Volker Keller (Hrsg.): Die Welt der Mannheimer Klaus. Lehrhaus und
Synagoge in drei Jahrhunderten.
Texte von Lena Baum, Vera Bendt, Max Gruenewald, Leopold Göller, Jack J.
Goldman, Volker Keller, Chaim Lauer, Helwine Lindmann, Julius Moses, Eugen
Neter, Berthold Rosenthal, Schlomo Rülf, Siegfried Seidemann, Isak Unna,
Viktor Unna.
ISBN 978-3-86476-016-7. Verlag Waldkirch Mannheim. 2012. www.verlag-waldkirch.de
Über dieses Buch: Siehe Buchvorstellung
auf Verlagsseite.
Christiane
Twiehaus: Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine
Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien. Reihe: Schriften
der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Universitätsverlag Winter
Heidelberg 2012. Zu den Synagogen in Mannheim S. 150-173.
Werner
L. Frank: "Judenhaus: Small Ghetto at Grosse Merzelstrasse 7".
Englischsprachig, Vorwort von Dr. Michael Berenbaum. Taschenbuch
(englischsprachig), 120 Abbildungen,
Vorwort von Dr. Michael Berenbaum, ISBN 9781539955252. Zu diesem Buch siehe Besprechung in
https://www.jlk-ev.de/Literatur/Literaturempfehlungen.html.
Dietrich Fischer: Über jüdische Anwälte
Mannheims; Hugo Marx: Das Schicksal der im Jahre 1933 in Mannheim
amtierenden jüdischen Richter (Mannheimer Hefte 1961, S. 19-25);
Rainer Bell: Die jüdischen Rechtsanwälte Mannheims (Mannheimer
Hefte 1985 S. 35-38).
Eingestellt als pdf-Datei bzw.
hier eingestellt.
Sigismund von Dobschütz: Die Vorfahren der
Elisabeth Goldschmidt aus Kassel und Mannheim. 1. Folge in: Maajan Die
Quelle Heft 76 2005. 2. Folge in: Maajan Die Quelle Heft 77
2005. 3. Folge und Schluss in: Maajan Die Quelle Heft 78 2006. Der
Beitrag ist eingestellt als pdf-Datei (mit freundlicher Genehmigung
des Verfassers). Bei Maajan - die Quelle handelt es sich um eine
Publikationsreihe der Schweizerischen
Vereinigung für Jüdische Genealogie.
Anmerkung (von S. Reber): Elisabeth Goldschmidt war die Tochter
von Hermann Levi's (Orchesterdirigent) Cousine Helene Goldschmidt geb.
Mayer (1863-1923). https://www.geni.com/people/Elisabeth-von-Collas/6000000039174798739
Susanne Reber:
Beitrag über Mathilde Wolff geb. Neuwahl (1856-1941) (aus
Liebenau/Hessen, später wohnhaft in Liebenau, Gelsenkirchen und
Mannheim). Beitrag eingestellt als pdf-Datei. Ein Stolperstein wurde am 26. März 2019 im Mannheim,
Richard-Wagner-Straße 26 verlegt, im Beisein von Shlomit
Chasid (Urenkelin) und Jonah Daniels (Ururenkel).
dies.: Familie von Eichthal - Die bayerischen
Verwandten des Dirigenten Hermann Levi (1839-1900). 2021.
Online eingestellt (pdf-Datei).
dies.: Hermann Levis Vorliebe für Mozart. 2022. 20 S.
Online eingestellt (pdf-Datei). Anmerkung: In Hermann Levis Lebensgeschichte gibt es biografische
Bezüge zu Mozart, die sich besonders gut in Mannheim verorten lassen.