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Niederweidbach mit
Roßbach (beide: Gemeinde
Bischoffen)
mit Mudersbach (Gemeinde Hohenahr) (Lahn-Dill-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Niederweidbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. Bis 1850 gehörten die am Ort lebenden jüdischen Familien zur Gemeinde
in Gladenbach, wohin sie auch ihre
Beiträge "zur Bestreitung der Bedürfnisse der israelitischen
Religionsgemeinden" entrichteten.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1830 23 jüdische Einwohner, 35 (6,3 % von insgesamt 553 Einwohnern), 1871 41 (9,3 % von
440), 1885 43 (10,1 % von 426), 1895 36 (4,5 % von 424),
1905 30 (6,9 % von 437). 1838 hatte sich Nathan Stern, der Sohn des
Niederweidbacher Juden Moses Katz, mit seiner Familie im benachbarten Roßbach
niedergelassen, daher wurden in Roßbach 1846 fünf jüdische Einwohner
gezählt.
Als 1850 eine selbständige Religionsgemeinde Niederweidbach gebildet
wurde, waren zur Wahl des ersten Gemeindevorstehers berechtigt: Meier Katz I,
Meier Katz II, Feist Katz, Michel Katz I, Michel Katz II, Wolf Katz, Seligmann
Simon, Moses Katz, Herz Katz, Elkan Katz, Löb Rosenthal, Liebmann Stern, Wolf
Stern, Nathan Stern (Roßbach). Gewählt wurde zum ersten Vorsteher Nathan
Stern, die beiden anderen Vorstandsmitglieder waren Herz Katz und Michel
Katz.
Die jüdischen Familienvorsteher waren vor allem als
Viehhändler tätig; mehrere hatten dazu etwas Landwirtschaft. Die Familien
lebten - teils über mehrere Generationen in eigenen Häusern; die Hausnamen
waren (in Klammer die zuletzt lebende Familie in den 1920/30er-Jahren): Majersch
(Familie Julius Katz), Davids (Familie Sally Simon), Jahnes (Familie
Siegmund Simon), Nathes (Familie Julius Simon), Manuels (Familie
Sally Stern) und Mannesse (Familie Moritz Stern).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Nach der Gründung der selbständigen Religionsgemeinde war 1851 für kurze Zeit
ein Lehrer eingestellt (Hirsch Lion), der auch als Vorbeter tätig war und
seinen Lebensunterhalt auch als Viehhändler und Schlachter verdiente, doch kam
es nicht zu einer längeren Verpflichtung, zumal die kleine Gemeinde eine
ordentliche Lehrerbesoldung nicht aufbringen konnte und es (1853) nur zwei
schulpflichtige Kinder in der Gemeinde gab. Auch um 1860 wird ein jüdischer
Lehrer am Ort genannt: Lehrer Isaak (erwähnt in einem Bericht
über eine Lehrerkonferenz in Gießen 1860). Die Gemeinde gehörte zum
Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Siegmund Simon (geb.
21.6.1893 in Niederweidbach, gef. 10.1.1920).
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde noch 28 jüdische Personen in
Niederweidbach gehörten (5,8 % von insgesamt 480 Einwohnern; dazu drei Personen
in Mudersbach), waren die Gemeindevorsteher Moses Stern, Moses Katz und Moses
Simon. 1932 waren die Gemeindevorsteher Julius Simon (1. Vors.), Siegmund
Simon (2. Vors.) und Julius Katz (3. Vors.).
1927 gab es die folgenden Gewerbebetriebe im Besitz jüdischer Personen:
die Viehhandlungen Julius Katz, Sally Simon, Siegmund Simon Moritz Stern und
Sally Stern sowie die Manufakturwarenhandlung von Julius Simon (Hausierhandel
mit Textilien). Um 1930 eröffnete die Frau von Moritz Stern ein Geschäft für
Porzellan- und Glaswaren.
1933 lebten noch 26 jüdische Personen in Niederweidbach (4,8 % von
insgesamt 542 Einwohnern; zur Gemeinde gehörten vier Personen aus Mudersbach
[Familie Leopold Rosenthal] und inzwischen auch acht Personen aus Hohensolms). In
den folgenden Jahren ist ein Teil von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen (Moritz Stern und seine Frau Juliane geb. Hammerschlag
1935 nach Herborn, Julius Simon und seine
Frau Hedwig geb. Isenberg 1936 nach Wetzlar) beziehungsweise
ausgewandert (Familie Sally Stern - allerdings erst 1941 - nach Argentinien, JCA-Kolonie
Avigdor). Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge zerstört (s.u.).1939 wurden noch 21 jüdische Personen am Ort
gezählt. Ein ruhiges Leben am Ort war nicht mehr möglich, wie die Dokumente vom
Januar 1940 zeigen, in denen davon berichtet wird, dass bei Familie Julius Katz
mehrfach Fenster und Türen des Hauses eingeschlagen wurden (Dokumente
im Digitalen Archiv Marburg). Irene Simon zog im Januar 1941 nach Frankfurt,
kehrte jedoch im April wieder nach Niederweidbach zurück. Sally Simon schickte
seine Töchter Ilse und Flora zur jüdischen Schule in Frankfurt. Sie kamen im
Mai 1942 zurück, da alle jüdischen Schulen zum 30. Juni geschlossen wurden.
Im Juni 1942 wurden die Mitglieder der drei Familien Katz, Stern und Simon mit
insgesamt 12 Personen, davon sechs Kinder
über Frankfurt deportiert. Das Ehepaar Julius und Selma Katz wurde am 10. Juni
1942 mit der 19-jährigen Tochter Edith und dem 17-jährigen Sohn über Frankfurt
nach dem Vernichtungslager Sobibor bzw. Majdanek in den Tod deportiert. Da die
"arbeitsfähigen" Männer gewöhnlich in Lublin aus dem Zug geholt und ins KZ
Majdanek verschleppt wurden, ist Julius Katz vermutlich in Majdanek umgekommen. Moses
Katz wurde nach Theresienstadt deportiert, von hier aus in das Vernichtungslager
Treblinka, wo auch er ermordet wurde. Die letzten beiden jüdischen
Einwohner - Jettchen Simon und Samuel Simon (84 bzw. 77 Jahre alt) wurden im
August 1942 über Frankfurt nach Theresienstadt deportiert, wo sie wenig später
umgekommen sind.
Von den in Niederweidbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"; hier
"Niederweidbach" und "Nieder Weidbach" eingeben; abgeglichen
mit der Liste bei Runzheimer s.Lit. I S. 114-116): Minna
Eckstein geb. Stern (1882), Kathinka (Käthe) Ehrlich geb. Simon (1888), Edith
Katz (1922), Julius Katz (1893), Klara Katz geb. Simon (1876), Manfred Katz (1924), Moses Katz (1865), Selma
Katz geb. Buxbaum (1887), Meta Salomon geb. Stern (1909; "Stolperstein" in
Herborn), Berta Simon geb. Stiebel (1895), Bertha Ilse Simon (1926), Flora Erika Simon (1928), Hedwig Simon
geb. Isenberg (1900), Helga Simon (1923), Jettchen Simon geb. Stern (1858),
Julius Simon (1887), Julius Simon (1894), Julius Sally Simon (1898), Lene Simon
(1921), Samuel Simon (1864), Selma Simon geb. Ehrlich (1899), Siegmund Simon
(1890), Ernst Stern (1920), Moritz Stern (1877), Juliane Stern geb. Hammerschlag
(1882).
Aus Mudersbach sind umgekommen: Elli Rosenthal geb. Oppenheimer
(1904), Kurt Rosenthal (1932), Leopold Rosenthal (1904), Manfred Rosenthal
(1935), Regina Rosenthal geb. Meyer (1870).
Hinweis: an Klara Katz geb. Simon (geb. 1876 in Niederweidbach), die in Wieseck
verheiratet war (ihr Mann Joseph Katz ist 1935 gestorben), und ihre Tochter Lina
(beide nach Deportation umgekommen), erinnern in Wieseck
seit Oktober 2009 sog. "Stolpersteine" vor dem Haus Kirchstraße 5 (Pressebericht
im "Gießener Anzeiger" vom 21. Oktober 2009, pdf-Datei).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Mitteilungen zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde (1932)
Mitteilung in "Israelitisches Familienblatt" vom 12. Mai 1932
unter Verlobungen: "Niederweidbach Kr. Biedenkopf:
Meta Stern mit Julius Salomon, Werdorf,
Kreis Wetzlar."
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Mitteilung in "Israelitisches Familienblatt" vom 8. September 1932
unter Trauungen: "Niederweidbach, Kr. Biedenkopf, 11.
September 1932: Julius Salomon, Werdorf.
Krs. Wetzlar und Frau Meta geb. Stern. Trauung: 12.15 Uhr, Pension
Grünewald, Gießen."
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Zur Geschichte der Synagoge
1842 war eine Synagoge mit 29 Plätzen für Männer und
14 für Frauen vorhanden. Zum Gottesdienst kamen auch die Juden aus Mudersbach
und zeitweilig auch die aus Altenkirchen.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge völlig zerstört; Einrichtungsgegenstände und
Schriften wurden auf die Straße geworfen. Zunächst war beabsichtigt, die
Synagoge niederzubrennen - Strohballen und ein Kanister mit Benzin waren
herbeigeschafft worden. Der Einspruch der Nachbarn, deren beiden Scheunen neben
der Synagoge standen, verhinderte die Inbrandsetzung.
1949 wurde das Gebäude
abgebrochen, da es baufällig gewesen sein soll.
Adresse/Standort der Synagoge: auf
dem heutigen Grundstück Hauptstraße 23, ein Teil auch auf Grundstück
Hauptstraße 25
Fotos
(Fotos: Frank Rudolph, Niederweidbach, www.f-rudolph.info;
Aufnahmen: 1. Februar 2010)
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 143. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 91. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 82. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bücher. 2007² S.
222. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 110. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 522. |
| Jürgen
Runzheimer: Abgemeldet zur Auswanderung. Die Geschichte der Juden im
ehemaligen Landkreis Biedenkopf. Bd. 1 Biedenkopf 1992. Bd. II 1999
(Beiträge zur Geschichte des Hinterlandes Bd. III und Bd. VII.
Hinterländer Geschichtsverein e.V.). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Niederweidbach
Hesse-Nassau. Numbering 43 (10 % of the total) in 1885, the community hat a
synagogue and members in nearby Hohensolms and Mudersbach. Of the 26 Jews
registered there in 1933, 16 were deported in 1942.
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