In Wetzlar bestand eine jüdische Gemeinde
bereits im Mittelalter. Schon vor 1200 sollen Juden hier gewohnt haben.
Nachzuweisen ist die Ansiedlung erstmals über eine Kaiserurkunde vom 9. Juli
1277, in der von "unseren Wetzlarer Juden" ("Judeis
nostris Wetflariensibus") die Rede ist. 1292 wird als jüdisches
Wohngebiet ein "vicus Judeorum" benannt (wohl zwischen Lahnstraße
und Weißadlergasse), 1344 eine "Judengaße", 1348 die "Juden-
und pansmydengaße" (die spätere Pfannenstielsgasse). Trotz dieser
Bezeichnungen jüdischer Wohngebiete gab es keinen fest abgegrenzten jüdischen
Wohnbereich. Jüdische Familien lebten auch in anderen Straßen der Stadt wie
auch christliche Familien in der "Judengasse" lebten. In der Pestzeit
1348/49 kam es auch in Wetzlar zu einer Verfolgung der Juden. Erst 1360 werden
wieder Juden in der Stadt genannt. Im 15. und 16. Jahrhundert lebten die meisten
Juden am Kornmarkt. Es handelte sich allerdings nur um relativ wenige Familien
(meist zwischen zwei und fünf Familien). Die Juden lebten vom Geldhandel und
der Pfandleihe. Von einer Vertreibung der Juden aus der Stadt zu Beginn der
Neuzeit ist nichts bekannt.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 17. Jahrhundert zurück.
In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges nahm die Zahl der jüdischen Einwohner
von etwa 30 auf 60 zu. Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren als Kaufleute und
Händler tätig. Mitte des 18. Jahrhunderts wohnten etwa 100 jüdische Personen
in der Stadt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1810 91 jüdische Einwohner (2,1 % von insgesamt 4.278), 1823
110, 1871 147 (2,4 % von 6.172), 1880 210 (2,8 % von 7.428), 1895 173 (2,1 % von
8.350), 1910 181 (1,4 % von 13.389).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Elementar- und
Religionsschule, ein rituelles Bad (Mikwe) und ein Friedhof.
Die älteste Wetzlarer Mikwe lag vermutlich in der unteren Altstadt am Hertebau/Eselsberg,
ab 1755/56 in der Pfannenstielsgasse im Bereich der Synagoge. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich
als Vorbeter und Schochet tätig war (siehe Ausschreibungen der Stelle unten);
zeitweise waren diese Aufgaben auch auf zwei Personen verteilt. Als Lehrer
werden insbesondere genannt: 1851 bis 1876 Herz Heymann, ca. 1878 bis ca.
1905 D. Regensburger, 1905 bis 1933 Josef Katzenstein. Die Gemeinde gehörte
Anfang des 19. Jahrhunderts zum Rabbinat in Frankfurt am Main, danach zum
Rabbinat Friedberg. 1838 gehörte Wetzlar zum Konsistorium in Bonn. Spätestens
um 1915 wurde Wetzlar mit den Gemeinden des Kreises dem Provinzialrabbinat in
Marburg unterstellt.
Wetzlar war Bezirksgemeinde einer größeren Zahl von kleinen Filialgemeinden
und Orten mit nur einzelnen jüdischen Familien. 1853 wurden im Kreis
Wetzlar acht Synagogenbezirke mit insgesamt 30 Versammlungsorten gebildet, die
alle der Synagogengemeinde Wetzlar zugeordnet waren: 1. Wetzlar. 2.
Atzbach und Vetzberg. 3. Hörnsheim, Hochelheim, Oberkleen und Ebersgöns. 4. Münchholzhausen,
Naubron Griedelbach, Kraftsolms, Kröffelbach
und Bonbaden.
5. Braunfels,
Burgsolms, Oberndorf,
Niederbiel und Tiefenbach. 6. Biskirchen,
Daubhausen, Edingen und Greifenstein. 7. Aßlar,
Werdorf, Kölschhausen,
Ehringshausen
und Katzenfurt.
8. Hohensolms,
Erda und Altenkirchen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: aus Wetzlar
Vizefeldwebel Erich Jakoby (geb. 21.2.1896 Hettstedt, gef. 24.10.1918), Isidor Löb
(geb. 31.7.1878 Dillheim, gef. 4.11.1915). Julius Loeb (geb. 19.9.1880 Wetzlar,
gef. 25.9.1915), Hermann Seligmann (geb. 18.6.1884 Wetzlar, gef. 13.9.1918) und
Josef Zwang (geb. 6.11.1879 in Stein am Kocher, gef. 4.4.1918); aus Hörnsheim
ist gefallen: Siegmund Rosenbaum, aus Ehringshausen Leopold Aaron und Max Levi.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde 181 Personen gehörten, waren
die Vorsteher der Gemeinde Meier Rosenthal II, Nathan Rosenthal II und
Gerson Thalberg. Der Repräsentanz gehörten an: Meier Rosenthal I,
Leopold Rosenthal, Julius Kahn - Aßlar,
Salomon Aschenhold - Ehringshausen, Dr. Aaron Strauß, Heymann Sachs, Hermann
Loeb, Jakob Rosenthal und J.-R. Hoffmann. Als Lehrer und Prediger war
(seit ca. 1905, siehe unten Bericht zum 25-jährigen Ortsjubiläum 1930) Josef Katzenstein tätig (auch noch 1932), als Schochet und
Gemeindediener Joseph Gurtel. An jüdischen Vereinen bestanden: die
Chewra Kadischa (gegründet 1874; Arbeitsgebiet: Liebesdienste in Sterbefällen;
1924 unter Leitung von Salomon Heldenmuth mit 27 Mitgliedern; 1932 unter Leitung
von Rechtsanwalt Dr. Hugo Rosenthal mit 24 Mitgliedern), der Israelitische
Frauenverein (gegründet 1878; 1924 unter Leitung von Frau Hoffmann mit 60
Mitgliedern; 1932 unter Leitung von Frau Katzenstein mit 45 Mitgliedern) und
eine Ortsgruppe des Central-Vereins (1924 unter Leitung von Dr. Aaron
Strauß, 91 Mitglieder).
Zur Gemeinde gehörten nun noch die in Freienfels (1924 genannt, nicht mehr
1932), Biskirchen,
Ehringshausen,
Hörnsheim (erst 1932 genannt), Hohensolms
(erst 1932 genannt), Katzenfurt,
Kraftsolms, Aßlar
und Münchholzhausen lebenden jüdischen Personen.
1932 waren die Gemeindevorsteher weiterhin Meier Rosenthal (1. Vors.) und
Nathan Rosenthal II (2. Vors.); neu gewählt war Heinrich Stern (3. Vors.). Die
Vorsteher der Repräsentanz waren Dr. Hugo Naphtali (1. Vors.), J. K. Hoffmann
(2. Vors.). Die Gemeinde gehörte zum Provinzialrabbinat in Marburg (damals
Provinzialrabbiner Dr. Naphtali Cohn). Die Religionsschule der Gemeinde
besuchten im Schuljahr 1931/32 9 Kinder.
1933 lebten noch 132 jüdische Personen in der Stadt (0,7 % von
17.392). In den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge geschändet und ihre Inneneinrichtung zerstört. Der
jüdische Friedhof an der Bergstraße wurde geschändet. 1938 gab es noch 64
jüdische Einwohner in Wetzlar. 1942/43 wurden die letzten 43 hier noch lebenden
Juden deportiert und fast alle ermordet.
Von den in Wetzlar geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Auguste Adler geb.
Seligmann (1881), Clementine Adler (1876), Fanny Aronsohn geb. Rosenthal (1883),
Selma Ascher geb. Wertheim (1900), Martha Bär geb. Sonnenberg (1878), Sybilla
Barmé (1865), Rosa Best geb. Lyon (1910), Johanna Ebertz geb. Blume (1885), Berta Eisner geb. Joel (1874),
Betty Gonsenhäuser geb. Mayer (1902), Hannelore Gonsenhäuser (1929), Flora
Gross geb. Bachrach (1891), Jenny Hamburger (1867), Nelly Hegar geb. Wolff
(1899), Edith Heineberg geb. Schlessinger (1911), Willy Heldenmuth (1874),
Zerline (Lina) Heldenmuth (1877), Hedwig Hertog geb. Salomon (1876), Johanna Herz geb.
Höchster (1872), Alfred Hess (1926), , Hedwig (Hendel) Ilberg geb.
Block (1883), Henriette Jessel (1871), Moritz Jessel (1882), Albert Katzenstein (1884), Arthur
Katzenstein (1893), Bernhard Katzenstein (1880), Josef Katzenstein (1879),
Rosa Katzenstein geb. Wolf (1892), Karl Kessler (1907), Meta
Kessler geb. Königsthal (1884), Recha Kessler (1909), Lina Kessler geb. Mayer
(1892), Edith Lamm (1936), Franziska Lennhoff geb. Thalberg (1864), Johanna Levi
geb. Seligmann (1886, Foto auf Seite zu
Markt Berolzheim), Martha Levy (1905), Mathilde Levy geb. Löb (1874),
Klara
Lind geb. Moses (1886), Lina Lindheimer (1879), Rosa Löb (1883), Mathilde
Löwenstein geb. Rosenthal (1887), Bertha Lyon geb. Moses (1881), Josef Lyon
(1883), Berta Mayer geb. Rosenberg (1865), Max Mayer (1895), Karolina Messingrau
geb. Regensburger (1899), Bertha Moses geb. (), Eva Moses geb. Zetin (1903), Hugo Moses (1901), Isidor
Moses (1872), Manfred Moses (1935), Max Moses (1908), Moritz Moses (1875),
Ruth Moses (1932), Salomon Moses (1879), Ida
Neustädter geb. Höxter (1877), Hedwig Palm geb. Dessauer (1888), Georg
Rabow (), Irene Rosenbusch geb. Salomon (1891), Bernhard
Rosenthal (1883), Ernst Rosenthal (1923), Gerda Rosenthal (1930), Herta
Rosenthal geb. Landau (1888),Minna Rosenthal geb. Vöhl (1884), , Nathan I.Rosenthal (1877), Robert
Rosenthal (1888), Theodor Rosenthal (1884), Gustav Salm (1880), Clothilde Salomon geb.
Bender (1874),
Hermann Salomon (1884), Johanna Salomon (wohnhaft in Wetzlar, 1872), Johanna
Salomon (später wohnhaft in Essen, 1882), Leo Salomon (1881), Moritz Salomon
(1874), Selma Salomon
(1879), Clara Schenk geb. Katzenstein (1882), Paul Schlesinger (1920),
Albert Schlessinger (1876), Selma
Schlessinger geb. Wolf (1882, vgl. Kennkarte unten), Clara Schloss geb. Stern verw. Seligmann (1882),Sonja Schmidt geb. Guralnik (1904), Berthold Seligmann (1890), Ida
Seligmann geb. Wertheim (1895),Lina Seligmann
geb. Seligmann (1879), Sally Seligmann (1880), Siegmund Seligmann (1873),
Sigmund Seligmann (1872), Walter Seligmann (1929), Dora Sonnenberg (1870), Lina
Sonnenberg (1878), Louis Sonnenberg (1868), Sydney Sonnenberg (1881), Klara
Stern geb. Jessel (1883), Leopold
Sternberg (1887), Johanna Stock geb. Moses (1905), Paula Weber geb. Lyon (1913),
Ernst Weis (1920), Moritz Moses Wertheim (1869), Emilie (Emmy) Wetzstein geb. Thalberg
(1889), Friedrich Louis Wetzstein (1888), Lisa Wetzstein (1922), Luise Winter
geb. Moses (1899), Lina Wollmann geb. Lyon (), Frieda Wolff geb. Rosenthal
(1871).
Auf
dem jüdischen Friedhof befindet sich
seit dem 29. August 1989 ein Denkmal, auf dem an die aus Wetzlar umgekommenen jüdischen Personen
erinnert wird - die in der Liste oben kursiv markierten Namen stehen auch
auf dem Gedenkstein.
Am 22. Oktober 2009 wurden in Wetzlar die
ersten sechs "Stolpersteine" verlegt. Informationen und
Erinnerungsblätter siehe Seite
in der Website der Stadt. Nach dem Beschluss der
Stadtverordnetenversammlung vom November 2013 sollen in absehbarer Zeit
weitere 22 Stolpersteine im Bereich der Altstadt und des
Karl-Kellner-Rings verlegt werden.
Nach 1945 lebten in Wetzlar und
Umgebung für einige Jahre mehr als 4.000 jüdische Flüchtlinge ("Displaced
Persons") in den beiden Wetzlarer Kasernen, für die die Wetzlarer Synagoge
durch die amerikanische Militärregierung wieder hergerichtet wurde. Seit 1948
(Gründung des Staates Israel) verließen die meisten der Displaced Persons
alsbald die Stadt. Mitte 1949 wurde das DP-Camp geschlossen. Auf dem jüdischen Friedhof erinnern noch mehrere Gräber aus
den Jahren seit 1945 an den Aufenthalt der DPs in der Stadt.
Rechts: Erinnerung an
das DP-Lager: Umschlag eines
Briefes von Juda Glauber im D.P.C. (Displaced Person
Camp) Nr. 538 Block 9/129 in Wetzlar; der Brief wurde
am 18. September 1948 nach München geschickt.
(Quelle: Sammlung Hahn)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1878:
"Die Synagogen-Gemeinde Wetzlar sucht zum baldigen Eintritt einen
Vorbeter und Religionslehrer. Gehalt 1200 bis 1500 Mark, außer
erheblichen Nebeneinnahmen. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde: gez. Heinrich
Herz, Vorsitzender."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August 1891:
"Religionslehrer- und Kantorstelle.
Die Synagogen-Gemeinde Wetzlar sucht zum Eintritt per 1. Januar kommenden
Jahres einen seminaristisch gebildeten Religionslehrer und Kantor.
Anfangsgehalt 1050 Mark, außer erheblichen Nebeneinnahmen. Anmeldungen
von nur ledigen Bewerbern deutscher Nationalität werden
entgegengesehen.
Wetzlar, 24. Juli 1891. Der Vorstand der Synagogen-Gemeinde. Jacob Rosenthal,
Vorsitzender."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli 1904:
"In hiesiger Gemeinde ist die Stelle als
Religionslehrer und Kantor
per 1. Oktober dieses Jahres zu besetzen. Anfangsgehalt 1000 Mark nebst
250 Mark Wohnungsgeldzuschuss sowie Nebenverdienste. Ledige Bewerber
wollen ihre Gesuche unter Beifügung von Zeugnissen an den Unterzeichneten
einsenden.
Wetzlar, 3. Juli. Der Vorsitzende des Synagogenvorstandes: Jacob Rosenthal."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1911: "Die
hiesige Gemeinde sucht per 1. April 1911 einen Schochet und
Synagogendiener. Jährliches Einkommen 1200 Mark. Bewerbungen sind
unter Einsendung von Zeugnissen an den Unterzeichneten zu richten.
Wetzlar, den 20. Februar 1911. Jacob Rosenthal, Vorsitzender des Synagogenvorstandes."
Der jüdische Lehrer bemüht sich um Gleichberechtigung mit den christlichen
Kollegen (1874)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom
17. März 1874: "Wetzlar, 24. Februar (1874). Dem 'Rh.K.' wird
von hier geschrieben: 'Unter den jüdischen Glaubensgenossen
unserer Stadt hat ein vom hiesigen Bürgermeisteramt gegen Ende vorigen
Monats erlassener abschlägiger Bescheid auf eine Eingabe des jüdischen
Predigers um Befreiung von der Kommunalsteuer große Entrüstung
hervorgerufen. Der Bescheid ist damit motiviert, dass in Folge des
Gesetzes vom 11. Juli 1822 und der Gemeindeordnung vom 23. Juli 1847 nur
die Geistlichen und Schullehrer der christlichen Konfessionen von der
Kommunalsteuer befreit sein sollen, eine ähnliche Immunität aber bisher
den Rabbinern und Schullehrern der jüdischen Konfession nicht zugestanden
worden sei. Dieselbe könne auch auf Grund des Gesetzes vom 23. Juli 1847
nicht in Anspruch genommen werden, da aus der im § 1 dieses Gesetzes
ausgesprochenen Gleichstellung der Christen und Juden in dem Genusse der
bürgerlichen Rechte durchaus nicht folge, dass den jüdischen Untertanen auch
die besonderen Vorrechte einzelner privilegierten Klassen christlicher
Untertanen beigelegt worden seien. Was nun das Richtigere ist, ob die
Ansicht des Bürgermeisteramtes oder die Gegenansicht der jüdischen Gemeinde,
dass nämlich das Gesetz vom 11. Juli 1822, dass die Geistlichen und
Lehrer von den Kommunalumlagen befreit, von gar keiner Konfession spreche,
sich daher auf alle beziehe, und dass ferner die Gemeindeordnung vom 23.
Juli 1847 in Wetzlar gar keine Geltung habe, wovon übrigens das Schreiben
des Bürgermeisteramtes auch gar nicht das Gegenteil behauptet, - das
wollen wir hier dahingestellt sein lassen, doch so viel wird jedem
Unbefangenen klar sein, dass eine Auffassung, wie die in dem fraglichen
Bescheide ausgesprochene, in unserer Zeit, die ja für alle Staatsbürger,
ohne Rücksicht auf das Glaubensbekenntnis, Gleichberechtigung vor dem
Gesetze erstrebt, nicht mehr angemessen erscheint. Übrigens ist auch, wie
wir hören, von den Stadtverordneten die Frage, wie der billigen Forderung
des Antragstellers auf legalem Wege gerecht zu werden sei, in Erwägung
gezogen worden, und wird ohne Zweifel eine baldige zufriedenstellende
Lösung finden.'
(Nach dem preußischen Gesetze, wie es bis jetzt beschaffen ist, steht
leider das Recht noch immer auf Seiten des abschlägigen Bescheides und
ist den mehrfachen Petitionen um Beseitigung dieses ungerechten
Unterschiedes bis jetzt noch keine Rechnung getragen worden.
Redaktion.)"
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Mai
1874: "Wetzlar, im April (1874). Wie vorauszusehen, wurde der
hiesige israelitische Kultusbeamte mit seinem Gesuche, gleich seinen
christlichen Amtsgenossen von den Kommunallasten befreit zu sein, auch von
der Regierung abgewiesen. Derselbe hat sich nunmehr an das
Abgeordnetenhaus gewendet, und wird dieses wohl die Petition zur
Berücksichtigung an die Staatsregierung überweisen, wenn es noch dazu
gelangt, darüber zu verhandeln."
Zum Tod des Kultusbeamten und Beschneiders
Herz Haymann (1876)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
24. Mai 1876: "Wetzlar, 5. Mai (1876). In unsere Gemeinde ist
Trauer eingekehrt, denn wir haben heute einen Mann zu Grabe geleitet, mit
dem zugleich ein Stück Geschichte unserer Gemeinde in dem kühlen Schoße
der Erde gebettet wurde. Herr Herz Haymann ist im besten
Mannesalter uns durch den Tod entrissen worden. Der Verblichene war fast
25 Jahre lang als Kultusbeamter der hiesigen Gemeinde im Dienste der Tora
und Awoda (Gottesdienst) eifrig tätig gewesen. 17 Jahre lang hat er sich
auch dem hiesigen Wohltätigkeitsverein Gemilut Chäsäd in Wort
und Tat treu und aufopfernd gewidmet. Besonders als Mohel (Beschneider)
war er in weiteren Kreisen rühmlich bekannt und hatte einen sehr
ausgedehnten Wirkungskreis. Oft wurde er nach Gegenden berufen, die weder
mit der Eisenbahn zu erreichen sind, noch Fahrpostverbindungen haben, und
so legte er bisweilen weiter Strecken zu Fuß zurück, um die Beschneidung
auszuführen. Über 500 Knaben sind vom ihm in den Bund Abrahams
aufgenommen worden. Auf vergangenen Schabbat hatte er bei einem armen
Manne, dem einzigen in dem Dorfe wohnenden Jehudi, eine Beschneidung
angenommen. Trotzdem Herr Haymann sich schon Freitags nicht recht wohl
fühlte und der Arzt ihm in Folge dessen die Abreise strengstens
untersagte. ließ er sich doch nicht zurückhalten, die Reise zu
unternehmen. Am Ausgang des Schabbat trat er unwohl zuhause ein und
bekam die Lungenentzündung. Nach kurzem, nur viertägigem Krankenlager
hat ihn der allgütige Vater im Himmel zu sich abgerufen. Möge Gott die
trauernde Familie trösten und ihr Seinen Schutz und heiligen Beistand
nicht versagen, die Gemeinde aber vor allem Leiden ferner bewahren. An dem
Verstorbenen möge sich das Wort der Tora erfüllen: (hebräisch und
deutsch): 'Deine Frömmigkeit wird vor Dir hergehen und die
Herrlichkeit Gottes Dich aufnehmen!' (Jesaja 58,8). Möge er
eingehen zum ewigen Leben mit den Gerechten und Frommen im Paradiese. Seine
Seele sei eingebunden in dem Bund des Lebens."
Anzeige des Lehrers D. Regensburger (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Oktober 1897:
"Für einen kräftigen, 15-jährigen Jungen, Sohn armer Eltern, suche
ich bei einem Meister beliebigen Gewerbes eine Lehrstelle.
Gefällige Offerten wolle man richten an
D. Regensburger,
Lehrer
und Kantor, Wetzlar."
Lehrer Regensburger sucht eine kleine Torarolle
(1894)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. März 1894: "Sefer
Tora (Torarolle). Eine kleine Sefer Tora, gute Schrift und
in gutem Zustande, wird zum Gebrauche für eine Chewra (Verein) zu
kaufen gesucht. Größte 35-50 Centimeter.
Offerten mit Preisangabe erbittet
D. Regensburger, Lehrer und Cantor in Wetzlar."
Lehrer Regensburger empfiehlt seine Pension (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1901: "Pension.
Mädchen oder Knaben, welche die hiesigen höheren Schulen,
Töchterschule oder Gymnasium besuchen wollen, finden gute Aufnahme,
gewissenhafte Beaufsichtigung und Nachhilfe bei D. Regensburger,
Lehrer und Kantor, Wetzlar."
Lehrer D. Regensburger sucht einen Vertreter (1903 /
1904)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Juni 1903: "Vertreter
gesucht als Lehrer und Kantor für den Monat Juli. Geeignete,
jüngere Bewerber, mit guter Stimme, belieben Offerten mit Ansprüchen zu
richten an
D. Regensburger,
Lehrer und Kantor in Wetzlar an der Lahn."
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Mai 1904: "Vertretergesucht
per 1. Juni für einige Monate als Lehrer und Kantor.
Jüngere, seminaristisch gebildete Bewerber mit guter Stimme belieb.
Offerten mit Ansprüchen zu richten an
D. Regensburger,
Lehrer und Kantor, Wetzlar a.d. Lahn."
25jähriges Ortsjubiläum von Prediger
Katzenstein (1930)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
2. Januar 1930: "Wetzlar, 30. Dezember (1930), Am Sonntag
vergangener Woche fand in der Synagoge zu Ehren von Prediger Katzenstein,
der sein 25-jähriges Ortsjubiläum beging, ein Festgottesdienst statt.
Während der Synagogenchor unter Leitung des Herrn Albert Schlesinger
Boruch habo sang, wurde der Jubilar vom Vorstande in das Gotteshaus
begleitet. Provinzialrabbiner Dr. Cohn - Marburg
feierte den Jubilar als Führer und Lehrer in herzlichen Worten. Dann
bestieg Herr Katzenstein selbst die Kanzel, um in tief ergreifenden Worten
allen zu danken, die ihm diesen Tag zum Ehren- und Festtag gestaltet. Mit
dem Gesang des Psalms 150 schloss die synagogale Feier. Mittags schien
eine Deputation des Vorstandes, als deren Sprecher Herr Meier Rosenthal
unter Überreichung einer Ehrengabe das Wort ergriff, während Herr
Rechtsanwalt Dr. Rosenthal im Namen der Chewra den Jubilar in
herzlichen Worten ehrte. Ehemalige und jetzige Schüler und Schülerinnen
schlossen sich an, um, zum Teil in petischer Form, unter Überreichung von
Blumenspenden ihre Glückwünsche auszudrücken. Unter der Fülle von
telegraphischen und schriftlichen Grüßen verdient das Schreiben des
Bürgermeisters Kühn im Namen der Stadt besonders lobende
Erwähnung."
Weitere
Informationen zu Lehrer Josef Katzenstein(1879
- umgekommen nach Deportation)
(erhalten von Karsten Porezag)
Links
die Meldekarte aus dem Einwohnermeldeamt der Stadt Wetzlar.
Der langjährige Lehrer und Kantor der jüdischen Gemeinde Wetzlar Josef
Katzenstein ist am 6. Mai 1879 in Hannover geboren und war seit 1906
verheiratet mit Rosa geb. Wolf (geb. 23. Juli 1882 in Wetzlar, gest. 21.
Februar 1942). Das Ehepaar hatte eine am 9. November 1908 in Wetzlar
geborene Tochter Margot Fanny, der 1939 die Flucht in die Vereinigten
Staaten gelang. Die Familie lebte bis zum September 1933 in Wetzlar (bis
1924 Bannstraße 28, dann Niedergirmeser Weg 67), danach in Frankfurt. Im
Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 war Katzenstein vom 12. November
bis 14. Dezember 1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Unmittelbar nach seinem
63. Geburtstag wurde Josef Katzenstein deportiert. Es ist nicht bekannt,
wo und wann er umgekommen ist. Er wurde nach 1945 für tot
erklärt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. August 1876: "Wetzlar, 29. Juli (1876). Ein Mitglied der
hiesigen Gemeinde, das zu gleicher Zeit mehrere Gemeindeämter bekleidet,
erlaubt sich am Heiligen Schabbat - vor den Augen der ganzen Gemeinde
den Ertrag der Mizwot, der sogenannten Schnodergelder, zu notieren.
Da trotz aller Ermahnungen diesem Überstand nicht abgeholfen worden ist,
so hielt ich es als meine Pflicht, diese traurige Tatsache der
Öffentlichkeit zur Beurteilung zu übergeben."
25-jähriges Bestehen des Wohltätigkeits- und
Beerdigungsvereins "Chewra Kadischa" (1899)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. April 1899: "Wetzlar (verspätet). Am 26. Februar feierte
die hiesige Chewra Kadischa ihr 25-jähriges Jubiläum. Dasselbe wurde
eingeleitet durch einen feierlichen Morgengottesdienst, an dessen Schluss
Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk aus Marburg
in einer Ansprache auf die ernsten Verpflichtungen hinwies, an die der
Jubeltag einer Chewra Kadischa die Mitglieder derselben mahnt und das El
Male Rachamim für die verstorbenen Mitglieder derselben von Herrn
Lehrer D. Regensburger gesungen wurde. Unmittelbar folgte der Besuch der
Gräber auf dem alten und neuen Friedhofe, auf welchen nach einer
Bedeutung und Zweck des Friedhofsbesuches erläuternden Ansprache des
Herrn Dr. Munk die üblichen Gebete gesprochen wurden. Nachmittags fand
der eigentliche Festgottesdienst statt. Um das Minchagebet gruppierten
sich die von Herrn Lehrer Regensburger eingeübten Chorgesänge des
Synagogenchors und der Schüler und die Festpredigt des Herrn Rabbiner Dr.
Mun, in welcher er anlehnend an Midraschstellen zu der vergangenen und
künftigen Sidrah besonders die Pflichten der Liebe und Wohltätigkeit
besprach, die auf den Anforderungen der Tora basieren müssen, und
deren Kenntnis und Pflege durch regelmäßiges Studium der Tora zu
fördern sei und in welcher er als Zweck der Feier die Aneiferung der
Jugend zu Erfüllung der Aufgaben der Chewra bezeichnete. Ein
Festmahl vereinigte die Mitglieder des Vereins und ihre Angehörigen im
großen Saale des Römischen Kaisers. Die Reihe der Reden eröffnete der
zweite Vorsitzende des Vereins, der mit dem eisernen Kreuz geschmückt
Herr Heimann Rosenthal mit einer Begrüßung der Gäste und einem Hoch auf
den Kaiser, dem Vertreter des Vaterlandes, für dessen Ehre der treue Jude
stets mit seinem Gut und Blut einsteht. Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk
feierte die Chewra als die Institution, die ihre Mitglieder stählt, stets
gerüstet gegen alle Gefahren dazustehen, die den äußeren und inneren
Frieden bedrohen. Herr Kreisvorsteher Jakob Rosenthal knüpfte an den
Perekausspruch über die drei Grundlagen der Welt an, die auch die Basis
der Chewra bildeten und weihte sein Glas dem Vorstand derselben. Herr
Engel überreichte mit einer Ansprache dem Vereinsbeamten Herrn August
Höchster zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum einen Ehrenpokal, worauf
dieser, sowie sein Sohn Herr Lehrer Max Höchster aus Bockenheim ihren
Dank dem Vereine aussprachen. Herr Lehrer D. Regensburger toastete auf den
Gründer des Vereins, den gegenwärtigen Bezirksrabbiner Dr. S. Meyer in Regensburg,
in dessen Namen Herr Provinzialrabbiner Dr. Munk erwiderte, worauf Herr
Jakob Rosenthal dem Oberhirten der Gemeinde, ihrem Meister und Meisterin
sein Glas weihte, und schließlich Herr Meyer Rosenthal sen. mit einem
Toaste auf Herrn Lehrer Regensburger und seine Gemahlin die Reihe der
Tischreden schloss. Nach Vollziehung des Tisch- und des Maariwgebetes
folgten Prolog, die Aufführung eines Festspiels, Couplets, sowie
musikalische Piesen des phänomenalen Violinvirtuosen Herrn Sander
Schreyer, der in liebenswürdiger Weise dem Ersuchen des Herrn
Provinzialrabbiners Dr. Munk entsprochen hatte und das Fest durch sein
wunderbares Spiel verherrlichte. Das Fest war ein sehr gelungenes und
hinterließ bei allen Teilnehmern die Befriedigung, wie sie nur eine in
Ernst und Heiterkeit verlebte Freude über die (Beachtung) eines
Gottesgebotes gewährt.
Wertvolle Judaica aus Wetzlar im Frankfurter "Museum
jüdischer Altertümer" (1938)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom April 1938: "Aus
dem Museum jüdischer Altertümer. Wegen des großen Interesses, das
die im Museum jüdischer Altertümer ausgestellte Sammlung Nauheim bei
allen Besuchern findet, hat die Leitung des Museums sich entschlossen,
diese wichtigen und schönen Bestände vorläufig nicht, wie ursprünglich
beabsichtigt, in die einzelnen Sachabteilungen aufzuteilen, sondern sie
als Ganzes stehen zu lassen. …
Im folgenden Raum (sc. nach der Abteilung Frankfurt) sind erstmals die
wichtigsten Stücke ausgestellt, die durch die Arbeiten der
Denkmalschutzstelle des Preußischen Landesverbandes jüdischer Gemeinden
in die Sammlung als Überweisungen und Leihgaben aus Gemeinden der
Umgebung Frankfurts gelangten. Vor allem sind hier Stücke aus Friedberg
und Wetzlar zu nennen, die für unser Museum von besonderem Interesse
sind, weil sie zum großen Teil von Frankfurter Meistern gearbeitet
wurden. Diese Gegenstände zeichnen sich durch Schönheit der Form und der
Arbeit aus, einige sind durch ihre frühe Datierung wertvolle Dokumente
der Entwicklung des jüdischen Kultgeräts. Aus Friedberg sind zu
nennen: ein Besomimturm, der das Datum 1651 trägt, wahrscheinlich aber
schon im 16. Jahrhundert entstanden ist, ein prachtvolles Toraschild und
eine reich ornamentierte silberne Torakrone; aus Wetzlar und dem
benachbarten Aßlar: zwei schöne Thoraweiser, Frankfurter Arbeiten um
1735, und ein seltenes gotisches Gießgefäß in Bronce aus dem 14.
Jahrhundert, das zur Handwaschung am Eingang der Synagoge von Wetzlar
sich befand...".
zu
dem aus Wetzlar genannten gotischen Gießgefäß siehe Foto unten.
Bezirkstagung des "Centralvereins deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens" (1928)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 17. Februar 1928: "Wetzlar. Am Sonntag, den
5. Februar, fand im Hotel zum Riesen in Wetzlar eine Bezirkstagung des
Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens statt, die
überaus zahlreich aus Wetzlar, Aßlar,
Ehringshausen, Herborn,
Haiger, Braunfels,
Weilburg, Biskirchen
und anderen Orten beschickt war. Herr Prof. Dr. Goldstein
(Darmstadt) sprach über 'Die Not der Stunde'. Er legte in
tiefschürfenden Ausführungen die Situation der deutschen Juden dar und
die Möglichkeiten ihrer Einstellung gegenüber dem Judenhass. Er forderte
auf, dafür zu wirken, dass in der Seele jedes Juden ein religiöser Kern
vorhanden bleibt, der sich von keinen Gehässigkeiten angreifen lässt,
der dem deutschen Juden die Kraft gibt, aufrecht zu stehen im Kampf um
Deutschtum und Judentum. Im Anschluss daran gab der Syndikus, Herr Rechtsanwalt
Dr. Martin Marx (Frankfurt am Main), eingehend vertrauliche
Mitteilungen über unsere Situation vor den Reichstagswahlen. Er
überzeugte die Hörer, dass wir heute schon mitten im Wahlkampf sind, der
mit vielen neuen und weniger aufdringlichen, dafür aber gefährlichen
Mitteln, geführt wird. Die Leitung der Versammlung lag in Händen des
bewährten Vorsitzenden der Ortsgruppe, Herrn Sanitätsrat Dr. Strauß.
Nach einer kurzen Aussprache begann der gesellige Teil, für den sich
besondern Herr Nathan Rosenthal II verdient gemacht hatte. Er trug
außerordentlich dazu bei, dass die Wetzlarer und auswärtigen Mitglieder
des Central-Vereins sich auch persönlich nahe kamen. Die Tagung war ein
großer ideeller Erfolg, der auch äußerlich durch den Beitritt einer
größeren Zahl von neuen Mitgliedern dokumentiert
wurde."
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 10. Februar 1928: derselbe Bericht wie oben
Gemeindebeschreibung (1936!)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom
Oktober 1936 S. 30: "Wetzlar. Kreisstadt mit 17.000
Einwohnern, darunter kaum 100 Juden. Alter Ort aus der Karolingerzeit. Die
älteste und nördlichste der wetterauischen Reichsstädte, 1175-1901
reichsfrei. 1285 gibt sich hier Tile Kolup als der (1250 gestorben)
wiedergekehrte Kaiser Friedrich II. aus, gewinnt die Bürgerschaft, wird
aber an Rudolf von Habsburg ausgeliefert und verbrannt. 1603-1806 ist
Wetzlar Sitz des Reichskammergerichts, an dem der Referendar J.W. Goethe
vom Mai bis September 1772 arbeitet. Seinen hiesigen Erlebnissen
entspricht das erste deutsch Buch von europäischer Berühmtheit, 'Leiden
des jungen Werther'. - 1815 kommt Wetzlar an Preußen.
Schon vor 1200 wohnten Juden in Wetzlar. 1277 haben sie
Bürgerrecht, sitzen in der nicht mehr vorhandenen Judengasse zwischen
Lahngasse und Fischmarkt und haben eine Synagoge; stehen unter
königlichem Schutz, sind aber der Stadt, dem Grafen von Nassau und den
Herren zu Runkel verpfändet. Mit deren Einverständnis werden sie 1340 'gebrand',
ihr Eigentum aufgeteilt. 1382 erbittet und bekommt sie wieder Juden von
König Wenzel. Im 16. Jahrhundert wird deren Ausweisung wieder erwogen,
aber nicht beschlossen. Eine Beschränkung auf 12 Familien wird auch bald
wieder fallengelassen. 1756 errichtet die Gemeinde eine stattliche, noch
heute benutzte Synagoge. Als die Stadt 1806 zum Großherzogtum Frankfurt
kommt, fallen die bürgerlichen Schranken fast völlig, in preußischer
Zeit gänzlich. - Seit einigen Jahren gibt Lehrer Bravmann aus Weilburg hier
den Religionsunterricht. Einziger Kultusbeamter ist, seit Jahrzehnten
verdienstvoll wirkend, Joseph Gerstel, Quellengasse 22.
- Sehenswürdigkeiten: die Synagoge in der Pfannenstielgasse, 1756 aus
einem Privathause umgebaut, in der Inflation schon an die
gegenüberliegende Brauerei verkauft gewesen, aber glücklicherweise
wieder zurückerworben; hat hübschen Spätbarock-Oraun (Toraschrein) und
darin alte Torarollen. Eine davon soll von Rabbi David ben Joseph ben
David in Sevilla geschrieben sein, der im 14. Jahrhundert das Sefer
Abudraham verfasste. Eine alte silberne 'Jad' mit sehr schöner
Löwenfigur ist mindestens 300 Jahre alt, etwas jünger der
Barock-Chanukkaleuchter. Ein Tongefäß, das sich vor Jahren im Keller der
Synagoge, der früheren Mikwah fand, und dort als Leuchter gedient haben
mag, ist nach Gutachten Sachverständiger 1000 oder mehr Jahre alt. -
Einzigartig der mindestens 300 Jahre alte Friedhof an der alten
Stadtmauer, jetzt mitten in der Stadt: ein grüner Winkel traumhafter Ruhe
inmitten hastenden Lebens. Der Neue Friedhof, 1882 angelegt, an der
Wuhlgrabenstraße zwischen Brühlbachstraße und Enger Weg, mit Aussicht
auf den Kalsmunt, Taunus und Westerwald. - Wetzlar besitzt zahlreiche
bemerkenswerte Bauten: Der Dom ist 'ein in Stein geschriebenes Kapitel
deutscher Baukunst' mit früh- und spätromanischen, früh und
spätgotischen Teilen. (Plastik!). Gegenüber der Kirche am Domplatz das
'Gasthaus zum Kronprinzen', einst Goethes Verkehrslokal. Am Schülerplatz
das 'Jerusalem-Haus', in dem sich das Urbild des jungen Werther erschoss.
Goethes Wohnhaus Gewandgasse 11. Im jetzigen Museum, früheren
Deutschordenshaus, wohnte Lotte Buff, derentwegen Goethe aus Wetzlar floh.
Das Städtische Kinderheim ist eine Stiftung der Familie Budge, die ihm
nach der Inflation noch 100.000 Mark Betriebskapitel schenkte, auch die
Budge-Stiftung und das gleichnamige Heim in Frankfurt errichtet. - Zwei
bekannte Industrien: Die Buderus-Eisenwerke, die schon 1870 die ersten
Hochöfen errichteten, und die Leitz-Werke, im Mikroskop-Bau führend: das
100.000 erhielt der Nobelpreisträger Paul Ehrlich, das 200.000 der
damalige Anatom der Tübinger Universität Martin Heidenhain. - Wir
wandern recht am Kalsmunt vorbei dem schwarzen Dreieck nach,
überschreiten den Solmsdach und die Bahnlinie und sind nach 2 3/4 in
Braunfels...."
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Dezember 1875:
"Wetzlar, im Marcheschwan 5636. (Unlieb verspätet). Das Chag
HaAsif - Fest der Ernte und Einsammlung, das am meisten von allen
Festen des Jahres der Freude geweiht sein soll, hat unserer Gemeinde
Trauer und Wehmut gebracht, da auch der Herr über Leben und Tod Ernte und
Einsammlung bei uns gehalten hat.
Eine wahrhafte wackere Frau, eine fromme und biedere Glaubensschwester,
Frau Henriette Budge ist am Freitag, am 2. Tag des Sukkotfestes (=
Freitag, 15. Oktober 1875) in ein besseres Leben abberufen worden. Die
Verstorbene war die einzige Tochter des früheren Landrabbiners von
Hannover - Rabbiner Mordechai Adler - das Andenken an den Gerechten ist
zum Segen (gemeint: der 1834 verstorbene Landrabbiner Marcus Baer
Adler) und Schwester des hochwürdigen Oberrabbiners des britischen
Reiches, Herrn Dr. Adler (gemeint Oberrabbiner Dr. Nathan Marcus Adler
[1803-1890] - sein Licht leuchte, den der Allmächtige noch lange
am Leben erhalten möge! Der Ewige vermehre seine Tage und seine Jahre.
Sie hatte noch die Sechut (Verdienst), im vorigen Jahre, ihren
geliebten und hochverehrten Bruder, sowie dessen Frau Gemahlin, hier zu
sehen. Schreiber dieses hatte die Gelegenheit, wahrzunehmen, wie sie
während der 14 Tage, die Herr und Frau Dr. Adler hier verweilten, vor
Freude und innigem Seelenvergnügen wieder neu auflebte und sich gleichsam
verjüngte.
Auch war es ihr noch vergönnt, der Bar Mizwa - Feier ihres Enkels,
welche am Schabbat Paraschat Reeh (SChabbat mit der Toralesung Reeh
= 5. Mose 11.26 - 16,17, das war am 28. August 1875) stattfand, in
völliger Gesundheit beizuwohnen.
(hebräisch und deutsch:) 'Unsere Jahre sind siebenzig und wenn's hoch
kömmt, achtzig Jahre'. Sie hatte dieses höchste Alter bereits
überschritten und erfreute sich dennoch bis einige Jahre vor ihrem Tode
einer fast immer ungestörten Gesundheit. Es erfüllte sich an ihr das
Wort des Propheten (hebräisch und deutsch): 'Die auf den Herrn harren,
erhalten neue Kraft, sie schwingen die Fittiche wie die Adler, sie eilen
dahin und werden nicht müde, sie wandeln und werden nicht matt;'
(Jesaja 40,31) 'Noch im höchsten Alter bewahrte sie ihre
geistige Kraft und Frische!' (Psalm 92,15) So war es ihr noch
möglich, am vergangenen Jom Kippur, also 6 Tage vor ihrem Tode,
den ganzen Tag in Fasten und Gebet im Gotteshause zu verbringen. Erst als
der Gottesdienst ganz beendigt, als schon die Schemot gesagt waren,
begab sie sich nach Hause.
Der Verlust, den unsere Gemeinde durch das Hinscheiden dieser Frommen
erlitten, ist sehr groß. Sie war der ganzen Gemeinde ein leuchtendes
Vorbild der Frömmigkeit, Gottesfurcht und des Gottesvertrauens, der
Menschenliebe und Herzensgüte.
Sie besuchte die Kranken, tröstete die Trauernden und Gebeugten; den
Armen und Dürftigen war sie eine stille Wohltäterin. Ihr Leben war eine
Leiter, die mit dem Fuße die Erde, mit der Spitze aber den Himmel
berührte, und welche stets von den Engeln Gottes, von den guten Taten der
Verblichenen bewegt war. Ober aber an der Spitze aller ihrer Taten, am
Anfange aller ihrer Gedanken und Entwürfe stand Gott selbst, stand auf
Flammenschrift (hebräisch und deutsch:) 'Die Gottesfurcht ist aller
Weisheit Anfang.'
In der heutigen Zeit, wo diejenigen, die treu und festhalten an der
heiligen Tora und sich ihre Vorschriften in allen Lagen ihres Lebens zur
Richtschnur machen, immer seltener werden, ist der Verlust eines solchen
wichtigen Frau doppelt schmerzlich. Auch ich habe an der Dahingeschiedenen
eine fürsorgende, treue Freundin verloren. 'Wehe um die, welche
dahinschwinden und nicht mehr aufzufinden sind!'
Zu dem Leichenbegängnisse waren die Verwandten aus nah und fern
herbeigeeilt. Dem Schwiegersohne, Herrn Rabbiner Dr. Treuenfels in
Stettin, war es unmöglich, der Beerdigung beizuwohnen, da dieselbe
bereits am Sonntag, den 2. Tag - einem Halbfeiertag (von Sukkot)
stattfand.
Möge der Schmerz um den Verlust der edlen Verblichenen dadurch gemildert
werden, dass man sich die Verstorbene zum Vorbilde nehme und in ihren
Fußstapfen, d.h. in denen der wahrhaften Frömmigkeit und Tugend wandle.
Sie aber, die ihren Lebensweg am Erew Schabbat (Freitag - Vortag
vor Schabbat) beschlossen, möge in den himmlischen Höhen am Tag des
Lohnes für ihre edlen Taten und für ihre frommes Wirken teilhaftig
werden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. S.
Meyer."
Zum Tod der Frau von Salomon Stern (1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1890: "Am
7. Tag Pessach (= 11. April 1890). verstarb in hiesiger Gemeinde Frau
Salomon Stern, die sich um das Wohlergehen der dürftigen Mitmenschen,
insbesondere der Glaubensgenossen sehr verdient gemacht hat. Ihre
Mildtätigkeit umfasste aber nicht nur ihre nächste Umgebung, den
Wohnort, sondern erstreckte sich weit über die Grenzen unseres
Vaterlandes hinaus. Möge der Verblichenen der Lohn ihrer guten Taten in
den himmlischen Gefilden zuteil werden. Ihre Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens. N.N. zu Wetzlar."
Goldene Hochzeit von Löb Salomon und seiner Frau (1910)
Artikel
in "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Juli 1910:
"Wetzlar. Das Löb Salomon'sche Ehepaar erhielt anlässlich
seiner goldenen Hochzeit die Ehejubiläums-Medaille"
Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de
Kennkarte
der in Wetzlar
geborenen Selma Schlessinger geb. Wolf
Kennkarte (ausgestellt
in Mainz 1939) für Selma Schlessinger geb. Wolf (geb. 23. Juli
1882 in Wetzlar),
wohnhaft in Mainz, am 27. September 1942 deportiert ab Darmstadt in
das Ghetto Theresienstadt,
am 28. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz,
ermordet
Bereits im Mittelalter wird eine Synagoge genannt
(erstmals am 31. August 1295). Sie lag in der Steingasse/Ecke Lahngasse (vermutlich im
Bereich der Querstraße Hertebau). Die Synagoge wurde 1428/29 renoviert. 1535
wurde eine neue "Judenschule" am Kornmarkt eingerichtet.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren Betsäle vorhanden:
im Haus des Juden Mordechai ("ein Stall bei Mordechai auf dem
Kornmarkte"), später in Jud Löbels Haus (beide vor 1734). Danach "in
des Simon Höchsters und in Salomon Liebermanns Stube" beziehungsweise
anders formuliert wohnte nach einer Urkunde 1734 "Simon Höchster in der
Judenschul". 1734 wollte die jüdische Gemeinde eine neue Synagoge
erbauen. Dafür hatte sie "von den Fritz'schen Erben einen Platz auf der
Gecksburg an der Stadtmauer" kaufen können. Der Magistrat erteilte jedoch
keine Baugenehmigung. Nun wollte die Gemeinde die Scheune des Rats- und
Gerichtsschöffen Kupferschmidt kaufen und hierin eine Synagoge einrichten, doch
protestierte hiergegen ein Nachbar, sodass auch diese Vorhaben scheiterte. Nach
19jährigen Auseinandersetzungen mit dem Magistrat war im Juni 1753 immer noch
keine Einigung in Sicht, worauf sich die Wetzlarer Judenschaft beim
Reichskammergericht beschwerte, das 1754 zu ihren Gunsten entschied.
Wenig später konnte die jüdische Gemeinde das "Heilmann'sche Haus in der
Rahmengasse" - ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit Mansarddach - erwerben
und dieses 1755/56 zu einer Synagoge umbauen. Dabei wurde im Betsaal eine dreiseitige
Empore eingezogen und eine gewölbte Decke erstellt. An der Ostwand über dem
Toraschrein wurde eine Rosette angebracht.
Über 180 Jahre war die vermutlich 1756 eingeweihte Synagoge in der
Pfannenstielgasse Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der
Stadt.
In jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts wird nur selten über das
gottesdienstliche Leben in Wetzlar berichtet. Im Juli 1923 wurde in der Synagoge
eingebrochen und dabei mehrere Ritualien entwendet. 1925 konnte der
Einbruchdiebstahl aufgeklärt werden.
Aufklärung eines Synagogeneinbruchs (1925)
Artikel
in der "Jüdischen liberalen Zeitung" vom 27. November 1925:
"Wetzlar (Aufklärung eines Synagogeneinbruchs). Einer der
Einbrecher, welche im Juli 1923 den Einbruchsdiebstahl in die hiesige
Synagoge ausführten, hat sich gestern in Würzburg selbst der
Kriminalpolizei gestellt. Es handelt sich um dem 20-jährigen Heinrich
Seelig von Würzburg. Aufzuklären bleibt noch, wie der Einbruchsdiebstahl
ausgeführt wurde und wer die übrigen Mittäter sind. Bekanntlich wurden
die aus der Synagoge gestohlenen Messegeräte einige Zeit nach dem
Einbruchsdiebstahl bei einem Althändler in Hamburg von der Hamburger
Kriminalpolizei beschlagnahmt, ohne dass es möglich war, die Diebe
festzunehmen."
Noch in der NS-Zeit wurde in der Synagoge
Gottesdienste der kleiner werdenden Gemeinde abgehalten.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde vor allem durch SA-Leute die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Wertvolle Gegenstände wurden
beschlagnahmt. Das Gebäude blieb erhalten. Während
des II. Weltkrieges wurde es als Unterkunft für französische Kriegsgefangene
zweckentfremdet.
Nach 1945 veranlasste die amerikanische Militärregierung die Wiederherstellung
der Synagoge. Im September 1945 wurde sie wieder eingeweiht und bis 1948/49
wiederum als Synagoge für "Displaced Persons" jüdischen Glaubens
verwendet. Nach deren Wegzug beziehungsweise Auswanderung (vor allem nach Gründung des
Staates Israel 1948) wurde die ehemalige Synagoge bis 1957 als Lager der
benachbarten Brauerei verwendet. 1958 erfolgte der Abbruch. In der Folgezeit
blieb das Grundstück ein freier Platz im Hof der Brauerei. An einer Wand wurde 1967
erstmals eine Gedenktafel in Anwesenheit von Landesrabbiner Dr. Ernst
Roth angebracht.
Nach dem Bau der Seniorenresidenz Lahnblick im Bereich der
früheren Synagogengrundstückes wurde die Gedenktafel von 1967 im Jahr 2003 erneut
angebracht, nun im Beisein von Landesrabbiner Chaim Lipschitz (Frankfurt am Main). Die Tafel trägt den Text: "Hier stand seit 1756 die Synagoge
der jüdischen Gemeinde Wetzlar. Nach Zerstörung der Inneneinrichtung am 9.
November 1938, im Krieg benutzt als Lager für französische Kriegsgefangene,
wieder hergerichtet 1945 für die hier lebenden Juden bis zu ihrer
Abwanderung". Links: Presseartikel von 2003 - Zum Lesen bitte Textabbildung
anklicken.
Adresse/Standort der Synagoge: Pfannenstielgasse
8
Fotos (Quelle: die Fotos sind veröffentlicht bei Arnsberg
Bilder S. 198-200, Altaras, Synagogen 1988 S. 191-192 und Porezag s.Lit. Steine passim, die
Abbildungen der oberen beiden Fotoreihen in dieser Weise nur bei Porezag; neuere
Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 27.10.2009)
Historische Darstellung
Oben: die
Pfannenstielgasse um 1910
(Gemälde von Wilhelm Waldschmidt) -
der Pfeil
bezeichnet die Synagoge
Oben: jüdisches
Waschgefäß aus dem 14. Jahrhundert, möglicherweise noch aus der
mittelalterlichen Synagoge; befand sich bis zum Sommer 1937 im
Eingangsbereich der Wetzlarer Synagoge, kam als Leihgabe in das Museum
für Jüdische Altertümer in Frankfurt, wo es beim Novemberpogrom 1938
vermutlich vernichtet wurde.
Synagoge für Displaced
Persons
1945-1948/49
Der Betraum
1947 mit Blick
zum Toraschrein
Die ehemalige Synagoge als
Brauereilager 1949-1957
Die
ehemalige Synagoge
vor dem Abbruch
In der ehemaligen Synagoge
1957. Im
Betraum werden Bierkästen gelagert
Blick zur ehemaligen
Frauenempore
Blick nach Südwesten mit
einem Teil der
ehemaligen Frauenempore
Zerstörter Leuchter
über den Bierkästen
Gedenken an die Synagoge in der
Gegenwart
Blick entlang der
Pfannenstielgasse
Gedenktafel für die Synagoge
mit
Darstellung des Gemäldes von ca. 1910
Blick auf das Grundstück der
Synagoge -
an der Mauer die Gedenktafel
Unmittelbar
gegenüber dem Synagogengrundstück ein "Stolperstein" für den
Altwarenhändler Salomon Moses, der mit seiner nichtjüdischen Frau und
zusammen
sieben Kindern seit 1922 in der Pfannenstielgasse wohnte. Nach
dem Novemberpogrom
1938 kam Moses in das KZ Buchenwald, wo er am 26.
Dezember 1938 ermordet wurde.
Er war das erste jüdische Mordopfer aus
Wetzlar. Am 22. Oktober 2009 wurde der
erste "Stolperstein" für
ihn verlegt.
Neue Gedenktafel
für die Synagoge mit dem
Text: "Hier stand seit 1756 die Synagoge der
jüdischen Gemeinde Wetzlar. Nach Zerstörung
der Inneneinrichtung am 9.
November 1938
im Kriege benutzt als Lager für französische
Kriegsgefangene. Wieder hergerichtet 1945
für die in DP-Lagern lebenden
Juden bis zu
ihrer Abwanderung"
Juli 2010:
Rundgang auf den Spuren der jüdischen Geschichte
Artikel (ür) in der "Gießener
Allgemeinen" vom 8. Juli 2010 (Artikel):
"Porezag beleuchtet Leben und Leiden der Wetzlarer Juden
Wetzlar (ür). Das Leben und Leiden der Wetzlarer Juden hat der Historiker Karsten Porezag bei einer Führung durch die Altstadt beleuchtet.
Der Referent startete am Steighausplatz, wo die fast zweistündige Veranstaltung mit einem Rundgang auf dem jüdischen Friedhof begann..."
Video bei youtube.com zur Gedenkstunde 2010 an
die Pogromnacht 1938 in Wetzlar Teil 1
Teil 2:
Dezember 2013:
Die Verlegung weiterer "Stolpersteine"
ist geplant - es werden Paten gesucht
Pressemitteilung der Stadt Wetzlar vom 15.
Dezember 2013: "Stadt sucht Paten für "Stolpersteine". 22 neue Erinnerungen geplant Wetzlar. Sechs so genannte Stolpersteine erinnern schon jetzt an das Schicksal von Wetzlarer Juden im Dritten Reich. Jetzt sollen weitere Gedenksteine hinzukommen.
Nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im November zur Verlegung weiterer
'Stolpersteine' zum Gedenken an jüdische Bürger Wetzlars, die während der nationalsozialistischen Diktatur ermordet wurden, ruft die Stadt Wetzlar ihre Bürger und Organisationen zu Patenschaften für einzelne Stolpersteine auf. Wer das sein möchte, übernimmt die Kosten von etwa 120 Euro pro Stein. Insgesamt sollen 22 weitere Stolpersteine im Bereich der Altstadt und des Karl-Kellner-Rings verlegt werden.
2009 wurden von dem Kölner Künstler Gunter Demnig bereits sechs Gedenksteine in der Altstadt vor den ehemaligen Wohnhäusern ermordeter Bürger in das Pflaster eingesetzt.
Interessenten werden gebeten, sich mit dem Büro des Magistrats in Verbindung zu setzen: Ernst-Leitz-Straße 30, 35578 Wetzlar, Telefon (06441) 991055, E-Mail:
magistratsbuero(at)wetzlar.de."
Germania Judaica Bd. II,2 S. 882-885; III,2 S.
1593-1595.
Karl Watz: Geschichte der jüdischen Gemeinde in
Wetzlar von ihren Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.
Veröffentlichungen des Wetzlarer Geschichtsvereins Heft 22. Wetzlar
1966.
Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 2 S. 365-380.
ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 198-200.
Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 91-92.
dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 91-92.
dies.: Neubearbeitung der beiden Bänden. 2007. S.
223.
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 121-125.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 479-481.
Karsten Porezag: ...dann müssen die Steine reden!
Die Wetzlarer Synagogen, die Mikwe und die jüdischen Friedhöfe in neuerer
Zeit. Schriften zur Stadtgeschichte - Sonderausgabe. Hg. von Magistrat der
Stadt Wetzlar. 2004. 20072
Vorwort
zum Buch onlineWebsite
von Karsten Porezag
ders.: Als aus Nachbarn Juden wurden. Die Deportation und
Ermordung der letzten Wetzlarer Juden 1938-1943/45. 2006.
Website
von Karsten Porezag
ders.:
Ernst Leitz aus Wetzlar und die Juden - Mythos und Fakten. Zur Emigration
deutscher Juden 1933-1941. Wetzlar 2009.
Simon Becker/Marco Pfeiffer/Laura Triller:
Geschichte der Juden in Wetzlar. Online
zugänglich.
Monica Kingreen: Die gewaltsame Verschleppung der Juden aus den Dörfern des Kreises Wetzlar und aus der Stadt Wetzlar, in: Mitteilungen des Wetzlarer Geschichtsvereins, 41. Band, Wetzlar 2003,
S.167-199.
Wetzlar Hesse-Nassau. The medieval
Jewish community, established around 1295, fell victim in September 1348 to the
Black Death massacres. Jews returned in 1360 an once again (after banishment) in
1604. A 1626 law restricted their number to 12 families, but in return for
paying heavy taxes they obtained freedom of worship and other concessions. Some
engaged in the cattle trade and later owned stores or entered the professions.
Wealthy Court Jews who moved elsewhere often adopted Wetzlar as their surname:
Karl Abraham Wetzlar, an 18th century apostate, founded the Wetzlar von
Plankenstern dynasty in Vienna. The community built a new and larger synagogue
in 1756, affiliated itself with the rabbinate of Marburg in 1815, and numbered
210 (3 % of the total) in 1880. By 1933 the Jewish property had declined to 132,
excluding members from Ehringshausen and other villages. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), the interior of the synagogue was destroyed. Altogether,
41 Jews from the district emigrated and 68 perished in the Holocaust. Jewish
displaced Persons made temporary use of the synagogue after Worldwar II.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge