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Sankt Goar (VG
Sankt Goar-Oberwesel, Rhein-Hunsrück-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem in früheren Jahrhunderten zur Grafschaft
Katzenelnbogen gehörenden Sankt Goar bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/39.
Bereits im Mittelalter lebten Juden in der Stadt. 1383 war mindestens
ein Jude wohnhaft, der vermutlich aus Düren zugezogen war. Er war als
Geldverleiher tätig. Auch im 15. Jahrhundert werden mehrfach jüdische
Einwohner genannt. 1410 empfing Graf Johann IV. von Katzenelnbogen von
den Juden Jahressteuern: von einer Jüdin bekam er 25 Gulden und von zwei Juden je 18
Gulden. 1419 zwang Graf Johann IV. einen jüdischen Geldhändler in St.
Goar und seine Frau mittels Inhaftierung und Verurteilung durch das Gericht zu
St. Goarshausen zum Verzicht auf alle ihre Forderungen an seine Untertanen.
Einer der bekanntesten Sankt Gorarer Juden war Salman von Sankt Goar, der
- als dessen Schüler - die Lehren des hochbedeutenden Rabbiner Maharil (geb.
1375 in Mainz, gest. 1427 in Worms) schriftlich fixiert und redigiert hat.
Im 16. Jahrhundert wird 1544 ein Jude in Sankt Goar genannt.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in die Zeit des 17./18.
Jahrhunderts zurück. Nachdem mit Löb Josfel aus Koblenz 1754 ein Rabbiner
für die Niedergrafschaft Katzenelnbogen nach St. Goar berufen wurde, war St.
Goar für ein halbes Jahrhunderts Mittelpunkt für die katzenelnbogischen
Judenschaft. In der französischen Zeit nach 1794 erlangten die jüdischen
Einwohner Gleichberechtigung. So konnte bereits zwischen 1800 und 1804 Lazarus
Wolff, ein jüdischer Sankt Goarer, das Amt des Bürgermeisters
übernehmen. Die Bedeutung von Sankt Goar als Zentralort der katzenelnbogischen
Judenschaft ging jedoch mit der Abtrennung von der Judenschaft der übrigen
ehemaligen katzenelnbogischen Grafschaft auf der rechtsrheinischen Seite schnell
zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 35 jüdische Einwohner, 1854 16.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Bornich beigesetzt.
1847 wurde St. Goar zentrale Synagogengemeinde für die Wahlbezirke
Oberwesel, Bacharach und Boppard (je mit den umliegenden Ortschaften). Damit
erhielt die Gemeinde wieder ein Stück ihrer früheren zentralen Stellung
zurück. Allerdings ging diese mit dem Erstarken der Gemeinden Oberwesel
und Boppard in der Folgezeit zurück.
1932 lebten fünf jüdische Familien mit zusammen 28 Personen in der
Stadt. Gemeindevorsteher war Jacob Isidor. An jüdischen
Vereinen gab es den Wohltätigkeitsverein Chewroth (1932 unter
Leitung von Jacob Isidor; Zwecke und Arbeitsgebiete: Wohltätigkeit,
Bestattungswesen) und den Israelitischen Frauenverein (1932 unter Leitung der
Frau von Jacob Isidor; Zweck und Arbeitsgebiet: Wohltätigkeit). Im Schuljahr
1931/32 erhielten noch sechs Kinder der Gemeinde
Religionsunterricht.
In den Jahren nach 1933 sind bis vor 1939 alle Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.).
Von den in Sankt Goar geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Lieselotte Dreifuss geb.
Isidor (1918), Friedrich Haas (1907), Otto Haas (1899), Helena Hollerbaum geb.
Meyer (1869), Herbert Isidor (1915), Moses Isidor (1879), Paula Isidor geb.
Ostberg (1886), Emil Löb (1872), Lina Mayer (1869), Johanna Meyer (1874), Helga
Michel (1923), Benno Reissmann (1903).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Spendenaufruf für den in Biebernheim lebenden Michel Herz
(1876)
Anmerkung: in Biebernheim lebten nur wenige jüdische
Familien (1807 sechs Personen). Hier kam es nicht zur Bildung einer
Gemeinde.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1876:
"Aufruf!
In dem eine Viertelstunde von hier entfernten Dorfe Biebernheim wohnt ganz
allein der arme, schon lange Jahre kranke Michel Herz. Derselbe war immer
ein treuer Verehrer unseres Gottes.
Derselbe findet sich veranlasst, durch mich Unterzeichneten edle
Menschenfreunde, zur Linderung der Not und der schlimmen Lage des immer
bettlägerischen Kranken, um einen kleinen Betrag zu bitten.
Gaben wolle man gefälligst an mich Unterzeichneten einsenden.
St. Goar am Rhein, Ende November. Isaak Haas, Mohel
(Beschneider)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits im 18. Jahrhundert war ein Betraum oder eine Synagoge
vorhanden, über die jedoch keine weiteren Informationen vorliegen. 1830
wird in einem Dokument aus Werlau berichtet,
dass die dortigen Juden "von jeher zu der Synagoge von Sankt Goar"
gehören und das dortige Bethaus besuchen.
Am 9. August 1844 konnte eine neue Synagoge eingeweiht werden. Sie war in
einem von der Gemeinde gekauften kleinen Wohnhaus eingerichtet worden und hatte
in zwei Räumen Platz für 24 Männer und 14 Frauen. Nur wenige Jahre stand
diese Synagoge. Sie musste Ende der 1850-er-Jahre dem Eisenbahnbau (Linke
Rheinstrecke) weichen.
Erst 1876 erfährt man von der Einrichtung einer neuen Synagoge.
Die Beerdigungsbruderschaft (Chewra Kadischa) erwarb hierzu ein
Privathaus in der Oberstraße. Durch den Rückgang der jüdischen
Gemeindeglieder war es spätestens in den 1920er-Jahren nicht mehr möglich,
regelmäßige Gottesdienste abzuhalten. Nur an den Hohen Feiertagen konnten
Gottesdienste abgehalten werden, wenn die beiden Brüder Israel auswärtige
Freunde eingeladen hatten. Die letzte Bar Mizwa-Feier in der Synagoge fand 1935
statt.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Ein SA-Mann und wenig später weitere
Helfeshelfer waren in das Gebäude eingedrungen, warfen die
Einrichtungsgegenstände auf die Straße, stahlen Gegenstände wie die Leuchter,
verbrannten die Torarollen. Mit Rücksicht auf die Nachbarhäuser wurde die
Synagoge nicht angezündet.
Adresse/Standort der Synagoge: Oberstraße
Fotos
(Quelle: Beitrag von Doris Spormann 1992 S.
25)
Die Synagoge in Sankt Goar |
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In dem abgebildeten Gebäude
fand seit
1876 der Gottesdienst der Gemeinde statt
(Foto vor 1938) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1300-1302.
|
| Doris Spormann: Die Synagogengemeinden in St. Goar
und Oberwesel im 19. und 20. Jahrhundert: Spuren landjüdischen
Gemeindelebens am Mittelrhein. - In: SACHOR. Beiträge zur jüdischen
Geschichte in Rheinland-Pfalz. - 2. Jahrgang, Ausgabe 2/1992 Heft Nr. 3 S. 22-30. -
Ill. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt) |
| dies.: Zur Geschichte der Juden in Werlau. In: Sachor.
Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in
Rheinland-Pfalz Heft Nr. 10 2/95 S. 62-74. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 332 (mit weiteren Literaturangaben).
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Sankt Goar Rhineland. Jews
are first mentioned in 1383 and lived in the town intermittently and in small
numbers through the late 17th century. A community of seven families existed in
the 18th century. Later in the century the town served as the seat of the chief
rabbi of the Katzenellenbogen earldom. In the late 19th century, the community
was accredited as a district congregation for the Jews of the county. A
synagogue was erected in 1844. Burial facilities were located in Bornich
under the auspices of a hevra kaddisha which operated from 1763 up to
1942. The Jewish population declined from 35 (total 1.250) in the early 19th
century to 16 at mid-century. In 1932 there were 28 Jews in Sankt Goar. All left
before the outbreak of war, most emigrating and a few moving to other localities
in Germany. The synagogue was vandalized on Kristallnacht (9-10 November
1938).
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