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Kreis Gießen"
Steinbach (Gemeinde
Fernwald, Kreis Gießen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Steinbach bestand eine jüdische
Gemeinde bis nach 1910.
Erstmals werden Juden in Steinbach in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
genannt. 1717/18 ist von Jud Seligmann die Rede, der vorübergehend eine
Hofreite kaufte und dafür den Erbzins zu entrichten hatte. Er lebte unter
anderem vom Handel mit Tabak. Damals (beziehungsweise schon in den Jahren zuvor)
lebten möglicherweise bereits mehrere Juden am Ort, so wird 1706 ein "Jud
Gedscheldt" genannt, bei dem jedoch nicht sicher ist, ob er in Steinbach
wohnte oder sich nur längere Zeit hier aufhielt. 1735 wird Jud Lieb (Löb Katz)
genannt.
Um 1785 gab es zwei jüdische Familien in Steinbach (Seligmann Katz und
Aron Katz). Bis 1815 stieg die Zahl auf fünf jüdische Familien, die vor
allem vom Handel lebten und eigene Häuser und Ländereien erworben hatten. Es
waren die Familien David Katz I, Löb Katz I, Gerson Katz, Löb Katz II und
Samuel Katz.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1804 21 jüdische Einwohner (3,3 % von insgesamt 656 Einwohner), 1828
38 (5,1 % von 744), 1830 36, 1844 52 (6,2 % von 844), 1861 93 (10,0 % von 983), 1895
42 (4,3 % von 941), 1903 35 (3,6 % von 984). Seit der Mitte der 19. Jahrhunderts
sind die jüdischen Familien aus Steinbach ausgewandert (Nordamerika)
beziehungsweise abgewandert, unter anderem nach Frankfurt am Main und in einige
andere jüdische Gemeinden. Die jüdischen Familien lebten vor allem vom Vieh-
und Landesproduktenhandel.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule,
ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein
Religionslehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Als Lehrer
werden u.a. genannt: um 1826 Salomon Strauß, um 1839 Lehrer Heinemann, um 1840
Gerson Schulhof, um 1846/48 Abraham Birk (geb. 1822 in
Vollmerz), um 1854/56
Lehrer Mayer Stern (geb. in Gladenbach, gest. in
Langsdorf), um 1857/58 Lehrer
David Stern, um 1860/62 Lehrer Jugenheimer (genannt bei einer Lehrerkonferenz
in Gießen 1860), um 1863/65 Lehrer Mainzer, um 1868
Lehrer Morgenthal, um 1869/72 Israel Goldschmidt.
An jüdischen Vereinen gab es einen "Israelitischen
Unterstützungsverein" (in den 1850er-Jahren genannt).
Auf Grund der Abwanderung der meisten jüdischen Familien wurde die Gemeinde nach
1910 aufgelöst. In den 1920er-Jahren gehörten die nur noch wenigen
Steinbacher Juden zur liberalen jüdischen Gemeinde in
Gießen. Die Zahl der
jüdischen Einwohner ging zwischen 1910 und 1939 von 28 auf 1939 nur noch eine
Person zurück. Letzte jüdische Einwohnerin war die mit einem christlichen
Einwohner verheiratete Jettchen geb. Löwenberg (geb. 1894). Sie wurde noch im
Februar 1945 in das Ghetto Theresienstadt eingeliefert, konnte jedoch nach
Kriegsende nach Steinbach zu ihrer Familie (fünf Kinder) zurückkehren. Die
ganze Familie hatte in der NS-Zeit schwer unter Restriktionen zu leiden. So
wurde ein Sohn 1943 zur Zwangsarbeit in das KZ Buchenwald transportiert, ein
anderer Sohn wurde Anfang 1945 zur Zwangsarbeit in eine Munitionsfabrik
geschickt.
Von den in Steinbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (die Angaben in den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und die Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945" können kaum herausgezogen
werden, da die Zuordnung der Nachweise für "Steinbach" oft unklar
ist; die nachfolgende Liste nach der Zusammenstellung bei Müller/Damrath s.Lit.
S. 34): Sabine Cahn geb- Katz (1865), Ludwig Katz (1886), Moses Krämer
(1886), Hermann Krämer (1890), Emil Theodor Löwenberg (1882), Johanna
Löwenberg (1884), Franziska Mayer (1874), Frieda Nemrow geb. Neustädter
(1883), Paula Rosenthal geb. Katz (1883), Bertha Winkelstein geb. Katz (1856).
Alle genannten Personen sind in Steinbach geboren und lebten später in
anderen Orten.
Am 12. November 2008 wurde eine Gedenktafel auf dem
Kirchenvorplatz mit den Namen der genannten Personen und der Angabe ihrer
Geburtshäuser (Adressen) eingeweiht.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von Gottschalk Löwenberg (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. April 1903: "Suche
für meinen Sohn, 14 Jahre, mit gutem Schulzeugnis, und guten Kenntnissen eine
Lehrstelle, womöglich in einem Manufaktur-Geschäft, bei freier Kost und
Logis. Gefällige Offerten erbittet
Gottschalk Löwenberg, Steinbach bei Gießen." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum in einem der jüdischen
Häuser vorhanden, vermutlich bereits in dem seit 1812 in jüdischem Besitz (des
Samuel Katz) befindlichen Gebäude, in dem um 1854 die Synagoge eingerichtet wurde (dieses
Gebäude wird im Brandkataster als "Schulhaus" geführt).
Um 1854 wurde das genannte Gebäude zu einer zweigeschossigen Synagoge
mit dem Betsaal mit Frauenempore ausgebaut. Beim Synagogengebäude handelte es
sich um ein von der Straße aus zurückliegendes Hinterhaus mit einem langen und
schmalen davor liegenden Hof, der von beiden Längsseiten durch Wohnhäuser
begrenzt wird. Das Synagogengebäude war ein quadratisches Fachwerkgebäude mit Walmdach. Zwei
Eingänge, einer vom Hof aus, der andere an der linken Außenwand, führten in
das Gebäude.
Nach der Abwanderung der meisten jüdischen Familien aus Steinbach konnten seit
etwa 1910 keine Gottesdienste mehr in der Synagoge abgehalten werden. Das
Synagogengebäude kam 1919 in Privatbesitz von Gottschalk Löwenbergs
Tochter Johanna und wurde in der Folgezeit als Schreinerwerkstatt verwendet. Nach
1945 wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut und ist als solches erhalten.
Adresse/Standort der Synagoge: Garbenteicher
Weg 1
Fotos
(Quelle: Altaras 1994 S. 73)
Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge in Steinbach (um 1980) |
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Es handelt sich um das
Hinterhaus
(Mitte des Fotos) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 (kein Abschnitt zu Steinbach) |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 73. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) (kein Abschnitt zu Steinbach). |
| Hanno Müller: Juden in Steinbach. Fernwald
1988. |
| ders.: Juden in den Landämtern Gießen und Hüttenberg
1809-1822. In: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins 92 2007 S.
271-283. |
| ders.
und Friedrich Damrath: Juden in
Steinbach. Fernwald-Steinbach 2008. Zweite verbesserte Auflage
2010. |
n.e.
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