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Friedhöfe in der Region"
Zur Übersicht: Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg
Unterbalbach (Stadt
Lauda-Königshofen, Main-Tauber-Kreis)
Jüdischer Friedhof
Jewish Cemetery - Cimetière juif
Zur Geschichte dieses Friedhofes
Die Geschichte des jüdischen Friedhofes in Unterbalbach geht in die Zeit
Mitte des 16. Jahrhunderts zurück. Damals lebten auch in Unterbalbach einige
vom Deutschen Orden aufgenommene Juden. Am 22. Februar 1590 bestätigte der
Deutschmeister Erzherzog Maximilian auf Widerruf den schutzverwandten Juden zu Mergentheim,
Markelsheim, Igersheim
und Unterbalbach das Recht, auf dem Begräbnisplatz oberhalb des Dorfes
Unterbalbach gegen eine jährliche Zahlung von 16 Gulden an die Trapponei
Mergentheim weiterhin ihre Toten beizusetzen. In den folgenden 450 Jahren wurden
auf diesem Friedhof Juden aus einer weiten Umgebung beigesetzt (Mergentheim,
Igersheim, Markelsheim, Weikersheim,
Laudenbach, Niederstetten,
Mulfingen, Hollenbach,
Hohebach; in diesen Orten jedoch teilweise später eigene
Friedhöfe; von 1880 bis 1940 noch von den jüdischen Gemeinden Mergentheim,
Edelfingen, Wachbach,
Igersheim, Angeltürn,
Markelsheim und Königshofen).
Zur Frage nach den letzten Beisetzungen auf dem Friedhof: Nach Informationen von Hartwig Behr (Bad Mergentheim vom
3.12.2011 und 10.7.2013) wurde
längere Zeit angenommen, dass Aron Adler der letzte Beigesetzte auf dem
Friedhof war (Beisetzung am 18. März 1938; der letzte Grabstein - vermutlich
erst nach 1945 gesetzt - außer den Gedenksteinen erinnert an ihn).
Doch gab es noch weitere Beisetzungen, wie auch das erst vor kurzem
wiederentdeckte "Leichenbuch" von Unterbalbach bestätigt. Das "Leichenbuch"
weist am 8. August 1938 "Eckmann, Mergentheim, m. 6o" (= Heinrich
Eckmann, geb. 6.12. 1878) aus, am 25. November 1938 "Meta Ascher, w., 50,
Weikersheim", die vermutlich im Anschluss an die Pogromnacht in die Tauber gegangen und in Mergentheim gefunden worden sein soll,
ohne Datum "Westheimer, m.", was mit Sicherheit den am 10. Januar 1939 gestorbenen
Hirsch Westheimer meint, geb. 3.7.1867.
Ob nicht noch weitere in Mergentheim (möglicherweise auch in anderen Orten) gestorbene Juden in Unterbalbach beerdigt wurden, ohne notiert zu sein, steht noch dahin.
Die letzte Eintragung ist mit Datum 28. November 1945 "Anton Katz, m. Mergentheim,
45", ein aus einem KZ Zurückgekehrter, der bei einem Autounfall auf der Autobahn ums Leben kam. Er war
vermutlich auf dem Weg nach Frankfurt. Katz, dessen Mutter Mina 1942 nach Theresienstadt deportiert worden war, hatte von den Amerikanern das Kino von Ehrler bekommen. Anton Katz wurde ohne Grabstein beigesetzt.
Weitere Details zur Geschichte siehe den unten wiedergegebenen Text von Dieter
Oberhollenzer.
Hinweis
auf ein online einsehbares Gräberverzeichnis und weitere Register |
In der Website des Landesarchivs
Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister
jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern
einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632
Zu Unterbalbach ist vorhanden: J 386 Büschel 597:
Gräberverzeichnis 1861 bis 1911: direkter Link: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446819
In dem genannten Bestand gibt es von den jüdischen Gemeinden, die den
Friedhof belegt haben, teilweise auch Beerdigungsregister, aus den
gleichfalls Personen verzeichnet sind, die in Unterbalbach beigesetzt
wurden, z.B.
Bad Mergentheim: J 386 Bü. 55 Sterberegister der Gemeinde 1868
bis 1939: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-439995
u.a.m.
Soweit keine Sterberegister in den den Friedhof belegenden Gemeinden
vorhanden sind, können teilweise auch die Familienregister eingesehen
werden, in denen Todesfälle gleichfalls eingetragen
sind. |
Unter den Registern zu Tauberbischofsheim
findet sich:
J 386 Bü. 580 Tauberbischofsheim Verzeichnis der Grabstätten
1883-1931 und Grabsteine http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446801 (bezieht
sich auf den Friedhof Unterbalbach)
"Verzeichnis der Grabstätten und Grabsteine des Israelitischen
Bezirksfriedhofes zu Unterbalbach, angefertigt durch Lehrer S.
Pappenheimer in Mergentheim, weitergeführt von Benny Heidelberger in
Mergentheim und Sally Prager..." |
Die Lage des Friedhofes
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Lage des jüdischen Friedhofes Unterbalbach
(durch
Pfeil markiert)
(Topographische Karte aus den 1970er-Jahren) |
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Link
zu den Google-Maps |
Aus der Geschichte des Friedhofes
Es sind nachfolgend einige mehr zufällig beim Lesen jüdischer
Periodika entdeckte Beiträge mit Bezug zum Friedhof in Unterbalbach
zusammengestellt.
Hinweis auf das Grab des Rabbi Simon Ulma
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. April 1894:
"Mergentheim. Bezugnehmend auf den Artikel in nr. 16 über die
hervorragenden Männer der Gemeinde Mannheim teile ich Ihnen mit, dass ein
Rabbi Simon Ulma in Unterbalbach bei Mergentheim auf den dortigen Friedhof
begraben liegt, welcher mit dem Rabbi Ulma von Mannheim in ganz naher
Verwandtschaft gewesen sein dürfte und ebenso wie dieser eine
hervorragende Stellung unter den Söhnen unseres Volks, wie es auf seinem Grabstein
bezeichnet ist, einnahm. Das er Gelehrter und Zadik war, beweist,
dass er neben Großen in Israel begraben ist. Leopold
Ehrlich." |
Eintragung des Vereins "Israelitische
Bezirksfriedhofverwaltung Mergentheim" in das Vereinsregister (1902)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Juli 1902:
"Aus Mergentheim wird im Gegensatze zu der Korrespondenz aus Trier in
voriger Nummer gemeldet, dass der dortige Verein 'Israelitische
Bezirksfriedhofverwaltung Mergentheim' (Friedhof zu Unterbalbach) ohne
Anstand vom hiesigen Amtsgericht ins Vereinsregister eingetragen worden
ist, obgleich dieser Verein sicher eine religiöse Tendenz hat." |
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Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 4. Dezember 1902: "Mergentheim, 2. Dezember (1902).
Bezüglich der Korrespondenz aus Trier in der letzten Nummer Ihres Blattes
diene als Gegenstück, dass der hiesige Verein 'Israelitische
Bezirksfriedhofverwaltung Mergentheim' (Friedhof zu Unterbalbach) ohne
Anstand vom hiesigen Amtsgericht ins Vereinsregister eingetragen worden
ist, obgleich dieser Verein sicher eine religiöse Tendenz hat, wie das
auch Paragraph 1 des Statuts zum Ausdruck bringt. Da heißt es nämlich,
dass der Verein einzig und allein die rituelle Beerdigung der Toten aus
den beteiligten Gemeinden bezweckt. Es ist demnach im Falle Trier
jedenfalls nur unrichtig vorgegangen worden." |
Eine der auf dem Friedhof Beigesetzten: Nannette Hirsch,
beigesetzt neben ihrem Gatten Rabbiner Dr. Maier Hirsch (1897)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Februar 1897:
"Würzburg. Am Heiligen Schabbat, dem 6. Schewat (= Samstag,
9. Januar 1897) verstarb dahier im Greisenalter von 81 Jahren Frau
Nannette Hirsch, Witwe des rühmlichst bekannten Herrn Dr. Maier Hirsch,
vormaligen Rabbiners in Braunsbach.
Ihrem Wunsche gemäß wurde sie auf dem Friedhofe zu Unterbalbach bei
Mergentheim zur Erde bestattet, wo auch die irdischen Reste ihres teuren
Gatten und seiner Familie ruhen. Seiner Ehrwürden Herr Rabbiner Dr.
Sänger von Mergentheim hielt die Grabrede, in der die zahlreichen
Tugenden, welche die selig Verblichene in ihrem wechselvollen Leben
betätigte, sowie das besondere Gottvertrauen, das sie stets auszeichnete,
hervorgehoben wurden. An der Seite ihres ehrwürdigen Gatten, der schon
nach neunzehnjähriger glücklichster Ehe ihr entrissen worden ist, hat
die Heimgegangene alle jene herrlichen Tugenden entfaltet, wie sie nur
eine wackere Frau in des Wortes edelster Bedeutung zu üben vermag.
Sie war in der Tat (hebräisch und deutsch:) die Krone ihres Gatten,
dessen Andenken sie bis an ihr Lebensende in einer Weise heilig gehalten
hat, die geradezu bewundernswert zu nennen ist und nach dessen Intentionen
auch auf ihre Umgebung einzuwirken sie stets bestrebt war. Nicht minder
war sie (hebräisch und deutsch:) der Schmuck ihrer Kinder, ihrer
ganzen Familie, von welcher jedes Mitglied mit wahrhafter Verehrung und
Begeisterung zur frommen Greisin emporblickte. Ihr Wirken beschränkte
sich aber nicht auf die engen Grenzen ihres Hauses. Die Wohltätigkeit,
die sie am liebsten in der Stille übte, hat viele Tränen getrocknet,
manche Not gelindert. Ihre Bescheidenheit und ihre Zuvorkommenheit gegen
Jedermann machte sie in allen Kreisen dauernd beliebt. Möge nun der
teueren Dahingeschiedenen der Lohn ihres edlen Strebens und ihres frommen
Wirkens zuteil werden, den sie in reichstem Maße hienieden verdient hat.
Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Sanierungsmaßnahmen auf dem Friedhof, Bau einer neuen
Mauer und Erweiterung der Fläche (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März 1902: "Aus
Württemberg. Unter den Orten in Württemberg, welche für die Geschichte
der Juden von größerer Bedeutung sind, nimmt Mergentheim und die
Geschichte der israelitischen Gemeinde daselbst einen ersten Rang ein. Mit
großem Interesse verfolgt man daher die Aufrollung dieser Geschichte in
den 'historischen Blättern', welche als Beilage dem 'Israelit' beigegeben
werden. Unter den Zeugen für das Alter und die Ehrwürdigkeit dieser
Gemeinde - merkwürdigerweise lassen sich solche Zeugen in der Stadt
selbst auf höchstens 150 Jahre zurück noch finden - ragt vor allem der
alte, große Begräbnisplatz der Gemeinde in dem eine Stunde entfernten
badischen Orte Unterbalbach hervor. Der älteste Grabstein, der noch dort
steht, datiert aus dem Jahre 1591. Ohne Zweifel aber ist der Teil dieses
Friedhofes, etwa in der Mitte daselben liegend, auf welchem kein Grab mehr
sichtbar ist, noch älter. Zu allen Zeiten ist zu diesem Bezirksfriedhof
noch Platz hinzugekauft worden. Erst im vorigen Jahre wieder sah man sich
vor die Notwendigkeit gesetzt, ein Areal von ca. 30 Ar dazu zu kaufen und
eben jetzt ist man daran - und die Arbeit wird soeben fertig - den Friedhof
mit einer neuen Mauer in einfacher, geschmackvoller, ehrwürdiger Weise zu
umgeben. Während bei früheren derartigen Erweiterungen immer mehr oder
weniger Hindernisse zu überwinden waren, muss diesmal dem Großherzoglich
badischen Bezirksamte Tauberbischofsheim sowohl, als auch der
Gemeindebehörde in Unterbalbach für das loyale Entgegenkommen die
Anerkennung ausgesprochen werden, und es ist jetzt der Weiterbestand
dieses alten Friedhofes nach menschlicher Berechnung auf viele Jahrzehnte
hinaus gesichert.
Der Friedhof erstreckt sich nun vom Ostausgang des Dorfes Unterbalbach der
Staatsstraße nach Oberbalbach entlang, in einer Ausdehnung von 300 Meter,
bei einer durchschnittlichen Breite von 60 Meter. Die West-, Nord- und
Ostseite sind durch Mauern, während |
die
Südseite durch einen Bach begrenzt ist, dessen Ufer zu regulieren nun
aber auch die nötigsten nächsten Schritte zur Erhaltung des Friedhofes
werden, da durch das Wasser des Baches - noch besonders bei Hochwasser -
immer mehr und mehr Boden abgeschwemmt wird, ja sogar schon Grabsteine
weggespült wurden.
Die Kosten der oben erwähnten diesjährigen Erweiterung des Friedhofes
betragen über 5.000 Mark. Die Ausführung konnte natürlich nur durch
große Opfer und durch 'Schuldenmachen' der zwei am Friedhofe
hauptsächlich beteiligten Gemeinden Mergentheim (60 %) und Edelfingen (25
%) ermöglicht werden, wodurch diese Gemeinden auf lange Jahre hinaus
schwer belastet bleiben. Die Ausführung der weiteren nötigen Arbeiten
zur Erhaltung dieses ehrwürdigen und allgemein jüdisches Interesse
beanspruchenden Friedhofes, welche weiterhin noch einige Tausend Mark
erfordern dürfte, also die erwähnte Bachregulierung, Anlage von Wegen
(die Besucher der älteren Teile des Friedhofes müssen über die Gräber
gehen), Erhaltung und Aufrichtung der alten Grabsteine usw. ist in Frage
gestellt, wenn sich nicht edle Menschenfreunde finden, welche diese -
sonst auch immer hilfsbereiten Gemeinden in der Erfüllung dieser Aufgabe,
die sie so gerne ausführen möchten, unterstützen.
Etwaige Zuwendungen, welche aus Anlass dieser Zeilen oder hervorgerufen
aus älteren oder neueren Familienbeziehungen zu diesem Friedhofe,
gereicht werden sollten, nimmt die israelitische
Bezirks-Friedhofverwaltung in Mergentheim dankbar entgegen." |
Ausschreibung von Maurer- und Zimmermannsarbeiten auf
dem Friedhof zur Erstellung der westlichen Mauer und einer offenen Halle (1907)
Anzeige in der "Tauber-Zeitung" Ende Mai 1907: "Arbeit-Vergebung.
Die Maurer- und Zimmermannsarbeiten zur Erstellung einer Mauer an
der Westseite und einer offenen Halle im israelitischen Bezirksfriedhofe
in Unterbalbach sollen unter Umständen in eine Hand vergeben
werden.
Plan, Kostenvoranschlag und Bedingungen liegen bei der unterzeichneten
Stelle auf und es sind Angebote hierauf bis längstens Sonntag den 9. Juni
einzureichen.
Mergentheim, den 29. Mai 1907. Israelitische
Bezirksfriedhofverwaltung e.V. (Friedhof zu Unterbalbach). Lehrer
Pappenheimer." |
Fotos
Neuere Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 8.6.2003)
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Eingangstor |
Teilansichten |
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Teilansichten |
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Ältere Fotos
(Fotos: Hahn, entstanden Mitte der 1980er-Jahre; Zeilen 5-7
Fotos von R. Klotz um 1970)
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Eingangstor
zum Friedhof
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Hinweisschild. Zum Namen von
J. Schönleber vergleiche den unten
abgedruckten Text
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Grabsteine mit Symbolik (links
Schofar,
rechts
Levitenkanne) |
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Teilansichten des Friedhofes |
Hirsch mit Krone |
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Gräberfeld bis in die
1930er-Jahre |
Grabstein des Baruch Simon
von Mergentheim |
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Grab-/Gedenkstein |
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Text
Dieter Oberhollenzer:
"Unsere Tränen sollen deine Blumen sein"
Auf den Spuren des jüdischen Friedhofes Unterbalbach
(Artikel in: Fränkische Nachrichten vom 17.7.1982)
Schon im 13. Jahrhundert waren Juden in Mergentheim ansässig. Ende des 15.
Jahrhunderts ließen sie sich auch in Edelfingen, Igersheim, Neunkirchen und
Wachbach nieder. Ihre Zahl stieg ständig an, sodass sie bald eine eigene
Begräbnisstätte benötigten, zumal ihnen die Benutzung christlicher Friedhöfe
verweigert wurde. Mitte des 16. Jahrhunderts räumte das Mergentheimer
Patriziergeschlecht der Süzel den Juden in Mergentheim und den umliegenden
Orten einen 0,25 Morgen großen Begräbnisplatz in Unterbalbach gegen einen
Pachtzins ein. Als nach dem Aussterben der Süzel der Deutsche Orden
Unterbalbach erworben hatte, gestattete dieser 1590 den Juden die weitere
Benutzung gegen einen Jahreszins von 16 fränkischen Gulden und erlaubte darüber hinaus
seinen jüdischen Schutzverwandten zu Mergentheim, Igersheim, Markelsheim und
Unterbalbach, auch auswärtige und fremde Glaubensgenossen dort beizusetzen.
Besonders in den Pestjahren, so auch 1626, verwehrten die Bewohner von
Edelfingen und Unterbalbach wegen Ansteckungsgefahr die Fahrt der toten Juden
durch ihre Ortschaften und verlangen die Benützung eines Umgehungsweges zum
Judenfriedhof. Der damalige Statthalter Freiherr von Egg aus Hungersbach
erlaubte den Juden die Benützung der kaiserlichen, freien Landstrassen, verbot
aber die Fahrt durch Dörfer, Städte und Flecken. Sie durften auch an Sonntagen
und christlichen Feiertagen Bestattungen nicht bei Tage, sondern nur bei Nacht
vornehmen. Im 17. und 18. Jahrhundert (1643, 1704, 1728, 1750) wurde der
Gottesacker wiederholt vergrößert, bis zu seinem jetzigen Umfang. Die etwa 200
Meter lange Mauer auf dem Weg von Unter- nach Oberbalbach wurde 1898 errichtet.
Bei der Überführung der Juden nach Unterbalbach musste an den einzelnen
Zollstellen auch Abgaben (Zoll) gezahlt werden. Für einen erwachsenen Juden
einen Gulden, für die Kinder die Hälfte. Die toten Juden aus Weikersheim, Ober-
und Niederstetten, Laudenbach und anderen Orten wurden daher über Oberbalbach
geführt. Auch die anderen Deutschherren-Schutzjuden wie die fremdherrischen
brachten nach den eingegangenen Meldungen der Zöllner bei der Wolfgangsbrücke
in Mergentheim, zu Igersheim Markelsheim und Edelfingen unter Umgehen des
Zollgeldes auf vielen Nebenwegen und unter Vermeiden der ordentlichen Zollstraßen
seit 1689 ihre Verstorbenen auf den Unterbalbacher Friedhof, sodass die Ordensregierung
am 3. März 1713 durch eine scharfe Verfügung die Entrichtung dieser Abgabe
nach dem Inhalt der Zolltabellen verlangte.
Im Jahre 1729 kam es zum Streit zwischen den jüdischen Gemeinden Weikersheim
und Mergentheim wegen der Beerdigung. Als Folge dieser Auseinandersetzung
erlaubte Graf Ludwig von Hohenlohe den Weikersheimern, einen eigenen Friedhof
anzulegen. Juden aus Niederstetten und Laudenbach schlossen sich dem Vertrag im
gleichen Jahr an. Ende des Jahres 17390 wurde der erste Jude in Weikersheim
begraben (ab 1738 auch Juden aus Ober- und Niederstetten, ab 1741 aus
Tauberrettersheim und Hohebach).
Streit um Unterbalbach
Nach der Annexion Mergentheims durch Württemberg im Jahre 1809 änderte sich
an den bestehenden Verhältnissen zunächst nur wenig. Immerhin wachten die
neuen Länder Württemberg und Baden eifersüchtig über ihre Grenzen und
Rechte. Am 26. Januar 1815 richtete das Großherzogliche Badische Bezirksamt
Boxberg an das Königliche Hochlöbliche Oberamt zu Mergentheim ein Schreiben,
in dem es unter anderem hieß, dass es bei der inzwischen eingetretenen
Territorialveränderung unmöglich sei, einem "auswärtigen"
Judenvorstand, was jetzt der Mergentheimer sei, Verschluss und Aufsicht über
das Judenbegräbnis in Unterbalbach und Rechnungsführung zu überlassen. In
diesem Schreiben wurde auch die Aushändigung des Friedhofsschlüssels verlangt.
Dieser Brief erregte nicht nur die Mergentheimer jüdische Gemeinde, auch das Mergentheimer
Oberamt war über Form und Inhalt aufgebracht. Es schrieb am 13. Februar
zurück, dass der jüdische Begräbnisplatz in Unterbalbach bereits seit einigen
hundert Jahren unbestrittenes und ausschließliches Eigentum der zum Rabbinat
Mergentheim gehörigen Judengemeinden sei und dass seit der im Jahre 1810 vor
sich gegangenen politischen Veränderung kein Einwand erhoben worden sei. Um
1815 wurden noch Juden aus folgenden Gemeinden in Unterbalbach beerdigt: aus dem
Württembergischen Mergentheim, Igersheim, Markelsheim, Neunkirchen, Wachbach,
Dörzbach, Ailringen, Mulfingen und Edelfingen, aus dem badischen Boxberg,
Angeltürn, Schüpf, Neunstetten und Königshofen. Die Auseinandersetzungen
zogen sich bis 1816 hin, dann scheinen sie beigelegt worden zu sein. 1902 wurde
die "Israelitische Bezirksfriedhofsverwaltung Mergentheim - Friedhof zu
Unterbalbach" in das Mergentheimer Vereinsregister eingetragen. 1940 wurde
der Verein in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschlang eingegliedert.
Unter der Aufsicht des Oberrates der Israeliten in Baden und der
israelitischen Religionsgemeinschaft in Stuttgart (Württemberg) betreuen die
politischen Gemeinden heute die Friedhöfe.
Noch lebendig
Das Archiv in Bad Mergentheim, verschiedene Publikationen von Paul Sauer
(Dokumente), Franz Diehm (Geschichte der Stadt Bad Mergentheim) und Hermann
Fechenbach (Die letzten Mergentheimer Juden) geben Auskunft über das Leben der
Juden in unserem Raum, über Schicksale, über menschliche Tragödien, über den
Tod. Diese Schriften sind für viele junge Menschen oft einziger
Berührungspunkt mit der unglaublichen Vergangenheit. In den Erinnerungen vieler
alter Menschen schwebt das unerhörte Vorgehen des Naziregimes noch wie ein
unsichtbares Schwert und bleibt so oft der jungen Generation verschlossen.
Eine engere Beziehung zum Unterbalbacher Friedhof, der, außerhalb der
Gemeinde liegend, von den Einheimischen kaum beachtet wurde, hatte und hat noch
der über 80jährige Johann Schönleber. Er trat 1955 in die Fußstapfen seines
Vaters Josef Schönleber, der 58 Jahre lang (1897 bis 1955) Totengräber und Friedhofsaufseher
war. Im Gespräch mit ihm werden die Erlebnisse von früher wieder lebendig.
Früher, als er oft seinem Vater auf dem Friedhof zur Hand ging, war es beim
Ausheben der Gruben, der Absprache mit den Angehörigen oder bei anderen gerade
anfallenden Arbeiten. Damals, erinnert sich Johann Schönleber, habe er auch oft
die Bahre nach Edelfingen getragen, denn vom Nachbarort wurden die Juden auf
einer Bahre mit mehreren Trägern zum Friedhof geleitet, von der weiteren
Umgebung kam das Leichenauto.
Bis 1933 sind in Unterbalbach regelmäßig Juden begraben worden. Empörte,
steinewerfende Unterbalbacher Nazis verwehrten damals den Juden, ihre toten
Angehörigen zu begraben. Oft mussten sie mit dem Leichnam wieder umkehren.
Danach ging die Zahl der jüdischen Mitbürger drastisch zurück: Auswanderung,
Deportation, unbekannte Schicksale. In den Jahren 1941 und 42 kamen in drei
Transporten die letzten Juden aus Bad Mergentheim weg, sodass nach einem Bericht
des damaligen Bürgermeisters an die Kreisleitung am 20. August 1942 kein Jude
mehr hier war (1925: 212; 1933: 196 und 1938 87 Juden).
In den letzten Kriegsjahren, 1945, weiß Johann Schönleber weiter zu berichten,
ist in Unterbalbach ein in Frankfurt abgestürzter jüdischer Pilot beerdigt
worden. Die vorläufig letzte Bestattung fand 1967 statt: eine Urne wurde aus
den Vereinigten Staaten, die für viele deutsche Juden eine zweite Heimat
geworden sind, über München in den nordbadischen Ort überführt.
Während des Krieges
Obwohl durch das Eingreifen einiger beherzter Mergentheimer Bürger die
Ruhestätte in Unterbalbach im "Tausendjährigen Reich" nicht
zerstört wurde, ging der Naziterror nicht ohne Folgen an diesem jüdischen
Friedhof vorbei. Unterstützt durch seine Frau erzählt Johann Schönleber
weiter: in einem kleinen Häuschen am Friedhof wurde früher ein Holzkasten mit
dicken Büchern (Gebete für Totenliturgie) aufbewahrt. Während des Krieges
haben die Nazis eine Grube ausgehoben, die Bücher hineingeworfen und alles
verbrannt. Überreste konnten trotz intensiver Grabungen nach dem Krieg nicht
gefunden werden. Im Jahre 1944 wurden in einer Nacht auch von der Hitler-Jugend
des Ortes die Grabsteine umgestoßen und beschädigt. Dem alten Vater
Schönleber wurde es während des Krieges nicht gestattet, zum Friedhof zu
gehen.
Erst nach einigem Zögern zeigt mir Johann Schönleber ein altes Buch mit
feinsäuberlichen Eintragungen. Auf der ersten Seite steht in großen
Buchstaben: "Begräbnisbuch, ausgestellt 1880 vom Großherzoglichen
Bezirksamt Tauberbischofsheim". Die ersten Eintragungen, die im Jahre 1881
beginnen, wurden von Karl Moll getätigt. Danach kam das Buch in die Obhut der
Familie Schönleber, die des trotz Kriegswirren und Judenhetze bis zum heutigen
Tag aufbewahrte. Johann Schönleber bemerkt, er müsse noch einige Namen, die
auf losen Blättern vermerkt sind, in das Buch eintragen. Doch er lässt sich
Zeit, denn er meint, dass niemand auf die Weiterführung des Buches Wert legt
und wahrscheinlich kein neuer Name in das große schwarze Buch eingetragen wird.
Weitere Presseberichte
Mai 2013:
Führung über den jüdischen Friedhof durch
Hartwig Behr |
Artikel von Peter D. Wagner in den
"Fränkischen Nachrichten" vom 22. Mai 2013: "Heimat- und
Kulturverein besichtigte den Judenfriedhof in Unterbalbach /
Erläuterungen durch Hartwig Behr. Berufe sind auf Grabsteinen verewigt..."
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei |
|
April 2017: Eine
neue Informationstafel wird aufgestellt |
Artikel
in den "Fränkischen Nachrichten" vom 19. April 2017: "Feierliche
Übergabe: Unterbalbacher Heimat- und Geschichtsverein enthüllte Schild
mit wichtigen Hinweisen zum Judenfriedhof..."
(zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken; Link
zum Artikel) |
|
links (Foto von Hartwig Behr): die Informationstafel des Unterbalbacher
Heimat- und Geschichtsvereins. |
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Juni 2024:
Aktueller Stand zum jüdischen
Friedhof
Anmerkung: nach dem Teileinsturz der Friedhofsmauer Ende 2020 kann der
Friedhof seitdem nicht besucht werden. |
Artikel von Julian Bandorf in der
"Main-Post" vom 14. Juni 2024: "Unterbalbach. Aktueller Stand am
jüdischen Friedhof Unterbalbach
Der jüdische Friedhof in Unterbalbach gilt als einer der größten seiner Art
in Deutschland.
Im Zuge der Stadtteilbesuche im Vorfeld der Kommunalwahlen machten die
Kandidaten der CDU Lauda-Königshofen auch Halt in Unterbalbach. Das teilte
der Ortsverband in einer Pressemeldung mit, der auch die folgenden
Informationen entnommen sind. Vor Ort schilderte Ortsvorsteher Jürgen
Segeritz, dass durch den Teileinsturz der Mauer am jüdischen Friedhof und
die fehlenden Unterhaltsmittel über das Regierungspräsidium an die Stadt die
Sanierung der Mauer stockt. Infolgedessen ist der Besuch der Anlage nicht
mehr möglich. 'Als Kultur- und Begegnungsstätte ist dieser fester
Bestandteil der Erinnerungskultur und wurde von vielen Angehörigen aus aller
Welt regelmäßig besucht, um Vorfahren- oder Ahnenforschung zu betreiben', so
CDU-Fraktionsvorsitzender Marco Hess. Außerdem fanden in der Vergangenheit
regelmäßig Führungen durch die ehrenamtlichen "Guides" statt. Viele
Besuchergruppen und Schulklassen konnten sich so mit dem jüdischen Glauben
und der deutschen Vergangenheit hautnah beschäftigen. Ende 2020 ist ein
größerer Teil der Friedhofsmauer eingestürzt, weswegen Besuche jetzt nicht
mehr möglich sind. Die Stadtverwaltung hat aus Sicherheitsgründen ein
Betretungsverbot ausgesprochen. Eine Instandsetzung wurde bisher, mangels
ausreichender Mittelzuweisung durch das Land, nicht umgesetzt. Über viele
Jahrzehnte stellte das RP Stuttgart Landesmittel für die Sanierung der Mauer
zur Verfügung. Durch die Stadt Lauda-Königshofen wurde im Rahmen der
Auftragsverwaltung jährlich mehrere Meter Mauer saniert. Ein beträchtlicher
Teil der Mauer wurde so sehr unbürokratisch saniert. Da es nun seit geraumer
Zeit stockt, bat Marco Hess den örtlichen Wahlkreisabgeordneten Wolfgang
Reinhart sowie den innenpolitischen und religionspolitischen Sprecher der
CDU-Landtagsfraktion Christian Gehring um Unterstützung in der Sache, um
eine Lösung zu finden. Beide führten bereits Gespräche mit Bau- und
Denkmalministerin Nicole Razavi und haben die Situation nochmal mit einem
Schreiben detailliert dargestellt. 'Es besteht Hoffnung, dass sich nach den
Vorgesprächen und den Bemühungen nun etwas bewegt', so Stadt- und Kreisrat
Hess abschließend."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Quellenhinweis:
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