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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Achtung: Zwingenberg im
Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht identisch mit dem hessischen Zwingenberg an der
Bergstraße.
Näheres zu der dortigen Synagoge siehe Seite
zur Synagoge in Zwingenberg Kreis Bergstraße
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In dem von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Anfang
des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden Zwingenberg bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis zu ihrer Auflösung am 8. November 1937.
Die Entstehung der jüdischen Gemeinde geht mindestens in die Zeit der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts zurück. Der erste Beleg ist die Angabe, dass
der Jude Chajum Isaac, Sohn des Abraham Isaac 1732 in Zwingenberg geboren
ist. Demnach wurden bereits vor dem Verkauf Zwingenbergs 1746 an die Pfalz durch
die Familie Göler von Ravensburg Juden am Ort aufgenommen. Nach dem Übergang
an die Pfalz werden wiederum 1757 Juden
am Ort genannt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1827 27 jüdische Einwohner, Höchstzahl um 1839 mit 46 Personen,
1900 noch 16 jüdische Einwohner.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal. Die Toten
der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in hessischen Hirschhorn
(Neckar) beigesetzt. Die Gemeinde hatte - zumindest zeitweise - einen eigenen
jüdischen Lehrer (vgl. unten Ausschreibung der Stelle von 1836). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Mosbach.
Die jüdischen Familien lebten
vom Handel mit Waren und Vieh. Von einigen Häusern in der Alten
Dorfstraße ist noch bekannt, dass es sich um ehemalige jüdische Wohnhäuser
handelt, unter anderem Alte Dorfstraße 31.
1933 lebten noch vier jüdische Personen in
Zwingenberg. Von ihnen verzog Josef David nach Frankfurt, Rebekka David nach
Mannheim, wo sie verstarb. Julchen David wurde am 22. Oktober 1940 im Alter von
81 Jahren mit ihrer Tochter nach Gurs deportiert, wo sie umgekommen ist. Im Grab
Nr. 549 auf dem Friedhof von Gurs wurde sie 1941 beigesetzt. Ihre Tochter Hilda
ist verschollen.
Von den in Zwingenberg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hilda Ida David
(1890), Julie David geb. Stern (1859), Clementine Fertig geb. David (1889).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers und Vorbeters (1836)
Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
See-Kreis" von 1836 S. 172 (Quelle: Stadtarchiv
Donaueschingen): "Erledigte Stelle. Bei der
israelitischen Gemeinde Zwingenberg ist die Lehrstelle für den Religionsunterricht
der Jugend, mit welcher ein Jahresgehalt von 30 Gulden nebst freier Kost
und Wohnung
sowie der Vorsängerdienst samt den davon abhängigen Gefällen
verbunden ist, erledigt, und durch Übereinkunft mit der Gemeinde unter
höherer Genehmigung zu besetzen.
Die rezipierten israelitischen Schulkandidaten werden daher aufgefordert,
unter Vorlage ihrer Rezeptionsurkunden und der Zeugnisse über ihren
sittlichen und religiösen Lebenswandel binnen 6 Wochen sich bei der
Bezirks-Synagoge Mosbach zu melden.
Auch wird bemerkt, dass im Falle weder Schulkandidaten noch
Rabbinatskandidaten sich melden, andere inländische Subjekte nach erstandener
Prüfung bei dem Bezirks-Rabbiner zur Bewerbung zugelassen werden.
Mosbach, den 13. Februar 1836.
Großherzogliche Bezirks-Synagoge." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Urkunde zur Geburt von Chajum Isaac in Zwingenberg (1732 /
1754)
(Quelle: Kirchenregister der Pfarrei Willstätt, 1754 S. 204;
erhalten von Bernd Joos, Alpirsbach)
Anmerkung: auf Grund seiner Liebe zu einer Frau in Willstätt/Hanauerland und
der beabsichtigten Heirat musste Chajum Isaac konvertieren; im Willstätter
Kirchenbuch aus dem Jahr 1754 ist der Taufeintrag vermerkt; seitdem
.
Auszug
aus dem Kirchenregister der Pfarrei Willstätt, aus dem Jahr 1754: "Den
4.ten Junii wurde in hiesiger Kirche Bey Zahlreicher Versamlung so wohl
einheimisch als fremder Personen nach vorher geschehenem Unterricht und
ordentlich abgelegtem Glaubens Bekentnis durch S.T. (sc. salvo titulo)
Ihro Hochwürden Herrn Johannem Mizenium Hochfürstl. Heßen Hanau
Lichtenbergischen Consistorial Rath und Superintendenten wie auch des
hießigen Orts Pfarrern getauft Chajum Isaac ein zu Zwingenberg am
Neckar in der Oberen Pfaltz geborener Jude 22. Jahr alt, deßen im
Judenthum allda verstorbener Vater ist gewesen Isaac Abraham. Der
Täufling erwehlte sich den Namen, welcher ihm auch in der Taufe
beygeleght worden(:) Ludwigs Christian Friedrich mit dem
Zunamen Lebrecht. Taufzeugen waren und hatten sich erbeten laßen:
S.T. der Hochedelgeborene Herr Justus Jacob Otto(,) Hochfürstl.
Heßen Hanau Lichtenbergischer Hochverordneter Regierungs Rath und Amtmann
deren Beeden (beiden) Ämter Wilstett und Lichtenau(.) S.T. der
Hochedele Herr Matthias Schulmeister (,) des Amts Lichtenau
Wohlverordneter Landschreiber Namens deßen samtlichen Lands(Stände)
nemlich gedachter dießeit Rheinischer Beeder Aemter Wilstett u(nd)
Lichtenau(,) und die Hochedele Frau Anna Francisca geborene
Faber(in)(,) S.T. des Hochedlen Herrn Friedrich Wilhelm Wildermuths
des Amts Wilstett Landschreibers Frau Eheliebste.
J(ustus) J(acob) Otto proproio no(min)e (?) Anna
Francisaca Wildermuthin als Göttel Johann Mathias
Schumeister im Nahmen des Lands." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Pension J. David Witwe (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1928: "Zwingenberg
am Neckar
in herrlichster Lage des Neckartales, dicht am Neckar und
Gebirge gelegen, ist in Zwingenberg (Baden) Bahnstation, streng rituelle
Pension zu haben bei
Frau J. David Witwe.
Auskunft erteilt Herr
Bezirksrabbiner Greilsheimer
Mosbach (Baden)." |
Zur Geschichte des Betsaals /der Synagoge
Zunächst war ein einfacher Betsaal
vorhanden, der vermutlich um 1800 in einem Privathaus eingerichtet wurde. 1823
wird berichtet, dass das "die Stelle einer Synagoge in Zwingenberg vertretende
Lokal in einem sehr schlechten Zustand sich befinde und die Eigentümerin
dasselbe höchst nötig selbst bedürfe...". Durch diesen Eigenbedarf war die jüdische
Gemeinde gezwungen, sich nach einer anderen Lösung für ihren Betsaal
umzuschauen. Zur selben Zeit wurde sie von Seiten der Behörden auch dazu gedrängt,
ein heizbares rituelles Bad zu erstellen. Die jüdische Gemeinde wies allerdings
darauf hin, dass sie "schlechterdings nicht imstande" sei, das eine oder das
andere aus eigenen Mitteln zu erbauen. Damals lebten sechs jüdische Familien am
Ort, von denen vier als "unbemittelt", die anderen beiden als "bettelarm"
eingestuft wurden. Das Oberamt Eberbach, das gleichfalls bescheinigte, dass die
Gemeinde "weder Almosen noch sonstige Fonds" besitze und "notorisch arm" sei,
wollte sich dennoch dafür einsetzen, dass die kleine Gemeinde zu ihren
Einrichtungen kam.
Im Januar 1823 baten die jüdischen Familien die Behörden
darum, dass sie eine Kollekte zur Erbauung einer Synagoge und eines Bades durchführen
könnten. Diese Bitte wurde von Seiten des Kreisdirektoriums zunächst nicht
genehmigt. Auf den erneuten Antrag des jüdischen Gemeindevorstehers Ephraim
Wolf vom 20. Juli 1823 erlaubten die Behörden die Kollekte, allerdings durfte
sie nur im Bezirk des Neckarkreises und nur bei Juden durchgeführt werden.
Nachdem die erste Kollekte nicht viel erbrachte, bat Gemeindevorsteher Wolf
David im September 1825 darum, im ganzen Großherzogtum Baden kollektieren zu dürfen.
Das Innenministerium in Karlsruhe hatte Einsehen und genehmigte 1827 die
Sammlung. Immerhin erbrachte diese nun 157 Gulden, womit die Gemeinde an die
weiteren Planungen für einen neuen Betsaal gehen konnte.
Ein Glücksfall für die Einrichtung eines Betsaales hatte
sich im Frühjahr 1827 ergeben, als das bisherige evangelische Schulhaus
(Schule mit Lehrerwohnung) am Ort nicht mehr gebraucht wurde und mit Kaufvertrag
vom 27. April 1827 von der jüdischen Gemeinde für 525 Gulden gekauft werden
konnte. Bis zur Genehmigung des Kaufvertrages durch die Behörden dauerte es
jedoch nochmals zwei Jahre. Erst danach konnte eine Hälfte des bisherigen
Schulhauses zu einer Synagoge umgebaut werden. Zusammen mit der neuen
Einrichtung hatte die Gemeinde Ausgaben von 700 Gulden, was ihre finanziellen Kräfte
– nachdem in diesem Jahr acht "unbemittelte" Familien die jüdische Gemeinde
bildeten – weit überstieg. Jahrelang blieb die Gemeinde auf einem
Schuldenberg von 300 Gulden sitzen, wofür jährlich 15 Gulden Zins zu bezahlen
waren. Als im August 1835 eine Erhöhung der Besoldung des Mosbacher
Bezirksrabbiners anstand, wiesen die Zwingenberger Juden in ihrer Antwort darauf
hin, dass "unsere politische sowohl als insbesondere die israelitische Gemeinde
eine der ärmsten (ist). Wir [...] haben 300 Gulden Schulden, welche wir jährlich
verzinsen müssen". Endlich ergab sich eine Lösung dadurch, dass sich für die
andere Hälfte des ehemaligen Schulgebäudes ein Kaufinteressent fand. Diese Hälfte
brauchte die jüdische Gemeinde nicht. Freilich mussten die Behörden den
Verkauf genehmigen. Der Oberrat fragte an, ob diese Hälfte nicht für eine jüdische
Schule oder eine Wohnung des Vorbeters gebraucht würde. Dafür war jedoch kein
Bedarf. Der Mosbacher Bezirksrabbiner Isaak Friedberger meinte, dass die Haushälfte
auch für keine Erweiterung des Betsaales nötig wäre. Selbst wenn die
Zwingenberger Gemeinde auf das dreifache ihrer Zahl ansteigen würde, wäre noch
genügend Platz in dem vorhandenen Betsaal. Schließlich konnten alle Behörden
dem Verkauf des halben ehemaligen Schulhauses an Wilhelm Menges aus Zwingenberg
zum Preis von 330 Gulden zustimmen. Damit konnten die Schulden abgezahlt werden.
Die übrig bleibenden 30 Gulden verwendete die Gemeinde zu einem dringend nötigen
neuen Schrank für die Torarollen (Toraschrein).
Zacharias Seligmann, der 1845 in Zwingenberg geboren wurde
und sich später in Eberbach niederließ, berichtete in seinen "Lebenserinnerungen",
dass es bereits um 1880 durch die in Zwingenberg kaum mehr anwesende Zahl
von zehn Männern in der jüdischen Gemeinde immer schwieriger wurde,
Gottesdienste zu feiern: "Nach Wegzug meiner Mutter (sc. Ende der 1870er-Jahre)
und nach dem Absterben einiger Familien war die kleine jüdische Gemeinde in
Zwingenberg nicht mehr in der Lage, einen Gottesdienst zu halten. Auch zur Zeit,
als meine Eltern noch dort wohnten, musste mein Vater oft für die sogenannten
Minjenleute sorgen...".
Das Gebäude mit dem Betsaal ("Synagoge" genannt), das sich
auf dem heutigen Grundstück Alte Dorfstraße 21 (früher Nr. 15, Flurstück Nr.
31) befand, blieb dennoch im Besitz der jüdischen Gemeinde bis zu ihrer Auflösung
in der NS-Zeit. Erst am 6. September 1938 wurde es für 500 RM an
Zwingenberger Privatleute verkauft. Den Kaufvertrag unterzeichnete für die jüdische
Gemeinde David Rothschild. Das ehemalige Synagogengebäude wurde seitdem als
Wohnhaus genutzt. Nach 1945 wurde von den Besitzern im Zuge des
Restitutionsverfahrens eine Nachzahlung an die jüdische Vermögensverwaltung
eingefordert. Auf Grund zunehmender Baufälligkeit wurde die ehemalige Synagoge 1948/49
abgebrochen. Auf dem Grundstück ist ein neues Wohngebäude erstellt worden, in
dem sich in den folgenden Jahren neben einer Wohnung zeitweise die Poststelle
der Gemeinde befand. Dieses Gebäude ist bis heute erhalten.
Fotos
Historische Fotos:
(Quelle: Gemeinde Zwingenberg)
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Unterschriften
unter dem Kaufvertrag vom 27. April 1827 über den Kauf des bisherigen
evangelischen Schulhauses
durch die jüdische Gemeinde zur Einrichtung
eines Betsaales. Für die jüdische Gemeinde unterschrieb u.a. der
damalige Judenvorsteher Ephraim Wolf David |
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In der
"Alten Dorfstraße" in Zwingenberg mit dem Gebäude der
ehemaligen Synagoge (1930er-Jahre?).
Das Foto rechts zeigt eine
Ausschnittsvergrößerung. |
Fotos nach 1945/Gegenwart:
1960er-Jahre:
(Foto: Gemeinde Zwingenberg) |
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Neueres Foto
(Foto: Michael Ohmsen, Sommer 2010;
Quelle: Website von M. Ohmsen mit
Fotoseite
zu Zwingenberg) |
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Mahnmal zur Deportation
nach Gurs
in Neckarzimmern (zentrale
Gedenkstätte) und Zwingenberg |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
1968. S. 302. |
| Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007. |
Achtung: Zwingenberg im
Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht identisch mit dem hessischen Zwingenberg an der
Bergstraße.
Näheres zu der dortigen Synagoge siehe Seite
zur Synagoge in Zwingenberg Kreis Bergstraße
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