Das Projekt entschleunigen und Arbeitslasten besser verteilen

Brief von Bischof Dr. Stephan Ackermann an die Verwaltungsräte der Kirchengemeinden im Bistum (17. Juni 2011)

Liebe Mitbrüder im Dienst des Pfarrers,
verehrte Damen und Herren in den Verwaltungsräten!

Vor einigen Wochen hatte ich Sie gebeten, mir zur geplanten Errichtung von Kirchengemeindeverbänden in unserem Bistum bis zum 15. Mai eine Stellungnahme zukommen zu lassen. Von Ende Januar bis Mitte März fanden 35 Informationsabende in den Dekanaten zu Fragen der Kirchengemeindeverbände, der Schlüsselzuweisungen, den Ordnungen für die Gremien sowie zum Zeitplan der Umsetzung statt.

Ihre Rückmeldungen in diesem Anhörungsverfahren und die Auswertung der Dekanatsveranstaltungen in unseren Fachabteilungen und Rendanturen liegen nun vor. Ich bitte um Verständnis, dass nicht jede detaillierte Rückmeldung persönlich beantwortet werden konnte. Sie werden im Folgenden aber feststellen, dass Ihre konstruktiven Anmerkungen und Vorschläge zu wichtigen Veränderungen geführt haben.

Ich stelle die Ergebnisse zuerst vor, um dann die Konsequenzen zu beschreiben, die wir daraus ziehen:

Ergebnisse aus Anhörung und Auswertung

1. Von den rund 800 Verwaltungsräten, die angeschrieben wurden, haben 350 geantwortet. Das ist weniger als die Hälfte. Eine mögliche Erklärung dafür, dass viele Verwaltungsräte sich nicht am Anhörungsverfahren beteiligt haben, kann darin liegen, dass sie die Einrichtung der Kirchengemeindeverbände als schon gesetzte Sache ansehen. In den vorliegenden Rückmeldungen stimmen 160 Verwaltungsräte der Einführung des Kirchengemeindeverbandes zu. Die übrigen stellen konstruktiv-kritische Fragen.

2. Folgende Kritikpunkte, Einwände und Hinweise ergeben sich aus der Anhörung sowie den Auswertungen im Bischöflichen Generalvikariat und in den Rendanturen:

  • Ein zentraler Hinweis zielt auf die Ehrenamtlichen, die in der Verbandsvertretung vorgesehen sind. Viele teilen mit, dass sie sich angesichts der Aufgabe, das gesamte nichtpastorale Personal zu führen und die Gelder für die gemeinsamen Aufgaben zu verwalten, überfordert fühlen. Kritisiert wurde, dass Qualifizierungsmaßnahmen nicht rechtzeitig ihre Wirkung erzielen können, weil sie zu spät ansetzen.
  • Im Zusammenhang damit steht auch die kritische Rückmeldung, dass sich nicht genügend geeignete Männer und Frauen für die Verbandsvertretung des Kirchengemeindeverbandes finden ließen. Manche Verwaltungsräte hätten bereits angekündigt, für die neuen Aufgaben nicht mehr zur Verfügung stehen zu wollen.
  • Auch viele Pfarrer, die ja die Verbandsvertretung leiten, haben gegenüber dieser neuen Aufgabe Bedenken geäußert, so z. B. ob sie mit dieser Aufgabe nicht überfordert seien und mitunter in eine menschlich und priesterlich schwer zu bewältigende Situation geraten könnten. So müssten sie dann auch mögliche Konflikte in der Personalführung und –planung bearbeiten.
  • Gefragt wurde auch nach den verwaltungsbezogenen Unterstützungssystemen, und ob die Rendanturen die zusätzlichen Aufgaben in der Begleitung der Kirchengemeindeverbände vom Umfang her überhaupt leisten können. Die Dienststellenleitungen haben dabei auf die Mehrarbeit und die neue Art der Begleitung der Verbandsvertretung hingewiesen, die noch zu organisieren ist und keine Routine kennt. Hier sind auch die Rendanturen selbst zu unterstützen.
  • Mit der Verknüpfung der Einführung der Schlüsselzuweisungen als Teil des Kostensenkungsprozesses wird die Situation nicht leichter. So wird darauf hingewiesen, dass der Umgang mit dem neuen System der Schlüsselzuweisung an sich schon eine große Aufgabe sei, die erst gelernt sein will. Dies noch mit Kostensenkungsbeiträgen zu verbinden, sei sehr erschwerend und bringe auch vor Ort in der Stellenplanung sowie der Personalführung große Probleme mit sich.
  • Darüber hinaus sind viele Detailfragen aus den Bereichen Finanzen und Recht zurückgemeldet worden, die unmittelbar zur Bearbeitung an die Fachabteilungen im Generalvikariat weitergegeben worden sind.

Wahrnehmbare Mit-Sorge

Die Ergebnisse der Anhörung in Verbindung mit den Auswertungen der Informationsveranstaltungen in den Dekanaten zeigen mir, dass wir keinen leichten Weg vor uns haben. Die genannten Bedenken sprechen Ihre echte Mitsorge um die Entwicklung Ihrer Pfarreiengemeinschaften und um die Entwicklung des Bistums aus.

Ich habe mich deshalb mit dem Generalvikar, den Herren Weihbischöfen, den Verantwortlichen des Generalvikariates und den Herren Dechanten beraten und bin zu dem Entschluss gekommen, die Reformprojekte an bestimmten Stellen zu entflechten und zeitlich zu strecken. Ein solches Vorgehen war auch in Ihren Rückmeldungen häufig gewünscht worden.

Diese Entscheidung umzusetzen fällt nicht ganz leicht, da sich die einzelnen Projekte zumeist aufeinander beziehen und teils auch aufeinander aufbauen. Trotzdem ist es den Verantwortlichen gelungen, ein Konzept zu entwickeln, das ich für tragbar und realistisch halte. Es sei hier kurz skizziert. Die Details wird ein eigenes Schreiben meines Generalvikars Prälat Dr. Holkenbrink enthalten, das Ihnen in den nächsten Tagen zugeht.

Die Entschleunigungs-Schritte

1. Ich halte an dem in unserem Bistum unter meinem Vorgänger Bischof Reinhard begonnenen Weg „Strukturplan 2020“ fest. Die gegebenen Rahmenbedingungen in der Zusammenschau aller Fakten dulden auch keinen grundsätzlichen Aufschub. Durch die beiden kurz aufeinander folgenden Vakanzen des Bischofsstuhls in der letzten Dekade sind wir in einigen Bereichen sogar schon in einen gewissen Verzug geraten. Daher bleibt es dabei: Wir werden entschlossen die Umsetzung des Strukturplans fortsetzen.

Zugleich möchte ich noch einmal daran erinnern, dass wir mit dem Projekt 2020 nicht wie andere Diözesen den Weg der verordneten Fusion von Pfarreien eingeschlagen haben. Diese Entscheidung haben wir in der Verantwortung der Menschen vor Ort belassen. Um aber diesen Weg unter den gegebenen personellen und finanziellen Rahmenbedingungen gehen zu können, braucht es zumindest eine verbindliche Kooperation, so wie sie im Kirchengemeindeverband vorgesehen ist.

2. Wie geplant werden die Pfarreiengemeinschaften und Kirchengemeindeverbände zum 01. September diesen Jahres errichtet. Am grundsätzlichen Aufbau und dem Zueinander dieser beiden Strukturgrößen ändert sich nichts. Von den 173 pastoralen Einheiten werden 160 Kirchengemeindeverbände sein, 13 fusionierte Pfarreien.

3. Entgegen unseren ursprünglichen Planungen sind aber aufgrund der Rückmeldungen folgende Änderungen vorgesehen:

  • Die Schlüsselzuweisungen werden nach dem geplanten System eingeführt. Allerdings wird das Jahr 2012 noch keine Sparvorgaben enthalten, sondern mit den Haushaltsansätzen von 2011 zu gestalten sein.
  • Nicht alle 160 Kirchengemeindeverbände werden zum 01.01.2012 Anstellungsträger des ganzen nichtpastoralen Personals.  Wir werden etwa 30 Kirchengemeindeverbände mit besonders günstigen Ausgangsbedingungen bitten, als Vorreiter mit der Übernahme des nichtpastoralen Personals wie geplant zum 01.01.2012 zu starten. Damit entsprechen wir auch dem dringlich geäußerten Wunsch, für Erfahrungen mit dem Neuen zu sorgen, um daraus lernen zu können.
  • Die übrigen 130 Kirchengemeindeverbände werden dann erst zum 01.01.2013 diesen Schritt gehen.

Die beschriebenen Maßnahmen sollen der Entschleunigung und der besseren Verteilung von Arbeitslasten dienen. Die Zeit vom 01.09.2011 bis zum 01.01.2013 soll daher eine Phase sein, in der wir uns mit dem Neuen vertraut machen können und noch nicht die ganze Last der Veränderung tragen müssen.

Beschleunigte Herausforderungen verlangen mutige und ungewohnte Schritte...

Liebe Mitbrüder, liebe Damen und Herren, je konkreter die Umsetzung des „Strukturplans 2020“ wird, umso mehr spüren wir alle, wie sehr wir pastoral und organisatorisch Neuland betreten. Mitunter beschleicht uns vielleicht sogar ein mulmiges Gefühl angesichts unserer eigenen Courage, die zu solch grundlegenden Neuorientierungen geführt hat. Ich bin aber der Überzeugung, dass die beschleunigten Herausforderungen, in denen wir als Bistum heute stehen, kein engherziges Agieren zulassen, sondern mutige und vielleicht ungewohnte Schritte brauchen. Damit stehen wir aber nicht allein. Wie oft schon befand sich das alt- und das neutestamentliche Volk Gottes in der Situation, sich den Weg durch unübersichtliches Gelände bahnen zu müssen, dessen Ende nicht abzusehen war.

Wie Generationen vor uns setzen wir dabei auf den pfingstlichen Geist Gottes. Er hilft zu unterscheiden und die richtigen Schritte zu setzen. Er wirkt inspirierend, klärend und ermutigend, auch heute und gerade auch in denen, die sich an den verschiedenen Orten und auf den verschiedenen Ebenen unseres Bistums engagieren. Dazu gehören auch Sie!  Deshalb möchte ich zusammen mit allen, die mir in der Leitung des Bistums zur Seite stehen, noch einmal ausdrücklich danken für Ihren persönlichen Einsatz vor Ort und für alle kritisch-konstruktive Begleitung der Prozesse, die unser ganzes Bistum betreffen.

In herzlicher Verbundenheit und mit der Bitte, den Weg der Kirche von Trier weiter gemeinsam zu wagen, grüßt Sie

Ihr
+ Stephan Ackermann
Bischof von Trier

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