Schutzschirm für die Schwächsten

Gemeinsame Erklärung von Bischof Dr. Stephan Ackermann (Trier) und Präses Dr. Nikolaus Schneider (Evangelische Kirche im Rheinland)


Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirkt sich weiterhin massiv auf den Arbeitsmarkt aus. Hunderttausende haben bereits ihren Arbeitsplatz verloren, Hunderttausende haben Angst, ihn in naher Zukunft zu verlieren. Mit großer Sorge und Anteilnahme nehmen wir die Not und die Ängste der Betroffenen wahr. Wir sind aber nicht ohne Zuversicht, dass es gelingt, im Geist der Sozialen Marktwirtschaft die Krise zu überwinden. Wir müssen zu einem neuen Gleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernissen kommen, um den sozialen Frieden in unserem Land nicht zu gefährden.

Darum wollen wir das Augenmerk auf die Bereiche des Arbeitsmarktes lenken, in denen unseres Erachtens der dringendste Handlungsbedarf besteht.

  • Es ist anerkennenswert, dass viele Unternehmen sich mit den verschiedensten Instrumenten (Arbeitszeitkonten, Qualifikationsmaßnahmen, Kurzarbeit) bemühen, ihre Stammbelegschaft zu halten. Umso befremdlicher ist die Selbstverständlichkeit und Geräuschlosigkeit, mit der seit Beginn der Krise z.B. Tausenden von Zeit- und Leiharbeitern gekündigt wurde. Haben diese Menschen eine geringere Geltung? Wir dürfen ihre Schicksale nicht aus der öffentlichen Wahrnehmung ausblenden.
  • Der massive Abbau der Arbeitslosenquote in den letzten Jahren geschah zu einem großen Teil durch die Schaffung prekärer Arbeitsverhältnisse: Jobs im Niedriglohnbereich, Zeit- und Leiharbeit, Ausbau von Arbeitsgelegenheiten. Heute sehen wir die Folgen dieser einseitigen Entwicklung. Die prekär Beschäftigten werden zur Verfügungsmasse, die je nach aktueller Konjunkturlage beschäftigt oder entlassen werden. Das verstößt gegen die Menschenwürde! Eine weitere bedrohliche Folge wird sich in einigen Jahrzehnten als Altersarmut zeigen: Diese prekär Beschäftigten sind nicht in der Lage, die notwendige zusätzliche private Existenzvorsorge zu finanzieren. Der Umbau des Sozialversicherungssystems funktioniert in diesem Bereich nicht.
  • Die Kirchen sind im Sinne der vorrangigen Option für die Armen verpflichtet, sich zum Sprachrohr derer zu machen, die keine Stimme haben. Das sind in unserer Gesellschaft derzeit besonders die Langzeitarbeitslosen. Wer länger als zwei Jahre vergeblich Arbeit sucht und dessen Leistungs- und Lernfähigkeit begrenzt ist, hat auf dem ersten Arbeitsmarkt praktisch keine Chance. Die Wirtschaft ist nicht in der Lage, genügend Arbeitsplätze anzubieten. Darum ist der Staat in der Pflicht, subsidiäre Lösungen zu unterstützen um so für öffentlich geförderte dauerhafte Beschäftigung zu sorgen.

Die Kirchen begrüßen Beschäftigungsinitiativen wie das Programm JobPerspektive, das besonders auf Langzeitarbeitslose zugeschnitten ist. Nach ersten Erfahrungen mit diesem Modell gibt es aus den Kirchen konkrete Optimierungsvorschläge, damit das Programm auch in der Wirtschaft greift. Daneben gilt es, die Rahmenbedingungen für die Beschäftigungs- und Qualifizierungsbetriebe so zu gestalten, dass diese zukunftsorientiert am Markt bestehen können. Auch hierfür gibt es kirchlicherseits konkrete Vorschläge.

Es ist nicht eine Frage des Könnens, sondern des politischen Wollens, ob wir den Mitmenschen am Rand des Arbeitsmarktes die gesellschaftliche Teilhabe verweigern oder Solidarität – gerade in Krisenzeiten – Wirklichkeit werden lassen. Deshalb fordern wir von der neuen Bundesregierung, im politischen Krisenmanagement dem Sozialen wieder größere Bedeutung zukommen zu lassen. Die Schwächsten unserer Gesellschaft brauchen einen Schutzschirm, der ihnen die gerechte Teilhabe am Erwerbsleben garantiert.

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