Liebe Mitglieder unserer Diözesansynode!
Liebe Gäste, Schwestern und Brüder!
Bereits zu Beginn hatte ich die Gelegenheit, Sie kurz zu begrüßen. Das möchte ich nun noch einmal ganz ausdrücklich tun. Ich freue mich sehr, dass sich mit dieser ersten Vollversammlung unsere diözesane Synode konstituieren kann. Insgesamt sind wir nun 279 Synodale von den unterschiedlichen Orten, aus den unterschiedlichen Bereichen und den unterschiedlichen Generationen unseres Bistums. ...
Ich darf in unserer Versammlung besonders die Gäste begrüßen, die unsere Verbundenheit mit anderen Teilen der weltweiten Kirche lebendig werden lassen: Ich denke besonders an unsere Partnerdiözesen in Bolivien, an die griechisch-katholische Kirche der Ukraine, an die Diözesen im Süden Brasiliens, in denen viele Gläubige mit trierstämmigen Vorfahren leben und an die Ordensgemeinschaften aus unserem Bistum, die Niederlassungen in Indien unterhalten.
Zusammen mit den Synodalen und Gästen haben wir auch sogenannte Beobachter unserer Synode hier, die ich herzlich willkommen heiße. Sie bezeugen die Gemeinschaft der Christen, die alle konfessionellen Grenzen übersteigt. Schon bei unserer Heilig-Rock-Wallfahrt im vergangenen Jahr haben wir uns dazu bekannt, bedeutende Ereignisse in unserem Bistum nicht mehr anders als in ökumenischer Verbundenheit begehen zu können. Ich freue mich daher, dass die Partnerinnen und Partner aus der Ökumene meiner Einladung zur Teilnahme gefolgt sind. So begrüße ich Erzpriester Constantin Miron, den Vertreter der griechisch-orthodoxen Metropolie unter uns. Ich freue mich, dass morgen früh Frau Barbara Rudolph, Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche im Rheinland, noch zu uns stoßen wird. Und ich bin dankbar, dass auch die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland die Einladung zur Synode positiv aufgenommen hat. Heute wird sie vertreten durch ihren Vorsitzenden Dr. Siegfried Schmitt.
In unserem Bistum leben wir darüber hinaus zusammen mit Menschen, die nicht dem christlichen Bekenntnis angehören, aber ebenfalls Gottesgläubige sind. Mit ihnen verbinden wir uns in unserer Frage danach, wie ein glaubwürdiges Zeugnis des Glaubens an Gott heute in unserem Land aussehen kann. So freue ich mich, dass die Herren Adem Azak und Tahir Dogan von der muslimischen Gemeinde Wittlich meiner Einladung gefolgt sind. Die jüdische Gemeinde von Trier ist ebenfalls fest eingeladen. Eine Präsenz war wegen des Sabbats an diesem Wochenende schwierig. Sie werden aber gerne bei den nächsten Versammlungen nach ihren Möglichkeiten teilnehmen.
Liebe Schwestern und Brüder, wir spüren die besondere Bedeutung dieses Moments, wenn wir zum ersten Mal seit 57 Jahren wieder eine Diözesansynode in unserem Bistum feiern. Die letzte Bistumssynode in Deutschland insgesamt fand im Jahr 1990 statt. So ist es verständlich, dass in den letzten Wochen der Vorbereitung eine besondere Konzentration und Spannung zu spüren war: im Synodensekretariat, bei vielen Mitbrüdern, bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und schließlich bei mir selbst. Andererseits tun wir nichts Ungewöhnliches, wenn wir als Christinnen und Christen zusammenkommen, um unseren Glauben zu bekennen – wie wir es eben getan haben – und uns neu zu fragen, wozu uns der Herr zusammenruft und worin unser Auftrag als Kirche heute besteht. Auf diese Frage Antwort zu finden, ist wesentliches Ziel der Diözesansynode, wie es auch in der römischen Instruktion von 1997 zu den Diözesansynoden formuliert ist: Der Bischof soll das Volk Gottes einbeziehen „in der gemeinsamen Suche dessen, was der Geist Gottes im gegenwärtigen Moment von der Teilkirche verlangt“ (Abschnitt I, Nr. 2).
Was verlangt der Geist Gottes von uns? Was ist „dran“ für unser Bistum Trier? Ob wir einen großen Sprung wagen oder kleine Schritte gehen werden? Werden wir Angst bekommen, wenn die Überlegungen konkreter und verbindlicher werden? Skeptische Zeitgenossen sagen, dass Menschen, auch die in der Kirche, oft lieber das bekannte Unglück wählen als das unbekannte Glück. Wie es bei unserer Synode sein wird, das vermag heute noch niemand zu sagen. Das werden wir erst später wissen. So gehen wir also mit einer guten Portion Respekt an die vor uns liegende Aufgabe, auch mit einem Schuss Unsicherheit, wie das in den kommenden zwei Jahren wohl werden wird. Insofern ist eine Synode ein Ereignis des Mutes. Zugleich ist da wirklich Freude. Das darf ich jedenfalls von mir persönlich sagen. Es ist die Freude darüber, dass wir einander haben als Schwestern und Brüder Jesu Christi, als Kinder des einen Vaters im Himmel. So dürfen wir auch voller Zuversicht sein, dass der Herr unter uns ist, da wir uns in seinem Namen versammelt haben (vgl. Mt 18,20).
Wie viel ist in den vergangenen Monaten bereits für die Synode gebetet worden! Ich bin überzeugt, dass dadurch für unsere Beratungen ein guter Boden bereitet ist. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass wir parallel zu unseren Beratungen hier vor Ort Unterstützung im Gebet haben. Mit dem Ende unserer Eröffnungsliturgie hat gleich nebenan die Zeit der Eucharistischen Anbetung begonnen. Sie wird unsere gesamten Beratungen begleiten und unterstützen. Der als Ort des Gebetes gestaltete Nebenraum von St. Maximin steht übrigens uns allen zum Innehalten und Beten offen. Von Herzen danke ich denen, die sich bereit erklärt haben, uns durch ihr Gebet hier wie auch an vielen anderen Orten im Bistum und darüber hinaus zu unterstützen.
Also: Gehen wir mit Respekt vor der Aufgabe in diese Synode, aber auch mit Freude und – so wage ich zu sagen: mit Selbstbewusstsein. Ich meine ein Selbstbewusstsein, das sich nicht speist aus einer naiven oder gar überheblichen Selbstsicherheit in Bezug auf unsere eigenen Möglichkeiten und Kräfte. Nein, ich meine ein Selbstbewusstsein, das der gläubigen Gewissheit entspringt, dass der Geist Gottes in denen lebt und wirkt, die getauft und gefirmt sind und in seinem Auftrag stehen.
Ich gebe zu, dass die Einsicht von der Würde der synodalen Versammlung in mir durch verschiedene Gespräche in den letzten Monaten mehr und mehr gewachsen ist. Auch Papst Franziskus hat dabei eine Rolle gespielt. Zwei Aussagen von ihm, die mir dazu bedeutsam geworden sind, möchte ich zitieren. In seinem Interview mit den Jesuitenzeitschriften hat er gesagt: Ich habe eine dogmatische Sicherheit: Gott ist im Leben jeder Person. Gott ist im Leben jedes Menschen. Auch wenn das Leben eines Menschen eine Katastrophe war, wenn es von Lastern zerstört ist, von Drogen oder anderen Dingen: Gott ist in seinem Leben. Man kann und muss ihn in jedem menschlichen Leben suchen. … Man muss auf Gott vertrauen.(A. Spadaro SJ: Das Interview mit Papst Franziskus, Herder-Freiburg 2013, 62). Wenn dies schon für das Leben eines jeden Menschen gilt, um wie viel mehr dann für die auf den Namen Jesu Christi Getauften!
Ich stehe also vor Ihnen mit einem großen Zutrauen, das mir sagt: Wenn wir durch das Hören auf Gottes Wort, durch das bereitwillige Hören aufeinander, durch das Hören auf die „Zeichen der Zeit“ und aus dem persönlichen sowie dem gemeinsamen Gebet heraus beraten, dann wird uns der Herr die richtigen Wege zeigen. Er wird uns auf unserem Weg nicht allein lassen. Er wird uns erst recht nicht böswillig in die Irre oder in die Sackgasse führen. Er wird uns helfen. Er wird wirken in uns. Denn wir sind es, die der Herr in dieser Zeit als Volk Gottes im Bistum Trier auf den Weg geschickt hat. Pathetisch gesagt: Wir schreiben Geschichte für unser Bistum, so oder so … Das müssen wir ernst nehmen. Darin liegt unsere Würde, aber auch unsere Verantwortung.
Hören wir noch eine zweite Aussage des Papstes, die mir für das richtige Grundverständnis unserer Synode wichtig erscheint. Es ist die Nr. 120 seines jüngsten Lehrschreibens Evangelii Gaudium. In dieser Nummer beschreibt er den missionarischen bzw. evangelisierenden Auftrag des Christen. Wir dürfen dies, so meine ich, auch als Beschreibung des synodalen Auftrags verstehen.
Kraft der empfangenen Taufe ist jedes Mitglied des Gottesvolkes ein missionarischer Jünger geworden (vgl. Mt 28,19). Jeder Getaufte ist, unabhängig von seiner Funktion in der Kirche und dem Bildungsniveau seines Glaubens, aktiver Träger der Evangelisierung, und es wäre unangemessen, an einen Evangelisierungsplan zu denken, der von qualifizierten Mitarbeitern umgesetzt würde, wobei der Rest des gläubigen Volkes nur Empfänger ihres Handelns wäre. Die neue Evangelisierung muss ein neues Verständnis der tragenden Rolle eines jeden Getauften einschließen. Diese Überzeugung wird zu einem unmittelbaren Aufruf an jeden Christen, dass niemand von seinem Einsatz in der Evangelisierung ablasse; wenn einer nämlich wirklich die ihn rettende Liebe Gottes erfahren hat, braucht er nicht viel Vorbereitungszeit, um sich aufzumachen und sie zu verkündigen; er kann nicht darauf warten, dass ihm viele Lektionen erteilt oder lange Anweisungen gegeben werden, jeder Christ ist in dem Maß Missionar, in dem er der Liebe Gottes in Jesus Christus begegnet ist; wir sagen nicht mehr, dass wir „Jünger“ und „Missionare“ sind, sondern immer, dass wir „missionarische Jünger“ sind.
Kehren wir noch einmal zur römischen Instructio über die Diözesansynoden zurück, in der die Synode beschrieben wird als „gemeinsame Suche dessen, was der Geist Gottes im gegenwärtigen Moment von der Teilkirche verlangt“. Die Mitglieder der Vorbereitungskommission konnten bereits spüren, was „gemeinsame Suche“ bedeutet. Ich möchte ihnen an dieser Stelle in unser aller Namen noch einmal ausdrücklich für die intensive Arbeit des vergangenen Jahres danken. Ganz besonders möchte ich unseren beiden Synodensekretären, Herrn Heckmann und Frau Beiling, für den großartigen Einsatz danken, den sie schon bisher geleistet haben! Viele Kilometer sind sie durchs Bistum gefahren und waren wirklich gewinnende Botschafter für das Projekt Synode.
Fast genau vor einem Jahr, am 7. Dezember 2012 hatte die Vorbereitungskommission ihre Arbeit aufgenommen und hat seitdem elf Mal getagt, die vielen Sitzungen der Untergruppen nicht mitgerechnet. In dieser Kommission sind wir einen gemeinsamen Weg gegangen. Manche Vorstellungen, die wir noch vor einem Jahr hatten, haben sich spürbar verändert. Verfahrensschritte, die wir uns fest vorgenommen hatten, wurden wieder verworfen oder zurückgestellt.
Liebe Synodale, Sie werden sehen, dass wir nicht ein minuziös ausgearbeitetes Konzept „Synode im Bistum Trier“ in der Tasche haben, gerade weil die Synode und Sie als Synodale in diese gemeinsame Suchbewegung hineinfinden müssen. Sicherlich braucht diese Suche auch Struktur und Methode und wir haben Vorschläge dazu, aber den Weg müssen wir gemeinsam gehen. Der Weg, den die Vorbereitungskommission zurückgelegt hat, lässt sich für uns alle nicht einfach abkürzen oder gar überspringen, so wünschenswert dies im Hinblick auf ein effektives Arbeiten der Synode auch wäre …
Hierzu kann uns noch einmal ein inspirierender Gedanke von Papst Franziskus helfen. Der Papst traut der Zeit und prozesshaften Ereignissen viel zu. Er sagt: Gott findet sich in der Zeit, in den laufenden Prozessen. Wir brauchen Räume der Machtausübung nicht zu bevorzugen gegenüber Zeiten der Prozesse, selbst wenn sie lange dauern. Wir müssen eher Prozesse in Gang bringen als Räume besetzen.(A. Spadaro SJ: a.a.O., 59; und dann ausführlicher wieder in EG 222-224). Ein ermutigendes Wort für unsere Synode, aber zugleich ein anspruchsvolles, weil kritisches Wort: Sollten wir nämlich die Hoffnung hegen, mit Hilfe unserer Synode wieder „Räume“ zu besetzen, die wir als Kirche im Leben der Menschen einmal besaßen und nun verlieren oder gar schon verloren haben, dann können wir uns dazu nicht auf den Papst berufen.
Wenn es stattdessen vorrangig darum geht, einen gemeinsamen Prozess – zumal einen geistlichen Prozess – zu initiieren, dann brauchen wir Zeit, uns aufeinander und auf den Auftrag einzustimmen, den die Synode hat. Daher möchte ich nicht, dass wir uns in diesen beiden ersten Tagen überfordern. Lassen wir uns diese Zeit! Wir müssen ja erst probieren, wie „gemeinsames Suchen“ mit 280 Personen geht.
Ja, es geht mir im Prozess der synodalen Beratung um Sie als Personen. Sie sind nicht Funktionäre einer Gruppe oder bloße Mandatsträger derjenigen, die Sie gewählt haben. Natürlich, jeder von uns kommt mit seinen Anliegen und in unterschiedlicher Verantwortung in diese Synode, und das ist auch richtig. Zunächst und vor allem aber sind wir hier als Menschen, die ihre persönliche Geschichte mit Gott und einen lebendigen Glauben haben. Bringen Sie das ein! Das bringt uns weiter. Die Synode ist ein gemeinsamer geistlicher Prozess. Er wird aber nur gelingen, wenn die Synode auch ein geistlicher Prozess für jeden einzelnen von uns ist. Morgen Nachmittag werden wir über Leitsätze diskutieren, die uns als Anregung dazu dienen wollen. Sie können uns helfen, einen Stil und eine Arbeitsweise zu finden, die unserem synodalen Auftrag angemessen ist.
Lassen Sie es mich noch einmal anders sagen: Unsere Synode wird in dem Maß syn-odos, gemeinsamer Weg, sein, in dem wir aus einer puren Ansammlung von Individuen zu einer Versammlung werden. Es wird darauf ankommen, dass wir von unseren je persönlichen Perspektiven her offen sind für das größere Ganze unseres Bistums, also nicht bloß für unsere eigene Pfarreiengemeinschaft, unseren eigenen Verband, unsere eigene Gruppe oder Einrichtung denken … Wenn die Jünger am Ende des sogenannten Apostelkonzils in Jerusalem sagen: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (Apg 15,28), dann ist dieses Wir mehr als die bloße Summe der Versammelten. Es ist das Wir, dass sich speist aus der Erfahrung des lebendigen Herrn in der Mitte und dem gemeinsamen Auftrag, den die Jünger erkannt haben.
In den letzten Wochen bin ich von Journalisten immer wieder gefragt worden, wie denn etwa Beschlüsse der Synode aussehen könnten. Ich habe mich mit einer Antwort schwer getan. Wahrscheinlich hat Weihbischof Robert Brahm Recht, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass ich vermutlich am ungeeignetsten bin, diese Frage zu beantworten, da ich ja derjenige bin, der beraten werden möchte. Ich kann und will die Beratungen der Synode nicht vorwegnehmen! Auch wenn ich die Synode einberufen habe, so ist sie nicht mein „Organ“. Ich bin vielmehr überzeugt, dass die Synode in den kommenden beiden Jahren ein eigenes „Subjekt“ in unserem Bistum sein wird. Das werden wir alle zu respektieren haben: der Bischof, seine Behörde, die diözesanen Gremien, die verschiedenen Arbeitsbereiche und schließlich die Synode selbst, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht werden will.
Liebe Schwestern und Brüder, lassen Sie mich noch auf einen ganz wesentlichen Punkt eingehen. Er betrifft die von mir zusammen mit der Vorbereitungskommission vorgeschlagenen vier Themenbereiche. Sie sollen ja so etwas wie ein Grundraster für unsere Beratungen abgeben. Ich rufe sie noch einmal in Erinnerung:
(1.) Kirche in der Welt von heute,
(2.) Glauben leben lernen,
(3.) den Glauben feiern in Gottesdienst und Gebet,
(4.) die Gaben im Volk Gottes entdecken und fördern.
Die rund 500 Rückmeldungen, die wir dazu erhalten haben, haben die Themenauswahl einhellig bestätigt.
Wollen wir zu hilfreichen Richtungsentscheidungen kommen, dann dürfen wir diese Themen aber nicht allgemein und abstrakt beraten, sondern müssen sie im konkreten Kontext dessen beraten, was die Instruktion über die Diözesansynoden den „gegenwärtigen Moment“ (tempore hoc praesenti) nennt. Als ich die Synode angekündigt habe, hatte ich als eine erste Formulierung für den thematischen Auftrag an die Synode gesagt: „Wie wollen wir persönlich und gemeinsam unseren Weg des Glaubens im Bistum Trier gehen in den sich rasant ändernden Rahmenbedingungen des 3. Jahrtausends?“ (Predigt am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus 2012)
An dem Anspruch, den die Zeit an uns stellt, kommen wir bei unseren Beratungen nicht vorbei. So ist es nicht verwunderlich, dass alle Rückmeldungen, die wir bekommen haben, der Hinweis auf die „Welt von heute“, das heißt auf die Lebensbedingungen der Menschen im 21. Jahrhundert, durchzieht. Damit bestätigen die Rückmeldungen zugleich eine zentrale Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils: Die Kirche kann ihre Botschaft nur angesichts der Freude und Hoffnung, der Trauer und Angst der Menschheit, unter der sie lebt (Gaudium et Spes [GS] 1) verkünden. Der Pastoraltheologe Matthias Sellmann beschreibt das sehr klar: „Ohne die genaue Kenntnis und prinzipielle Anerkenntnis der kulturellen Kontexte um sie herum kann eine Ortskirche gar nicht wissen, was und wen sie zu verkündigen hat.“ (Matthias Sellmann: Zuhören – Austauschen - Vorschlagen. Entdeckungen pastoraltheologischer Milieuforschung, Würzburg 2012, 14.) Früher und vielleicht noch radikaler hat schon Karl Rahner festgestellt, „dass die Kirche gar nicht aus der Offenbarung Gottes […] alleine leben kann. Sie braucht, um handeln zu können, und zwar zu einem Handeln, ohne das sie gar nicht wäre, was sie sein muss, eine Erkenntnis der Situation, in der sie lebt.“ (Karl Rahner: Schriften zur Theologie VIII, Zürich-Einsiedeln-Köln 1967, 628)
Liebe Schwestern und Brüder, nun werden Sie zu Recht denken, dass diese Einsicht wahrhaftig nichts Neues, ja eigentlich selbstverständlich ist. So haben wir in der Vorbereitungskommission auch gedacht. Allerdings ist uns zunehmend bewusst geworden, wie radikal dieser Anspruch ist, wenn man sich ihm wirklich stellt. Diese Einsicht hat deshalb unsere weiteren Planungen für die Synode beeinflusst: Eigentlich wollten wir Ihnen heute Abend die konkreten Themenzuschnitte präsentieren, zu denen wir dann ab morgen in Sachkommissionen gearbeitet hätten. Obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre, haben wir uns dazu entschieden, nicht direkt den Schritt ins „Operative“ der thematischen Beratungen zu gehen. Wir haben dies getan, nicht weil wir uns davor drücken wollten. Wir können uns vor dem Konkreten gar nicht drücken, soll die Synode gelingen. Doch zu einer soliden Ortsbestimmung des „gegenwärtigen Moments“ der Trierer Ortskirche gehört mehr. Dazu gehört das gemeinsame intensive und ehrliche Anschauen und Annehmen der Situation, in die der Herr uns hineingestellt hat.
Zu dieser Entscheidung hat auch die Art der Rückmeldungen, die wir aus dem Bistum bekommen haben, beigetragen. In der Präsentation des Synodensekretariats haben Sie etwas von dem hören können, was in den Rückmeldungen zu den Zeichen der Zeit zusammengetragen worden ist. Diese Rückmeldungen sind sicher nicht erschöpfend für unser Bistum, aber sie geben doch einen Eindruck davon, wie Christinnen und Christen in unserem Bistum unsere gegenwärtige kirchliche Situation sehen. Diese Sicht ist vielfach geprägt von einer negativen Beurteilung der Lage. Pater Meures, der geistliche Begleiter unserer Synode, hat dafür das Wort von einer „gewaltigen Klagemauer“ geprägt, die da aufgetürmt worden sei. Dabei hat vieles davon sicher seine Berechtigung.
Dennoch ist hier eine „Unterscheidung der Geister“ wichtig. Hören wir noch einmal, was Papst Franziskus zu den „Zeichen der Zeit“ sagt: „Es ist angebracht zu klären, was eine Frucht des Gottesreiches sein kann, und auch, was dem Plan Gottes schadet. Das schließt nicht nur ein, die Eingebungen des guten und des bösen Geistes zu erkennen und zu interpretieren, sondern – und hier liegt das Entscheidende – die des guten Geistes zu wählen und die des bösen Geistes zurückzuweisen“(EG 51 - Vgl. auch EG 49). Viele negative Zeitzeichen wurden in den Rückmeldungen ausfindig gemacht. Dabei ist noch nicht ausgemacht, ob diese Deutung vom „guten Geist“ ist oder vom bösen, der uns nur verwirren und entmutigen will.
Zum anderen dürfen die „Zeichen der Zeit“ nicht einfach mit äußeren Ereignissen, Trends und gesellschaftlichen Phänomenen verwechselt werden. Dann blieben wir zu sehr an der Oberfläche. Die entscheidende Frage, der wir uns auch als Synodale zu stellen haben, lautet: Wie werden aus äußeren Ereignissen, die wir erleben, Zeichen der Zeit im Sinne des Glaubens, in denen wir erkennen, welche Botschaft uns Gott zuspricht? Mit anderen Worten: Wie gelangen wir zu einer Deutung der Ereignisse, aus denen wir wirkliche Orientierung für uns Handeln gewinnen und die Kraft haben, „die Eingebungen des guten Geistes zu wählen und die des bösen Geistes zurückzuweisen?“
Zusammen mit der Vorbereitungskommission schlage ich Ihnen deshalb vor, dass wir die erste Phase der Synode (das heißt bis zur zweiten Vollversammlung im Mai) nutzen als eine Phase intensiver Wahrnehmung, indem wir mithilfe der Unterscheidung der Geister versuchen, die Zeichen unserer Zeit klarer zu erkennen. Einfacher gesagt: Verstehen wir die Synode zunächst vor allem als eine Art gemeinsamer „Sehschule“! Ich sage auch noch einmal bewusst gemeinsamer Sehschule. Denn es reicht nicht, dass wir uns nur als Individuen oder einzelne Gruppen unseren je eigenen „Reim machen“ auf das, was in unserer Welt vorgeht. Wenn wir uns stattdessen um ein gemeinsames Urteil mühen, werden wir grundlegender und sachgerechter an die drängenden Probleme herangehen können. Wie das konkret aussehen kann, wollen wir morgen früh beraten.
Für heute Abend bitte ich Sie einfach, sich auf diese Vorgehensweise einzulassen, die selbst von der Vorbereitungskommission ursprünglich so nicht geplant war. Dass die Kommission nach einer Zeit längeren Ringens sich einmütig auf diesen Weg verständigt hat, spricht für mich für seine Richtigkeit.
Ich möchte schließen mit einem Brief, den ich als Reaktion auf das Hirtenwort am Christkönigssonntag erhalten habe. Darin verspricht ein priesterlicher Mitbruder sein begleitendes Gebet für die Synode und zitiert darin noch einmal die schöne Begebenheit von einer Basisgemeinde bei Recife in Brasilien: Dort stellte ein Fischer beim Bibelteilen die Frage: „Warum suchte Jesus eigentlich einen Fischer wie Petrus aus, um ihm die Leitung der Kirche anzuvertrauen?“ Ein anderer Fischer antwortete: „Wer sich zu Land bewegt, baut Straßen und asphaltiert sie. Dann wird er immer wieder diesen Weg benutzen. Ein Fischer aber sucht die Fische dort, wo sie sind. Deshalb sucht er jeden Tag einen neuen Weg. Ihm kommt es darauf an, die Fische ausfindig zu machen. Es kann sein, dass der Weg von gestern nicht zu den Fischen von heute führt.“
Also: Wagen wir den neuen Weg der Synode - mit Gottes Hilfe!