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Nieder-Flörsheim (Gemeinde
Flörsheim-Dalsheim, Kreis Alzey-Worms)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Entstehung der jüdischen Gemeinde in Nieder-Flörsheim. In Nieder-Flörsheim (als Ort urkundlich
bereits 768 erwähnt) bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1920. Ihre Entstehung
geht mindestens in die Zeit Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Seit 1797, dem Beginn der
"Franzosenzeit" (bis 1814) und den damit verbundenen weitreichenden Neuerungen, werden
Juden in Nieder-Flörsheim greifbar. Doch dürften die beiden Familien von Sender
Süßkind und Mordge Löb schon einige Jahrzehnte hier gelebt haben und
könnten/dürften aus Nieder-Flörsheim stammen (eventuell ihre Ehefrauen).
Auf Grundlage des "Code Civil" hatte jede Gemeinde Personenstandsregister anzulegen. Von nun an wurden ohne
Ansehen von Herkunft, Besitz oder Religion ausnahmslos alle im Bereich einer
Gemeinde Geborenen und Gestorbenen wie auch Heiraten in diesen "Standes
Registern" (Zivilstandsregistern) erfasst. Neben dem "Maire" (Bürgermeister)
beglaubigten zwei Zeugen die Richtigkeit eines Eintrags mit ihrer Unterschrift.
Die Kirchenbücher der verschiedenen Konfessionen dienten jetzt allein rein
kirchlicher Dokumentation. Fast alle der als fortschrittlich zu bezeichnenden
Neuerungen blieben auch nach Übernahme der zuvor "französischen" Gebiete links
des Rheins durch das Großherzogtum Hessen-Darmstadt erhalten.
Die
Großherzoglich-Hessen-Darmstädtische Regierung (nach Ende der "Franzosenzeit" ab
1816) brauchte eine Gesamtschau über
die neu erworbene Region, über Land und Leute jenseits des Rheins. Dazu verhalf
ihr die eigens zu diesen Zweck neu erdachte "Spezialmusterliste". Diese für jede
einzelne Großherzogliche Gemeinde in Rheinhessen angelegte Aufstellung ist eine
Momentaufnahme der Situation um 1817. Sie stellt eine spezielle und
umfassende Volkszählung dar. Gegliedert nach Familienverhältnis und
-zugehörigkeit sind auch Geburts- und Heiratsjahr sowie Beruf, Grundbesitz und
Vermögen erfasst. Gemusterte oder gerade wehrdienstleistende junge Männer wie
auch diejenigen, die während der französischen Zeit in "Diensten standen",
vermisst oder umgekommen waren, und diejenigen, die einen Ersatzmann stellten,
oder Handwerksburschen auf der Walz fehlen nicht.
In dem "Brandkataster", 1817 für die Feuerversicherungsanstalt erstmalig
erstellt, sind auch Juden und ihre Anwesen aufgeführt. Der Reihe nach ist neben
dem Eigentümer die Nummer des Hauses und jedes weitere Gebäude, dessen Nutzung
und Versicherungswert verzeichnet. Besitzerwechsel und bauliche Veränderungen
wurden fortgeschrieben.
1817 zählte man in
Nieder-Flörsheim fünf jüdische Familien mit 16 Kindern, somit 26
Personen. Hinzu kämen noch Personal wie Dienstmagd oder Gehilfe, die in den
ausgewerteten Gemeindeakten jedoch nicht in Erscheinung treten. Die fünf
Familien waren:
- Alexander Scheuer, Handelsjud, Frau und vier Kinder, besitzt 600 Gulden
(Hinweis: Alexander Scheuer war ein "Cousin" des verstorbenen Markus Dänzer
und von Joseph Mayer (Süskind) vgl. unten).
- Alexander Strauß, Handelsmann, Frau und drei Kinder, besitzt 3 Morgen
(M.) Äcker, 740 Gulden
- Joseph Mayer, Handelsmann, Frau und sechs Kinder, besitzt 7 M. Äcker,
1160 Gulden
- Alexander Mayer (Josephs Bruder), Handelsmann, Frau und zwei Kinder,
besitzt 3 M. Äcker, 840 Gulden
- Ludwig Mayer, Handelsmann, Frau und eine Tochter (Hinweis: Ludwig
Mayers war Sohn von Alexander Mayer. Ludwig hatte erst vor drei Jahren eine Familie
gegründet. Von daher hatte er noch keinen nennenswerten Besitz vorzuweisen).
Anmerkung: Die Brüder Alexander und Joseph
Mayer waren Söhne der in Kriegsheim verstorbenen Eheleute
Moses Süskind & Schaidel Mayer. Die Brüder nannten sich
- vor der Annahme eines festen Familiennamens - zunächst nach ihrem Vater, also
Alexander Süßkind und Joseph Süßkind. - Beider Vater, Moses Mayer, hatte nach dem Tod
seiner ersten Frau Schaidel in zweiter
Ehe Lea Davitt (1748-1823) geheiratet. Aus dieser zweiten Ehe entstammten
dann Sohn Jacob
Mayer (geb. 1778) und Tochter Kiendle Süßkind (geb. 1780). Nach Moses Süßkinds Tod
(vor 1805) heiratete
Lea Davitt in Nieder-Flörsheim den verwitweten "Mordge Löb" bzw. "Löwe Marx",
der sich bei der Namensänderung für den Namen "Marx Dänzer Joseph"
entschied. - Alexander und Joseph Mayer waren mit ihrer Stiefmutter Lea und den
Halbgeschwistern 1790, kurz vor den Revolutionskriegen nach Nieder-Flörsheim
gezogen und gründeten hier eigene Familien. Von Alexander Mayer,
Handelsmann, und seiner Ehefrau Magdalena geb. Kahn sind vier Kinder bekannt.
Nur die Söhne Ludwig I. und Moritz I. erreichten das Erwachsenenalter. Die
Familie lebte in dem oben erwähnten Anwesen Nr. 51 in unmittelbarer
Nachbarschaft des damaligen Spritzenhauses, unweit des Rathauses (vgl. unten bei
Synagogengeschichte). - Mordge Löb und Familie lebte laut Brandkataster und den
Zivilstandsregistern auf dem "Blenzer" Nr. 83 (Nachbarn waren Rüdinger,
Ringhof, Wendel und Schwahn). -
Weitere Informationen zu den einzelnen Personen und Familien vgl.
https://huegelland.net/nfljd/_ofb1index.html mit genealogischen Angaben zu
"Juden in Nieder-Flörsheim".
Bei allen Familienvorständen wird als Beruf "Handelsmann"
angegeben. In den Zivilstandsregistern finden sich genauere Angaben: neben Viehhändler oder
Rindviehhändler waren Nieder-Flörsheimer Juden tätig als Ankäufer, Makler und
Wiederverkäufer, Kurzwarenkrämer, Hausierer, Gemischtwarenhändler und Kaufmann,
später auch als Fruchthändler (= Getreidehändler), Weingroßhändler, Branntweinzäpfer und Wirt. Außerdem kommt öfter auch der Beruf des Metzgers vor.
In jeder jüdischen Gemeinschaft gab es wenigstens einen, der diese Tätigkeit
nach jüdischen Vorschriften auszuüben befugt war.
Laut der Spezialmusterliste besaßen in Nieder-Flörsheim drei der fünf Familien
Äcker. Damit konnten sie vermutlich ihren Eigenbedarf decken sowie die eigene
Milchkuh, ihr Geflügel, ein paar Schafe und das Handelsvieh ernähren. In
Hinblick auf die Bautätigkeit dürften es die meisten Familien zu einem gewissen
Wohlstand gebracht haben, so Alexander Mayer III., der angesichts der Vielfalt
seiner Geschäftszweige ins Auge fällt. Er war "Branntweinhändler,
Düngermittelhändler, Rindviehhändler, und Branntweinzäpfer über die Straße".
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert
wie folgt: 1828 46 jüdische Einwohner, 1861 56, 1867 51. Der Anteil an der Gesamteinwohnerschaft betrug
zwischen 6 und 8 %. Weitere Agaben zu den einzelnen jüdischen Familien siehe
https://huegelland.net/nfljd/_ofb1index.html.
Seit den 1860er-Jahren ging die Zahl der jüdischen
Einwohner stark zurück, sodass 1893 nur noch 35 (in acht Familien), 1900 noch 22, 1905 20 jüdische Einwohner
gezählt wurden.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und vermutlich ein rituelles Bad (bzw. zunächst zwei private rituelle Bäder s.u.). Die Toten der Gemeinde wurden auf dem
jüdischen Friedhof in Dalsheim beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein
Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war. Bis in die
1880er-Jahre hatte Nieder-Flörsheim noch einen eigenen Lehrer (vgl. unten
Ausschreibungen der Stelle). Als
solche werden genannt (die Namen begegnen in den
Gemeindeakten vor allem bei Beurkundung von standesamtlichen Einträgen):
1840 Jakob Wolf, 28 Jahre alt; 1847 Jakob Wolf, 54 Jahre alt (auffallende
Namensgleichheit bei unterschiedlichen Altersangaben); 1868 Alexander
Groß, 23 Jahre alt; um 1887/88 Lehrer Feigenbaum. Seit 1889 wird ein gemeinsamer Lehrer für
Nieder-Flörsheim und Monsheim genannt: um 1889 war es Lehrer Voremberg. Auch in der
Folgezeit teilte man sich den Religionslehrer gemeinsam mit der Nachbargemeinde Monsheim
(vgl. Ausschreibungen der Stelle unten ab 1893). Seitdem (belegt durch die Anzeigen
unten von 1898 / 1903) hat man offenbar in Nieder-Flörsheim nur noch zu
den hohen Feiertagen im Herbst einen Vorbeter angestellt. Um 1892/93 besuchten
die Religionsschule der Gemeinde noch acht Kinder.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1861/1864 Ludwig Mayer II,
um 1886/89 Hermann Mayer, um
1892/98 Josef (Joseph) Mayer und H. Fuhrmann, um 1903 M. Leopold.
1924 gehörten die noch sechs jüdischen Einwohner in
Niederflörsheim gemeinsam mit den in Hohensülzen lebenden
fünf jüdischen
Personen zur Gemeinde in Monsheim. Diese Orte waren dem Rabbinatsbezirk Worms
zugeteilt.
1933 wurden noch vier jüdische Einwohner gezählt (David Mayer mit Frau
Jenny Mayer geb. Krämer und Sohn Lothar Mayer sowie der 1941 gestorbenen Sara
Krämer).
Von den in
Nieder-Flörsheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
David Mayer (1896), Jeanette (Jenny) Mayer geb. Krämer (1895), Kornelia Mayer
(1879, wohnhaft Stuttgart), Lothar Mayer (1926), Siegfried Mayer (1881, wohnhaft
Hamburg).
Foto links: Grabstein für Saara Krämer geb. Mayer im jüdischen Friedhof
in Dalsheim mit Gedenkinschriften für die nach der Deportation ermordete
Familie Mayer.
Berichte aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1861 /
1864 / 1886 / 1893 / 1895 / 1896 / 1900 (ab 1893 zusammen mit Monsheim)
beziehungsweise eines Vorbeters für die hohen Feiertage (1898 / 1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Februar 1861:
"Anzeige. Die Stelle eines israelitischen Religionslehrers in der
Gemeinde Niederflörsheim, Kreises Worms, ist vakant. Mit dieser Stelle
ist ein jährlicher Gehalt von 200 Gulden nebst freier Wohnungen
verbunden; auch wäre es von Vorteil für den Lehrer, wenn er den
Schächterdienst hierorts versehen könnte. - Allenfallsige Bewerber
wollen sich alsbald in portofreier Eingabe an den Unterzeichneten wenden.
Niederflörsheim, am 28. Januar 1861. Der Vorstand: Ludwig Mayer II." |
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Anzeige
in "Der Israelitische Lehrer" vom 16. Juni 1864: "Lehrerstelle
vakant.
Die israelitische Lehrer-, Kantor- und Schächterstelle zu Niederflörsheim,
Kreis Worms, ist vakant und soll alsbald wieder durch einen tüchtigen Mann
besetzt werden. Der Gehalt ist auf 250 fl. festgesetzt, und würde sich das
Einkommen einschließlich der Gebühren für den Schächterdienst auf 400 fl.
belaufen. Außerdem bieten wir freie Wohnung. Bewerber wollen sich gefälligst
baldigst an den Unterzeichneten wenden.
Ludwig Mayer II., Israelitischer Vorstand."
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Anzeige
in "Der Israelit" vom 12. Juli 1886: "Lehrer-Gesuch.
Hiesige Gemeinde sucht bei einem festen Gehalt von Mark 50 nebst freier
Wohnung einen Religionslehrer und Vorbeter, derselbe kann sich
durch Schächten noch einen Nebenverdienst von 150-200 Mark erwerben.
Nieder-Flörsheim, 7. Juli 1886.
Der Vorstand Hermann Mayer." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Juni 1893: "Die
israelitischen Religions-Gemeinden Monsheim und Nieder-Flörsheim
in Rheinhessen suchen per sofort einen Religionslehrer, der zugleich
Vorbeter und Schochet sein muss. Fixes Gehalt Mark 500, Nebenverdienste
ungefähr Mark 300 per Jahr. Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten
wenden.
Monsheim, den 1. Juni 1893. M. Goldschmidt." |
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Anzeige in der "Allgemeinen Israelitischen Wochenschrift vom 12. Juli
1895:
"Monsheim (nebst Niederflörsheim): Per 1.8. Lehrer, Kantor.
Schule. Gesamteinkommen 8-900 Mark, freie Wohnung. Meldung an M.
Goldschmidt, Monsheim (Hessen)." |
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Anzeige in "Der Israelit" vom 23. Juli
1896: "Die israelitische Religions-Lehrerstelle,
verbunden mit Vorbeter- und Schächterdienst zu
Nieder-Flörsheim - Monsheim ist wieder zu besetzen. Gehalt 450 Mark,
nebst 200 Mark Nebenverdienst. Geeignete Bewerber wollen ihre Zeugnisse an
den Unterzeichneten einsehen.
Nieder-Flörsheim, 19. Juli.
Der Vorstand: Josef Mayer."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1898:
"Wir suchen auf Neujahr und Versöhnungstag einen Vorbeter.
Derselbe muss auch Baal Tokea sein.
Offerten mit Gehaltsansprüchen sind zu richten an den Vorstand
Joseph Mayer,
Nieder-Flörsheim." |
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Anzeige
in "Der Israelit" vom 20. August 1900: "Die israelitische
Lehrerstelle
verbunden mit Vorbeter und Schächterdienst zu Monsheim, Nieder-Flörsheim,
ist neu zu besetzen. Gehalt 600 Mark nebst 30 Mark Nebenverdienst. Geeignete
Bewerber wollen ihre Zeugnisse dem Unterzeichneten einsenden.
Monsheim, 7. August. Der Vorstand: Ludwig Löb." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September 1903:
"Vorbeter
für die hohen Feiertage gesucht. 60 Mark Vergütung nebst
freier Kost und Logis.
Der Vorstand:
M. Leopold,
Niederflörsheim." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: Grabstein in New York für Bernhard
Denzer aus Nieder-Flörsheim (1808-1886)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
|
Grabstein
für "My beloved Husband
Bernhard Denzer
Born in Niederflörsheim
Hessen - Darmstadt, Germany
June 27, 1808
Died June 12, 1886". |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge in Niederflörsheim wird in der gedruckten Ausgabe der
"Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz Kreis Alzey-Worms 20.3 Verbandsgemeinde
Eich, Monsheim und Wonnegau" so beschrieben: "...1817 hatte die kleine
Gemeinde eine Synagoge (Untergasse 10) erbaut, die sie 1920 veräußerte.
Aufgrund der Profanierung blieb sie unzerstört." Dazu weitere
Informationen:
Untergasse 10. Ehem. Synagoge (heute Scheune). Rückwärtig im Grundstücke
stehender hallenartiger Bruchsteinbau mit Satteldach, 1817 erbaut, 1920 an
Privat veräußert. Gliederung durch hochgelegene Rundbogenfenster (z.T. mit alten
Sprossenfenstern), in der westlichen Giebelseite zwei, in den Langseiten je drei
und nach Osten je zwei Lünettenfenster (zur Belichtung des ehem.
Thorastandorts). Ungeachtet des charakteristischen rückwärtigen Standorts
ansehnlicher jüdischer Ritualbau".
Auf Grund von Akten im Stadtarchiv Worms, wo das Gemeindearchiv Nieder-Flörsheim
aufbewahrt ist, können weitere Angaben gemacht werden (vgl. unten Quellen bei
Literatur): Der erste Band
des Brandkatasters der Gemeinde Nieder-Flörsheim weist nicht nur eine,
die oben erwähnte und bekannte Synagoge aus, sondern noch eine frühere.
Dieser 1819 fertiggestellte und als "Synagoge neu" bezeichnete Bau auf dem
Anwesen "Mittlere Straße" Nummer 51 lag in der damaligen Ortsmitte auf dem
Eckgrundstück Alzeyerstraße — Schmiedgasse (Alzeyerstr. 13, ehemalige Metzgerei
Schneider; erbaut um 1817 von Alexander Mayer). Laut Brandkataster von 1817
besaß Alexander Mayer hier ein zweistöckiges Wohnhaus, dazu Scheuer und Stall
mit einem Versicherungswert von 500 Gulden. Nach Umbau und Renovierung gab es
1819 außer den bereits genannten Gebäuden die Neuanlage einer Synagoge.
Das Ganze hatte einen Brandkassenwert von 1500 Gulden.
Rund zehn Jahre später gehörte derselben Familie von Alexander Mayer auch das Anwesen Nr. 28
in der Untergasse (heute Untergasse 10). Es ist genau das Grundstück, auf dem
sich das auch heute noch vorhandene und als Synagoge errichtete Gebäude
befindet. 1830 war dies ein Wohnplatz, bebaut mit einem einstöckigen Wohnhaus
und einem Stall. Der Brandkassenwert lag bei 130 Gulden. Alexander und Moritz
Mayer (Vater und Sohn) hielten jeweils die Hälfte. Nach Bauarbeiten war hier die
nunmehr "neue Synagoge" entstanden, mit einem Versicherungswert von 2000 Gulden.
1834 ist als Besitzer die Israelitische Gemeinde eingetragen.
Im Hinblick auf die (verhältnismäßig) geringe Größe des Anwesens und des sehr
niedrigen Versicherungswertes dürfte das vormalige Gebäude, ein altes kleines
Haus mit Stall (in eher schlechtem Zustand), niedergelegt worden sein, um eine
völlig neue Synagoge aufzurichten (evtl. - wie seinerzeit aus Kostengründen üblich
- aus vorhandenem Abbruchmaterial). Für einen kompletten Neubau spricht vor allem
der hohe Versicherungswert. Zum Vergleich des Wertes der neuen Synagoge: Das
"zweistöckige Rathhaus und Feuerwehrgeräthtschafts Gebäude" haben 1817 einen
Versicherungswert von 2000 Gulden. 1820 sind auf dem kleinen Grundstück in der
"Schmittgasse" gegenüber der 1819 erwähnten ersten Synagoge neu gebaut worden:
"Wohnhaus einstöckig und Neues Spritzenhaus". Der Brandkassenwert beträgt 700
Gulden. Damals wie heute hatte das Gebäude keinen direkten Zuweg von einer
Straße oder einem Gässchen. Nr. 28 (heute Nr. 10 bebaut mit der uns bekannten
Synagoge) liegt von der Straße aus gesehen hinter (bzw. nördlich von) Anwesen
Nr. 29 (heute Nr. 8), das nach wie vor mit einem Wohnhaus bebaut ist und die
Straße (damals wie heute) unmittelbar begrenzt. Angesichts dessen stellt sich
die Frage, auf welchem Weg die Nieder-Flörsheimer Juden in ihre Synagoge
gelangten. Die Frage beantwortet ein Schreiben des Bürgermeisters Philipp
Obenauer II.:
"An den Kreisrath in Worms, vom 26. April 1846.
Betreffend: Die Räumung des Eingangs in die Synagoge dahier.
Zufolge hohes Inscript vom 24 d Mts beehre ich mich Er. Hochwohlgeboren
hierdurch gehorsamst zu berichten, daß der Gang zur Synagoge 14 Fuß breit und
auch zugleich die Ein und Ausfuhr in den Hof des Joseph Blattner II ist, und
dieser so wenig in seiner Fahrt als die Juden in ihren Gang gestört werden darf.
So viel mir bekannt ist sind die Juden noch nie in ihrem Gang in oder aus der
Synagoge gehindert worden. Da sie dahin gehen und nicht fahren (...)". Weiter
führt der Bürgermeister aus (wie er selbst schon beobachtete), wenn Zimmermann
Blattner manchmal Bauholz neben der Mauer des Hofdurchgangs ablegte, so blieben
dennoch 10 bis 11 Fuß Platz zum Gehen. Auch wenn Blattner in seinem Hof
arbeitete und zu gleicher Zeit die Juden zur Synagoge gingen, blieben immer noch
5 bis 6 Fuß Raum zum Gehen. Insofern würden die Juden nicht behindert. Die Juden
seien außerdem wenig erfreut, wenn Blattner auf den Samstag (jüdischer Sabbat)
etwas arbeite, aber daran könne derselbe nicht gehindert werden. Immerhin
versuchte Blattner, seine arme Mutter, die auf das "Depogesetzt" sei, "auch
getreu zu unterstützen. Folglich wird man dem besagten Blattner Unrecht thun
wenn man ihn stören und beschneide. Da er niemand stört." - Damit scheint der
Fall erledigt gewesen zu sein.
Bereits um 1900 war es auf Grund der zurückgegangenen Zahl der jüdischen
Einwohner schwierig, regelmäßig die nötige Zehnzahl jüdischer Männer (Minjan)
zum Gottesdienst zu bekommen. Zumindest an den Feiertagen wurden noch
Gottesdienste abgehalten (s.o. Anzeige 1903).
1920 wurde die Synagoge jedoch endgültig geschlossen, das Gebäude
verkauft.
Verkauf der Synagoge (1920)
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 2. Januar 1920: "Nieder-Flörsheim.
Herr Tünchermeister Heiser kaufte von der israelitischen Gemeinde die früher
von ihr benutzte Synagoge zum Preise von 6000 Mark." |
Das Synagogengebäude ist als Scheune erhalten und steht seit 1982 unter
Denkmalschutz.
Adressen/Standorte der Synagoge
- Erste Synagoge: Alzeyerstr. 13, Gebäude ehemalige Metzgerei Schneider -
erbaut um 1817 von Alexander Mayer. Auf diesem Anwesen befand sich die erste
Synagoge. Bedingt durch den Bau neuer Häuser entlang der Alzeyerstr. "variieren"
die Hausnummern. Mittlere Straße 51; Obergasse 50,
Spritzengasse 51 (neues Spritzenhaus 1820), Gerade Gasse 51, Schmiedgasse 50
, Mittelgasse 51, Obergasse 51 - das alles
meint ein und dasselbe Anwesen: Ecke Alzeyerstraße/Schmiedgasse, heute
Alzeyerstr.13. Erst nach 1910 wurden die heutigen Straßennamen und die seitdem
feste Nummerierung der Häuser eingeführt .
- Zweite Synagoge: Untergasse 10 (neben
dem evangelischen Gemeindehaus)
Zwei private Mikwen (rituelle Bäder) in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts
-
Von dem Besitzer des Hauses in der Schmiedgasse Nr. 5 war zu erfahren,
dass er eine solche Anlage im Keller seines Hauses selbst zugeschüttet hatte.
Sie soll ca. 1,80 lang, 80 - 90 cm breit, ca. 70 cm tief und über vier Stufen
erreichbar gewesen sein. Eigentümer des Anwesens war 1835 Bernhard Denzer. Er
hatte in zwei Ehen 16 Kinder, von denen drei früh starben. Bald nach 1858
verließ die Familie Nieder-Flörsheim und wanderte nach Amerika aus (Foto des
Grabes siehe unten).
-
Das zweite Tauchbad befand sich in der Obergasse Nr. 67 (heute Alzeyerstr.
34). Hier wohnte Moritz Mayer II. mit seiner aus
Planig stammenden Ehefrau
und seinen 16 Kindern, die bis auf eins das Erwachsenenalter erreichten und die
fast alle Nieder-Flörsheim verließen.
Diese Mikwe im Anwesen des Moritz Mayer war um 1842 nach einem Dokument von 1842 offenbar nicht mehr "zeitgemäß". Ob bauliche Mängel
oder die Hygiene betreffende Bedenken die Obrigkeit bewogen, die Benutzung der
Mikwe unter Androhung einer Geldstrafe zu verbieten und einen Neubau derselben
in Aussicht stellte, geht aus dem Anschreiben nicht hervor.
Dokument: "Worms, 6. Jan. 1842 (Kreisrath). Betreffend: Die
Frauenbäder der israelitischen Gemeinde. Großherzoglicher Bürgermeister zu
Niederflörsheim. Sie wollen die dortigen Israeliten bedeuten, dass zu Vermeidung
einer Polizeistrafe von 3 fl. für jede Badende und jede zum Bade mitwirkende
Person das Privatbad des Moritz Mayer II. zu Niederflörsheim nicht mehr
gebraucht werden dürfe und dass ich dem Großherzoglichen Kreisbaumeister ersucht
habe, wegen Erbauung eines Frauenbades geeignete vorschläge zu machen. Auf den
Vollzug werde Sie wachen."
Ob eine neue Mikwe erbaut wurde, geht aus den Unterlagen des Gemeindearchivs
nicht hervor.
Fotos
Das Gebäude der
ehemaligen
Synagoge im März 2013
(Fotos: Michael Ohmsen, vgl. Fotoseite
von M. Ohmsen zu Flörsheim-Dalsheim) |
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Das Gebäude der ehemaligen Synagoge mit
Inschriftentafel - Text: "Synagoge.
- Reste der ehemaligen Synagoge. Sie wurde erstmals 1851 erwähnt.
- Wahrscheinlich Ende des 18. Jahrhunderts als Saalbau mit hohen
Rundbogenfenstern erstellt.
- 1920 wurde sie geschlossen und an Privatleute verkauft. Heute dient sie
als Scheune und steht seit 1982 unter Denkmalschutz.
Ortsgemeinde Flörsheim-Dalsheim." |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 150 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Hinweis auf die Quellenangabe für die Recherchen
von Trude Fuchs: Stadtarchiv WO, Abt. 242 Gemeindearchiv
Nieder-Flörsheim, 242 VIII.01 0040 (Spzl); XXVII.03 0685 (Brandkt); XIII.01
106-114 (Israel. Gemeinde), u.a.: Register über die Namensänderung der Juden,
1808; Frauenbad (s. 06.01.1842). |
n.e.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|