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Schweinshaupten (Gemeinde
Bundorf, Kreis Hassberge)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Schweinshaupten bestand eine jüdische Gemeinde bis
1935. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Das
Gemeindebuch der jüdischen Gemeinde geht in das Jahr 1748 zurück. Aus dem Jahr
1767 sind noch die von den Freiherren von Fuchs für die Juden Nathan Löw und
Hirsch Pinges ausgestellten Schutzbriefe erhalten.
Ihre Blütezeit erlebte
die jüdische Gemeinde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als 1814 mit
138 Gemeindegliedern (33,7 % von insgesamt 409 Einwohnern) und 1837 mit 200
Gemeindegliedern (28 % von insgesamt 715 Einwohnern) bis zu einem Drittel
der Ortsbevölkerung der jüdischen Gemeinde angehörte. Um die Mitte des 19.
Jahrhunderts gab es einen starken Rückgang durch Aus- und Abwanderung: 1867 64
jüdische Einwohner (16,9 % von insgesamt 378), 1880 48 (12,1 % von insgesamt 396)
und 1880 65 (16,1 % von insgesamt 396).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Schweinshaupten auf
insgesamt 32 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit Schutzbriefen aus der Zeit seit 1767; mit bereits neuem
Familiennamen und Erwerbszweig): Abraham Mönnlein Lauer (lebt als 77-jähriger
Witwer von Unterstützung), Mathel, Witwe von Levis Scheit (Handarbeit), Wolf
Selig Fug (Auszüger), Joseph Löw Mond (Auszüger), Mathel, Witwe von Lazarus
Zucker (Auszüger), Nathan David Ledermann (Lederhandel), Wolf Isaac Weißbarth
(Unterrabbinerstelle), Hohna Nathan Schloss (Tuchhandel), Moises Simon Sachs
(Schnitthandel), Löw Simon Sachs (Schnitthandel), Jaidel Joseph Friedmann
(Schnitt- und Häutehandel), Moises Pinges Neumann (Viehunterhandel und
Schlachten), Haium Abraham Sonn (Schnitt- und Spezereihandel), Moises Elias Levi
Rosenbach (Viehhandel), Hirsch Simon Sachs (Schnitthandel), Hirsch Joseph
Friedmann (Schnitthandel), Moises Mathes Scheit (Viehhandel), Hirsch Pinges
Neumann (Botengehen), Kronum Salomon Goldmann (Viehhandel), Daniel Joseph
Friedmann (Tuch- und Schnitthandel), Löw Nathan Schloss (Tuchhandel), Joseph
Süssmann Liebstädter (Viehhandel), Hajum Ephraim Breitenbacher
(Viehunterhandel), Hirsch Josel Mond (Viehunterhandel), Samuel Salomon Goldmann
(Schnitthandel), Wolf Abraham Kahn Kling (Vorsingers- und Schlachtersdienste),
Samuel Elias Levi Rosenbach (Viehhandel und Schlachten), Hohna Nathan Lazarus
Zucker (Schnitthandel), Moses Sonn (= der Gelehrte Mosche Sonn, s.u.;
Feldbau, seit 1820), Judies Schloß (Tuchmacherprofession, seit 1825), Samuel
Weißbarth (Privatlehrer seit 1825). Nicht in der Matrikelliste wurden die
beiden Witwe aufgenommen: Sara Hayum Sonn (Schnitt- und Spezereihandel, hatte
einen Schutzbrief von 1767) und Sara David Langendorfer
(Handarbeit).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), ein
rituelles Bad sowie seit 1869 einen eigenen Friedhof.
Zuvor wurden die Toten der Gemeinde in Kleinsteinach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. unten
Ausschreibungen der Stelle). 1817 werden in der Matrikelliste der
Unterrabbiner Wolf Isaac Weißbarth, der Vorsänger und Schochet Wolf Abraham
Kahn Kling und seit 1825 als "Privatlehrer" Samuel Weißbarth genannt.
Die Gemeinde wurde dem Bezirksrabbinat Burgpreppach
zugeteilt.
Während einer längeren Zeit der Vakatur des Burgpreppacher Rabbinates wirkte
als Rabbinatsvertreter Mosche Sonn (1789-1856). Er wie schon sein Vater
und sein Großvater waren hochverehrte rabbinische Gelehrte für Schweinshaupten und
eine weite Umgebung (siehe Lebensbilder unten).
Anfang des 20. Jahrhunderts
waren noch 54 jüdische Personen am Ort (1900, 16,1 % von insgesamt 335)
beziehungsweise 43 (1910, 14 % von insgesamt 308).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Josef Friedmann
(geb. 14.2.1894 in Schweinshaupten, gef. 27.7.1918), Gefreiter Josef
Lippstädter (geb. 2.7.1887 in Schweinshaupten, gef. 5.10.1916) und Julius
Müller (geb. 1.6.1885 in Schweinshaupten, gef. 12.8.1916). Außerdem sind
gefallen: Benno Friedmann (geb. 19.7.1895 in Schweinshaupten, vor 1914 in
Leutershausen wohnhaft, gef. 9.11.1916) und Julius Rosenbach (geb. 14.4.1895 in
Schweinshaupten, vor 1914 in Hofheim, Ufr. wohnhaft, gef. 28.7.1916).
Um
1925, als noch 30 jüdische Einwohner der Israelitischen Kultusgemeinde
angehörten (in sieben Haushaltungen; 8,57 % von insgesamt etwa 350 Einwohner),
waren die Vorsteher der Gemeinde Emil Selig und K. Seitenbach. Als Lehrer und
Schochet kam David Kissinger aus Ermershausen (Großvater des späteren
US-Außenministers Henry Kissinger; siehe Foto links)
regelmäßig nach Schweinshaupten. Er hatte
seinen Wohnsitz in Ermershausen, wo er auch als Kantor wirkte. In
Schweinshaupten erteilte er damals nur noch einem Kind den Religionsunterricht. |
1933 lebten noch 13 jüdische Personen in Schweinshaupten. Bereits kurz nach
der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 wurde
das Gemeindemitglied Langstätter festgenommen und in das KZ Dachau geschickt. Vier Jahre zuvor war er
mit zahlreichen anderen jüdischen Männern in der Umgebung beschuldigt worden, an einem angeblichen
Ritualmord von Manau bei Hofheim (nähere Informationen siehe Seite
zu Hofheim) beteiligt gewesen zu sein. Bis
1940 sind fünf jüdische Gemeindeglieder vom Ort verzogen (u.a. zwei nach
Würzburg), sechs konnten auswandern (fünf in die USA, einer nach Palästina),
fünf verstarben in dieser Zeit noch in ihrem Heimatort.
Von den in Schweinshaupten geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Babette Frankenberger
geb. Goldmann (1858), Johanna (Hannchen) Frankenfelder geb. Lippstädter (1890),
Siegmund Friedmann
(1881), Frieda Hausmann geb. Friedmann (1901), Meta Kaufmann geb. Neumann
(1878), Rosa Löwenstein geb. Friedmann (1892), Betty Müller (1880), Friederike
Rosenbach (1889), Isack Rosenbach (1858), Matilde Rosenmann geb. Schloss (1883), Hermann Sachs (1866),
Ida Schönstädt geb. Schloss (1880), Lina Spies
geb. Lippstädter (1896).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers, Vorbeters und Schächters 1842
(ohne Schächteramt) / 1893
/ 1894 / 1901
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im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern 23, August 1842: "19. August 1842. Nachträglich zu dem
diesseitigen Ausschreiben vom 29. vorigen Monats wird noch bemerkt, dass mit
der israelitischen Elementarschule zu Schweinshaupten das Amt eines
Vorsängers verbunden, der Schächterdienst aber von derselben getrennt sei.
Rügheim, den 16. August 1842. Die königlich protestantische
Distrikts-Schulen-Inspektion. Maier, Dekan". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1893:
"Die Lehrer-, Vorbeter- und Schochetstelle Schweinshaupten ist frei.
Fixum 450 Mark, Schechita ca. 200 Mark, Nebenverdienste ca. 100 Mark, Holzvergütung
40 Mark und freie Wohnung.
Nur ledige, seminaristisch gebildete Bewerber mögen ihre Gesuche richten
an Abraham Neumann, Kultusvorstand." |
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in der
Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. August 1894: Für die hiesige
israelitische Gemeinde Schweinshaupten wird in Bälde ein Religionslehrer
(unverheiratet), der auch gleichzeitig die Funktion als Vorbeter und Schächter
übernimmt, gesucht. Fixo Gehalt 450 Mark, für Schechita circa 150 Mark,
Nebenverdienst ca. 100 Mark, Entschädigung für Beheizung 40 Mark. Nur
seminaristisch Gebildete wollen ihre Zeugnisse einsenden an den Vorstand
Seligmann
Lippstädter."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juli 1901:
"Die israelitische Schulstelle Schweinshaupten, mit der
Filiale Sulzdorf, ist bis 1. Oktober dieses Jahres zu besetzen, womit die
Vorbeter- und Schächterfunktion verbunden ist; Einkommen 10 bis 1100
Mark. Bewerber wollen ihre Gesuche an Unterzeichneten einsenden.
Schweinshaupten, 22. Juli. Julius Seitenbach,
Vorstand." |
Dokumente zur Geschichte der Rabbinerfamilie Sonn aus Schweinshaupten
Lebensbild von Mosche Sonn (1789-1856)
– der Rabbiner von Schweinshaupten (Artikel von 1933)
|
Reb
Mosche Sonn – das
Gedenken an den Gerechten ist zum Segen
– in Schweinshaupten (Unterfranken)
Ein jüdisch bayerisches Kulturbild vom vorigen Jahrhundert
(sc. 19.
Jahrhundert)
Von
A. Mannheimer in Dettelbach
(in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juli
1933) |
Lebensbilder
sind stets zugleich Kulturbilder, als Ausschnitt einer Geschichtsperiode zu
werten. Das gilt namentlich für Männer, die in ihrer Person und in ihrem Kreis
hervorragen und so ein Spiegelbild jener
Zeit bieten. Indem wir hier die Biographie Mosche Sonns darbieten, werden
zugleich die jüdisch-bayerischen Verhältnisse in der ersten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts (sc. 19. Jahrhundert) nicht uninteressant beleuchtet.
Schweinshaupten, ein kleines protestantisches Bauerndorf mit kaum 500-600
Seelen, idyllisch an den Haßbergen in Unterfranken gelegen, ist der Geburtsort
von Mosche Sonn – das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -. Der
Ort gehörte zum Rabbinate Burgpreppach und hatte nie eine größere Kehilla
(= jüdische Gemeinde; Anm. 1 von A. Mannheimer: etwa 40 aufgelöste
Dorfgemeinden und an die 20 eingegangene Rabbinate Bayerns sind seit jenen Tagen
festzustellen). Es gab auf dem Lande allerwärts damals noch Lernkundige, ja Lamdanim
(große Gelehrte von umfassendem Wissen, insbesondere auf talmudischem Gebiet), die in den Gemeinden Autorität besaßen und deren Ruf und Ruhm
nach außen günstig beeinflussten, der Name Reb Mosche Sonn war von besonderem
Rang und Klang. Der Geist der Tora lag im Blut. Mosche Sonn
erblickte 1789 das Licht der Welt als Sohn des Mehorar (= unseres
Lehrers und Meisters) Abraham Sonn – das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen. Auch dessen Vater, Reb Chaim, war Morenu
Raw (= unser Lehrer, der Meister; Anm. 2 von A. Mannheimer: beide ruhen auf
dem altehrwürdigen beit chajim –
Friedhof in Kleinsteinach (Unterfranken) wo bekanntlich auch der Nachlat
schewia begraben liegt. So war blutsmäßig Tora
und Gottesfurcht in der Familie bis gegen das Jahr 1700 nachweisbar. Die
Knaben- und Jünglingsjahre Mosche Sonns fielen in eine Zeit, die kaum stürmischer
hätte sein können. 1789 hatte die große französische Revolution ihre Ideale
in dem gewaltigen Kampfruf 'Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit' unter die
Menschheit hinausposaunt. Europa ward erschüttert. Krieg folgte auf Krieg. Völkerbündnisse
auf Völkerbündnisse. Friedenschlüsse auf Friedensschlüsse. Neue Kämpfe!
Napoleons Stern steigt. Ganz Europa liegt ihm zu Füßen. Der Rheinbund. Der
russische Feldzug 1812. Deutscher Befreiungskrieg 1813. Wiener Kongress 1815 zur
Neuordnung Europas. Fürwahr, alles Dinge, die einen Jüngling stürmisch hinreißen
könnten in den Strudel der Politik. Doch der junge Mosche 'lernte'. Zunächst
im Vaterhause in Schweinshaupten. Sodann in Burgpreppach, wo unter Mehorar
(unserem Lehrer und Meister) Jaakow Schmuel seligen Angedenkens,
dem Sohne von Simon Schwabach seligen Angedenkens aus Fürth eine kleine Jeschiwa
blühte. Bis zum 18. Lebensjahre lernte der junge Mosche dort Tag und
Nacht, bis er 1806 Burgpreppach verließ, um die Jeschiwa in Frankfurt am
Main zu beziehen. Der im gleichen Jahre erfolgte Heimgang des Vaters mag auch
mit dazu beigetragen haben, Frankfurt aufzusuchen. Die Mutter – Särle – führte
das kleine Hauswesen als Witwe weiter, bis sie im März ... (Jahreszahl unklar,
1928 kann nicht sein) im Alter von 85 Jahren das Zeitliche segnete. Beim Weggang
von Burgpreppach erteilte Reb Jaakow Schmuel dem 18jährigen Talmid
(Gelehrten) unter schmeichelhaften Worten die Chower und rühmte in dem
Diplom den immensen Fleiß und die tiefen Kenntnisse, die sein lieber Schüler
sich angeeignet. Damals gab es noch keine Bahnen. Mosche Sonn musste zu Fuß den
langen, nicht ungefährlichen Weg nach Frankfurt zurücklegen. Doch der Heißhunger
nach Torakenntnissen ließ alle Strapazen überstehen. Nahezu 6 Jahre lernte Mosche
in der Jeschiwa unter Reb Hirsch Hurwitz – das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen. Tag und Nacht oblag er dem Torastudium und zwar mit
dem Erfolge, dass ein Lehrer in dem am 23. Tamus (1813) ausgestellten Chawer-Diplom
bemerkte, Mosche Sonn sei ... fähig, rabbinische Entscheidungen zu treffen. Es
wird insbesondere noch sein Scharfsinn hervorgehoben und seine Belesenheit. Es
folgen mehrzeilige hebräische Ausführungen seiner Kenntnisse.
|
Dass der Scharfsinn eine besondere Seite seiner geistigen Veranlagung gewesen,
beweist die Tatsache, dass Mosche Sonn ein vorzüglicher Mathematiker war und
diese nicht jedem gegebene Fähigkeit zur Anfertigung eines Luach
(Kalender) verwendete, in dem der nichtjüdische Kalender dem unsrigen
vergleichend gegenüber gestellt ist und die Zusammenstellung bis fast in die
Gegenwart reicht. Noch im hohen Alter machte es ihm Spaß, sich an der Lösung
mathematischer Aufgaben zu versuchen, welche die Enkel von der Mittelschule nach
Hause brachten. Auf gleicher Linie liegt auch sein Versuch, in scharfen
etymologischen Untersuchungen den genauen Begriff und Sinn hebräischer Worte
und Ausdrucksformen festzustellen. – Doch nicht nur mathematische Kenntnisse
eignete sich der junge Mosche Sonn in Frankfurt neben seiner Torakenntnis an. Er
lernte auch Französisch und verstand es, sich in dieser Sprache zu unterhalten.
So verkörperte der strebsame Jüngling in seiner Person das alte Prinzip Tora
im Derech äräz (=Tora mit dem irdischen Weg): Vermählung weltlicher
Kenntnisse mit Torageist und Torawissen. Ob Mosche Sinn nach seiner Weggang von
Frankfurt auch noch die Jeschiwa zu Mainz bezog, ist nicht mit Sicherheit
erwiesen.
Etwa 1820 vermählte sich Mosche mit Särle Schloß, einer ihm gleich gesinnten
und gleich strebenden Gattin. Das bekannte, schmähliche und unselige
Matrikelgesetz Bayerns (Anm. 3 von A. Mannheimer: Nach diesem 'Matrikelgesetz' durfte in Bayern ein Jude erst dann heiraten, wenn zuvor
ein anderer im Orte mit Tod abgegangen war. Brautstände von 5-8 Jahren waren
damals keine Seltenheit) mag schuld gewesen sein, dass Reb Mosche erst mit 30
Jahren in den Ehestand trat. Vom Vater her übernahm er die bisher betriebene
Landwirtschaft und einen kleinen Kramladen, den die hochbetagte Mutter bisher
– wohl mit Beihilfe ihres andern Sohnes Chajim – besorgt hatte. Mosche Sonn
wurde seines Kolonialwarengeschäftes halber kurz oft der 'Zuckermosche'
genannt. Äußerste Sparsamkeit waltete im Hause. Jeder Heller wurde gespart.
Das Bier braute man selbst. Die Schabbatbrote, die 'Berches' buk man aus
dunklem Mehl. Die Familie, welche nach und nach auf sieben Köpfe angewachsen
war, musste in ihren Gebräuchen dementsprechend wirtschaften. Dennoch war jedes
Kind – vier Jungen und eine Tochter – den Eltern ein Augapfel (Anm. 4 von A.
Mannheimer: Ein äußerst begabter Junge namens Chajim war zum großen Leidwesen
der Eltern in frühern Jahren dahingegangen). Es erübrigt sich, darauf
hinzuweisen, welch jüdischer Geist in der altfrommen Prägung jener Tage im
Hause waltete. Jede freie Minute widmete Mosche dem Torastudium, ob Tag ob
Nacht. Die Zeitgenossen und späteren Geschlechter erzählten, man habe Reb
Mosche auf dem Felde, draußen bei landwirtschaftlichen Arbeiten mit dem Sefer
(Buch) in der Hand getroffen. Als das Rabbinat Burgpreppach in jener Zeit länger
verwaist gewesen, hatte Reb Mosche stellvertretenden Auftrag. Auch da kam man
oft zu ihm hinaus auf den Acker mit dieser oder jener Frage. – Am 10.
Nissan 5603 (1843) wandte sich das Rabbinat Burgpreppach mit folgendem Erlass an
die Kultusgemeinde in Schweinshaupten:
'Gelobt sei der Name des Herrn!
Dem würdigen Rabbi Mosche Sonn zu Schweinshaupten, der während der langen
Zeit, in welcher das Rabbinat dahier unbesetzt war, in würdiger Weise
kasuistische Fälle entschied, in talmudischer Hinsicht ausgezeichnete
Kenntnisse besitzt, erteile ich hiermit den ehrenden Titel 'Morenu Raw',
welcher Titel ihm bei allen wichtigen Angelegenheiten, namentlich beim Aufrufen
zur Tora, beim Mischeberach und sonstigen besonderen Vorgängen in der
Synagoge zuteil werden muss.
Nur ein mir gemachter Grundsatz, keine wirkliche Morenu auszustellen, veranlasst
mich, diesem in der Tat ganz würdigen Herrn Mosche Sonn zur Zeit nur den Titel
Morenu zu erteilen.
|
Hiervon ist der Vorsänger zur pünktlichsten Darnachachtung in Kenntnis zu
setzen.
So spricht zur Ehre der heiligen Tora und ihrer Beflissenen
Burgpreppach am 10. Nissan, im Jahre der Welt 5603.
gezeichnet Abraham Adler, Distrikts-Rabbiner.' (Siegel)
Während nach moderner Auffassung mit der Hattarat Horaa, der
Autorisierung zu rabbinischen Entscheidungen, stillschweigend der Morenu-Titel
verknüpft ist, war man in jenen Tagen zurückhaltender in Verleihung dieser Würde.
Die formelle Auszeichnung von Masche Sonn mit dem Morenu-Diplom seitens des
Rabbinats war somit ein Akt besonderer Wertschätzung und Vertrauensbekundung.
Wir haben oben darauf hingewiesen, wie die Kindes- und Jünglingsjahre Mosche
Sonns in die stürmische Periode der großen französischen Revolution und ihrer
politischen Wirren fielen. Nach unseren obigen Darlegungen über die sozialen
Beschränkungen und politischen Ausnahmestellungen der damaligen Juden Bayerns
ist es begreiflich, wie schwer das wirtschaftliche Ringen auch für die Familie
Reb Mosches sein musste. Um so bezeichnender für die Wertschätzung des
Letzteren ist die Tatsache, dass die politische Gemeinde Schweinshaupten
ihn während der Zeit von 1825-1834 und später noch einmal von 1840-46 mit der
Führung der standesamtlichen Register betraute. Im Jahre 1859 wählte ihn die
Gemeindeverwaltung zu ihrem Mitgliede und zugleich in den 'Pflegschaftsrat'.
An äußeren Ehrungen seitens der christlichen Mitbürger fehlte es also Reb
Mosche nicht.
Doch darin sah der Fromme wahrlich seine Lebensaufgabe nicht. Im Lernen der Tora
mit dem Ziel der Gottesfurcht und dem Hochhalten der Gebote im weitesten Umfange
und im ernstesten altjüdischen Sinne blieb ihm Hochziel seines Lebens und
Strebens. Darin setzte er seine ganze Kraft und Willensstärke. Trotz der
Ungunst der Zeitverhältnisse, trotz der bescheidenen Mittel im häuslichen
Kreise, setzte er das Letzte dran, die vier Söhne zu Gelehrten
heranzubilden, teilweise in dem kleinen Zell bei
Würzburg, wo der Geist von Reb 'Mendel-Zell' – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen -, und
dessen Sohn Reb Jona Rosenbaum – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen
- einen Ort der Tora
und der Heiligung geschaffen hatten, in engem und stetem Konnex mit dem Zell
benachbarten Würzburg und Höchberg, wo der
'alte Würzburger Raw', Rabbi
Seligmann Bär Bamberger – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen, und
Reb Losor Ottensosser – das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen, wirkten
und ihre Lehrerbildungsanstalten begründeten, um dem damals gewaltsam vorstürmenden
Reformjudentum einen festen Damm entgegenzusetzen. In seiner solchen Sphäre
aufgewachsen, wurden die Söhne tüchtige Lehrer beziehungsweise Kultusbeamten
in jüdischen Gemeinden, zum Teil Großgemeinden. Eigen war allen Söhnen eine
klangvolle Stimme, verbunden mit scharfer Artikulation der Aussprache, ebenso
die hübsche Handschrift des Vaters. Mehrere Söhne waren auch mit Vorliebe
gesuchte Beschneider und der jüngste übte neben dem Lehrberufe auch die
himmlische Arbeit eines Toraschreibers aus. Auch die einzige Tochter ward mit
einem Lehrer und weithin bekannten Talmid chacham (Gelehrten) vermählt.
So war Reb Mosches Lebenswerk harmonisch abgeschlossen und in zahlreichen Enkeln
und Urenkeln, die gleichfalls dem Lehrberufe sich widmeten und mit bekannten
Rabbinerdynastien der deutsch-jüdischen Orthodoxie in verwandtschaftliche
Beziehungen traten, lebt sein Name segensvoll weiter.
Dem Mannesalter entsprachen die Jahre des zum Lebensende schreitenden Greises.
Nachdem ihm 1849 die treue Gattin und Lebensgefährtin entrissen wurde, siedelte
er mit seinem Sohn Nathan – seligen Angedenkens -, der zum Kultusbeamten nach
Mönchsdeggingen bei Nördlingen berufen worden war, nach diesem Orte über.
Dort blühte einst eine stattliche jüdische Gemeinde mit eigener Volksschule
und hübscher Synagoge. Heute wohnt leider keine jüdische Familie mehr
dortselbst: Reb Mosche verbrachte dort die letzten 14 Jahre seines Lebens mit 'Lernen' und
'Lernen. Aus hinterlassenen Schriften mit herrlichen Erklärungen
zu Tora, aus Midrasch und Talmud leuchtet sein tiefes und umfangreiches Wissen.
Bis zur letzten Stunde sich sein heiliger Mund nicht vom Toraworte; an seinem
Sterbebette saßen die Söhne lernend. Ein Verzeichnis seiner Bücher hatte er
vorsorglich bei Lebzeiten angelegt nebst einem Verteilungsplan für die erbenden
Söhne, ebenso spezielle Vorschriften und Anordnungen für seine Beerdigung. Am
1. Tag des Monats Kislew 5636 (1876) hauchte er nach kurzem Krankenlager seine
reine Seele aus. Ein bescheidener Grabstein, wie er ihn in seinem schlichten
Sinne gewünscht hatte, mit nur knapper Angabe des Namens und Sterbetages,
bezeichnet die letzte Ruhestätte des Rastlosen. Im einsamen Friedhof (Beit
Chajim) des stillen Dorfes Mönchsdeggingen schlummert Reb Mosche Sonn –
das Gedenken an der Gerechten ist zum Segen – dem großen Auferstehungsmorgen
entgegen. |
Zum Tod von Rabbiner Moses Sonn aus Schweinshaupten (gest.
1875 in Mönchsdeggingen)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Februar 1876:
"Aus Bayern, 18. Februar. Am 1. Kislew (29. November 1875) hat
in der Gemeinde Mönchsdeggingen
bei Nördlingen ein edler Greis, Herr Moses Sonn - unser Lehrer und
unser Meister, der Herr Mosche (= Rabbiner) - nach kurzem Krankenlager
seine irdische Laufbahn beschlossen. Er hat es wohl verdient, in diesem
geschätzten Blatte einen Nachruf zu erhalten.
Herr Moses Sonn war geboren zu Schweinshaupten in Unterfranken; er widmete
sich schon in jungen Jahren dem Torastudium; da er bei sehr großen
Anlagen einen regen Eifer betätigte, so haben die Eltern kein Opfer
gescheut, den Geist ihres begabten Sohnes ausbilden zu lassen. Er besuchte
die Jeschiwot (Talmudschulen) zu Frankfurt am Main und Mainz mit
großem Erfolge. Er wollte aber aus der Tora keinen Lebensunterhalt
(frei übersetzt) machen, er wollte keinen materiellen Gewinn
daraus ziehen! er machte sich in seinem Geburtsorte ansässig und betrieb
dort mit allem Fleiße den Feldbau. Alle freien Stunden aber widmete er
dem Selbststudium sowohl als auch dem Unterrichte nicht nur seiner eigenen
Kinder (er hatte vier Söhne und eine Tochter), sondern auch strebsamer,
fremder Jünglinge. Wenn es sich bestätigt, dass man an den Früchten den
Baum erkennt, so war es hier der Fall. Seine Söhne hat er in der Tora
unterrichtet und zur echten Gottesfurcht erzogen, so wie er auch für
seine einzige Tochter einen unterrichteten und gottesfürchtigen Gatten
gesucht und gefunden hat. Da seine Frau schon vor 25 Jahren das Zeitliche
gesegnet hatte, so übergab er seinem Sohne Nathan Sonn sein Anwesen und
lebte in dessen Familie geliebt und hoch geehrt. Von dieser Zeit an aber
widmete er seine ganze Zeit dem Torastudium und den frommen Werken. Vor 14
Jahren siedelte er mit diesem Sohne nach Mönchsdeggingen über, da
letzterer in dortiger Gemeinde die Vorbeter und Schochet Stelle
übernommen hatte. Auch dort ist er unermüdet vom Morgen bis zum später
Abend dem Talmudstudium obgelegen, dabei war er auch in profanen
Wissenschaften, in Mathematik und Sprachen wohl bewandert, und verfolgte
er auch bis zum hohen Alter, er erreichte das 80. Lebensjahr mit lebhaftem
Interesse die Weltbegebenheiten, sodass er in Wahrheit Tora mit respektvollem
Umgang aufs Schönste und Innigste vereinte. Durch sein bescheidenes,
anspruchsloses Wesen, sowie durch seine Nächstenliebe und Leutseligkeit,
hat er überall die Herzen sich gewonnen und wurde ihm Liebe und Achtung
in reichem Maße erwiesen, sodass sein Scheiden allseitig die
schmerzlichste Teilnahme gefunden hat. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens. St." |
Zum Tod des Rabbi Seligmann Sonn (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Februar 1892:
"Würzburg, im Februar. Wenn der Midrasch anfangs vorwöchentlicher
Sidra die göttliche Vorsehung den Tod der Stammväter mit den
Worten beklagen lässt (hebräisch und deutsch): 'Wehe, dass sie dahin
sind und nicht mehr gegenwärtig, ich habe ihren Tod zu beklagen,' so mag
uns dies lehren, dass auch wir angesichts des Hinscheidens eines Frommen
in diese Klage ausbrechen, zumal wenn wir auch in ihm einen Glaubenshelden
erkannten, den das Gottvertrauen nicht verließ, wenn es auch gewaltig um
ihn stürmte, wenn auch schwere Prüfungen ihn heimsuchten.
Es ist Rabbi Seligmann Sonn - seligen Andenkens - Schächter und
, der am vergangenen Schabbatausgang nach
langem, schwerem Leiden aus dem irdischen Dasein schied und dem unsere
Klage gilt. Der Sohn frommer Eltern, ein Gerechter und Sohn eine
Gerechten aus dem unterfränkischen Orte Schweinshaupten,
woselbst so mancher Große in der Tora lebte und lehrte, ward er
schon frühzeitig dem Tora-Studium zugeführt und zeigte sich bei
ihm der klare Verstand, der Forschungstriebe und eine Liebe zur Tora; er
besuchte die Jeschiwa in Schwabach und dem Großen in Israel Rab
Abraham Wechsler seligen Andenkens, dann die hiesige Jeschiwa
(sc. in Würzburg) unter dem großen Gelehrten Bär Bamberger. Er
übernahm hierauf die Lehrerstelle in Steinach a.J., woselbst er sich
häuslich niederließ und mit einer Frau verband, die an Frömmigkeit und
edlen Taten mit ihm wetteiferte. Doch nicht lange sollte er sich des
vollen Glückes freuen. Schon in den ersten Jahren seiner Verheiratung
befiel ihn eine Krankheit, die den Todesheim in das junge Leben senkte und
ihn zeitlebens zum leidenden Menschen machte. Sie zwang ihn dem Lehrberufe
mehr zu entsagen und er nahm deshalb eine leichtere Stelle in der noch
jungen Gemeinde Kitzingen an. Mit der Gründung der orthodoxen Gemeinde in
Berlin wurde ein als Schächter und Fleischbeschauer dorthin
berufen. Da traf ihn der Schläge herbster, die geliebte Gattin, die
zärtliche Mutter einer noch unerzogenen Kinderschar wurde ihm durch den
Tod entrissen. Mit staunenswertem Heroismus ertrug er des Schicksals
Härte, es konnte ihn nicht beugen, ihn in seinem Gottvertrauen nicht
schwankend machen. Doch sehnte er sich nach einem vertrauten Ort und
er fand hierzu eine willkommene Gelegenheit in der Berufung hierher (sc.
nach Würzburg) als zweiter Schächter und Fleischbeschauer.
Theoretische und praktische Gewandtheit, sowie die strengste
Gewissenhaftigkeit zeichneten ihn in seinem heiligen Amte aus und mit
gleicher Gewissenhaftigkeit übertrug er diese unerlässlichen
Facheigenschaften seinen zahlreichen Schülern. Welchen starken Willen
musste der Mann haben, der sicher nie ganz ohne Schmerzen gewesen, ein so
schwieriges Amt mit solcher Pünktlichkeit und Gewandtheit auszuführen.
Er hielt hierin aus, bis ihn die nötige Kraft und Fähigkeit verließ,
bis zu dem alten leiden ein neues sich gesellte, das seine Qualen
vermehrte und seine Kraft lähmte. Da trat endlich ein Schlaganfall ein,
der nach wenigen Tagen allen leiden, aber auch einem reinen,
gottgefälligen Leben ein Ende machte. Die Teilnahme war eine allgemeine
und gab sich während der letzten Tage und beim Leichenbegängnisse im
hohen Grade kund. Derselben gaben auch im Sterbehause Herr Seminarlehrer
Dr. Tachauer als Verwandter und der Schwiegersohn Herr Lehrer Spier -
Schenklengsfeld sowie Herr Rabbiner Bamberger auf dem Friedhofe den
beredtesten Ausdruck." |
Zum Tod
des Lehrers Jakob Sonn (1840-1932), Sohn des Mosche Sonn aus Schweinshaupten
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. Februar 1932: "Würzburg, 8. Februar 1932 Ein imposantes Trauergefolge
bewegte sich jüngst von hieraus nach dem altjüdischen Friedhof des
nahegelegenen Höchberg. Galt es doch die irdischen Überreste des allbeliebten
Lehrers Jakob Sonn zur letzten Ruhe zu bestatten. Der Verblichene erreichte ein
Alter von 92 Jahren, und dürfte somit der Nestor aller bayerischen und wohl
auch deutschen Lehrer gewesen sein. Ein wahrer Zaddik (Gerechter) ist mit ihm
zur Ruhe gegangen. Geboren war derselbe in dem kleinen unterfränkischen Dorfe Schweinshaupten, als Sohn des weitbekannten Rabbi Mosche Sonn –
das Gedenken
an den Gerechten ist zum Segen -. Letzterer, seines Zeichens ein Ökonom, war
vor mehr als 100 Jahren zu Fuß nach Frankfurt gewandert – Bahnen gab es
damals noch nicht – um die Jeschiwo zu besuchen. Von bedeutenden Rabbinen
Unterfrankens mit dem Morenu-Titel ausgezeichnet, wurde dieser Ökonom später
sogar Vertreter des Rabbinatsbezirkes Burgpreppach. Vier Söhne führte er dem
Lehrberufe beziehungsweise Kultusamte zu, und auch die einzige Tochter heiratete
einen Lehrer. In solchem Milieu wuchs der Verblichene heran, absolvierte 1867
das Israelitische Lehrerseminar des unvergesslichen großen Seligmann Baer
Bamberger – das Gedenken des Gerechten und Heiligen ist zum Segen –
in Würzburg, lernte auch in Zell am Main bei Reb Elijo Refoel – seligen
Angedenkens – und Reb Jone Rosenbaum – seligen Angedenkens -. Von
Rabbiner Seligmann Baer Bamberger bekam er schon in jungen Jahren den
Chower-Titel verliehen. Er wirkte segensreich bis 1883 in Mainstockheim und dann
bis 1905 in Theilheim. Ein schweres Augenleiden zwang ihn leider, seinen Dienst
aufzugeben, und schon in Theilheim nahm er seinen Sohn Abraham Sonn, zur Zeit
Lehrer in Fulda, als Assistent zu sich. Sein Wirken als Lehrer, Chason und
Schochet ist in den Gemeinden bis heute noch nicht vergessen. Seinem sinnvollen
Vortrag der Gebete lauschte man voll Ergriffenheit und Andacht, zumal ihn eine
klangvolle Stimme dabei unterstützte. Seit 1905 lebte er in Würzburg bei
seinem Schwiegersohn Jakob Kohn, der im Vereine mit seiner Frau, der Tochter des
Hinterbliebenen, in wirklich aufopfernder Weise ihm den Lebensabend so angenehm
als nur möglich gestaltete. So ertrug er das schwere Schicksal des Verlustes
seines Augenlichtes in jüdisch-heroischer Art. Er lebte in der lichten Welt der
Tora und der Mizwaus (Gebote), lernte mit Kindern und Enkeln täglich und stündlich,
ließ sich bis in die letzten Jahre noch täglich zur Synagoge führen, sich
Tehillim vorsagen, und gab gerne aus dem Schatze seines großen Wissens anderen,
die ihn besuchten. Sein freundliches Wesen zog stets einen großen Kreis von
Bekannten in seine Nähe. So ist es nicht zu verwundern, dass die Beerdigung
sich zu einer ungewöhnlichen Trauerkundgebung gestaltete. Im Sterbehause
sprachen zunächst die beiden Söhne, David Sonn, Lehrer, Würzburg, Abraham
Sonn, Lehrer in Fulda, tiefempfundene Worte des Schmerzes. Auf dem Friedhof in Höchberg
nahm zunächst Herr Rabbiner Dr. Hannover, Würzburg das Wort, um im Anschluss
an einen Midrasch das Leben und Wirken dieses frommen Lehrers zu schildern.
Hierauf nahm der dritte Sohn des Heimgegangenen, Hauptlehrer Moses Sonn,
Buttenwiesen, Abschied vom teuren Vater.
Studiendirektor Stoll, Würzburg,
widmete dem Heimgegangenen einen Nachruf als Vertreter des jüdischen
Lehrervereins in Bayern. Rührende Worte der Trauer und des Schmerzes fand auch
der Enkel des Verblichenen, Herr Krankenhausverwalter Moses Sonn, Würzburg. Im
Namen eines engeren und weiteren Verwandtenkreises widmete Hauptlehrer
Mannheimer, Dettelbach, dem Unvergesslichen einen Gruß. Durch alle Reden
zitterte des Schmerz um den Heimgang des seltenen Menschen und Jehudi.
– sein Verdienst möge uns schützen -." |
Biographische Angaben zu weiteren Vertretern der
Familie Sonn, insbesondere zu den Familie von David Sonn (1871-1939), Jakob Sonn
(1840-1932, s.o.), Moses Sonn (1902-1977) und Hermann/Naftali Sonn (1912- )
siehe bei Reiner Strätz: Biographisches Handbuch der Würzburger Juden
1900-1945 Bd. 2 S. 568-569.
Familiengeschichtliche Blätter / genealogische
Zusammenstellungen:
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge wurde 1750
erstellt. Im Synagogengebäude befanden sich auch die Lehrerwohnung und das
Schulzimmer. In der Synagoge wurden alte Torawimpel von 1688 und 1698, ein
Chanukka-Leuchter von 1765 und ein bis heute erhalten gebliebenes
Totengedenkbuch der Gemeinde aufbewahrt.
1935 konnte die jüdische Gemeinde die Archivalien der Gemeinde (u.a. das
Gemeindeprotokoll von 1748 und das Totengedenkbuch) dem Verband der Bayrischen
Israelitischen Gemeinden in München übergeben. Sie kamen später in die
Central Archives nach Jerusalem.
Anfang 1938 wurde das Synagogengebäude weit unter Preis verkauft und
noch vor oder kurz nach 1945 abgebrochen. Das Grundstück wurde zu einem
Gartengrundstück.
Eine Gedenktafel befindet sich unterhalb des Friedhofes mit der
Inschrift: "In Schweinshaupten bestand bis 1935 eine jüdische
Kultusgemeinde. Zur Erinnerung und Mahnung".
Adresse/Standort der Synagoge: nach Recherchen von
Elisabeth Böhrer befand sich die Synagoge - nach derzeitigem Stand auch die
jüdische Schule - auf dem heutigen Grundstück mit der Straßenbezeichnung
Schweinshaupten Nr. 2 und ist teilweise überbaut.
Fotos
Es sind noch keine
Fotos zur jüdischen Geschichte in Schweinshaupten vorhanden. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 402-403. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 112. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 571-572.
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| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 158-159. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Schweinshaupten Lower
Franconia. The Jewish settlement commenced no later than the first half of the
18th century and reached a population of 200 (total 715) in 1837, declining to
13 in 1933. The synagogue was sold in 1937. Six emigrated (five to the United
States) and five left for other German cities by 1940.
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