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Arthur Moeller van den Bruck gehört zu den schillerndsten Gestalten der sogenannten „Konservativen Revolution“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Spätestens mit seiner bekanntesten Schrift, „Das dritte Reich“, wurde er über seinen frühen Tod hinaus bekannt. Er war aber nicht nur politischer Publizist, sondern auch Kulturjournalist und Stiltheoretiker.
Arthur Moeller wurde am 23.4.1876 in Solingen in ein bürgerlich evangelisches Elternhaus hineingeboren. Der Vater Ottomar Moeller (1836–1895) war Baurat in Düsseldorf, die Mutter Elisabeth van den Bruck (1848–1897), Tochter eines Baurats vom Niederrhein. Die Familie war evangelisch. Über seine frühe Zeit ist wenig bekannt, viele Informationen entstammen der postumen Legendenbildung seiner Weggefährten. Arthur Moeller besuchte das Gymnasium in Düsseldorf, verließ die Schule aber ohne Abschluss. Bereits in seiner Schulzeit soll er mit einem Aufsatz über moderne Malerei derartig Aufsehen und Anstoß erregt haben, dass man ihn der Schule verwies. Briefe seines Vaters deuten dagegen eher auf schlechte schulische Leistungen hin. Nach der Düsseldorfer Zeit besuchte er für kurze Zeit ein Gymnasium in Erfurt und ging dann zum Studium nach Leipzig. Ein wirkliches Studium nahm er dort nicht auf, hörte aber verschiedene Vorlesungen und knüpfte erste Kontakte zu Literaten. 1898 zog er weiter nach Berlin, wo er trotz seines jungen Alters seine erste Ehefrau, Hedda Maase, heiratete. Die Ehe, aus der ein Sohn hervorging, bestand bis 1904. Arthur Moeller ging 1908 eine zweite Ehe mit Lucie Kaerrick (geboren 1877) ein.
In Berlin verkehrte Moeller im Umfeld des Friedrichshagener Dichterkreises. Er begann, sich als freier Literaturkritiker zu profilieren. Dabei widmete er sich bereits Themen, die für sein gesamtes Werk prägend sein würden: Stil und Nation.
1902 verließ Moeller Berlin und emigrierte nach Paris. Paul Fechter (1880–1958), der bereits 1936 in dem biographischen Sammelwerk „Die großen Deutschen“ eine Porträtskizze Moellers veröffentlichte, erklärte dessen Schritt, Deutschland zu verlassen, mit seiner rheinischen Natur, die es in Berlin nicht ausgehalten habe. Wahrscheinlicher ist aber, dass er vor dem Dienst im preußischen Militär floh. In Paris lernte Moeller Lucie und ihre Schwester Less Kaerrick (1886–1966) kennen. Über sie kam er mit dem Dichter Dimitri Mereschkowski (1865–1941) in Kontakt. Mit ihm gab er ab 1906 die erste deutsche Gesamtausgabe der Werke Dostojewskis im Münchener Piper-Verlag heraus, 1919 lagen alle 22 Bände vor. Die Übersetzung besorgte Less Kaerrick unter dem Pseudonym E. K. Rashin. Moeller qualifizierte sich weniger durch seine Kenntnis der russischen Literatur, als seine Faszination dafür -die Beschäftigung mit Distojewski war in dieser Zeit Ausweis einer kulturkritischen Haltung.
In der französischen Hauptstadt entwickelte sich Moeller endgültig zum nationalistischen Publizisten. Dort begann er auch mit der Arbeit an seiner achtbändigen Kulturgeschichte „Die Deutschen. Unsere Menschheitsgeschichte“. Mit diesem nationalpädagogisch angelegten Werk beabsichtigte Moeller, aus der von ihm beschriebenen deutschen Kulturgeschichte eine genuin deutsche Weltsicht abzuleiten. Die Suche nach einer eigenen deutschen Geistesgeschichte, auf der sich ein „Deutscher Geist“ aufbauen ließe, war ein virulenter Diskurs der Zeit. Noch 1927 widmete sich Hugo von Hoffmannsthal (1874–1929) in seiner Rede „Das Schrifttum als geistiger Raum der Nation“ diesen Fragen. Moeller rechnete, wie viele seiner Zeitgenossen, mit einem großen bewaffneten Konflikt. Dieser Konflikt war für ihn auch ein kultureller: Mit seinem Werk wollte er Deutschland für diesen Kampf rüsten.
1907, nach einer Italienreise, kehrte Arthur Moeller van den Bruck, wie er sich ab 1905 selbst nannte – er fügte seinem Namen den Mädchennamen seiner Mutter hinzu – nach Deutschland zurück. Der Wunsch nach einem klangvolleren Namen, so interpretiert Fritz Stern (1926–2016) die Namensänderung, deutet den neuen Anspruch Moellers an. Er sah sich mehr und mehr als Figur auf der Weltbühne, als deutscher Nationalpädagoge. Wohl mit Hilfe seiner „deutschen Menschheitsgeschichte“ konnte er die preußischen Militärbehörden von seiner patriotischen Gesinnung überzeugen, jedenfalls galt er fortan nicht mehr als Fahnenflüchtiger. Zurück in Deutschland trat er seinen Militärdienst an, wurde aber alsbald davon freigestellt. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs unternahm Moeller verschiedene Reisen und verfasste weitere, teils groß bemessene Werke, darunter auch „Die italienische Schönheit“.
Schon zu diesem Zeitpunkt postulierte er, in der Betrachtung der Welt und ihrer Geschichte sei dem Gefühl gegenüber dem Fakt Vorrang zu gewähren, entsprechend dieser Haltung trieb er sein Großprojekt voran, „Die Werte der Völker“ zu beschreiben. Dazu entwickelte er vor allem aus stilgeschichtlichen Merkmalen Zuschreibungen, anhand derer er „die Völker“ bewertete. Daraus leitete er auch seine Unterscheidung zwischen „alten Völkern“ und „jungen Völkern“ ab, die er im Wesentlichen an der gestalterischen Schöpfungskraft festmachte, die er bei ihnen feststellte. Den Attributen „jung“ und „alt“ schrieb Moeller insofern Handlungsmacht zu, als er davon den jeweiligen Geltungsanspruch der Nationen für die kommende Zeit abhängig machte. „Junge Völker“, darunter besonders Deutschland, hätten den Höhepunkt ihrer Entwicklung noch vor sich, während „alte Völker“, zum Beispiel Großbritannien und Frankreich, ihren Zenit bereits überschritten hätten.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Moeller auf einer Reise durch Skandinavien. Die Entwicklungen im Sommer 1914 müssen ihn begeistert haben, beklagte er sich doch oft über die verfahrene Situation Deutschlands im trägen Wilhelminismus und die Verfassung Europas insgesamt. Das Ende dieser Zeit sah 1914 nicht nur er gekommen. Nach kurzem Dienst als Landsturmmann an der Ostfront wechselte Moeller in die neugegründete Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung. Diese Propagandastelle hatte zum Ziel, die Presse und damit die öffentliche Meinung der Kriegsgegner zu beeinflussen. Das stimmte indirekt auch mit Moellers Ziel überein, Deutschland zu einer weltgeltenden Kulturmacht zu erziehen. Zurück in Berlin begann Moeller mit der Arbeit am „Preußischen Stil“, veröffentlicht 1916, mit der er sich nach dem kulturellen nun immer stärker dem politischen Nationalismus zuwandte. Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg stellte für ihn einerseits einen Bruch mit dem alten, überkommenen Wilhelminismus dar. Andererseits - daran sieht man, welchen Geltungsanspruch er seinen Ansichten beimaß - ging er aber wie selbstverständlich von Deutschland als „jungem Volk“ aus, wovon er dessen Rechte für die kommenden Friedensverhandlungen ablas. Nach anfänglichem Optimismus über die militärischen Chancen Deutschlands änderte Moeller seine Linie in Richtung eines für Deutschland vorteilhaften Friedensvertrags.
1919 publizierte er in diesem Geiste und in der argumentativen Absicht, einen für Deutschland guten Friedensvertrag herbeizuführen, die Schrift „Das Recht der jungen Völker“. Moeller ging davon aus, dass der amerikanische Präsident Woodrow Wilson (1856–1924, Präsident 1913–1921) bei den Friedensverhandlungen die Rechte der „jungen Völker“ vertreten werde, zu denen er die USA, Russland und Deutschland zählte. Während in ihm die Unterscheidung zwischen „alt“ und „jung“ zur Deutung des Krieges insgesamt heranwuchs, entwickelten sich die Verhandlungen nicht dementsprechend, und Deutschland wurden in Versailles alles andere als wohlgesonnene Friedensbedingungen auferlegt.
In den folgenden Jahren wurde Moeller eine zentrale Figur der jungkonservativen Opposition gegen die Weimarer Republik, die sich auch und gerade im Protest gegen den Frieden von Versailles einte und die repräsentative Parteiendemokratie bekämpfte. Der Begriff der Jugend, wie ihn Moeller verstand, nicht als Lebensalter, sondern als Geisteshaltung, wurde zum zentralen Begriff, was sich in Bezeichnungen wie „Jungkonservatismus“ niederschlägt. Die Kerngruppe der jungkonservativen „Ring-Bewegung“, in der Moeller hoch aktiv war, wurde der 1919 von Heinrich von Gleichen-Rußwurm (1882–1959) gegründete „Juni-Klub“ in der Berliner Motzstraße. Ebenfalls 1919 erschien zum ersten Mal die Zeitschrift „Gewissen“, das publizistische Organ der Ring-Bewegung, in dem Moeller eine wichtige Rolle spielte.
In seiner Kritik an Liberalismus und Demokratie bildete Moeller Typen, wie schon in seinen stilgeschichtlichen Traktaten. Er polemisierte gegen den „liberalen Menschen“ um den Liberalismus selbst zu diskreditieren. Gleichzeitig kritisierte er aber auch, dass die Verantwortlichen des Kaiserreichs nun, in der Weimarer Republik, wieder an der Macht waren, sich also überwunden geglaubte Strukturen fortsetzten. Diese Riege stünde einem Generationswechsel zu „jungen“ Deutschen im Wege. Insgesamt hatte Moeller die völkische Vorstellung einer deutschen Nation, die ihre Einheit und damit ihre Stärke durch die Abschaffung des Liberalismus und der repräsentativen Demokratie erreiche. Das Volk solle kein Staatsvolk, sondern eine Schicksalsgemeinschaft sein – ein Ideal, welches sich seinerzeit großer Beliebtheit erfreute. Basis dieser metaphysisch begriffenen Schicksalsgemeinschaft war für Moeller die Kultur, worin die Verbindung zu seinen früheren kulturtheoretischen Schriften liegt.
1923 veröffentlichte Moeller „Das dritte Reich“. Mit dem Titel stellte er sich in die Tradition der wieder vor allem mythisch bedeutenden Reiche-Zählung. Für ihn war das erste, das Heilige Römisch Reich Deutscher Nation, unpolitisch, das zweite, das Deutsche Kaiserreich nach 1871, der Kleinstaatlichkeit verfallen, aber das kommende dritte Reich werde Deutschland die ihm zustehende Größe und Geltung bringen. In fast schon romantischer Manier wollte Moeller wahre Freiheit in einer pseudo-mittelalterlichen, ständischen Gesellschaftsorganisation sehen, die auch seinem inhärenten Elitarismus Rechnung trug. Aus diesem Grund lehnte Moeller auch Adolf Hitler (1889–1945) ab, den er 1922 kennen lernte. Er entsprach nicht seinen Vorstellungen eines Kulturelitarismus. Zur autochthonen deutschen Kultur, die die Grundlage des dritten Reiches sein sollte, gehörte für Moeller selbstverständlich auch ein autochthones deutsches Gesellschaftssystem, das aus dieser Kultur erwachse. Betrachtet man jedoch die Wirklichkeitsferne seiner Darstellungen, erkennt man, dass er insgesamt den Mythos über den Fakt stellte. Er war nicht der einzige, der seine Zeit mythologisch deutete, das zeigt schon „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, ein ideologisches Grundlagenwerk des Nationalsozialismus von Alfred Rosenberg (1893–1946). Sein mythisch gestaltetes Werk sorgte bald nach Moellers Tod dafür, dass er selbst zur Gestalt ausgiebiger Legendenbildung wurde, was eine sachliche Biographie bis heute stark erschwert.
Nachdem Moeller aus seiner Tätigkeit am Politischen Kolleg Martin Spahns (1875–1945) bei Berlin entlassen wurde und ihm so eine finanzielle Lebensgrundlage wegbrach, verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Auch entwickelte sich die politische Lage nicht im Sinne seines Denkens, an das er immer einen großen Wirkungsanspruch anlegte. Diese Diskrepanz zwischen seinen Deutungen und der Wirklichkeit muss ihn zunehmend belastet haben. Im Herbst 1924 erlitt er einen Nervenzusammenbruch und wurde ins Sanatorium Berlin-Weißensee eingeliefert. Am 30.5.1925 nahm er sich dort das Leben. Sein Grab befindet sich auf dem Parkfriedhof in Berlin-Lichterfelde.
Die Rezeption seiner Schriften und Gedanken begann bereits kurz nach seinem Tod. Der Nationalsozialismus behielt bis zuletzt ein zwiespältiges Verhältnis zu Moeller, es schwankte zwischen Wegbereiterschaft und scharfer Ablehnung. Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühten sich Anhänger des Jungkonservatismus wie Armin Mohler (1920–2003), Moeller und seine Mitstreiter vom Nationalsozialismus zu distanzieren und für das konservative Denken fruchtbar zu halten. Auch der Begriff der „Konservativen Revolution“, der für diesen keineswegs klar umrissenen Personenkreis oft gebraucht wird, ist ein Teil der Bemühungen, die damit Bezeichneten vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Insgesamt gilt es, bei Literatur über Moeller und den Jungkonservatismus genau hinzuschauen, aus welchem Bereich die Publikation stammt. Eine Renaissance erlebte Moellers Denken in den letzten Jahren durch die Neue Rechte, die seine Ideen wieder verstärkt rezipiert und bei deren Selbstakademisierung er eine gewisse Rolle spielt.
Nachlass
Ein Teilnachlass von Arthur Moeller van den Bruck befindet sich im Bundesarchiv Koblenz.
Werke (Auswahl)
Die Deutschen. Unsere Menschheitsgeschichte, 8 Bände, 1904-1910.
F. M. Dostojewski, Sämtliche Werke, hg. v. Arthur Moeller van den Bruck unter Mitarbeit von Dimitri Mereschkowski, übersetzt von E. K. Rashin [Less Kaerreíck], München 1906-1915.
Die italienische Schönheit, 1913.
Der preußische Stil, 1916.
Das Recht der jungen Völker, 1919.
Das dritte Reich, Berlin 1923.
Literatur
Fechter, Paul, Moeller van den Bruck. 1876-1925, in: Andreas, Willy/Scholz, Wilhelm von (Hg.), Die Großen Deutschen. Neue Deutsche Biographie, Band 4, Berlin 1936, S. 570-583.
Mohler, Armin, Die Konservative Revolution in Deutschland 1918-1932. Ein Handbuch, 6. völlig überarbeitete u. erweitere Auflage, hg. v. Karlheinz Weißmann, Graz 2005.
Schlüter, André, Moeller van den Bruck. Leben und Werk, Köln [u.a.] 2010.
Schwierskott, Hans-Joachim, Arthur Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der Weimarer Republik, Göttingen [u.a.] 1962 [darin S. 181-189 eine Bibliographie der Werke van den Brucks].
Stern, Fritz, Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationale Ideologie in Deutschland, Bern [u.a.] 1963.
Weiß, Volker, Moderne Antimoderne. Arthur Moeller van den Bruck und der Wandel des Konservatismus, Paderborn [u.a.] 2012.
Online
Klemperer, Klemens von, Moeller van den Bruck, Arthur, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 650-652. [Online]
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Katzenbach, Lennart, Arthur Moeller van den Bruck, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/arthur-moeller-van-den-bruck/DE-2086/lido/5f980becab0d55.80380416 (abgerufen am 19.08.2024)