Zu den Kapiteln
Ferdinand von Bayern war der zweite der fünf wittelsbachischen Prinzen in Folge, die für insgesamt 178 Jahre den Kölner Bischofsstuhl besetzten, und einer der am längsten regierenden Bischöfe überhaupt. Sein Name ist eng mit einer Hochphase der Hexenverfolgung im Kurfürstentum verbunden; dabei war sein Engagement bei der peinlichen Strafjustiz nur ein Aspekt seiner Bemühungen um eine Herrschaftsreform im Sinne moderner Staatlichkeit; auch als Kunstmäzen hatte er eine bleibende Wirkung.
Wie sein Onkel Ernst wuchs auch Ferdinand in der prachtvollen und einflussreichen Umgebung des Münchener Hofs auf. Sein Vater, Ernsts älterer Bruder Wilhelm V. von Bayern (1548-1626, Regierungszeit 1579-1598), hatte sich seinen Beinamen „der Fromme" als treuer Anhänger und Förderer des Jesuitenordens erworben, der im Herzogtum sämtliche kirchen- und bildungspolitischen Schlüsselstellen besetzte. Seine persönliche Frömmigkeit ging so weit, sich angesichts der Anforderungen einer durchsetzungsfähigen Landesherrschaft eher in Askese zu begeben und im Jahr 1598 zugunsten seines Sohnes Maximilian (1573-1651) abzudanken, um sich mit seiner Frau Renate von Lothringen (1544-1602) fast völlig aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Selbstverständlich wurde auch der für den geistlichen Stand bestimmte Ferdinand zur Ausbildung an das Jesuitenkolleg in Ingolstadt geschickt, wo er mit den strengen Lehrern wesentlich besser zurechtkam als sein recht unbeugsamer Onkel.
Der Bayernherzog wurde als ernsthafter, frommer junger Mann beschrieben. Der päpstliche Nuntius Ottavio Mirto Frangipani (gestorben 1612) berichtete, seine Gegenwart vermittle den Eindruck von Heiligkeit und Tugend. Im Oktober 1586 erhielt er die Anwartschaft auf eine Kölner Domherrenstelle; eine ganze Zahl weiterer Pfründen, die die seines ohnehin schon reich begüterten Onkels noch übertraf, kam im Laufe der Jahre dazu. Dazu gehörten neben den großen Domkapiteln in Mainz, Trier, Straßburg und Salzburg noch beispielsweise die Fürstpropstei Berchtesgaden, die Abtei Stablo-Malmédy und später die Bistümer Münster, Lüttich, Hildesheim und Paderborn. Obwohl er sich stets der Würde und Verpflichtung seiner geistlichen Ämter bewusst war und kurz nach seiner Ernennung zum Koadjutor seines Onkels ohne zu zögern den Tridentinischen Glaubenseid leistete, was viele seiner Vorgänger noch gescheut hatten, empfing Ferdinand nie die Priesterweihe. Es war jedoch nicht die damit einhergehende Verbindlichkeit, die er scheute, sondern der Verlust einer familienpolitischen Option: für den Fall der Kinderlosigkeit seines älteren Bruders nämlich hätte er die Regierung in Bayern übernehmen sollen. Sein Beispiel zeigt, dass der Reichsadel im ausgehenden 16. Jahrhundert allen konfessionellen Spannungen zum Trotz immer noch den dynastischen Eigeninteressen absoluten Vorrang einräumte.
In Kurköln begann seine Herrschaft faktisch mit der Übernahme der Koadjutorie im Jahr 1595, nachdem sein Onkel Ernst sich durch sein politisches und persönliches Verhalten weitgehend diskreditiert hatte. Die Wahl zum Erzbischof und Kurfürsten am 12.3.1612 war insofern eine reine Formsache. In den 17 Jahren der Mitregierung war er, obschon zu Beginn gerade 18-jährig, mit zunehmender Selbstsicherheit tatkräftig gegen die letzten unkatholischen Kräfte gerade im Domkapitel vorgegangen. Mit der Installation eines geistlichen Rats schloss die Kurkölner Verwaltung zu anderen Reichsterritorien auf. Auch die Errichtung eines Geheimen Rates, einer mit der Finanzverwaltung befassten Kammer und einer professionellen Kanzlei brachten das Erzstift auf den Stand der Zeit und lösten die ineffiziente Gelegenheitsverwaltung des 16. Jahrhunderts endgültig ab. Damit legte Ferdinand nicht nur seiner eigenen Regierung ein stabiles Fundament, sondern etablierte dauerhaft Formen moderner Staatlichkeit, die den Vergleich mit den schon im 16. Jahrhundert dahin gegangenen weltlichen Territorien nicht mehr zu scheuen brauchten. Aber nicht nur der Erzbischof als Kurfürst und Landesherr profitierte: auch die lange maroden Staatsfinanzen erholten sich und ermöglichten dem Land politische Bewegungsfreiheit.
Im Dreißigjährigen Krieg erwies sich Ferdinand als bedingungsloser Partner seines Bruders Herzog Maximilian von Bayern und der katholischen Liga. Allerdings verlor er die Realität nicht aus den Augen und war bereit, von konfessionellen Maximalforderungen zugunsten einer schnellen Beendigung der Kriegshandlungen Abstand zu nehmen. Dabei wurde er wohl nicht nur von strategischen Gedanken, sondern auch von einer gewissen Empathie für seine Untertanen geleitet, denen er weitere Verwüstungen ersparen wollte. Trotz dieses Bemühens litt das Erzstift an den Folgen der Kriegs- und Beutezüge, die ja beinahe nahtlos an die des Truchsessischen Krieges anschlossen. Vor diesem Hintergrund und den in der Zeit häufigen Epidemien und landwirtschaftlichen Krisen machte Kurköln keine Ausnahme, wenn es darum ging, für die allgemeine Not Verantwortliche zu finden.
So unnachgiebig und kompromisslos Ferdinand in religiösen Dingen gegen sich selbst und gegen andere war, so sehr liebte er doch die Vorzüge und Freuden adligen Lebens. Zwar blieb er untadelig, lebte streng zölibatär und blieb immer bescheiden. Aber die Jagd war ihm eine Leidenschaft, und er interessierte sich sehr für Musik und Kunst. In Köln etwa ließ er mit St. Mariä Himmelfahrt eine prachtvolle Barockkirche errichten und stiftete dem Domschatz den Engelbertsschrein, in Bonn erlebte die Hofkapelle einen glanzvollen Höhepunkt.
Als Ferdinand am 26.10.1650 im Alter von 73 Jahren auf einer Reise nach Westfalen in Arnsberg starb, hinterließ er ein stabiles Fürstentum, das den Dreißigjährigen Krieg vergleichsweise unbeschadet überstanden hatte. Die Vormacht des von ständischen und dynastischen Interessen beherrschten Stiftsadels war gebrochen, und Kurköln war ein durch und durch katholisches Territorium geworden, das eine funktionierende Verwaltung und stabile Finanzen hatte. Er wurde an der Seite seines Onkels Ernst in der Wittelsbachergrablege in der Achskapelle des Kölner Doms beigesetzt, obwohl beide so vieles trennte. Aber mit Ferdinand hatte sich die bayrische Sekundogenitur am Rhein endgültig durchgesetzt. War er selbst vor allem durch diplomatische Finessen des päpstlichen Nuntius zum Koadjutor geworden, so erfolgte die Erhebung seines Neffen Maximilian Heinrich zu seinem faktischen Nachfolger wie selbstverständlich. Noch bis 1761 würden sich die Wittelsbacher vor allem auf die strukturellen und politischen Grundlagen stützen können, die Ferdinand als Erzbischof und Kurfürst von Köln gelegt hat.
Literatur
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Online
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Bock, Martin, Ferdinand von Bayern, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/ferdinand-von-bayern-/DE-2086/lido/57c6ace06a3f88.44124999 (abgerufen am 19.08.2024)