Zu den Kapiteln
Der gebürtige Koblenzer war als dortiger caritativ profilierter Stadtpfarrer 1868 zum Bischof von Ermland gewählt geworden und wurde nach der Beilegung des Kulturkampfes 1885 zum Erzbischof von Köln berufen, als welcher er sich um die Erneuerung des kirchlichen Lebens nach dem Kulturkampf bemühte.
Am 1.12.1819 als zweites von neun Kindern des Metzgermeister Andreas Krementz und seiner Ehefrau Anna Katharina, geborene Froitzheim, in Koblenz geboren, wuchs Philipp im katholischen Milieu auf, besuchte die Bürgerschule und das staatliche Gymnasium. 1837 begann er sein Theologiestudium in Bonn, wo er sich jedoch nicht vom dortigen „Hermesianismus“ prägen ließ, sondern er wechselte 1839 nach München, wo er von katholischer Selbstbehauptung beziehungsweise dem „Ultramontanismus“ beeinflusst wurde. Zu seinen Bekanntschaften in dieser Zeit gehörten Clemens von Brentano und sein späterer Amtsvorgänger Paulus Melchers. 1840 ins Trierer Priesterseminar eingetreten, wurde er am 27.8.1842 von Bischof Wilhelm Arnoldi zum Priester geweiht, der ihn nach einer ersten Kaplanstelle in St. Kastor/Koblenz ab dem 20.6.1846 als Religionslehrer an die Rheinische Ritterakademie in Bedburg schickte.
Als 28-Jähriger wurde Krementz am 6.1.1848 auf die angesehenste und bestdotierte Koblenzer Pfarrei St. Kastor als Pfarrer bestellt, wo er mit dem befreundeten Nachbarpfarrer an St. Liebfrauen Philipp de Lorenzi (1818-1898) eine sozial-caritative Aktionsgemeinschaft aufbaute, die sogar bei der preußischen Kronprinzessin Augusta (1811-1890) Beachtung fand. Gleichzeitig profilierte sich Krementz in strengkirchlicher Richtung, wurde am 31.5.1853 auch Landdechant des Landkapitels Koblenz und am 16.4.1859 Ehrendomherr an der Kathedralkirche in Trier. Dabei blieb er auch bei den Staatsbehörden angesehen, so dass er sich zum Bischofskandidat profiliert hatte. Bei der Nachfolgewahl von Bischof Arnoldi 1864 erhielt er aber nicht genügend Stimmen im Trierer Domkapitel, war aber schon bei der Kölner Erzbischofswahl 1864/1865 „als möglicher Kandidat in Erwägung“ gezogen worden. Wahrscheinlich durch die Protektion der preußischen Königin Augusta wählte ihn überraschend am 20.10.1867 das Ermländische Domkapitel in Frauenburg zum Bischof der Diözese Ermland. Am 21.12.1867 durch ein päpstliches Breve zum Dr. theol. promoviert und am nächsten Tag von Papst Pius IX. (Pontifikat 1846-1878) präkonisiert, ließ er sich in seiner Koblenzer Pfarrkirche vom Kölner Erzbischof Paulus Melchers am 3.5.1868 zum Bischof weihen und nahm am 24.5.1868 Besitz von seinem Bistum Ermland.
Umgehend entwickelte Krementz in dem kleinen und isolierten Bistum große Aktivitäten mit der Herausgabe liturgischer Bücher (Brevier, Missae, Proprium) und der Gründung kirchlicher Zeitungen (Pastoralblatt für die Diözese Ermland, Ermländer Volksblätter). Im Vorfeld des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/1870) gehörte Krementz zu den zwölf deutschen Bischöfen, die von einer Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit abgeraten hatten und reiste deshalb als Angehöriger der „Minorität“ beziehungsweise Infallibilitätsgegner mit 54 anderen Bischöfen vor der feierlichen Definition des Konzils am 18.7.1870 bereits ab. Zurückgekehrt und von einem Beschluss der Fuldaer Bischofskonferenz vom 30.8.1870 gestützt, bemühte sich Krementz differenzierend die Annahmeerklärungen von den Theologieprofessoren und Religionslehrern zu erlangen. Doch als er auf die Weigerung des Religionslehrers Paul Wollmann (1837-1909) mit der großen Exkommunikation antwortete, forderte die Staatsregierung die Rücknahme und es kam zum „Braunsberger Schulstreit“ mit der sogenannten Temporalien-Sperre, das heißt der Einstellung der finanziellen Staatsleistung (1871-1885) im Vorfeld des Kulturkampfes. In diesem wurde Bischof Krementz in Ausübung seines Amtes zwar wiederholt zu hohen Geldstrafen verurteilt, aber - dank der Protektion der Kaiserin Augusta – nicht ins Gefängnis gebracht oder für abgesetzt erklärt, wie die meisten anderen preußischen Bischöfe. Dennoch hatten ihm die Auseinandersetzungen des Kulturkampfes in gesundheitlicher Hinsicht sehr zugesetzt, so dass er seit Anfang der 1880er Jahre seine Demission erwog.
Als sich im Rahmen der Beilegung des Kulturkampfes der preußische Staat und der Heilige Stuhl über die Neubesetzung der Bischofsstühle in Preußen einigten, war Krementz beiden Seiten ein genehmer Kandidat für größere Aufgaben. Obwohl er sich zunächst gegen die Übernahme der zugedachten neuen, arbeitsreichen und schwierigen Erzdiözese Kölngesträubt hatte, musste er sich den kirchenpolitischen Notwendigkeiten beugen. Im Bistum Ermland konnte Krementz noch erreichen, dass sein Generalvikar Andreas Thiel (Episkopat 1886-1908) zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Während sein Kölner Vorgänger und Freund, Erzbischof Paulus Melchers, aus dem niederländischen Exil nicht zurückkehren durfte, sondern als Kardinal nach Rom berufen wurde, ernannte Papst Leo XIII. (Pontifikat 1878-1903) Krementz am 30.7.1885 zum neuen Erzbischof von Köln.
Nach fast zehn Jahren Vakanz wurde Krementz am 15.12.1885 als 85. Kölner Erzbischof Philippus III. inthronisiert. Zu dem Wiederaufbau einer geordneten Diözesanverwaltung nach dem Kulturkampf gehörten die Auffüllung der vakanten Domkapitelstellen (im Wechsel und in Auseinandersetzungen mit der preußischen Regierung), die definitive Besetzung zahlreicher nur provisorisch betreuter Pfarreien und der Ausbau der Pfarrstruktur (62 neue Pfarreien) in den industriellen Ballungsräumen sowie die Auswahl wichtiger Mitarbeiter. Hierbei stützte der Erzbischof sich neben dem Weihbischof Johann Anton Friedrich Baudriunter anderem ab 1894 auf den Generalvikar Dr. Peter Kreutzwald (1850-1918), den Domkapitular Kaspar Anton Heuser (1822-1891) und den erzbischöflichen Justitiar Julius Bachem, die alle „bei der Regierung als ultramontan verschrien“ (E. Hegel) waren. Ebenso konnte er in Bonn ein – dann für alle Priesteramtskandidaten verpflichtendes – kirchliches Theologenkonvikt errichten lassen (8.5.1892 Einweihung des „Collegium Albertinum“), das trotz „umstrittener Konviktserziehung“ bei steigenden Zahlen von Priesteramtskandidaten schon bald eines Erweiterungsbaues bedurfte.
In den ersten Amtsjahren versuchte Erzbischof Krementz sich durch zahlreiche Visitationen über die anstehenden Fragen an Ort und Stelle in den Pfarreien zu orientieren und wurde dort meist in „Triumphzügen“ von der katholischen Bevölkerung empfangen. Geprägt von seinen Erfahrungen in Koblenz und im Ermland galt neben der Pfarrseelsorge sein Interesse dem damals stark anwachsenden katholischen Vereinswesen (1890 Volksverein für das katholische Deutschland, 1897 Deutscher Caritasverband), in dem es mit seinen vielfältigen Verzweigungen zu neuen Aufgabenfeldern (Arbeit im Heiligen Land, Afrika-Mission) kam.
Im Jahre 1886 war der Kölner Erzbischofs Krementz, von dem man ein entgegenkommendes Verhalten und einen milden Regierungsstil erwartet hatte, auch zum Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz gewählt worden und geriet damit noch stärker ins kirchenpolitische Spannungsverhältnis, in dem der Breslauer Fürstbischof Georg Kopp (Episkopat 1887-1914) sich profilierte. Gemeinsam mit dem ihm befreundeten Bischof Michael Korum von Trier stützte er sich kirchenpolitisch auf das Zentrum, während sein Gegenspieler Fürstbischof Kopp von Breslau geheimdiplomatische Verhandlungen mit Regierung und römischer Kurie bevorzugte. Am 16.1.1893 wurden beide Oberhirten von Papst Leo XIII. ins Kardinalskollegium berufen. Als Kardinalpriester nahm Krementz am 30.1.1893 von seiner Titelkirche San Crisogono in Rom Besitz.
Nach diesem äußeren Höhepunkt seines 14-jährigen Episkopats setzt ein rascher Kräfteverfall ein, der schon ab 1894 zu Gerüchten führte, von einer Teilung der zu großen Erzdiözese, über die Berufung eines Koadjutors bis sogar zu einem Amtsverzichtes des Erzbischofs. Ab 1896 konnte Philipp Kardinal Krementz keine Visitationsreisen mehr im Erzbistum durchführen, ab 1897 nicht mehr an den Fuldaer Bischofskonferenzen teilnehmen und deren Vorsitz nicht mehr ausüben. Zwar empfing er schon am 29.10.1897 die Sterbesakramente, so dass in Berlin und Rom Überlegungen über die Nachfolge angestellt wurden. Doch erholte Erzbischof Krementz sich wieder etwas, bemühte sich, sich an der Bistumsverwaltung zu beteiligen und griff frühere exegetische Studien mit merkwürdigen chiliastischen Erwartungen auf, die ihn für das Jahr 1950 einen Weltuntergang prophezeien ließen, was zu veröffentlichen von seiner Umgebung jedoch verhindert werden konnte. Erzbischof Philipp Kardinal Krementz verstarb am 6.5.1899 und wurde am 12.5.1899 in der Bischofsgruft im Kölner Dom beigesetzt.
Quellen
Gatz, Erwin (Hg.), Akten der Fuldaer Bischofskonferenz, Band 1: 1871-1887, Band 2: 1888-1899, Mainz 1977/1979.
Werke (Auswahl)
Das Haus Gottes. Eine Predigt gehalten am 22. Dezember 1853 bei der Einweihung der hiesigen Karmeliterkirche, Koblenz 1853.
Israel, Vorbild der Kirche. Versuch einer Beleuchtung der Christenheit durch die vorbildliche Geschichte Israels, Mainz 1858.
Die Stadt auf dem Berge oder Offenbarung und Abfall. Eine apologetische Skizze, Koblenz 1861.
Das Evangelium im Buche Genesis oder das Leben Jesu vorbildlich dargestellt durch die Geschichte der Patriarchen Abraham, Koblenz 1867.
Das Leben Jesu, die Prophetie der Geschichte seiner Kirche, Freiburg 1869.
Grundlinien zur Geschichtstypik der hl. Geschichte und der Weltgeschichte nebst einem Anhang über die Typik des Buches Ruth, Freiburg 1875.
Die Offenbarung des hl. Johannes im Lichte des Evangeliums nach Johannes. Eine Skizze der königlichen Herrschaft Jesu Christi, Freiburg 1883.
Literatur (Auswahl)
Evertz, Wilfried (Hg.), Im Spannungsfeld zwischen Staat und Kirche. 100 Jahre Priesterausbildung im Kollegium Albertinum Siegburg 1992, S. 109-169.
Gatz, Erwin, Bischof Philippus Krementz und die Rezeption des Ersten Vatikanischen Archivs im Bistum Ermland, in: Annuarium Historiae Conciliorum 4 (1972), S. 106-187.
Gatz, Erwin, Die Neubesetzung der (Erz-) Bistümer Köln, Ermland und Gnesen-Posen 1885/86, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 37 (1973), S. 207-243.
Gatz, Erwin, Philipp Krementz, in: Rheinische Lebensbilder 6 1975, S. 121-147.
Gatz, Erwin (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945. Ein biographisches Lexikon, Berlin 1983, S. 411-415.
Hegel, Eduard, Das Erzbistum Köln zwischen der Restauration des 19. Jahrhunderts und der Restauration des 20. Jahrhunderts (1815-1962) (Geschichte des Erzbistum Köln 5), Köln 1987, S. 85-90
u. ö. Kopiczko, Andrzej, Duchowieństo katholickie diecezji Warmińskiej w Latach 1821-1945, Część 2: Słownik, Olszytn 2003, S. 322.
Persch, Martin, Krementz, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 4 (1992), Sp. 616-620.
Trippen, Norbert, Domkapitel und Erzbischofswahl in Köln (1821-1929), Köln 1972, S. 257-293.
Weber, Christoph, Kirchliche Politik zwischen Rom, Berlin und Trier 1876-1888. Die Beilegung des preußischen Kulturkampfes, Mainz 1970.
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Haas, Reimund, Philippus Krementz, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/philippus-krementz/DE-2086/lido/5a3936bc459bc9.58303594 (abgerufen am 19.08.2024)