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"Synagogen im Kreis Limburg-Weilburg"
Bad Camberg (Kreis
Limburg-Weilburg)
mit Steinfischbach (Gemeinde Waldems, Rheingau-Taunus-Kreis),
Eisenbach (Gemeinde Selters, Kreis Limburg-Weilburg) und Walsdorf (Stadt
Idstein, Rheingau-Taunus-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Camberg bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17.
Jahrhunderts zurück. Bereits im 15./16. Jahrhundert gibt es einzelne
Nennungen jüdischer Einwohner. Im 30-jährigen Krieg litten die Juden der Stadt
in derselben Weise unter den Folgen des Krieges wie die Christen. Drei
Schwestern eines Camberger Juden seien damals an Hunger gestorben; er selbst habe
die Zeit nur knapp überlebt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
konnten mehrere jüdische Familien zuziehen: 1726 gab es 10 jüdische
Familien in der Stadt, 1731 7, 1770 10, 1780 5 Familien. 1792 wurden
26 jüdische Personen in vier Familien (einschließlich 2 Witwen)
gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1822 46 jüdische Einwohner, 1842 82, 1871 102 (4,9 % von insgesamt
2.073 Einwohnern), 1880 115 (4,9 % von 2.357), 1885 108 (4,6 % von 2.373), 1895
86 (3,6 % von 2.386), 1905 92 (3,7 % von 2.511). Die jüdischen Familien lebten
vor allem vom Handel mit Pferden, landwirtschaftlichen Produkten (Fruchthandel),
Spezerei- und Ellenwaren u.a.m. Seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es
mehrere Handlungen beziehungsweise Läden in der Stadt, die jüdischen Familien
gehörten.
Zur jüdischen Gemeinde Camberg gehörten auch die in Eisenbach, Steinfischbach
(nach Auflösung der dortigen Gemeinde 1907) und Walsdorf lebenden jüdischen Personen. In diesen Orten entwickelte sich die Zahl der
jüdischen Einwohner wie folgt: Eisenbach: 1843 20, 1905 6, 1924 19 jüdische Einwohner;
Steinfischbach: 1843 27, 1905 17, 1924 2 jüdische
Einwohner, Walsdorf: 1843 11 jüdische Einwohner.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt,
der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. 1879 hatte die Gemeinde 30
schulpflichtige Kinder, 1900 noch 14. Langjähriger Lehrer der Gemeinde war um
1900 Ferdinand Heymann. Nach seiner Pensionierung wurde er 1911 ausgezeichnet (s.u.).
Die Gemeinde
gehörte zum Rabbinatsbezirk Wiesbaden.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Sanitäts-Gefreiter
Alfred Oppenheimer (geb. 12.6.1893 in Camberg, gef. 25.9.1915). Außerdem ist
gefallen: Heinrich Stern (geb. 8.11.1894 in Camberg, vor 1914 in Creglingen
wohnhaft, gef. 25.12.1918, Name auf dem Gefallenendenkmal in Creglingen).
Um 1924, als zur Gemeinde 72 Personen gehörten (in etwa 15 Familien,
2,9 % von insgesamt
2.519 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Moritz May, M.
Lewenberg und Hermann Oppenheimer. Als Lehrer und Kantor war noch Lehrer a.D.
Ferdinand Heymann tätig; der Religionsunterricht wurde durch Lehrer Hirsch
Frank aus Idstein erteilt. Damals hatte die jüdische Gemeinde fünf schulpflichtige
jüdische Kinder (1932 weder sieben Kinder). An jüdischen Vereinen
bestanden der Armen- und Wohltätigkeitsverein (1924 ca. 20 Mitglieder,
1932 Vorsitzender Alfred Landau) und der Verein für jüdische Geschichte und
Literatur (Literaturverein; ca. 20 Mitglieder unter Leitung von Moritz
Landau). 1932 wurden 57 Gemeindeglieder gezählt. Damals gehörten zum
Gemeindevorstand Alfred Landau (1. Vors.), Hermann May (2. Vors.) und David
Liebmann (3. Vors.).
1933 lebten noch 63 jüdische Personen in Camberg. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde durch SS-Leute die Synagoge eingerissen (s.u.). Danach wurden die Privat-
und Geschäftshäuser der Familien Liebmann, Hermann May, Blumenthal, Adolf Kahn
und Goldschmidt überfallen, geplündert und demoliert. Es kam zu Tätlichkeiten
gegenüber den Bewohnern. Das Ehepaar May flüchtete in der Verzweiflung auf den jüdischen
Friedhof und harrte dort aus. 1939 wurden nur noch 19 jüdische
Personen in der Stadt gezählt. Die letzten jüdischen Einwohner waren im Juni
1942 die Eheleute David und Johanna Liebmann. Sie mussten in diesem Monat Camberg
verlassen und wurden zwangsweise nach Frankfurt umgesiedelt, von wo sie einige
Wochen später deportiert wurden.
Von den in Camberg geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Seligmann Siegfried
Bachenheimer (1871), Jettchen Blumenthal geb. Nachmann (1856), Emma Brasch geb.
May (1867), Gustav Eschenheimer (1865), Jeanette Eschenheimer
geb. Goldschmidt (1865), Irma Fleischer geb. May (1894), Rachel Herzko (1941), Johanetta (Jaquette) Heumann geb. Landau (1860),
Louis Heymann (1879), Otto
Heyum (1902), Therese Heyum geb. Kaiser (1906), Emilie Hirschberg geb. Rosenberg
(1860), Adolf Kahn (1884), Dora Kahn
geb. Mainzer (1885), Heinrich Kaiser (1875), Henriette (Jettchen) Landau (1867),
Karl Landau (1858), Frida Lehmann geb. Landau (1862), Daniel Levi (1870), David Liebmann
(1879), Johanna Liebmann geb. Oppenheimer (1879), Ernst Löwenberg (1899), Moritz
Löwenberg (1879), Hermann Löwenthal (1867), Irma Löwenthal (1908), Regina Löwenthal
geb. Heyum (1873), Albert May (1883), Emma May
(1874), Hedwig May geb. Leopold (1870), Siegmund May (1879), Recha Oppenheimer (1882), Ellen Piller
geb. Schwarz (1908), Herta Rosenthal geb. Landau (1888), Ida Rosenthal geb.
Aumann (1890), Klara Rubens geb. Würzburger (1888), Flora Schild geb. Aumann (1883), Lucie Sichel geb. Oppenheimer (1890),
Hermann Steinberg (1887), Sally Würzburger (1879).
Hinweis: Mitte Februar 2014 wurden die ersten "Stolpersteine"
in Bad Camberg verlegt, darunter in der Frankfurter Straße 8 für Siegfried
Seligmann Bachenheimer und Paula Bachenheimer geb. Stern, die Inhaber einer
Möbelhandlung in der Frankfurter Straße 8 waren (vgl. Dokumentationsblatt
für das Ehepaar), weiter in der Obertorstraße 11 für Recha Oppenheimer,
in der Obertorstraße 39 für Adolf Kahn und Dora Kahn, am Neumarkt 11 für
Johanna Liebmann und David Liebmann; in der Frankfurter Str. 32 für Moritz May
und Hedwig May; in der Limburger Straße 17 für Irma Löwenthal, Herrmann
Löwenthal und Regine Löwenthal; in der Bahnhofstraße 12 für Daniel Levi.
Link zu "Stolpersteine
in Bad Camberg". Dazu Flyer
zur Verlegung der Stolpersteine in Bad Camberg im Februar 2014. Weitere
sieben "Stolpersteine wurden verlegt am 15. Mai 2015 und zwölf am 3. November
2018. Insgesamt liegen (Stand 2020) 32 "Stolpersteine" in der Stadt. vgl.
www.stolpersteine-bad-camberg.de
Von den in Steinfischbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Adolf Kahn (1884),
Jettchen Neumann (1869), Henri Nussbaum (1903), Ida Rothgießer geb. Kahn
(1881).
Von den in Eisenbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Albert Aumann (1903),
Klotilde Aumann (1899), Rosalie Aumann geb. Marx (1861), Selma Aumann (1898),
Sigmund Aumann (1895), Mathilde Mannheimer geb. Aumann (1901), Hildegard Stein
geb. Cohn (1896), Berta Strauss geb. Aumann (1897).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
(1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 6. März 1924:
"Wir suchen sofort oder eventuell später einen
Religionslehrer und Kantor.
Seminaristisch gebildete Herren mit guten Stimme wollen sich unter
Beifügung von Zeugnisabschriften und Angabe ihrer Gehaltsansprüche an
den Unterzeichneten werden.
Camberg (Taunus). Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde.
Moritz May". |
Über Lehrer Josua Thalheimer (Bericht von 1905; um 1870 Lehrer in
Camberg)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. Mai 1905:
"Falkenstein im Taunus.
Am 1. Mai schied der hiesige israelitische Lehrer Thalheimer aus seiner
beinahe 35 Jahre innegehabten Stellung, um in den Ruhestand zu treten.
Seine Amtstätigkeit begann er 1855 in Hochheim
am Main, wirkte in Schierstein,
Lorsbach und Camberg, um dann anfangs der 70er-Jahre zunächst nach
Königstein und 1875 nach Falkenstein
überzusiedeln". |
Anmerkung: unklar ist die Nennung von
Lorsbach, da es dort zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde gab,
vermutlich auch zu keiner Zeit mehrere jüdische Familien gelebt
haben. |
Auszeichnung des pensionierten Religionslehrers Ferdinand Heymann (1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1911:
"Camberg, Hessen-Nassau, 19. Juni (1911). Dem pensionierten
Religionslehrer der hiesigen jüdischen Kultusgemeinde, Ferdinand Heymann,
wurde der Adler der Inhaber des Hausordens von Hohenzollern
verliehen." |
Lehrer Reichenberg wird neuer Lehrer der Gemeinde Alsheim
(1912)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. März 1912:
"Alsheim (Rheinhessen). Herr Reichenberg -
Camberg wurde zum Lehrer
unserer Gemeinde gewählt." |
Hinweis auf den Anfang der 1920er-Jahre kurze Zeit in
Camberg tätigen Lehrer und Kantor
Siegmund Friedemann (1902-1984)
Über
den Lebenslauf von Kantor Siegmund Friedemann informiert ein
französischer Artikel von Joë Friedemann in judaisme.sdv.fr: Link
zu diesem Artikel (auch als
pdf-Datei eingestellt)
Siegmund Friedemann ist am 3. April 1902 in Altstadt-Hachenburg geboren.
Er ließ sich am "Bildungsseminar für Jüdische Lehrer" in
Hannover ausbilden. Nach abgeschlossenem Studium war er in Camberg
tätig, anschließend in Wallau. 1926
trat er Stelle des Lehrers und Kantors in Merzig
an. Hier heiratete er Herta geb. Kahn. Seit 1930 war er in Saarbrücken
tätig. Im Oktober 1936 trat er in den Dienst der Gemeinde von Saverne
(Zabern). Nach dem deutschen Einmarsch folgten Jahre, die durch
Internierung, Flucht und ständige Bedrohung geprägt waren. Seit 1946
wieder im Dienst von Gemeinden im Bereich Elsass-Lothringen: Sarrebourg,
Belfort und Sarreguemines. |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Vortrag im "Verein für jüdische Geschichte und
Literatur" (1908)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Februar
1908: "Camberg. Im hiesigen 'Verein für jüdische Geschichte und
Literatur', der voriges Jahr von Herrn Lehrer O. Schwarz gegründet wurde,
sprach letzten Sonntag vor einer sehr zahlreichen Zuhörerschaft Herr
Leopold Perlmutter aus Frankfurt am Main über 'Moses Mendelssohn'." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. März 1908: "Camberg,
23. Februar (1908). Im hiesigen 'Verein für jüdische Geschichte und
Literatur' sprach letzten Sonntag vor einer sehr zahlreichen
Zuhörerschaft Herr Leopold Perlmutter aus Frankfurt am Main über 'Moses Mendelssohn'.
Von einem allgemeinen Überblicke auf die damaligen Zeitverhältnisse
ausgehend, schilderte der Redner den Weltweisen und bot ein eingehends und
übersichtliches Bild von dem Leben Mendelssohns und seinem Wirken als
Philosophen, indem er seine hauptsächlichsten Werke anführte und
besprach. Größeren Raum nahm die Darstellung der Tätigkeit Mendelssohns
für die Juden ein, die der Redner in drei Teile zerlegte: 1. in
Gegenwartsarbeit, die in dem Eintreten Mendelssohns für die bedrängte
Lage einzelner jüdischer Gemeinden gestand, 2. in apologetischen Schriften,
in denen er die Vorurteile, die selbst gebildete Christen gegen die Juden
hatten, zu widerlegen wusste, 3. in der Bibelübersetzung. Reicher Beifall
lohnte den Redner für die mit ehrlicher Begeisterung und hinreißendem
Schwunge vorgetragenen Ausführungen." |
Vortrag des "Reichsbundes jüdischer
Frontsoldaten" (1933)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und
Umgebung" vom 10. Februar 1933: '"Reichsbund Jüdischer
Frontsoldaten (R.J.F.) im Taunus. In der Synagoge Camberg sprach
Kamerad Lilienthal Sonntag Abend in gedrängten Ausführungen über die
Lage des deutschen Judentums. Er wies auf die ernsten Möglichkeiten hin,
vor denen wir stehen, z.B. öffentliche und private Benachteiligung auf
den Gebieten der Kunst und Wissenschaft, Erziehung, Wirtschaft, politische
Geltung. Gegenmittel: Gegenseitig Hilfe, möglichste Behauptung unserer
bisherigen Positionen mit Hilfe derer, die uns nicht hassen, sondern für
das Recht zu streiten bereit sind, auch wenn es das Recht des jüdischen
Bürgers gilt; absolute Ehrlichkeit im Handel und Wandel; Schaffung von
Darlehnskassen, Genossenschaftsbanken, Unterstützung jüdischer
Kreditbedürftiger, endlich der Glaube an unsere gute Sache. - Kamerad
Moritz Landau, der die erschienene Gemeinde sowie den Redner begrüßt
hatte, dankte dem letzteren für seine Ausführungen und dem RJF, der mit
der Orientierung der Landgemeinden in dankenswerter Schnelligkeit wieder
eingesetzt habe." |
Gemeindebeschreibung aus dem Jahr 1937 (!)
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom
Juni 1937 S. 21: "Camberg. 2.600 Einwohner. Altes schönes Städtchen
im fruchtbaren 'goldenen' oder 'Camberger Grund'. Erscheint 1157 als Dorf
Kamberch, erhält 1281 von Rudolf von Habsburg Stadtrechte, gehört
nacheinander Dillenburg, Eppstein, Katzenellenboden, Kurtrier; meist zweien
zugleich. 1806 kommt es an Nassau, 1866 an Preußen. - Eine Stadt der
Gegensätze: 1663 hat Camberg schon eine Apotheke, also früher als z.B.
Wiesbaden, und zur gleichen Zeit ist es eine Hochburg der Hexenprozesse.
Mehr als ein Dutzend 'Hexen' und 'Zauberer' werde allein im 17.
Jahrhundert hier verbrannt oder aufs Rad geflochten. - Heute ist Camberg
modernes und von Jahr zu Jahr besser besuchtes Diät- und Kneippbad.
Juden saßen spätestens in der Zeit des 30jährigen Krieges hier. Es wird
berichtet, dass einem Camberger Juden 3 Schwestern gegen Ende des Krieges
Hungers gestorben seien, und er selbst sei demselben Schicksal nahe
gewesen. 1790 bei etwa 1130 Einwohnern 27 Juden. Deren gutes Verhältnis
zur Bevölkerung ist dadurch bezeigt, dass 1825 in einer 25.000
Gulden-Stiftung des katholischen Regierungsrats Lieber ausdrücklich
bestimmt wird, auch unverschuldet arme Judenfamilien seien vom Genuss der
Stiftung nicht ausgeschlossen. 1879 hat die Gemeinde 101 Seelen, darunter
- welch märchenhafter Reichtum - 30 schulpflichtige Kinder gegenüber 389
katholischen und 8 protestantischen Kindern. 1900 sind unter 86 jüdischen
Seelen noch 14 Schulkinder; 1924 sind es noch 15, 1937 etwa 6 Familien.
Die Synagoge klein, aber würdig, aus der 2. Hälfte des vorigen
Jahrhunderts. - Camberg besitzt einen recht sehenswerten Marktplatz mit
schönen Fachwerkhäusern, alte Festungstürme und -Tore, einzelne schön
geschnitzte Giebel (Amtshof!). - Von Camberg mit der Bahn über das schon
besprochene Idstein nach dem jungen Luftkurort Niedernhausen. Sehr
schöner Aufstieg zum Feldberg und prächtige Wanderung über den
Kellerskopf nach Wiesbaden. - ..." |
Berichte zu einzelnen
Personen / Familien
Über das Schicksal
der Familie Moritz und Hedwig May geb. Leopold in Bad Camberg (Informationen von Martina
Hartmann-Menz) |
Links:
Familienfoto: Urgroßvater Julius Leopold aus Nastätten, auf seinem Schoß Arnold und
Sylvia, (stehend) Irma Fleischer geb. May, (r.) Hedwig May, auf ihrem Schoß
Enkelin Susan; auf dem Foto fehlt der Ehemann von Hedwig May bzw.
Vater/Großvater Moritz May.
Zur Geschichte der Familie May sind Beiträge von Martina Hartmann-Menz
eingestellt:
- Dokumentation
(pdf-Datei) zur Verlegung eines Stolpersteines für Hedwig May geb.
Leopold (geb. 1870 in Nastätten,
1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet)
- Dokumentation
(pdf-Datei) zur Verlegung eines Stolpersteines für Moritz May (geb.
1865 in Bad Camberg, gest. 1942 in Frankfurt und dort
beigesetzt) |
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Fotos
(erhalten von Martina Hartmann-Menz) |
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Moritz May als
Mitglied des
Camberger Taunusklubs
(Quelle: A. Schorn: Camberg
in Wort und Bild 1904 S. 120) |
Wohn- und
Geschäftshaus
der Familie May in
Bad Camberg, Frankfurter
Straße 32 |
Haus
Guiolettstraße 59 in
Frankfurt, Wohnung der Mays
nach der Flucht aus Camberg
(hier starb Moritz May) |
Grab von Moritz
May auf dem
Neuen Jüd.
Friedhof Ffm
Eckenheimer Landstraße
Querachse 1/links 5 |
Gedenkstein für
Hedwig May
an der Mauer des jüdischen
Friedhofes Battonnstraße
in Frankfurt am Main |
Hinweis auf Ruth
Pappenheimer (1925-1944; 1941 bis 1943 in der Haus- und Landarbeitsschule Bad
Camberg)
Anzeigen jüdischer
Gewerbebetriebe
Anzeige des Manufaktur-, Herren- und
Damen-Konfektionsgeschäfts Jacob Stern
(1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1891: "Suche
per sofort für mein Manufaktur-, Herren- und Damen-Konfektions-Geschäft,
welches Sonn- und Feiertage geschlossen ist, einen Lehrling gegen
entsprechende Vergütung. Jacob Stern, Camberg, Bezirk
Wiesbaden." |
Suche einer Lehrlingsstelle (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. September 1901:
"Einjährig-Freiwilliger, 17 Jahre alt, sucht Lehrlingsstelle
in einem Export-Geschäft. Freie Station erwünscht. Offerten beliebe man
an L.O. postlagernd Camberg, Regierungsbezirk Wiesbaden, zu
richten." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge (Judenschule) wird seit 1770 genannt. Vermutlich
handelte es sich um einen Betraum in einem der jüdischen Häuser oder bereits
um ein selbständiges Gebäude.
1838 wurde eine eine Synagoge in einem ehemaligen Brauhaus eingebaut, das im
Jahr zuvor von der jüdischen Gemeinde gekauft werden konnte. Die Synagoge hatte
41 Männer- und 24 Frauenplätze.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch
SS-Leute geschändet und eingerissen. Auf eine Niederbrennung wurde mit
Rücksicht auf die angrenzenden Häuser, die nichtjüdischen Familien gehörten,
verzichtet.
Am 8. November 1991 wurde auf Initiative des Vereins Historisches Camberg
an der Stelle der ehemaligen Synagoge eine bronzene Gedenktafel
angebracht. Sie trägt die Inschrift: "Und haben bis zum Grunde alle
Stätten deines Namens entweiht. Psalm 74,7b. Auf der Hoffläche dieses Anwesens
stand die Camberger Synagoge. In der Pogromnacht am 09. November 1938 wurde die
Synagoge geschändet. Zu diesem Zeitpunkt lebten 69 jüdische Mitbürger in
unserer Stadt. Einige konnten noch rechtzeitig auswandern, andere wurden in
Konzentrationslagern ermordet. Das Schicksal von vielen ist ungewiss. 1945, am
Ende der Naziherrschaft, lebten keine jüdischen Mitbürger mehr in Camberg.
Möge diese Tafel mahnen, zu allen Zeiten und unter allen Bedingungen für das
Recht und die Würde aller Menschen einzustehen."
Adresse/Standort der Synagoge: Schmiedegasse 4
Fotos
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 32)
Historische Aufnahmen |
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Das Synagogengebäude
vor 1938 |
Die Zerstörung des Gebäudes
beim Novemberpogrom 1938 |
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Synagogengrundstück und
Gedenktafel
im März 2009
(Fotos: Inge Densch) |
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Synagogengrundstück
(links) und Gedenktafel (Text siehe oben). |
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Synagogengrundstück,
Gedenk-
und Hinweistafel im August 2009
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 21.8.2009) |
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Das
Synagogengrundstück; am Haus rechts (Schmiedgasse 2) die Gedenktafel. |
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Rechts Gedenktafel
(Text siehe oben), links Hinweistafel am Haus Schmiedgasse 2:
"Das
Haus ist im Jahre 1700 erbaut und erhält später an der linken Seite
einen Anbau...
Eine Gedenktafel erinnert an die 1938 zerstörte Synagoge
der jüdischen Kultusgemeinde,
die sich an das Gebäude
anschloss." |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar 2014:
Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in
Bad Camberg |
Artikel von Gertrud Brendgen in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 14. Februar 2014: "'Nicht warten, bis es wieder
brennt'.
13 Stolpersteine in Bad Camberg
Vor sieben Häusern wurden Steine in den Bürgersteig eingelassen, um an jüdische Mitbürger zu erinnern , die in den Tod geschickt
wurden..."
Link
zum Artikel |
Artikel von Manfred Disper in
mittelhessen.de vom 16. Februar 2014: "Stolpern gegen das
Vergessen.
Holocaust. 13 Steine erinnern in Bad Camberg an Opfer der
NS-Zeit..."
Link
zum Artikel |
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Mai 2015:
Das Bürgerprojekt "Alte Jüdische
Schule" wird offiziell übergeben |
Artikel von Gertrud Brendgen in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 27. Mai 2015: "Eröffnung der Alten Jüdischen Schule
'Bad Camberg ist meine Heimat'
In einer Feierstunde im Kurhaus Bad Camberg wurde das Bürgerprojekt 'Alte Jüdische
Schule' offiziell übergeben. Es prickelte förmlich im Kurhaus. Und das nicht nur, weil zu Beginn der Veranstaltung zum Sekt-Empfang geladen war. Eine Mischung aus Spannung, Freude, aber auch Erleichterung war zu spüren. Erleichterung darüber, dass sechs arbeitsreiche Jahre von Erfolg gekrönt wurden. Freude darüber, dass so viele Menschen Anteil daran nahmen. Und natürlich Spannung, wie der große Tag nun seinen Lauf nehmen würde.
Die Liste der prominenten Gäste, die Doris Ammelung vom Verein 'Historisches Bad
Camberg' begrüßte, war lang und zeugte vom großen Interesse an dem Bürgerprojekt. Dass darüber hinaus 32 ehemalige Bad Camberger jüdischen Glaubens beziehungsweise deren Nachkommen aus verschiedenen Ländern angereist waren, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen, war für die Verantwortlichen eine besondere Wertschätzung der geleisteten Arbeit.
Einige dieser Gäste bereicherten die Veranstaltung mit bewegenden Grußworten. Ruth Akron (93), die einst in Camberg lebte, war aus Israel angereist. Sie sagte:
'Bad Camberg ist meine Heimat, Israel mein Zuhause.' Sylvia Hurst (90) kam aus England. Sie verbrachte als Kind häufig ihre Ferien bei den Großeltern in Bad Camberg und erzählte von ihren Erinnerungen.
Bei allen lobenden Worten, die das Bürgerprojekt im Rahmen der Veranstaltung von prominenter Seite erfuhr, war dies vielleicht die lohnendste Anerkennung für das ehrenamtliche Engagement:
'You made our Day (Sie haben uns den Tag versüßt)!' bedankte sich Doris Ammelung vom Verein Historisches Camberg bei diesen Gästen am Ende sichtlich bewegt.
Kontroverse Debatten. Doch zuvor gab es Rückblicke auf die vergangenen sechs Jahre: Bürgermeister Wolfgang Erk (SPD) beschrieb den
'politischen' Werdegang des Projekts. Er erinnerte an die durchaus kontrovers geführten Debatten im Stadtparlament bis hin zum Beschluss, das Anwesen für 17 500 Euro zu erwerben und dem Verein zu übereignen. Darüber hinaus wurden 170 000 Euro aus dem Etat für die Altstadtsanierung dem Projekt zur Verfügung gestellt, für weitere Mittel musste der Verein selbst sorgen.
'Die damals vereinbarten Zahlen wurden eingehalten. Der Verein kümmerte sich um Spenden und leistete selbst etwa 3000 ehrenamtliche
Arbeitsstunden', berichtete Erk. Er dankte dem Verein auch dem Architekten-Team Stephan Dreier, Hermann Birkenfeld und Doris Ammelung für die großartige bauliche Umsetzung. Sein besonderer Dank galt Walter Lottermann, der 2010 verstarb. Er hatte das Projekt damals mit ins Leben gerufen.
Vorbildliche Initiative. Architekt Dreier gab einen spannenden Überblick über die historische Bedeutung des Anwesens in der Hainstraße und die Bauphasen anhand beeindruckender Bilder und Zahlen. Ruth Wagner, Staatsministerin a. D., machte in ihrer Rede deutlich, wie wichtig das Erinnern ist und lobte die Initiative der Bürgerschaft als vorbildlich.
Danach war die Reihe an den Gästen jüdischen Glaubens, ihre Grüße und Dankbarkeit, aber auch Ermahnungen gegen das Vergessen in Worten oder Musik, wie der Jazz-Pianist Ted Rosenthal, auszudrücken. Angereist waren sie aus den USA, Israel, der Schweiz, Brüssel und England.
Für Betroffenheit sorgte die darauf folgende Ansprache von Phillipe Pierret, dem Direktor des jüdischen Museums Brüssel. Er berichtete von dem Attentat in Brüssel: Ein Mann hatte am Samstag im Museum um sich geschossen und dabei zwei jüdische Besucher aus Tel Aviv, einen belgischen Besucher und eine Mitarbeiterin getötet. In einer Schweigeminute gedachte man der Opfer.
Grußworte der Vereine und einen Geldumschlag überbrachte Roman Pflüger. Musikalisch aufs Feinste umrahmt wurde der Festakt vom Cellisten Christopher Herrmann. Danach bot sich die Gelegenheit, die Alte Jüdische Schule zu besichtigen. Wobei Doris Ammelung darauf aufmerksam gemacht hatte, dass die
'Alte Jüdische Schule nicht als Gedenkstätte verstanden werden soll, sondern vielmehr als Dokumentationszentrum, das die in weiten Bereichen verlorene Stadtbefestigung virtuell auferstehen lassen und das Wissen um die von den Nationalsozialisten zerstörte jüdische Gemeinde Cambergs aufrecht erhalten
soll'."
Link
zum Artikel |
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Juli 2020:
Broschüre zu den
"Stolpersteinen" in Bad Camberg jüdischen Geschichte in zweiter Auflage
erschienen |
Artikel von Gundula Stegemann in der
"Frankfurter Neuen Presse" vom 26. Juli 2020: "Die Schicksale hinter den
Stolpersteinen. Bad Camberg: Broschüre soll an Greueltaten der NS-Zeit
erinnern
Zweite überarbeitete Auflage ist jetzt erhältlich.
Bad Camberg -'Hier wohnte Pauline Bachenheimer geb. Stern Jahrgang 1869,
unfreiwillig verzogen 1942, Frankfurt am Main, gedemütigt, entrechtet, tot
19. August 1942' ist auf einem Stolperstein vor dem Haus der heutigen
Frankfurter Straße 8 zu lesen. Der Stein erinnert an das Schicksal einer
Frau im Alter von 73 Jahren. Wer war sie? Was mag in ihr vorgegangen sein in
den Tagen und Monaten, bevor ihr Leben endete? Was musste sie erdulden? Und
all die anderen jüdischen Mitbürger, die damals das Leben nicht nur in
Camberg, sondern überall in Deutschland mit prägten? 1942 wurde das jüdische
Leben, so wie es bis dahin in Camberg wie auch andernorts in Deutschland und
Europa gab, ausgelöscht - aber die Spuren der ehemaligen Mitbürger bleiben.
Die Erinnerung an sie lebt fort, unter anderem in der Broschüre
'Stolpersteine in Bad Camberg. Biografien, Schicksale und Hintergründe -
Erinnern für die Zukunft', die jetzt in zweiter überarbeiteter Auflage
erschienen ist. In der Broschüre werden die Biografien und Schicksale der 32
Opfer des NS-Regimes, für die in Bad Camberg Stolpersteine verlegt wurden,
geschildert und die geschichtlichen Hintergründe beleuchtet. Die jüdischen
Bürger wurden deportiert und fanden in verschiedenen Vernichtungslagern den
Tod. 1942 gab es in Camberg keine Juden mehr. Eine fast 300-jährige jüdische
Gemeinde wurde vernichtet, die mit ihren Menschen und Gebäuden in
erheblichem Maße das kulturelle und wirtschaftliche Leben in Camberg
gestaltet hatte.
Das Schicksal der Eschenheimer. Zur jüdischen Gemeinde in Camberg
gehörte auch die Familie Eschenheimer. Liest man ihr Kapitel in der
Broschüre und betrachtet die Bilder, hat man unweigerlich die Vorstellung
von einem lebhaft-fröhlichen Familienleben. Familienvater Gustav
Eschenheimer lächelt milde und gut gelaunt in die Kamera. Auf dem Foto der
Mutter Johannette (Jeanette) macht diese einen durchaus durchsetzungsfähigen
und tatkräftigen Eindruck. Das wird sie auch gebraucht haben, denn die
Eheleute hatten neun Kinder, die auf einem weiteren Foto in der Broschüre
überwiegend schon als Erwachsene wie die Orgelpfeifen aufgereiht stehen.
Vater Gustav war in Esch auf die Welt gekommen. Seine Eltern Feist und
Gretchen hatten Landwirtschaft und Viehhandel sowie eine Metzgerei. Gustav
heiratete Johannette (Jeanette) Goldschmidt und führte die Familiengeschäfte
in Esch weiter. Später wurde er unterstützt durch zwei seiner Kinder. 1917
siedelte die Familie nach Camberg über, wo sie in der Frankfurter Straße,
heute Nummer 38, eine Metzgerei eröffnete. Dort gab es je eine Verkaufstheke
für koscheres Fleisch und eine für nichtkoscheres Fleisch, wie in der
Broschüre berichtet wird. Als am 2. August 1933 jüdische und politisch
andersgesinnte Camberger von Nazis überfallen wurden, konnte der wehrhafte
Gustav sich und seine Familie laut Familienüberlieferung mit einem
Metzgermesser gegen die Eindringlinge verteidigen. 1936 besuchte das Ehepaar
den Sohn Berthold in Palästina. Trotz Warnungen kehrten die beiden jedoch
wieder nach Camberg zurück. Aber die zunehmende Repression, das Verbot einer
einträglichen Geschäftstätigkeit, auch der Wegzug der Kinder, veranlassten
das Ehepaar schließlich, ihr Anwesen zu verkaufen. Die Ausreise nach Holland
zu ihrem Sohn Eugen ist für den 20. März 1937 aktenkundig. Später zog die
Familie, also Gustav, Jeanette, Eugen, Lucie und Felix, in die Van
Ostadelaan 7 in Naarden. Mutter Jeanette wurde am 29. Mai 1943 inhaftiert
und bis zum 20. Juli 1943 im Sammellager Westerbork festgehalten. Von hier
aus brachte man sie am 20. Juli 1943 ins Vernichtungslager Sobibor. Am 23.
Juli 1943 wurde sie da ermordet. Sohn Eugen hatte geplant, in den Untergrund
zu gehen, wurde aber mit Frau, Sohn und Vater von der Gestapo verhaftet. Vom
Sammellager Westerbork wurde Gustav am 14. September 1943 nach Auschwitz
transportiert, wo er vermutlich am 17. September ermordet wurde. Nach
Kriegsende 1945 lebten nur noch zwei der neun Kinder der Eheleute und zwar:
Berthold in Palästina und Erna, verheiratete Joseph, die in Belgien und
Südfrankreich überlebte.
Kein ehrenamtliches Engagement mehr. Auch das Schicksal von Hedwig
und Moritz May bewegt: Im Zuge der so genannten Arisierung des
gesellschaftlichen Lebens waren Menschen jüdischer Herkunft aus Vereinen und
Verbänden herausgedrängt worden, eine für die beiden schmerzliche Erfahrung,
denen bürgerschaftliches Engagement in ihrer Stadt ein Herzensanliegen war.
Immerhin war Moritz May Gründungsmitglied des am 26. Juni 1926 gegründeten
Kur- und Badevereins, wodurch Camberg schließlich Kurstadt wurde und einen
wirtschaftlichen Aufschwung verzeichnen konnte. Auch sie erlitten trotz
ihres stetigen Engagements für die Gesellschaft ein tragisches Schicksal.
'Oft genug wiederholt sich Geschichte, weil die Menschheit nicht oder nicht
genug aus den Fehlern ihrer Vorfahren gelernt hat. Dieser Teil der deutschen
Geschichte darf sich nicht ansatzweise wiederholen. Die Stolpersteine und
die sie erläuternde Broschüre tragen dazu bei, genau diese Botschaft zu
vermitteln', schreibt Jens Peter Vogel, Bürgermeister von Bad Camberg, in
seinen in die Broschüre einführenden Worten an den Leser. 'Die Broschüre
soll dazu beitragen, dass die schrecklichen Vernichtungstaten des NS-Regimes
nicht in Vergessenheit geraten. Das Schicksal der Ermordeten vermittelt ein
lebendiges Bild des Lebens der Opfer. Auch soll die Broschüre dazu
motivieren, einen Rundgang durch die Stadt mit Beachtung der Stolpersteine
zu verbinden', schreibt Dieter Oelke von der Initiative 'Stolpersteine für
Bad Camberg'. Die neue Stolpersteinbroschüre kostet 2 Euro. Sie ist
erhältlich in der Touristen-Information im 'Kurhaus Bad Camberg', bei 'Buch
und Schreiben' in der Obertorstraße 11, bei 'Papier und Schreibwaren' in der
Limburger Straße 3 und in der 'Camberger Bücherbank' in der Limburger Straße
28.
Was sind Stolpersteine? Die Stolpersteine sind ein Projekt des
Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1996 begann. Auf quadratischen
Messingplatten werden die Namen und Daten von Menschen eingeschlagen, die
während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. 'Auf
dem Stolperstein bekommt das Opfer seinen Namen wieder, jedes Opfer erhält
einen eigenen Stein - seine Identität und sein Schicksal sind, soweit
bekannt, ablesbar. Durch den Gedenkstein vor seinem Haus wird die Erinnerung
an diesen Menschen in unseren Alltag geholt. Jeder persönliche Stein
symbolisiert auch die Gesamtheit der Opfer, denn alle eigentlich nötigen
Steine kann man nicht verlegen.' (Gunter Demnig)
Die jüdische Gemeinde Camberg. In Bad Camberg wurden bisher 32
Stolpersteine für jüdische Bürger und Euthanasieopfer verlegt: 13 am 13.
Dezember 2014, sieben am 15. Mai 2015 und zwölf am 3. November 2018. Einst
hatte Camberg eine der größten jüdischen Gemeinden im Kreis. 1925 lebten 72
jüdische Personen in der Stadt, 1933 noch 63. Ab 1933 nahm ihre Zahl wegen
zunehmender Entrechtung und Repressalien ständig ab, vor allem die jüngere
Generation verließ Deutschland. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde
die Synagoge in der Schmiedgasse zerstört, Privat- und Geschäftsräume
jüdischer Bürger geplündert und die Bewohner überfallen und teils schwer
misshandelt. Wer konnte, emigrierte ins Ausland oder suchte die Anonymität
der Großstadt, darunter Frankfurt. Die noch verbliebenen jüdischen Bürger
Cambergs wurden schließlich deportiert und fanden in verschiedenen
Vernichtungslagern den Tod. Ende 1942 gab es in Camberg keine Juden mehr.
Eine mindestens 300-jährige jüdische Gemeinde, die das Leben in Camberg
mitgeprägt und mitgestaltet hatte, wurde vernichtet."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 108-109. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 32. |
| Caspar Hofmann: Die Juden in Camberg im 19. und 20.
Jahrhundert. 1981. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 127-128. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 554-555. |
| Peter
Karl Schmidt: Die Judenschaft von Camberg. 300 Jahre jüdisches
Landleben. 392 S. 30,00 €. Zu beziehen über das Stadtarchiv Bad
Camberg. Tel. 06434-202181 stadtarchiv@bad-camberg.de
Das Buch zeichnet - auf der Grundlage aller auffindbaren bzw. aufgefundenen Quellen in Staats- und Stadtarchiv - eine Geschichte der jüdischen Gemeinde in Camberg vom 30jährigen Krieg bis zu den Jahren nach dem 2. Weltkrieg.
Dieses Bild ist in wesentlichen Teilen eine Außenansicht, denn Quellen aus der Gemeinde selbst liegen kaum vor, sind möglicherweise in der Nazizeit verloren gegangen. Vom Innenleben der immer nur aus wenigen Familien bestehenden Gemeinde weiß man nur, wenn interne Streitigkeiten mit Hilfe der staatlichen Stellen gelöst werden mussten.
Soweit möglich wird also das Verhältnis der Juden untereinander, aber auch das mit den christlichen Cambergern und als besonderer Fall der im wesentlichen bekannte Streit um die Einrichtung einer Synagoge ("Judenschule") am Ende des 18. Jahrhunderts dargestellt und ergänzt. Breiten Raum nimmt die Schilderung der Gewerbetätigkeit im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert ein. Aus diesen Jahrhunderten kann auch ausführlich über das Leben des Lehrers Maier Sonnenberger sowie über die Familien Kahn, Oppenheimer und Landau berichtet werden.
Der Aufstieg der jüdischen Camberger, unter ständigen Anfeindungen, aus meist bitterer Armut in eine bürgerliche Position wird ebenso nachgezeichnet wie der Weg in die Katastrophe, als sich das immer vorhandene antijüdischen Denken und Verhalten der Mehrheitsbevölkerung unter dem Nationalsozialismus zur Verfolgung, Entrechtung und Enteignung steigerte und schließlich zur vollständigen Vernichtung der jüdischen Gemeinde eskalierte.
Soweit die Quellen es erlauben, wird geschildert, unter welchen Umständen es manchen jüdischen Bürgern gelang, ins Exil zu fliehen und wer den bitteren Gang in die Deportation und Ermordung gehen musste. Auch die erreichbaren Unterlagen zu dem Versuch der Bundesrepublik einer wenigstens materiellen Wiedergutmachung wurden in die Darstellung
einbezogen. |
| Broschüre "Stolpersteine in Bad Camberg. Biografien,
Schicksale und Hintergründe - Erinnern für die Zukunft". 1.Auflage 2018
online eingestellt (pdf-Datei). 2. Auflage 2020 (siehe Presseartikel
oben). Erhältlich für 2 € in Bad Camberg in der Touristen-Information im
'Kurhaus Bad Camberg', bei 'Buch und Schreiben' in der Obertorstraße 11, bei
'Papier und Schreibwaren' in der Limburger Straße 3 und in der 'Camberger
Bücherbank' in der Limburger Straße 28. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Camberg (now
Bad Camberg) Hesse-Nassau. The Jewish community, established in the 18th
century, opened a new synagogue (1837) and numbered 115 (5 % of the total) in
1880. Jews participated in the town's social life and were eledcted to the town
council. By 1925 the community (excluding members in Eisenbach and
Steinfischbach) had declined to 82. On Kristallnacht (9-10 November
1938), a mob vandalized and then demolished the synagogue. Of the 63 Jews living
there in 1933, 34 emigrated and four committed suicide; at least 17 perished in
the Holocaust.
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