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Oberlauringen mit
Stadtlauringen (Markt Stadtlauringen, Landkreis Schweinfurt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Oberlauringen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Ihre Entstehung
geht in die Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts zurück. 1763/64 werden
jüdische Händler aus Oberlauringen mit optischen Geräten in Göttingen
genannt. Auf Grund der Erlaubnis von Reichsfreiherr Carl August Truchsess von
Wetzhausen, Herr auf Lauringen, konnten sich bis um 1800 28 jüdische Händler
im Dorf ansiedeln. Im jüdischen Dorfviertel (bis heute umrahmt von der Unteren
Judengasse, durchzogen von der Friedrich-Rückert-Straße, die im Plan von 1869
als die eigentliche Judengasse bezeichnet wurde) gab es alle wichtigen
Einrichtungen: Synagoge, rituelles Bad, koschere Metzgerei und Matzenbäckerei.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1814 88 jüdische Einwohner (14,6 % von insgesamt 603 Einwohnern),
1837 150 (20,2 % von 743), 1867 154 (17,5 % von 877), 1880 177 (19,1 % von 927),
1900 135 (16,3 % von 826), 1910 97 (13,7 % von 710).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Oberlauringen auf
insgesamt 28 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Mendel Moises Weinberger
(Viehhandel), Hirsch Isaac Hirschberger (Koscherweinschenke, Vorsteher), Wolf
Löw Schloss (Lederhandel), Gadalia Maier Fechheimer (Viehhandel), Moises Samuel
Wormser (Viehhandel), Samuel Hirsch Hirschberger (Schnitthandel), Aron David
Ledermann (Federhandel), Collmann Elias Rosenberger (Viehhandel), Simon Baruch
Schwarzschild (Schnitthandel), Nathan Samuel Levi Strauss (Schlachten), Jacob
Gumpel Kaufmann (Schacherhandel), Joseph Herz Stern (Schnitthandel), Gumpel
Maier Rosenthal (Schacherhandel), Seligmann Baruch Heussinger (Schnitthandel),
Lehmann Günzberger Baumgarten (Spezereihandel), Hajum Löw Reuss
(Schacherhandel), Salomon Kiefe Friedenthal (Schacherhandel), Samuel Nathan Fink
(Schnitthandel), Maier Baruch Seegen (Schnitthandel), Moises Jacob Eckstein
(Schnitthandel), Abraham Isaac Stürzelbach (Schlachten), Hirsch Isaac Vogel
(Schacherhandel), Witwe von Samuel Levi Steinhäuser (Schnitthandel), Feifel
Jacob Fleischmann (Federhandel), Witwe von Nachum Feifel Schöner
(Bänderhandel), Witwe von Maier Gumpel Brückner (Bänderhandel), Witwe von
Simson Löw Mai (Schacherhandel), Salomon Simon Morgenroth), Seligmann Gerst
(Feldbau, ab 1823), Matel Samuel Wormser (Schnitthandel mit kurzen Enden), Löb
Simon Morgenroth (jüdischer Privatlehrer, übernahm ab 1825 die Stelle von
Salomon Simson Morgenroth), Baruch Strauss (Metzgerprofession, übernahm ab 1825
die Stelle von Jacob Gump Kaufmann).
Nachdem in Stadtlauringen
einige jüdische Personen zugezogen sind (insbesondere Familie Hirschberger),
zählten auch diese zur Gemeinde in Oberlauringen (1925 6 Personen).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule (beziehungsweise unter Hauptlehrer Simon Goldstein wohl eine
jüdische Elementarschule), ein rituelles Bad und einen Friedhof
(seit 1832, zuvor Beisetzungen in Kleinbardorf). Die Gemeinde
wurde dem Distriktsrabbinat
Burgpreppach zugeteilt. Langjährige Lehrer der Gemeinde waren: Moses Löb
Ledermann (Lehrer von 1870 bis zu seinem Tod im September 1894, vgl. Bericht
unten; Vornamen von Lehrer Ledermann nach Recherchen von Elisabeth Böhrer,
nach ihren Angaben stammte Lehrer Ledermann auch aus Oberlauringen) und Simon Goldstein (Lehrer von 1894 bis
1927), gefolgt von Schia Kraushaar (ab 1927), dann Ferdinand Samuel, der in den 1930er-Jahren als geistige Autorität der Gemeinde
galt. Er erteilte seit 1936 den jüdischen Kindern Privatunterricht, weil sie nicht
mehr die öffentliche Schule besuchen durften. 1937 kamen auch die Kinder der
Nachbargemeinden Maßbach und Poppenlauer dazu.
Für das Gemeindeleben waren mehrere Vereine
wichtig: die Chewra Kaddischa (Beerdigungsbruderschaft) und ein Verein junger
Männer (Chewrat Hanorim). Dazu gab es eine Lehrerfondskasse und eine
Wohltätigkeitskasse.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Ludwig Fink (geb.
10.2.1892 in Oberlauringen, gef. 29.4.1915), Hermann Goldstein (geb. 23.8.1897
Oberlauringen, gef. 28.5.1917). Albert Sterzelbach (geb. 11.12.1894 in
Oberlauringen, gef. 18.6.1916) und Heinrich Sterzelbach (geb. 14.2.1893 in
Oberlauringen, gest. 28.8.1914 in Gefangenschaft). Außerdem sind gefallen:
Jakob Steinhäuser (geb. 29.8.1882 in Oberlauringen, vor 1914 in Hörstein
wohnhaft, gef. 5.9.1916), Vizefeldwebel Simon
Steinhäuser (geb. 20.6.1894 in Oberlauringen, vor 1914 in Klingenberg wohnhaft,
gef. 13.8.1918)
Um 1924, als der Gemeinde noch 72 Personen angehörten (9,8 % von insgesamt
etwa 750 Einwohnern) gehörten dem Vorstand der Synagogengemeinde an: Emanuel
Meyer, Louis Strauß, Simon Goldstein und Max Katz. 1932 war 1.
Gemeindevorsitzender Emanuel Mayer, 2. Vors. Heinrich Haas und 3. Vors. Louis Strauß.
Nach 1933 (noch 47
jüdische Einwohner = 6,6 % von insgesamt 711 Einwohnern) verließ bis zum Novemberpogrom 1938 kein Jude den Ort. Noch 1937 wurde
sogar noch das rituelle Bad der jüdischen Gemeinde renoviert, dazu erbat der Bezirksrabbiner Saul Munk vom VBIG (Verband
Bayerischer Israelitischer Gemeinden) eine finanzielle Beihilfe.
Zwischen 1938 und 1940, vor allem nach dem Novemberpogrom 1938, zogen dann allerdings 30 Gemeindemitglieder von Oberlauringen
fort: 20 emigrierten (darunter im März 1939 die Familie des Lehrers Ferdinand
Samuel nach Norwegen), zehn übersiedelten in andere deutsche Orte. Von den 17
jüdischen Personen,
die Anfang 1942 noch in Oberlauringen lebten, wurden 13 im April 1942 in das
Vernichtungslager Izbica deportiert, drei andere im September 1942 in das Ghetto
Theresienstadt. Ein Schicksal ist unbekannt.
Von den in Oberlauringen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Elise Adler geb. Ledermann (1872), Frieda Adler geb.
Steinhäuser (1914), Esther Berney (1867), Paula Beverstein geb. Schloss (1892), Helene Brunngässer
(1894), Jakob Fink (1863), Regina Grünewald geb. Morgenroth (1873), Josef Grünfeld (1898), Lotte
(Charlotte) Grünfeld geb. Grünewald (1899), Margot
Grünfeld (1926), Karola Haas (1898), Seligmann Haas (1861), Elsa
Hamburger geb. Steinhäuser (1885), Babette (Balbina) Heldmann geb. Steinhäuser
(1876), Luise Heßlein geb. Eckstein (1878), Simon Heußinger (1869), Betti Hirschberger (1908), Flora Hirschberger
(1909), Hugo Hirschberger (1876), Ida Hirschberger (1918), Jenni Hirschberger
geb. Klein (1885), Julius Hirschberger (1878), Sabine Hirschberger (1881),
Sigmund (Samuel) Hirschberger (1878), Bella
Kastanienbaum geb. Wormser (1885), Jenny Katz geb. Grünebaum (1892), Ludwig
Katz (1920), Max Katz (1883), Marie Klein geb. Schloss (1877), Rosa Klein geb. Steinhäuser
(1890), Irma Liffgens geb. Goldstein (1903), Karoline Nordschild geb.
Rosenberger (1863), Hilde Rosenberg
(1871), Selma Rosenstock geb. Fink (1894), Max Rosenthal (1876), Hanna
Rothschild geb. Haas (1892), Adele Samfeld geb. Schloss (1884), Josef Schloss
(1867), Samuel Schloss (1881), Hedwig Segen geb. Brunngässer (1890), Karolina
Segen (1882), Max Segen (1879), Moritz Segen (1883), Hildegard Steinhäuser
(1909), Jakob Steinhäuser (1872), Mathilde Steinhäuser geb. Fröhlich (1879),
Selig Steinhäuser (1884), Selma Steinhäuser (1920), Helene Sterzelbach (1886),
Emma Strauss geb. Steinhauer (1878), Flora Strauß (1879), Josef Strauß (1884),
Louis Strauß (1874), Selma Trepp geb. Hirschberger (1879), Frieda Treuhold geb.
Strauß (1881), Berta Winheimer geb. Segen (1879), Nelly Wongrowitz geb. Wormser
(1896), Alfred Wormser (1876), Ernestine Wormser geb. Hirsch (1857), Klara Wormser geb.
Adelsdorfer (1866).
Von den in Stadtlauringen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berthold Hirschberger (1883), Regina Hirschberger geb.
Stern (1886), Simon Hirschberger (1880).
Zur Erinnerung an das Schicksal des Ehepaare Regina und Simon Hirschberger
wurden im Juli 2011 vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Kirchtorstraße
"Stolpersteine" verlegt (siehe Presseberichte unten).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Schule und der Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1869 und
1927
Anmerkung: auf die Ausschreibung 1869 hin bewarb sich erfolgreich
Lehrer Ledermann; die Ausschreibung von 1927 war nach dem Tod von Simon
Goldstein notwendig geworden.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juni 1869:
"Bei der unterzeichneten israelitischen Kultusgemeinde ist die Stelle
eines Religionslehrers mit Vorsängerdienst vakant, und soll dieselbe
längstens bis 1. Juli dieses Jahres besetzt werden. Der fixe Gehalt ist
jährlich 250 Gulden nebst freier Wohnung und Beheizung; außerdem sind
noch bedeutende Nebenverdienste, die zwar nicht garantiert werden, die
sich aber wenigstens auf 150 bis 200 Gulden berechnen möchten.
Qualifizierte Bewerber wollen sich unter Beifügung ihrer Zeugnisse an
Unterzeichneten wenden.
Oberlauringen bei Stadtlauringen in Bayern, den 1. Juni 1869. Isaac
Kleemann, Kultus-Vorstand." |
|
Anzeige
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 23. Mai 1927:
"Durch das Ableben unseres Herrn Hauptlehrers ist in unserer Gemeinde
die Stelle des Religionslehrers, Vorbeters und Schochets frei
geworden und soll alsbald wieder besetzt werden. Reichsdeutsche,
seminaristisch vorgebildete Bewerber werden bevorzugt. Dienstwohnung ist
vorhanden. Das Gehalt regelt sich entsprechend der Vorbildung nach den
Normen des Verbandes Bayrischer Israelitischer Gemeinden. Geeignete
Bewerber wollen sich alsbald unter Vorlage beglaubigter Zeugnisabschriften
wenden an den Israelitischen Kultusvorstand Emanuel Meyer,
Oberlauringen, Unterfranken." |
|
Dieselbe Anzeige erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
19. Mai 1927. |
Zum Tod von Lehrer Moses Löb Ledermann (1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. November 1894:
"Oberlauringen (unlieb verspätet). Die hiesige israelitische
Gemeinde hat einen schweren Verlust zu beklagen. Nach nur kurzer Krankheit
wurde unser geliebter und allseitig geehrter Lehrer Herr M. L. Ledermann
seligen Andenkens, der 24 Jahre die Lehrer- und Vorbeterstelle hier in der
gewissenhaftesten Weise bekleidete, im besten Mannesalter durch einen
Herzschlag plötzlich dahin gerafft. Der Verblichene war ein Mann,
geschmückt mit seltenen Tugenden, ausgezeichnet durch einen
unerschütterlichen Charakter, einer der den Friedhof geliebt hat und ihm
nachgestrebt ist - im wahrsten Sinne des Wortes, einer jener immer
seltener werdenden Männer, die das eigene Interesse dem Gesamtwohl
unterordnen, dem ein guter Name mehr als, als materieller Erwerb. Die
Herrn Rabbiner Dr. Deutsch und Lehrer Plaut, Burgpreppach, Lehrer Sänger,
Kleineibstadt, Lehrer Goldstein, Maßbach und der Vorsitzende des
Vorstandes des Bezirkslehrervereins Stadtlauringen sprachen am Grabe tief
bewegte Worte. Seine Seele sei eingebunden und den Bund des Lebens." |
Zum Tod des Hauptlehrers Simon Goldstein
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1927:
"Oberlauringen, 8. Mai (1927). Zu einer überwältigenden Kundgebung
letzter Liebe und Verehrung ward die Beteiligung an der am Dienstag, 26.
April (24. Nissan) stattgefundenen Lewajoh (Trauerfeier) des
plötzlich im israelitischen Krankenhause Würzburg im Alter von 64 Jahren
verstorbenen Hauptlehrers Simon Goldstein. Im Gotteshause, wohin man den
Sarg gebracht, würdigte in längeren zu Herzen gehenden Ausführungen
Seine Ehrwürden Herr Distriktsrabbiner Dr. Stein - Schweinfurt die
Verdienste des Heimgegangenen während einer 33jährigen Tätigkeit in
Schule, Synagoge und Gemeinde. Nach ihm sprachen Lehrer Blumenthal -
Hofheim für den israelitischen Lehrerverein Bayern, Hauptlehrer Lamprecht
für den bayerischen Lehrerverein und den Bezirkslehrerverein
Stadtlauringen, dem der Verblichene 45 Jahre angehörte und zuletzt Lehrer
Neustädter, früher Maßbach, als Nachbarkollege und im Auftrage der
israelitischen Gemeinde Poppenlauer, in welcher er 13 Jahre gewirkt hatte.
Ein letzter Liedergruß aus Kollegenmund. Dann trugen wir ihn aus der hell
erleuchteten, im Roschhaschonoh-(Neujahrsfest-)Kleide stehenden
Synagoge hinaus zum Beth Olam (Friedhof). Groß ist der Verlust der
Familie und größer sein Heimgang für die trauernde Gemeinde. Möge die
Saat, welche er gestreut, reiche Frucht treiben, dann sind unsere Tränen
nicht umsonst geflossen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
|
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 23. Mai
1927:
"Oberlauringen. Hauptlehrer Simon Goldstein seligen Andenkens, Oberlauringen. Am 24. April 1927 ist Herr Hauptlehrer Goldstein im Alter
von 64 Jahren im israelitischen Krankenhaus in Würzburg gestorben. Die
Trauerkunde von seinem Heimgange erfüllt nicht nur die israelitische
Kultusgemeinde sondern die Gesamtbevölkerung ohne Unterschied der
Konfession mit tiefster Bestürzung. Von seiner Beliebtheit legte dessen
Leichenbegängnis beredtes Zeugnis ab. Sein Heimgang bedeutet einen
schweren Verlust für dessen Familie, einen großen Kreis von Freunden und
Verwandten sowie für die Kultusgemeinde selbst. Das Leichenbegängnis des
Verlebten gestaltete sich denn auch zu einer in Oberlauringens Mauern noch
nie gesehenen Trauerkundgebung. An der Bahre, die in der Synagoge
aufgestellt war, sprachen die Herrn Dr. Stein, Distriktsrabbiner (Schweinfurt); Lehrer Blumenthal
(Hofheim); Lehrer Neustädter (Bad
Kissingen) und Oberlehrer Lambrecht (Oberlauringen). Der Lehrerverein
Stadtlauringen und Umgegend, dessen Mitglied der Verlebte über 40 Jahre
war, brachte als Scheidegruß ein Lied. Aus den Ansprachen kamen die hohe
Wertschätzung und Beliebtheit des Verstorbenen sowie die Gefühle
des Danke zum Ausdruck. Ehre seinem Andenken!" |
Wiederbesetzung der Lehrerstelle mit Schia Kraushaar (1927)
Meldung
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 19.
September 1927: "Unter Beihilfe des Verbandes wurden folgende Stellen
wieder besetzt. Thalmässing durch W. Goldberg aus Ichenhausen, Bechhofen
durch E. Heimann, früher in Odenbach, Schwanfeld
durch M. Selmansohn, bisher in Lübeck und Oberlauringen durch
Schia Kraushaar, bisher in Frankfurt am Main." |
Hinweis auf Lehrer Ferdinand Samuel (1901-1987, Lehrer in Oberlauringen von Ende
der 1920er-Jahre bis 1938/39)
Lehrer Ferdinand Samuel ist am 2. November
1901 in Freudenburg als Sohn von
Samuel Samuel I geboren. Er studierte an der Talmud-Hochschule (Jeschiwa)
Breuer in Frankfurt, sowie an der Präparandenanstalt
in Burgpreppach und am Lehrerseminar in Köln. 1925 wurde Ferdinand
Samuel als Religionslehrer in Freudenburg und anderen jüdischen Gemeinden
des Regierungsbezirks Trier eingestellt. Ende der 1920er-Jahre wechselte
er als Religionslehre rund Kantor nach Oberlauringen. Hier heiratete er
Martha geb. Grünewald (1901-1993). Die beiden hatten zwei Kinder:
Hannelore (1931) und Gunther (1924). Im Zusammenhang mit dem
Novemberpogrom 1938 wurde Ferdinand Samuel in das KZ Dachau verschleppt.
Nach der Entlassung konnte die Familie im März 1939 nach Norwegen emigrieren
(im Dezember 1942 nach Schweden, 1949 in die USA). |
Weitere Informationen im Buch: Günter Heidt
/ Dirk S. Lennartz: Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im
Saar-Mosel-Raum 1321-1943. S. 354-358 und 401-405. |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Löb Sterzelbach bei der Hochzeitsfeier
seiner Sohnes in Würzburg (1881)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1881:
"Würzburg, 18. Mai (1881). Der Lag ba'omer, der in jüdischen
Kreisen eine halbfestliche Rolle einnimmt, vereinigte in unserer Stadt
wieder einmal eine Legion auswärtiger Glaubensgenossen. In
altherkömmlicher Weise hält man allenthalten die Hochzeitsfeste an
diesem Tage und es ist für uns eine erfreuliche Tatsache, dass hier an
demselben nicht weniger als acht Herzens- und Ehebündnisse geschlossen
und hierdurch Wonne und Vergnügen in so Vieler Herzen gegossen wurde. Wie
es jedoch selten Licht ohne Schatten gibt, so sollte auch diese Freunde
nicht schattenlos und ungetrübt vorübergehen. Ein gewisser J.
Sterzelbach aus dem bei Schweinfurt gelegenen Oberlauringen hatte
ebenfalls seine Hochzeit in Würzburg abhalten wollen. Schon waren
Verwandte und Geladene im Wartesaal in Oberndorf-Schweinfurt versammelt,
um in kurzer Zeit am Ziele anzukommen, als, wie ein zündender Blitz aus
wolkenloser Höhe, ein Ungeladener (gemeint: der Tod) in die
freudeatmende Gruppe trat, dort die schöne Harmonie zerstörend. War's
eine Folge der übergroßen Freude des Vaterherzens bei der Aussicht auf
einen so hehren, und in diesem Falle besonders, auf einen so sehnlichst
herbeigewünschten Moment, wie die Verehelichung seines Sohnes - ein
Schlaganfall traf den Vater des Bräutigams. Er stürzte hin und nach
einigen Zuckungen war Herr Löb Sterzelbach, ein in seiner Gegend von
allen Bekenntnissen allgemein geachteter und geschätzter Mann, ein Raub
des Todes.
Hochzeit - Tod. Ein französisches Sprichwort sagt: 'les extrêmes se
touchent' die Gegensätze berühren sich. Hier hätten die in engster
Berührung stehenden Gegensätze nicht greller sein können. Weil alle
Geladenen schon unterwegs oder auch schon tags vorher in Würzburg
angekommen waren, reisten die Brautleute hierher, um sich trauen zu
lassen, konnten jedoch wegen der einzuhaltenden Trauerfrist die Eheschließung
nicht erhalten. Ein solch trauriger Vorgang erstickte alle Regungen der
Freude in den Herzen selbst fremder Hörer. Für das leidtragende
Brautpaar ist diese tragische Episode eine schwere Prüfung und wünschen
wir ihm, dass ihm in Zukunft stets Freude und Glück erblühen
mögen." |
Zum Tod von Kultusvorsteher Samuel Rosenberger (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Mai 1909: "Oberlauringen,
18. Mai. Am 20. Ijar (= 11. Mai 1909) schied Herr Samuel Rosenberger aus
unserer Mitte, der als Kultusvorsteher über 12 Jahre seine Zeit und Kraft
dem Gemeindewohl gewidmet hatte. Stets hat er dieses Amt als einer, der
besorgt war um die öffentlichen Bedürfnisse in Wahrhaftigkeit aufgefasst
und es mit Umsicht und Erfolg versehen. In früheren Jahren, als ihn noch
nicht das Leiden quälte, wirkte er an den hohen Festen als Baal
Tefilla (ehrenamtlicher Vorbeter) und stimmte durch sein
wohlklingendes Organ sowie durch gefühlvollen Vortrag seine Zuhörer zur
Andacht. Möge sein Geist in unserer Gemeinde zum Segen und Heile
fortwirken. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod von Frau Hirschberger (1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. August 1911: "Oberlauringen,
15. August (1911). Heute wurde Frau Hirschberger - das Andenken an den
Gerechten ist zum Segen - von hier, die nach langem, mit der größten
Geduld ertragenen Leiden bei ihrer zu Mainz verheirateten Tochter am
Freitag Abend ihre reine Seele aushauchte, auf dem hiesigen israelitischen
Friedhof zur letzten Ruhe bestattet. Es war eine seltene Frau, eine wackere
Frau in des Wortes schönster Bedeutung. Aufrichtige Frömmigkeit,
Einfachheit, Bescheidenheit, edle Menschenliebe, aufopfernde
Hilfsbereitschaft und ein warmfühlender Wohltätigkeitssinn waren die
hervorstechenden Züge ihres edlen Charakters. Herr Lehrer Freudenberger
aus Maßbach schilderte am Grabe den unersetzlichen Verlust, den mit ihrem
Tode die Familie, die Gemeinde und die Armen erlitten haben. Ihre Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Albert Sterzelbach wird mit dem
Eisernen Kreuz ausgezeichnet (1915)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. April 1915:
"Oberlauringen, 23. März (1915). Wegen bewiesener großer Tapferkeit
und Aufopferung wurde dem Infanteristen Albert Sterzelbach aus
Oberlauringen in Unterfranken das Eiserne Kreuz verliehen. Derselbe hatte
im schwersten Kugelregen Verwundete verbunden und in Sicherheit
gebracht." |
Zum Tod des aus Oberlauringen stammenden Lehrers Abraham Steinhäuser (1921)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Oktober 1921: "Abraham
Steinhäuser - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -. Kassel,
10. Oktober (1921). Abraham Steinhäuser, eine Duldernatur von ganz
seltener Größe, hat am Sabbatausgang (des Sabbat Paraschat Ki teze;
Sterbedatum war damit der 17. September 1921) im Patriarchenalter von
79 Jahren seine reine Seele ausgehaucht. Welch schwerer Schicksalsschlag
traf ihn und mit welchem Gottvertrauen trug er sein Leid. Im besten
Mannesalter vor die schwere Frage gestellt, nachtendes (?) Nervenleiden
auf sich zu nehmen oder des Augenlichtes völlig zu entraten, wählte
er das Leben, entschied er sich für das geistige Leben und entbehrte
so fast ein Menschenleben lang des Augenlichtes. Und wie ertrug er dieses
Leiden! Niemals hatte er ein Wort der Klage über sein Schicksal, das zu
ertragen ihm seine Gattin, mit der er 52 Jahre in seltener Harmonie
verbunden war, zu erleichtern verstand.
Abraham Steinhäuser ist in dem unterfränkischen Marktflecken
Oberlauringen als Kind frommer Eltern geboren. Schön früh
entwickelte er ein scharfes Geistesleben und interessierte sich bereits
als Junge sehr für unsere heilige Tora. Mit seiner Barmizwoh
siedelte er nach Höchberg bei Würzburg über, wo er zu Füßen des Rabbi
Eleasar Ottensoser - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
lernte, hierauf vervollkommnete er sich bei Rabbiner Fromm - das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in Homburg v.d.H., um
später als Lehrer, nachdem er in Würzburg das Seminar absolviert hatte,
in deren Sinn in Magdeburg und verschiedenen Orten des Harzes zu amtieren.
Sein schweres Leiden zwang ihn sehr früh, den Lehrerberuf aufzugeben;
solange es aber sein Gesundheitszustand zuließ, übte er das Amt eines Schaliach
Zibur (Vorbeter u.a.m.) ehrenamtlich aus.
Seine liebste Beschäftigung, die ihn auch alles Leid vergessen ließ, war
das Toralernen. Eine seltene Geistesschärfe, ein bewundernswertes
glückliches Gedächtnis zeichneten ihn aus. Er beherrschte nicht nur die
sämtlichen Gebetstücke auswendig, nein, alles, was er in früher Jugend
einmal gelernt hatte, haftete fest in seinem Gedächtnis. Beim Gemara-Lernen
(Gemara = weiterer Teil des Talmud neben der Mischna) ... kam sein
scharfer Geist und sein humorvolles Wesen so recht zum Durchbruch.
Unentwegt war er bestrebt, die Tora groß zu machen. In unserem 'Ahawas-Thauro-Verein
war er unermüdlich rege. In seiner Wohnung scharte er die Torabeflissenen
um sich, um mit ihnen zu lernen. Keine Stunde war zum zu früh oder zu
spät. In vorgerückte Nachtstunde kamen während des Krieges fast
täglich lernbegierige Soldaten zu ihn. Und da war er in seinem Element,
da vergaß er alles irdische Leid. Und so lernte und lehrte er noch wenige
Tage vor seiner Abberufung. Ebenso gewissenhaft war er aber auch in der
Erfüllung der Gebote. Ein echter Jehudi von altem Schrot
und Korn ist von uns gegangen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Zum Tod des aus Oberlauringen stammenden Lehrers Heinrich Reuß, Lehrer in
Herborn, Neustadtgödens, Aurich und Berlin (gest. 1924 in Berlin)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Dezember 1924:
"Berlin, 28. November 1924: "Berlin, 28. November (1924). In
Berlin verstarb Heinrich Reuß, ein verdienter Pädagoge und durch seine
Artikel auch unseren Lesern wohl bekannt. Reuß ist in Oberlauringen
geboren, von wo er mit 12 Jahren nach Burgpreppach (Präparandie) und dann
nach Würzburg ins Lehrerseminar kam. Er war zuerst Religionslehrer in
Herborn und dann 12 Jahre Volksschullehrer und Prediger in Neustadt-Goedens.
Von dort kam er nach Aurich, wo er 14 Jahre als Hauptlehrer, Prediger und
Chasen segensreich wirkt. Seit 1908 lebte er in Berlin, wo er 14 Jahre
lang als Religionslehrer der Adaß und als Lehrer an der Talmud-Tora
Knesset-Jisroel wirkte. Er starb im Alter von 62 Jahren, wovon er 43 Jahre
als Lehrer eine Generation zur Tora und zu Weisheit erzog. Eine große
Reihe pädagogischer, religionsphilosophischer und belletristischer
Schriften sichert sein Andenken für alle Zeiten. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
Zum Tod des aus Oberlauringen stammenden Siegmund Heußinger (gest. 1925 in
Nürnberg)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September
1925: "Schweinfurt,
31. August (1925). Durch einen traurigen Unglücksfall, der sich in
Nürnberg abspielte, hat unsere Gemeinde in Siegmund Heußinger
einen ihrer Besten verloren. Vor etwa 30 Jahren aus Oberlauringen
hierher übergesiedelt, wurde der weitausschauende, tatkräftige Mann zum
bewährten Ratgeber der Gemeinde und jedes einzelnen ihrer Mitglieder. Ein
streng konservativer Jehudi, hat er den Idealen der Awaudoh (Gottesdienst)
und des Gemilus chassodim (Wohltätigkeit) sich in beispielgebender Art
und Wiese gewidmet und die Idealforderung des Toralernens durch reiche
Unterstätzung aller Schulen und Lehranstalten zu erfüllen gewusst. Sein
ganzes Leben war eine Heiligung Gottes. In Bescheidenheit lehnte er die
Ehrenämter in der Gemeinde ab; nur das Amt des Distriktsrabbinatskassiers
hat er auf dringendes Zureden 8 Jahre lang vorbildlich verwaltet. Ganz
besonders stellte er in Fragen der Abwehr seinen Kann. Die Armen der Stadt
und des Umkreises, und zwar jüdische und nichtjüdische in gleicher
Weise, erblickten mit Recht in dem Verstorbenen einen gütigen Vater.
Zahllos sind die Mizwaus (religiöse Weisungen), die er erfüllt hat,
nicht minder groß die Zahl derer, zu denen er angeregt hat. Um die
Übertretung religiöser Gebote zu verhindern, hat er öfters große
Summen hergegeben. Die Beerdigung fand in Nürnberg statt, woselbst der
aus der Sommerfrische herbeigerufene Rabbiner Dr. Hein ein den Tatsachen
entsprechendes Lebensbild in tiefer Ergriffenheit vor der überaus großen
Trauerversammlung zeichnete. Die Gemeinde Schweinfurt ist sich bewusst,
dass Siegmund Heußinger nicht leicht ersetzt werden kann, und wird in
Dankbarkeit sein Andenken bewahren. 'Wehe um die, welche
dahinschwinden, und nicht mehr aufzufinden sind!'. |
Zum Tod von Hermann Fink (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Oktober 1925: "Oberlauringen,
8. Oktober (1925). Nach mehrwöchentlicher Krankheit wurde Hermann Fink
am 6. Tischri (= 24. September 1925) in ein besseres Jenseits
abberufen. Sein ganzes Leben war der Tora und dem Gottesdienst
gewidmet. Ein Pedant war er in der Erfüllung der Gebote. Viele
Jahre fungierte er ehrenamtlich als Baal Tokea (Schofarbläser) und
(ehrenamtlicher) Vorbeter / Vorleser. An der Bahre würdigte
Hauptlehrer Goldstein die Verdienste des Verstorbenen und sprach ihm den
Dank der Gemeinde aus. Bei allen Bestrebungen, die dem Wohle der hiesigen
Gemeinde und dem Gesamtjudentum dienten, stand der Verklärte in
vorderster Reihe. Er war ein eifriges Mitglied des Distriktsausschusses
unseres Rabbinatsbezirkes. Auch war er Obmann des Zentralvereins. Möge
sein Verdienst uns beistehen. Seine Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Zum Tod des aus Oberlauringen stammenden Max Ledermann als erstes Opfer der
NS-Zeit in Künzelsau (1933)
Kaufmann Max Ledermann in Künzelsau (geb.
1868 in Berolzheim [Recherchen von
Elisabeth Böhrer im Stadtarchiv Künzelsau] als Sohn des Lehrers M. L. Ledermann s.o.) starb vor
Aufregung über die durch SA-Leute und die Schutzpolizei durchgeführten
antijüdischen Maßnahmen am 20. März 1933. Jüdische Häuser waren als reine
Schikane nach Waffen durchsucht worden. Der jüdische Lehrer Julius Goldstein wurde auf das Rathaus gebracht und dort
schwer misshandelt. Kaufmann Max Ledermann erlitt beim Anblick des halbtot
geschlagenen Lehrers einen Herzschlag, an dem er starb.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 7. April 1933: "Künzelsau, 1. April (1933). Max
Ledermann wurde uns am Dienstag, den 20. März (statt: 21. März)
plötzlich entrissen.
Er war das Herz der Gemeinde. In der Lehrerfamilie zu Oberlauringen, der
er entstammte, war ihm die Liebe zur Väterreligion eingeimpft und sie
verließ ihn nie. Sabbat hielt er streng. Er war der erste beim
Gottesdienst und der erste bei jeglicher guten Sache. Unzählige Tränen
hat er getrocknet, vielen Witwen und Waisen war er ein getreuer und
selbstloser Sachverwalter und Berater. Dass er ein großer Freund und
Vertrauter der Lehrer war, dass er das Lehramt im Judentum schätzte, wie
keiner in der Gemeinde, dafür sei ihm an dieser Stelle nochmals herzlich
gedankt. 17 Jahre gehörte er dem Vorsteheramt an und hatte in dieser Zeit
durch sein abgeklärtes Urteil, seine strenge Gerechtigkeit und seine
seltene Friedensliebe stets großen Einfluss auf dessen Beratungen, sodass
man ihn zum Stellvertreter des Vorsitzenden wählte. Die neu renovierte
Synagoge, ein Schmuck unseres Städtchens, ist sein Werk. Als
Geschäftsmann war er vorbildlich. Die große Beteiligung an seiner
Bestattung brachte zum letzten Male die Liebe und die Achtung, welche man
ihm entgegenbrachte, zum Ausdruck. Seine Seele sei eingebunden in den
Bund des Lebens. ... |
Zum Tod der aus Oberlauringen stammenden Ernestine
Friedenthal (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1935: "Dettelbach
(Unterfranken), 4. März. Hier starb im gesegneten Alter von 91 Jahren
Frl. Ernestine Friedenthal. Sie stammte aus Oberlauringen und erzählte
gerne von dieser großen, altjüdischen Gemeinde Unterfrankens. Die
Beerdigung fand nach Schwanfeld
statt, unter starker Beteiligung auch der nichtjüdischen Bevölkerung.
Sie ruhe in Frieden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Anzeigen und
Dokumente jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Postkarte
von Simon Eckstein aus Oberlauringen (1890)
(Aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
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Die Postkarte geschäftlicher Art wurde von
Simon Eckstein aus Oberlauringen versandt an Herrn Eisenheimer
(Eisenhandlung) in Schweinfurt am 10. Oktober 1890.
In der obigen Matrikelliste von 1817 ist unter den 28 Matrikelstellen auch
ein "Moises Jacob Eckstein (Schnitthandel)" aufgeführt, vielleicht ein
Vorfahr von Simon Eckstein. In der Opferliste findet sich der Name von Luise
Heßlein geb. Eckstein (1878). Weitere Informationen liegen nicht vor. |
Lehrstellen-Gesuch von Leon Rosenthal (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juni 1900: "Lehrstelle-Gesuch.
Suche
für meinen Sohn, 13. Jahre alt, in einem Warengeschäft eine Lehrlingsstelle,
Schabbat und Feiertage geschlossen, Kost und Logis im
Hause.
Leon Rosenthal, Oberlauringen (Bayern)." |
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Ergänzendes
Dokument: Postkarte
an Leon Rosenthal (1897)
(Karte erhalten von Ute Metternich, Oberwinter,
seit 2017 im Besitz von Nachkommen
von Max Rosenthal in Israel) |
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Die Karte wurde am 26. September 1897
von Köln nach Oberlauringen verschickt. Absender war "Max",
wobei es sich sehr wahrscheinlich um Max Rosenthal handelte, den am 5.
Januar 1876 geborenen Sohn von Leon Rosenthal und seiner Frau Klara geb.
Bettmann. Max Rosenthal war als Kaufmann in Köln tätig, verheiratet mit
Jenni geb. Ettlinger. Er und seine Frau wurden von Köln am 30. Oktober
1941 in das Ghetto Lodz deportiert und sind umgekommen. |
Leon Rosenthal und seine Frau Klara
(Clara) geb. Ettlinger hatten (nach Strätz: Biographisches Handbuch
Würzburger Juden II,479) noch mindestens einen weiteren Sohn: Gustav
Rosenthal (geb. 26. Mai 1872 in Oberlauringen, war als Kaufmann
tätig: bis 1895 in Stuttgart, dann Würzburg, seit 1908 in Leipzig;
verheiratet seit 1901 in Würzburg mit Betty geb. Rosenthal aus Nürnberg;
Sohn Alfred, geb. 1902 in Würzburg, emigrierte in der NS-Zeit nach
Palästina/Israel). |
Jakob Steinhäuser sucht eine Lehrstelle für seinen Sohn (1923)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. August 1923: "Suche
für meinen Sohn, 16. Jahre alt, der die Realschule 5 1/2 Jahre mit
sehr gutem Erfolg besucht, groß und kräftig ist, Lehrstelle in
Schabbos und Jomtof (Feiertag) geschlossenem Geschäft. Kost und Wohnung
im Hause erwünscht. Offerten an
Jakob Steinhäuser, Oberlauringen." |
Verlobungsanzeige
für Irma Goldstein und Emil Liffgens (1928)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Februar 1928:
"Gott sei gepriesen.
Irma Goldstein - Emil Liffgens, Lehrer.
Verlobte.
Oberlauringen (Unterfranken) - Rothenburg o.
Tauber. Schewat
5688". |
Anmerkung: Irma Liffgens wurde 1943 in
Auschwitz ermordet. |
Verlobungsanzeige von Ilse Hirschberger und Simon Richard
(1938)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1938: "Gott
sei gepriesen. Wir haben uns verlobt:
Ilse Hirschberger - Simon Richard.
Stadtlauringen / 675 Westend Ave 4B New York City
- Altenmuhr / 72 Samner Ave Brooklyn -
N.Y." |
Anmerkung: Bei Ilse Hirschberger handelt
es sich um eine Tochter von Simon Hirschberger und Regina geb. Stern, für
die im Juli 2011 in der Kirchtorstraße "Stolpersteine" verlegt
wurden. |
Hinweis auf Selma Zipora Trepp geb. Hirschberger aus
Oberlauringen
Selma Zipora Hirschberger ist am 7.
Dezember 1879 in Oberlauringen geboren als Tochter von Samuel Hirschberger
und der Ida geb. Lonnerstädter. Sie war verheiratet mit dem Kaufmann Maier
(Meier) Trepp
(geb. 25. August 1873 in Fulda als Sohn von Judah Trepp und der Caroline
geb. Adler) Maier Trepp starb am 3. August 1941 in Mainz. Die beiden
wurden die Eltern von Rabbiner Dr. Leo Trepp (1913-2010, vgl. Seite zu Weisenau)
und von Gustav Trepp (später in Jerusalem). |
Vgl. Artikel von Hannes Helferich in der
"Main-Post" vom 8. Juli 2014: "Oberlauringen.
Rabbiner Leo Trepp erzählt aus seinem Leben..."
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Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Lazarus Schloss aus Oberlauringen (gest. 1864)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
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Grabstein für
"Our beloved Father
Lazarus Schloss
native of Oberlauringen Bavaria
Died Nov. 15, 1864,
Aged 52 years". |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Oberlauringen geboren sind |
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KK (Mainz 1939) für Julius
Hirschberger (geb. 8. September 1878 in
Oberlauringen), Kaufmann, wohnhaft in Leipzig und Mainz, 1939 nach
Belgien
emigriert, am 24. Oktober 1942 deportiert ab Mechelen (Malines)
in
das Vernichtungslager Auschwitz, ermordet |
KK (Mainz 1939) für Sabine
Hirschberger (geb. 25. Oktober 1881 in
Oberlauringen), wohnhaft in Mainz, am 25. März 1942
deportiert
ab Mainz - Darmstadt in das Ghetto Piaski, umgekommen
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal vorhanden. Eine erste Synagoge wurde 1799 erbaut.
In ihr wurden bis Pessach 1865 Gottesdienste gefeiert. Seit Anfang der
1860er-Jahre war ein Neubau nötig.
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Februar 1865 (aus
Kunreuth): "Unsere Nachbargemeinde Oberlauringen beabsichtigt, mit
dem nächsten Frühjahre aus eigenen Mitteln eine neue Synagoge zu
erbauen. J.F...k." |
Die neue Synagoge wurde 1865 (vermutlich an derselben
Stelle wie die alte Synagoge) erstellt und am 18. August 1865 durch
Bezirksrabbiner Adler von Burgpreppach eingeweiht. Im Frühjahr/Sommer 1865
wurden die Gottesdienste in den Räumen der jüdischen Schule abgehalten. Der Vorhang des alten
Aron Hakodesch (Toraschrein),
sechs Torarollen und weitere Einrichtungsgegenstände von der alten Synagoge
wurden in die neue Synagoge eingebracht.
Die Einweihung der Synagoge in Oberlauringen am 18. August
1865
Artikel
in der Zeitschrift: "Der Israelit" vom 6. September 1865 (leicht
abgekürzt zitiert): "Am 18. August (1865) feierte die Israelitische Gemeinde zu
Oberlauringen, zum Distriktsrabbinat Burgpreppach gehörig, das Weihefest ihrer
neuerbauten Synagoge. In der alten Synagoge wurde noch in den Pessachfeiertagen
dieses Jahres der Gottesdienst abgehalten und nach Ablauf von kaum vier Monaten
versammelte sich die Gemeinde, um im neuen Gotteshause, einmütigen Herzens, dem
Gotte Israels in frommer Andacht, nach der Väter Weise, zu dienen, in Lob- und
Danksagungen ihn zu verehren... Obwohl diese Gemeinde - der Allgütige blicke
ferner segnend auf dieselbe - nur einige dreißig Gemeindeglieder zählet, griff
sie rasch ans Werk, mit eigenen Mitteln dem Ewigen ein Haus zu bauen, das in
jeglicher Beziehung, nach Raum und Einrichtung, das unzweideutig bezeuget, dass
der Geist echter Religiosität, der Alles belebende Hauch des Friedens und der
Eintracht in ihr heimisch sind. Dieser Hauch, nur dem inniglichen Hingeben an
Gottes heiliger Lehre entsteigend, beseelte das Weihefest der Synagoge.
Um 2 Uhr wurde das Mincha-Gebet im Lokale der Religionsschule, welche während
des Baues der neuen Synagoge als Gebetlokal benützt wurde, abgehalten. Hier
umarmen sich noch die großen Faktoren des Judentums - tora we awoda
(Tora und Gottesdienst). Hier spendet man
auch noch reichliche Gaben für Torajünger, für Toraträger.
Um 3 Uhr begann der Zug. Sechs Gesetzes-Rollen wurden vorangetragen, teilweise
mit köstlichen Kelei Kodesch (Ritualienschmuck der Torarollen) geschmückt, diesen folgte Herr Rabbiner Adler,
die zum Chor auserwählte Schuljugend, der sich die übrigen Sänger anschlossen
und diesen folgten die übrigen Festteilnehmer, deren aus der Nähe und Ferne
Viele herbeigeeilt waren, obwohl heftiges Regenwetter eingetreten war, welches
die Feierlichkeit in Etwas beeinträchtige. Bevor sich der Zug in Bewegung
setzte, begann der Chor: "Höre ich jenen Ruf erschaffen etc." auf dem
Wege: "Wie lieblich sind Herr Zebaoth, die Wohnungen zu nennen etc."
Bei der Ankunft an der Synagogentüre sang der Chor: "Seu Schaarim...";
der Herr Rabbiner sprach hierauf: "Sä haSchaar..." ("dies ist
das Tor zum HERRN") und "Patechu li" ("macht mir auf die
Tore"), worauf noch mehrere dem Feste entsprechende Psalmen vom Chore
angesungen wurden. Hierauf wurden von der Gemeinde und dem Vorsänger, Herrn
Lehrer Maßbacher, der mit anerkennenswertem Eifer zur Verherrlichung des Festes
durch geschickte Leitung des Chores, sowie durch innig gefühlvollen Vortrag,
die lebendige Auffassung bekundend, viel beigetragen, die Psalmen 30, 84, 122
und 136 würdevoll vorgetragen. Die Feier kulminierte in der Festpredigt. Herr
Rabbiner Adler, der alten Schule angehörig und zu dem alten unverfälschten
Judentum zählend, spricht eine Sprache des Herzens, die an keinem Gemüte
spurlos vorübergehen kann... Alles war von den Worten des frommen Rabbinen ergriffen,
auch sein eigenes Auge vergoss Tränen der heiligsten Rührung. Die Worte des
geehrten Redners... lehnten sich an Chronik I Kap. 29,14-18. Die Rede zeigte dem
Hörer die Wohltat des Gebetes, wie die Seele so sanft in den Auen aufrichtig
heiliger Andacht ruhe, nachdem sie so oft und viel im Gewühle des irdischen
Treibens tätig sein müsse; sie wies darauf hin, wie das Gebet sein müsse,
wenn es gottgefällig sein soll, und wie es nicht sein dürfe, um nicht ein
leeres Lippengebet genannt zu werden. In gesteigerter Begeisterung detaillierte
hierauf der geehrte Redner die verschiedenen Zwecke des israelitischen
Gotteshauses und wies treffend nach, wie das Gotteshaus der Zentralpunkt für
das praktische Leben des Israeliten ist, da der Israelite hier sein eigentliches
Leben - durch den Berit Kodesch (heiligen Bund, gemeint der Akt der
Beschneidung) - beginnt, mit dem erstmaligen Ruf zur heiligen Lehre die
Übung sämtlicher Gottesgebote übernimmt, das eheliche Leben an dieser
heiligen Stätte fundamentiert, die Gattin, wenn sie so glücklich war, Mutter
zu werden, in Dank gerührter Andacht ihren Erretter hier preiset, der sie in
der Stunde der Gefahr beschützte, wo der Wiedergenese Tränen der
Dankes-Rührung vergießt, und wo das Kind um den heimgegangenen Vater oder die
verblichene Mutter das wunde Herz in Tränen ausschüttet, und bei dem
Kaddischgebet konstatiert, dass die Kinderliebe weit über das Grab hinausragt.
Ein Gebet für Seine Majestät, den König, das königliche Haus, alle Beamten
des Staates und für Alle, die willig Herz und Hand öffneten, die neue Synagoge
zu erbauen, besonders für den Kultusvorsteher, Herrn Kleemann, der mit
unermüdlichem Eifer das Gotteshaus so schnell und geschmackvoll erstehen ließ,
dem die Gemeinde in dankbarer Anerkennung einen silbernen Pokal vor dem Beginne
des Maariv-Gebetes überreichte, beschloss unter Absingen der bayrischen
Volkshymne das Fest.
Möge der Geist der Wahrheit in allen Herzen Israels mit dem bevorstehenden
neuen Jahres zur hell lodernden Flamme sich entfalten, dass das Weltall davon
ergriffen und Zion in unsern Tagen auf ewig neu erbaut werde." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Inneneinrichtung und die Ritualien der
Synagoge zerstört. Die Torarollen wurden auf einen Misthaufen geworfen und
konnten erst später wieder von Frauen der Gemeinde in die Synagoge
zurückgebracht werden. Das
Gebäude der ehemaligen Synagoge ist erhalten. Es wurde jedoch durch Umbauten
stark verändert. Von den früheren hohen Rundbogenfenstern ist nichts mehr
erhalten. An der Außenmauer ist eine Tafel
angebracht mit dem Text: "An diesem Platz stand die Synagoge der jüdischen
Gemeinde Oberlauringen".
Standort der Synagoge: Friedrich-Rückert-Straße 13-19
(Mittelbau); frühere Anschrift: Haus Nr. 60/61. Die Friedrich-Rückert-Straße
war die frühere Obere Judengasse; die Bezeichnung "Untere
Judengasse" (hieß zeitweise auch "Lauergrund") besteht noch.
Fotos
(Historisches Foto erhalten Hans Mager, Oberlauringen; Farbfotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmedatum 15.10.2008)
Das Synagogengebäude
um 1950 |
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Der Bereich
des Betsaales ist an den hohen Fenstern des Gebäudes rechts zu erkennen.
Links das Haus des jüdischen Lehrers (vgl. unten). |
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Das Synagogengebäude 2008
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge (durch Umbauten unkenntlich gemacht):
Friedrich-Rückert-Straße 17 (Mittelbau);
von der Synagoge stammen noch
die erkennbaren Sockelsteine des Gebäudes (vgl. historisches Foto oben); Mitte und rechts die
Hinweistafel. |
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Ehemalige jüdische Schule
(heute
Friedrich-Rückert-Straße 30). Es ist vom
alten Gebäude nichts
mehr zu erkennen.
Im Keller befand sich das rituelle Bad. |
An mehreren ehemaligen
jüdischen Häusern sind noch
Spuren der Mesusa erkennbar.
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Zwischen Wohnhaus
Friedrich-Rückert-Straße 19
und der ehemaligen Synagoge besteht ein
Spalt.
Hier sind noch die Originalmauern der
ehemaligen Synagoge
erkennbar. |
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Links der
ehemaligen Synagoge: das Haus des ehemaligen jüdischen Lehrers
(Friedrich-Rückert-Straße 13)
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Rückseite des
Synagogengebäudes: die hohen
Rundbogenfenster sind noch erkennbar
(Foto von Hans Mager, Aufnahme vom 8.4.2016) |
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Informationstafel zur
jüdischen Gemeinde
vor der ehemaligen Synagoge
(Foto von Hans Mager) |
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Informationstafel
im Rahmen des "Historischen Ortsspazierganges": "Ehemaliges Judenviertel.
In Oberlauringen bestand seit dem 18. Jahrhundert eine größere jüdische
Gemeinde, sie stellte ca. 20 % der Bevölkerung. Es waren meist Handwerker
und Händler. Carl August Truchsess, Herr zu Oberlauringen, siedelte bis 1800
27 jüdische Händler als sogenannte Schutzjuden in Oberlauringen an und ließ
für sie ein eigenes Viertel bauen. Im jüdischen Viertel gab es alle
notwendigen Einrichtungen für das religiöse und kulturelle Leben der Juden.
Bereits 1804 hatten sie einen eigenen Schultheiß, eine Synagoge mit
Rabbinerhaus, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Ab 1825 erhielten sie
eine, vom bayerischen König anerkannte, jüdische Schule. Das Schulhaus wurde
bis 1857 weiter genutzt. Im Jahre 1864 wurde eine neue Synagoge gebaut.
Darin wurden ein Parochet (Thora-Vorhang) aus der früheren Synagoge aus dem
Jahre 1799, ein Heft der Beerdigungsbruderschaft von 1793 und Satzungen der
Synagogengemeinschaft aus dem Jahre 1838 aufbewahrt. Die Satzung der
Gesellschaft 'Gnade und Wahrheit' wurde 1876 geschrieben. Außerdem gab es
eine koschere Metzgerei und eine Matzenbäckerei. Die meisten Gebäude
bestehen noch, allerdings im umgebauten Zustand. Bekannte Personen wie Prof.
Leo Trepp oder der ehemalige Bundesjustizminister Gerhard Jahn haben ihre
jüdischen wurzeln im Ort. Am 25.04.1942 wurden die letzten 15 Juden zum
Sammeltransport DA 49 von Würzburg nach Lublin abgeholt."
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Februar 2011:
In Stadtlauringen sollen "Stolpersteine" verlegt
werden |
Artikel von Anette Tiller in der
"Main-Post" vom 5. Februar 2011 (Artikel):
"STADTLAURINGEN - Appell an die Zivilcourage
In Erinnerung an ermordete Juden: Die ersten Stolpersteine im Landkreis kommen nach Stadtlauringen
Die ersten Stolpersteine im Landkreis, die an im Holocaust ermordete jüdische Einwohner erinnern sollen, werden in Stadtlauringen verlegt: Sie erhalten ihren Platz vor einem
Haus in der Kirchtorstraße. Diesem Vorschlag von Ferdinand Freudinger hat der Gemeinderat einmütig zugestimmt. In Schonungen dagegen war das Projekt für acht Stolpersteine im vergangenen Jahr gescheitert (wir berichteten).
Die beiden Mahnmale in der Kirchtorstraße, die mit einer Messingtafel versehen wie Pflastersteine in den Gehweg eingelassen werden, sollen die Namen der einst dort wohnenden Simon und Regina Hirschberger tragen, die am 25. April 1942 deportiert und im Raum Lublin ermordet worden sind. Sie waren die einzigen jüdischen Einwohner Stadtlauringens, denen dieses Schicksal widerfahren ist. Nach Recherchen von Elisabeth Böhrer sind an diesem Tag 169 Menschen jüdischen Glaubens aus der Stadt und dem Landkreis Schweinfurt verschleppt worden. Eine große jüdische Gemeinde existierte im Nachbarort Oberlauringen, wo es bis heute einen jüdischen Friedhof gibt; von dort waren es 13.
Der Stadtlauringer Hilmar Gerschütz (84) kannte die schräg gegenüber wohnende
Familie Hirschberger gut, die vier Töchter hatte. Besonders mit deren jüngster Tochter, Lore Hirschberger, hatte er guten Kontakt.
'Die Hirschbergers waren eine sehr nette Familie und orthodoxe, strenggläubige
Juden', so Gerschütz gegenüber dieser Zeitung. Er kann viel über die jüdischen Gesetze, nach denen die Familie lebte, erzählen. So besuchte Regina Hirschberger oft seine Mutter, konnte dabei aber nie einen Tee trinken, da das Geschirr nach deren Gesetzen nicht koscher war. Und da die Juden an Sabbat (Freitagabend bis Samstagabend) kein Feuer anschüren durften, erledigte dies manches Mal Gerschütz' Mutter für die Familie Hirschberger.
Als die Judenvernichtung in Deutschland begann, war dies auch eine schreckliche Zeit für die Familie Gerschütz: Sie habe den Umgang mit Juden als völlig ungerechtfertigt betrachtet.
'Und uns war klar', so erinnert sich Gerschütz, 'dass wir die Nächsten gewesen wären, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Denn wir waren gegen
Hitler.' Dass mit Stolpersteinen nun an die jüdischen Nachbarn erinnert werden soll, findet Gerschütz
'hervorragend'. 'Man vergisst viel zu rasch', sagt er, 'die Juden waren schließlich voll integrierte Bürger unserer
Gemeinde.'
Der Gedanke, Stolpersteine zu verlegen, kam Ferdinand Freudinger, als er von der Aktion
'Wir wollen uns erinnern' erfuhr. In Erinnerung an die Opfer der Deportationsmärsche soll in Würzburg am 10. Mai der Weg des dritten Deportationszuges nochmal begangen werden. Der 67-Jährige, der die Stolpersteine auch selbst bezahlen will, befasst sich schon seit Jahrzehnten mit der jüngeren Zeitgeschichte und es war ihm ein großes Anliegen, den deportierten Juden wieder einen Namen zu geben. Sein Ziel ist es, den entrechteten, enteigneten und unter einer Nummer ausgelöschten Bewohnern der Gemeinde ihre Identität, ihre Heimat und Menschenwürde wiederzugeben.
Wider den Rassismus. Zudem möchte er bei der nachwachsenden Jugend ein Bewusstsein zur permanenten Wachsamkeit gegenüber aufkeimendem Rassismus und Antisemitismus wecken.
'Denn wir müssen Zivilcourage zeigen, wo Menschenwürde verletzt wird,' lautet Freudingers Appell.
Im Gemeinderat stieß seine Initiative auf fruchtbaren Boden. Johann Riegel berichtete, dass er sich mit vielen Bürgern über die Stolpersteine unterhalten habe und sie diesem Ansinnen durchweg positiv gegenüber stünden:
'Alle sind dafür, dass solche Steine angebracht werden.' Roger Treubert zollte der Familie Freudinger Respekt für diese Initiative.
Auch Bürgermeister Friedel Heckenlauer bezeichnete solche Aktionen für sehr wichtig, um auch künftige Generationen daran zu erinnern, zu welchen Gräueltaten Menschen fähig sind. Oswald Schneider erwähnte, dass mit den Steinen auch an die Behinderten gedacht werde, die in dieser Zeit getötet wurden. Und Hubert Braun sagte, dass es wichtig sei, solche Mahnmale anzubringen, solange es auch noch Zeitzeugen gibt. Wie etwa Hilmar Gerschütz. Mitarbeit: mjs-" |
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Juni 2011:
In Stadtlauringen wurden "Stolpersteine" verlegt |
Foto
links: Regina und Simon Hirschberger, geboren in Stadtlauringen und getötet im Holocaust – wegen ihrer jüdischen Herkunft. An das Ehepaar erinnern jetzt zwei so genannte
'Stolpersteine', die am Mittwochmittag der Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Hirschbergers in der Kirchtorstraße verlegt hat. Sie sind die ersten im Landkreis Schweinfurt.
Artikel von Josef Schäfer in der "Main-Post" vom 29. Juni 2011 (Artikel):
"STADTLAURINGEN - Erinnerung an Ehepaar Hirschberger
Gunter Demnig hat am Mittwoch erste 'Stolpersteine' im Landkreis Schweinfurt verlegt zurück.
Regina und Simon Hirschberger, geboren in Stadtlauringen und getötet im Holocaust – wegen ihrer jüdischen Herkunft. An das Ehepaar erinnern jetzt zwei so genannte
'Stolpersteine', die am Mittwochmittag der Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem ehemaligen Wohnhaus der Hirschbergers in der Kirchtorstraße verlegt hat. Sie sind die ersten im Landkreis Schweinfurt.
'Damit wollen wir uns nicht brüsten', sagen Bürgermeister Friedel Heckenlauer und Initiator Ferdinand Freudinger unisono. Es gehe vielmehr um die Erinnerung, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind. Es sei ihm
'ein Bedürfnis' gewesen, die Steine verlegen zu lassen, sagt Freudinger, der sich mit der jüdischen Geschichte der Gemeinde beschäftigt und eine Ausstellung dazu im Rathaus plant.
Das Ehepaar Hirschberger sind die einzigen Bewohner Stadtlauringens, die im Holocaust ums Leben gekommen sind. 13 sind es aus dem Nachbarort Oberlauringen, wo es eine große jüdische Gemeinde gegeben hat und heute noch ein jüdischer Friedhof existiert. Dort sind allerdings nach Worten Heckenlauers derzeit keine Aktionen geplant.
Mit Blick auf Schonungen, wo der Einbau von 'Stolpersteinen' für acht ehemalige Einwohner gescheitert ist, verweist der Bürgermeister auf das Konfliktpotenzial, das eventuell bei Anwohnern existiert. Bei Doris Gauster ist das nicht der Fall: Sie bewohnt heute das Hirschberger-Haus und hält mit ihrer Digitalkamera fest, wie Demnig die beiden Betonwürfel mit den Messingschildern in den Gehsteig einzementiert.
'Ich habe mit der Geschichte kein Problem', sagt sie: 'Wir haben das Haus auf redliche Weise
erworben.' Wie Gauster berichtet, hat ein Onkel der Hirschbergers, der in den USA lebte, nach dem Krieg das Haus gekauft.
Regina und Simon Ehepaar Hirschberger war es Ende der Dreißigerjahre gelungen, ihre drei Töchter – eine Vierte ist 1918 als Säugling gestorben und in Stadtlauringen beerdigt – zu Verwandten ins Ausland zu bringen. Ein Enkel war erst vor 14 Tagen in Stadtlauringen zu Besuch, um den Heimatort seiner Großeltern kennenzulernen, erzählt Bürgermeister Heckenlauer.
Doris Gauster besitzt ein zweiseitiges Papier, auf dem die Geschichte ihres Wohnhauses und damit auch der Familie Hirschberger aufgelistet ist. Demnach war Simon Hirschberger Stoffhändler und betrieb in der heutigen Kirchtorstraße ein Kurzwarengeschäft. Das Besondere: Er war einer der Ersten, die im Ort ein Auto besaßen. Einen BMW Dixi 3/15 mit 15 PS. Der wurde nach den Geschäftsfahrten im Hausflur geparkt: auf einer Eisenplatte, die dann zur Seite geschoben worden ist, um Platz für einen ungehinderten Durchgang zu schaffen.
'Die Hirschbergers besaßen auch ein Haus in Oberlauringen, wo sie den Sabbat
verbrachten', erklärt Freudinger. Denn gläubige Juden durften am wöchentlichen Feiertag keine Arbeiten verrichten und auch keine großen Strecken zurücklegen.
Als 'Stolperstein'-Erfinder Demnig längst auf dem Weg nach Coburg zum nächsten Auftrag ist, verharrt das Grüpplein vor Gausters Haus und unterhält sich über Stadtlauringens Vergangenheit. Heckenlauer berichtet von einem Referat, das seine Tochter über das Judentum gehalten hat und daher Thema zuhause geworden ist. Freudinger erinnert an Anekdoten und kaum erzählte Geschichten aus der Historie: Etwa dass eine Familie zwei Jahre lang ein jüdisches Mädchen aus Mainz versteckt gehalten hat.
'Das sollten sie aufschreiben, um es der Nachwelt zu erhalten', schlägt Elisabeth Böhrer vor, die ebenfalls über jüdische Geschichte forscht.
'Ich werd's mir überlegen', sagt Freudinger." |
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November 2012:
Ausstellung "Aus der jüdischen Geschichte
von Oberlauringen" |
Artikel über die "Eröffnung der Ausstellung: 'Aus der jüdischen
Geschichte von Oberlauringen'" von Israel Schwierz in: Jüdisches
Leben in Bayern. Mitteilungsblatt des Landesverbandes der Israelitischen
Kultusgemeinden in Bayern. 28. Jahrgang Nr. 121 Pessach. März 2013. S.
10. Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken
Hinweis: nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer wurden Regina und Simon
Hirschberger nicht in Izbica ermordet; der genaue Todesort ist unbekannt;
beide wurden für tot erklärt. Lilly Jahn ist eine geborene Schlüchterer und
kam in Köln zur Welt. Ihre Mutter ist eine geborene Schloß; sie wurde in
Oberlauringen geboren. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern.
Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. S. 99-100. |
| Michael Trüger: Der jüdische Friedhof Oberlauringen. In: Der
Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Jg. 2000 15.
Jahrgang Nr. 83 vom September 2000 S. 22-23. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 378-379. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of
Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 389-391. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 156-157. |
| Vilmar Herden: Jüdisches Leben in
Oberlauringen. Zusammenfassender Beitrag - erstellt im Oktober 2012: eingestellt
als pdf-Datei. |
| ders.: Jewish Life in Oberlauringen (obiger
Beitrag in englischer Sprache): eingestellt
als pdf-Datei. |
| ders.: 1200 Jahre Oberlauringen. 200 S. 2011.
Darin über "Die Ansiedlung der Juden in Oberlauringen - Teil IX"
(siehe Beitrag
im Schweinfurter Oberland-Kurier vom 1.7.2011)
|
| Hinweis
auf das Buch von Martin Doerry: "Mein verwundetes Herz".
Das Leben der Lilli Jahn 1900-1944. Deutscher Taschenbuch Verlag 2004. ISBN
13: 978-3423341462. 384 S.
Erschien auch in der SPIEGEL-Edition Band (Abbildung links)
Zu diesem Buch: Lilly Jahn stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie, wurde Ärztin, heiratete einen nicht-jüdischen Studienkollegen und gründete mit ihm eine erfolgreiche Arztpraxis in
Immenhausen bei Kassel. Das Paar bekommt fünf Kinder, doch dem zunehmenden Druck der Nazis auf die
'Mischehe' hält Lillys Mann nicht stand. 1942 lässt er sich scheiden und heiratet eine Kollegin.
Lilly Jahn wird in einem 'Arbeitserziehungslager' inhaftiert, und es beginnt ein umfangreicher Briefwechsel, der den verzweifelten Kampf der Mutter und ihrer Kinder um den Zusammenhalt der Familie, um die Aufrechterhaltung von »Normalität« und gegen die Hoffnungslosigkeit veranschaulicht. Doch 1944 ist das Schicksal der Familie besiegelt: Lilly Jahn wird nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Lilli Jahn geb. Schlüchterer war die Mutter von Gerhard Jahn,
Justizminister im Kabinett von Willi Brandt (siehe Wikipedia-Artikel
Gerhard Jahn).
Die Eltern von Lilli Jahn waren der Kölner Fabrikant Josef Schlüchterer
(Sohn des Herrenschneiders Anselm Schlüchterer in Zeitlofs)
und seine Frau Paula geb. Schloß (Tochter des Viehhändlers - in Oberlauringen,
dann in Halle an der Saale - Moritz Schloß). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Oberlauringen Lower
Franconia. The Jewish
community was founded by the early 18th century. A cemetery was consecrated in
1832 and a new synagogue in 1864. In 1880 the Jewish population reached a peak
of 177 (total 927), thereafter declining steadily to 47 in 1933. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), rioters vandalized the synagogue and Jewish homes. All
Jewish men were arrested and held at the Hofheim prison and forced to engage in
hard labor. They were then sent to the Dachau concentration camp. Thirty Jews
managed to leave Oberlauringen in 1938-40, 20 of them emigrating from Germany.
Of the last 17, 13 were deported to Izbica in the Lublin district (Poland) via
Wuerzburg on 25 April 1942.
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