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Hermeskeil (Kreis
Trier-Saarburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Hermeskeil bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938.
Sie entstand seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als aus Dörfern der Umgebung
einige jüdische Familien zugezogen sind. 1840 zog die erste Familie aus
Thalfang zu. 1843 waren - vermutlich zu dieser Familie gehörend - drei jüdische
Personen am Ort. 1871 waren es 17 jüdische Einwohner, 1886
"acht Familien mit neun schulpflichtigen Kindern" (siehe Anzeige
unten), 1895 34. Inzwischen war
eine selbständige "Israelitische Religionsgesellschaft" gegründet
worden. Ein erster Lehrer namens Friedmann, der möglicherweise schon
pensioniert war, übernahm die Aufgabe eines Vorbeters und Lehrers. Er soll als
erster auf dem 1880 angelegten jüdischen Friedhof beigesetzt worden sein.
An Einrichtungen waren seit Ende
des 19. Jahrhunderts eine Synagoge (s.u.) sowie eine Religionsschule mit
Lehrerwohnung in einem kleinen jüdischen Gemeindezentrum eingerichtet. Auch ein
Friedhof konnte 1880 angelegt werden. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Bei anstehenden
Neubesetzungen wurde die Stelle immer wieder neu ausgeschrieben (siehe Anzeigen
unten). In den diesbezüglichen Anzeigen werden auch die jeweiligen Vorsteher
der Gemeinde genannt: 1886 Samson Ackermann, 1889 Heinrich Heimann (genannt in
der Suchanzeige für die Torarolle), 1891 G. Lieser, 1898 Isack Ackermann.
In den Jahrzehnten bis um 1930 konnte das
jüdische Gemeindeleben weiter aufblühen. Bis 1925 wuchs die Zahl der
Gemeindeglieder auf die vermutliche Höchstzahl von 45 (bei einer
Gesamteinwohnerschaft von 2.795 Personen). Am jüdischen Vereinen bestand ein Israelitischer Frauenverein
(Ziel: Unterstützung Hilfsbedürftiger). 1932 war Vorsteher der Gemeinde Isaak
Ackermann. Offenbar war damals kein eigener Vorsänger und Lehrer mehr am Ort. Die Gemeinde wurde von Rabbiner Dr. Altmann aus Trier betreut.
Als
Lehrer kam Lehrer Nandor Fruchter aus Schweich regelmäßig nach Hermeskeil und
unterrichtete die damals noch drei schulpflichtigen jüdischen Kinder.
Bereits Ende der 1920-Jahre kam es zu antisemitischen
Vorfällen. 1929 wurde der Friedhof
geschändet. 1936 wurden die Fenster von fünf jüdischen Häusern / Geschäften
eingeworfen. Beim Novemberpogrom 1938 wurden jüdische Wohnungen demoliert und
die Bewohner misshandelt. Nach diesen Ereignissen waren nur noch elf jüdische
Personen in der Stadt. Die anderen waren bereits aus Hermeskeil verzogen oder
ausgewandert.
Von den in Hermeskeil geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frida Ackermann geb. Loeb (1883), Otto Ackermann (1873),
Klara Bach geb. Ackermann (1874), Ottilie (Otilia) Bonem, geb. Isaak (1865),
Adele Heimann (1920), Siegmund Heimann (1880), Trudel Heimann (1922), Elise Kahn
geb. Gamiel (1891), Gertrud
Kahn (1923), Moritz Kahn (1890), Sara Mendel geb. Schloss (1870), Helena Samuel (1874), Ida Scholem geb. Isaac
(1889), Alfred Süsskind (1931).
Für Moritz, Elise und Gertrud Kahn wurden am 30. Oktober 2006 vor dem Haus
Trierer Straße 55 "Stolpersteine"
verlegt.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers / Vorbeters / Schochet 1886 / 1890 /
1891 /
1892 / 1898 / 1901
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. November 1886:
"Die israelitische Gemeinde in Hermeskeil bei Trier, bestehend aus
acht Familien mit neun schulpflichtigen Kindern, sucht für sofort oder
später einen unverheirateten Religionslehrer, welcher auch als Schächter
und Vorbeter zu fungieren hat.
Der Gehalt beträgt pro Jahr 500 Mark, freie Wohnung und mindestens 100
Mark Nebeneinkommen. Qualifizierte Bewerber wollen sich schriftlich an den
Unterzeichneten wenden, unter Beifügung ihrer Zeugnisse und Angabe über
ihre bisherige Tätigkeit. Seminaristisch gebildete Lehrer erhalten den Vorzug.
Samson Ackermann, Vorsteher." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. November 1890:
"Die hiesige israelitische Religions-Gesellschaft sucht für sofort
einen unverheirateten Religionslehrer, Vorbeter und Schochet.
Seminaristisch gebildete Lehrer werden bevorzugt. Ausländer bleiben
ausgeschlossen. Das Gehalt beträgt jährlich 500 Mark, sodann ungefähr
100 Mark. Nebenverdienst, sowie freie Wohnung und Heizung. Geeignete
Bewerber wollen sich sogleich an den Unterzeichneten wenden unter
Zusendung ihrer Zeugnisse. Hermeskeil, den 16. November 1890. Jakob
Heimann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Juli 1891:
"Die Stelle als Religionslehrer, Vorbeter und Schochet in hiesiger
Gemeinde ist baldigst zu besetzen. Jährliches Einkommen 600 Mark,
ungefähr 100 Mark Nebenverdienste und freie Wohnung. Nähere Auskunft
erteilt der Unterzeichnete. Hermeskeil. G. Lieser." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. April 1892:
"Die israelitische Gemeinde zu Hermeskeil (Regierungsbezirk Trier)
sucht bis 1. Mai einen Religionslehrer, Kantor und Schochet. Gehalt bei
freier Wohnung 600 Mark nebst ca. 200 Mark Nebenverdiensten. Nur deutsche
Bewerber wollen sich gefälligst sofort an Lehrer Schloß wenden.
Unverheiratete werden bevorzugt." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1898:
"Die Stelle des Religionslehrers, Vorbeters und Schächters der
hiesigen israelitischen Religionsgesellschaft, welche aus 11 Mitgliedern
besteht und 8 schulpflichtigen Kinder zu unterrichten hat, ist neu zu
besetzen. Gehalt pro Jahr 600 Mark, Nebenverdienste ungefähr 100 Mark und
freue Wohnung. Seminaristisch gebildete, unverheiratete Lehrer werden
bevorzugt. Bewerbungen, denen Zeugnisse beizufügen sind, von hierzu
Befähigten nimmt der Unterzeichnete entgegen. Nur dem Gewählten wird
Reiseentschädigung bewilligt.
Hermeskeil, 1. Juni 1898. Isaak Ackermann, Vorsteher." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1901:
"In hiesiger Gemeinde ist die Stelle als Kantor, Schochet und
Religionslehrer sofort zu besetzen. An Fixum werden 600 Mark
bewilligt, bei freier Wohnung; die Nebenverdienste belaufen sich auf ca.
200 Mark. Bewerber wollen sich gefälligst bei dem Unterzeichneten melden.
Heinrich Heinemann. Vorstand der israelitischen Gemeinde
Hermeskeil, Regierungsbezirk Trier." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Die jüdische Gemeinde sucht eine spezielle Torarolle (1889)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1889:
"Die unterzeichnete Gemeinde beabsichtigt eine Sefer Tora (Torarolle)
zu kaufen und zwar nur von sechs Handbreit möglichst auch auf Säulen
(?). Die Herren Toraschreiber, welche eine solche Torarolle zu verkaufen
haben, möglich sich wenden bei Angabe des Preises an Herrn Heinrich
Heimann, Vorstand der israelitischen Gemeinde zu Hermeskeil bei
Trier." |
Die Gemeinde möchte ihre Torarollen ausbessern lassen
(1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Mai 1904: "Die
israelitische Religionsgesellschaft zu Hermeskeil, Bezirk Trier, will an
ihren Torarollen eine größere Ausbesserung vornehmen
lassen, und ersucht hierzu nachweislich Befähigte sich dieserhalb
sogleich schriftlich unter Mitteilung ihrer Forderung pro Tag, bei freier
Station, an den unterzeichneten Vorsteher zu wenden. Isaak Ackermann." |
Nationalsozialistische Umtriebe im
Moseltal und im Hochwald, u.a. in
Traben-Trarbach, Enkirch und Hermeskeil
(1929)
Artikel
in der "CV-Zeitung" (Zeitung des Central-Vereins) vom 31. Mai 1929: "Nationalsozialistische
Propaganda an der Mosel und im Hochwald. Nun hat das schöne und stille
Moseltal auch seine Judenhetze. Seit einigen Wochen hat im Hochwald und
anschließend im Moselgebiet von Zell bis
Bernkastel mit Einschluss von
Traben-Trarbach eine umfangreiche
nationalsozialistische Propaganda eingesetzt, die eine starke Unruhe in
diese Gegend gebracht hat. Die Moselaner sind liebenswerte, freundliche
Menschen, denen der Hassgedanke an sich fern liegt. Sie sind unglaublich
fleißig und lebten in früheren Jahren in durchweg guten wirtschaftlichen
Verhältnissen. Viele Missernten der letzten Jahre, dazu die allgemeine
wirtschaftliche Depression und nicht zuletzt die starke Konkurrenz durch die
französischen Weine haben schwere Lebenssorgen in das Gebiet gebracht. Dass
auf einem solchen Boden die Predigten der nationalsozialistischem
Heilsapostel Erfolg haben würden, war vorauszusehen. Der einfache Weinbauer
kennt seine eigene Not und glaubt in frommem Selbstbetrug gern, was sich so
gut anhört. Dass aber die nationalsozialistischen Rezepte nur Redensarten
bedeuten, die eine Besserung der Lage noch unmöglicher machen, dass
insbesondere ihre Behauptungen über die Juden meist Verleumdungen sind,
soweit wird kaum gedacht. Entgegen der gegnerischen Unwahrheit die Wahrheit
in die Bevölkerung zu tragen, bedeutet wohl hier die entscheidende Aufgabe.
Die Mosel ist in der Hauptsache katholisch. Es gibt aber noch einige starke
evangelische Zentren, deren Vorhandensein auf geschichtliche Gründe
zurückzuführen ist. Ein solcher Mittelpunkt ist
Enkirch, ein Ort, der zugleich auch
als Zentrum nationalsozialistischer Propaganda gelten kann. Als weitere
Hochburg ist Veldenz im Kreis Bernkastel zu nennen. Damit soll aber
nicht gesagt werden, dass sich die Anhängerschaft der Nationalsozialisten
nur in evangelischen Gebieten ausbreitet. Einen Gegenbeweis liefert der Ort
Hermeskeil im Hochwald, der zu neun Zehntel katholisch ist und
bereits heute zum größten Teil nationalsozialistisch verseucht ist.
Die Juden des Moselgebietes sind gleich der christlichen Einwohnerschaft
fleißige, genügsame Menschen, die sich durchweg keine Reichtümer erworben
haben. Sie sind mit ihrem Heimatboden als Rheinländer und Deutsche aufs
engste verwachsen und haben mit der übrigen Bevölkerung stets auf dem Boden
gegenseitiger Achtung und Freundschaft zusammengelebt. Es darf wohl gehofft
werden, dass dieses Band der Zusammengehörigkeit, das im Verlauf einer
langen Geschichte durch gemeinsames erleben und durch gemeinsam getragene
Schicksale gewebt worden ist, sich stärker erweisen wird als der zersetzende
Einfluss nationalsozialistischer Haßgesänge.
Die Bewohner des Moselgebietes leben zum großen Teil direkt und indirekt vom
Fremdenverkehr, und nicht wenige Juden sind es, die jährlich als Touristen
das liebliche Tal durchwandern oder an den freundlichen Plätzen darin ihre
Erholung suchen. Ich glaube, man würde in Zukunft zum größten Teil auf diese
Gäste verzichten müssen, wenn die antisemitischen Wühlereien sich weiter
ausbreiten sollten. Schließlich schmeckt auch der Rheinwein gut. Es
ist nur zu hoffen, dass der gesunde Sinn der Moselaner im wohlverstandenen
Interesse der eigenen wirtschaftlichen Lage den rechten Weg finden wird, um
Ruhe und Frieden zu wahren, die im Augenblick durch eine verantwortungslose
Arbeit der Nationalsozialisten gefährdet sind. E.J." |
Zur Geschichte der Synagoge
Es ist nicht bekannt, wann ein erster Betsaal eingerichtet wurde, der
vermutlich vor der Synagoge in einem Privathaus bestanden hat.
In der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts (eventuell wie der Friedhof um 1880?) wurde
eine Synagoge an der Martinusstraße erbaut. Es handelte sich um ein
kleines Gemeindezentrum. Im Erdgeschoss war eine Wohnung, wahrscheinlich die
Lehrer- und Vorsängerwohnung eingerichtet, im Obergeschoss der Betsaal. Auch
ein Raum für den Unterricht der Kinder dürfte vorhanden gewesen sein. Die
jüdische Gemeinde sorgte im Laufe der Jahre für die weitere Innenausstattung,
unter anderem durch die Anschaffung von Ritualien wie Torarollen u.a.m. 1889
findet sich eine Suchanzeige für eine Torarolle, die möglichst nur sechs
Handbreit groß sein sollte und die vermutlich für die Innenausstattung des
Betsaales benötigt wurde (siehe Anzeige oben).
Bis 1938 war die Synagoge Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens in Hermeskeil. Beim Novemberpogrom 1938 wurde sie
geschändet, die Inneneinrichtung zerstört. Eine Brandstiftung wurde durch einen Nachbarn verhindert,
da die Nachbargebäude von einem Brand vermutlich mitbetroffen worden wären.
Danach wurde das Gebäude zweckentfremdet. Am 15. März 1945 wurde das
Gebäude wie die ganze Häuserzeile durch Kriegsereignisse völlig zerstört.
Das Grundstück wurde teilweise neu bebaut.
Am Synagogenstandort erinnert seit dem 18. November 1978
(Volkstrauertag) eine Gedenktafel mit der Inschrift: "Zum Gedenken
an die vertriebenen und ermordeten jüdischen Mitbürger und die im Jahre 1938
zerstörte Synagoge. Stadt Hermeskeil 1978".
Adresse/Standort der Synagoge: Martinusstraße unweit der katholischen
St.-Martinskirche (alte Adresse 1932: Damfloser Weg 119).
Fotos
(Foto der kriegszerstörten Synagoge in Landesamt s.Lit. S. 182;
Farbfotos: Hahn, Aufnahmedatum: April 2006)
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Die
kriegszerstörte Synagoge (Aufnahme nach März 1945); rechts Ausschnitt
aus dem Foto links.
Deutlich zu sehen sind noch die hohen
Rundbogenfenster des Betsaales. |
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Die Gedenktafel befindet sich
an der hellen
Betonmauer links der parkenden Autos |
Die Gedenktafel für
die
Synagoge |
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Einzelne Presseberichte
Mai 2012:
Zum 90. Geburtstag von Dr. Heinz Kahn (geboren
1922 in Hermeskeil,
langjähriger Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde Koblenz) |
Pressemitteilung der Landesregierung
Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 2012: "90. Geburtstag von Dr. Heinz Kahn.
Lebensweg ist geprägt durch Bekenntnis zur Menschlichkeit..."
Link
zum Artikel - Auch eingestellt
als pdf-Datei |
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November
2012: Gedenkveranstaltung aus Anlass
des Novemberpogroms 1938 |
Artikel von Ursula Schmieder im
"Trierischen Volksfreund" vom 11. November 2012: "Zeitzeuge erinnert an jüdisches Leben
Rund 40 Interessierte haben im Hochwaldmuseum Hermeskeil den Vortrag von Georg Marx, eines Zeitzeugen des Nazi-Regimes, verfolgt. Am 74. Jahrestag der Pogromnacht von 1938 erinnerte er an die früheren jüdischen Mitbürger.
Hermeskeil. Nach den Greueltaten des Nationalsozialismus ist die Geschichte vieler jüdischer Gemeinden beinahe in Vergessenheit geraten, doch egal ob in Städten oder auf dem Land, fast überall sind Spuren jüdischen Lebens auch heute noch zu finden. Alte Fotografien von Häusern und Zeitungsanzeigen zeichnen auch in Hermeskeil ein Bild von einer Stadt, in der jüdische Familien im sozialen Leben fest verankert waren.
Opfern ein Gesicht geben. So bot beispielsweise der Kaufmann Isaak Ackermann in seinem Geschäft
'Jaquettes' für Damen, Kragen für Kinderkleidung und Herren-Überzieher an. Auch
'Buxkins und Kuseler Tirteys', Arbeitskleidungsstoffe, gab es bei ihm. Isaak sei immer gut, sprich
'sonntags', gekleidet gewesen, erzählt Referent Georg Marx (89) in einem Vortrag zum 74. Jahrestag der Pogromnacht im Hermeskeiler Museum. Anders als sein Bruder Samson, ein Bauer. Daher seien sie der
'sonndachs' und der 'werkdachs' genannt worden.
Anmerkungen wie diese lassen den Anlass des Vortrags fast vergessen. Marx versteht es, den Opfern des Naziregimes Gesichter und ihre Würde zurückzugeben. In Vernichtungslagern wie Theresienstadt oder Auschwitz seien vor allem die Älteren umgekommen, deren Kinder teils Jahre zuvor ausgewandert waren. So wie Yehudi Ackermann, den Marx wieder sah, als die Synagogen-Gedenktafel angebracht wurde (siehe Extra). Der aus Neuhütten stammende Hauptschullehrer und Regierungsschuldirektor lebt zwar erst seit 1948 in Hermeskeil. Doch er hatte einige der Jüngeren von seiner Schulzeit am Gymnasium gekannt. Ihre Familien lebten nahe der Synagoge, in Trierer-, Donatus- oder Gartenfeldstraße und am Bahnhof, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts pulsierte. Jüdische Eigentümer hatten das Modehaus Astor, die Schuhhäuser Dietz und Fuchs und Haus Hellgrewe mit dem noch heute stehenden Kastanienbaum.
Friedliches Zusammenleben. Auch neben der Donatusapotheke und hinter dem Malergeschäft Ballus wohnten jüdische Familien. Marx nannte zu allen Häusern die Namen der früheren Bewohner und deren Berufe wie Metzger, Vieh- oder Lebensmittelhändler. Sie hätten friedlich mit den anderen zusammengelebt und gute nachbarschaftliche Beziehungen gepflegt:
'Das sind Erinnerungen, die sie jeden Tag ansprechen könnten - aber viele wissen ja gar nicht, was damals in Hermeskeil passiert
ist.'
Die jüngeren rund 40 Besucher wissen meist nur vom Hörensagen von Namen, Häusern und vom 9. November 1938. "Ich hab das von meiner Mutter gehört, wie das war an dem Abend", erzählt Ilse Götz, Jahrgang 1935. Jeanna Bakal, stellvertretende Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde Trier, bedankte sich bei Marx. Seinen Vortrag verband er mit der Bitte, die Menschen nicht zu vergessen. Es gehe nicht darum, das Wissen ständig
'vor sich her zu tragen'. Doch man sollte zumindest 'ab und zu mal ihrer
gedenken:.
Museumsleiterin Agnes Weiß freute sich über die große Besucherzahl. 'Da sieht man, dass das Interesse an dem wichtigen Thema in der Bevölkerung da
ist.' Die Resonanz sei aber auch der Person des Referenten zu danken."
Extra. Schon 1840 gab es in Hermeskeil jüdische Bürger. Bis 1880 bestatten sie in Thalfang, danach auf ihrem Friedhof neben dem evangelischen (Züscher Straße/Ringgraben). Auf diese Zeit datiert auch die Einrichtung der bei einem Bombenangriff 1945 zerstörten Synagoge. An sie erinnert eine Gedenktafel am Awo-Haus in der Martinusstraße. Wegen der engen Bebauung wurden SA-Männer in der Pogromnacht, 9. November 1938, gehindert, sie niederzubrennen, nicht aber sie wie Geschäfte und Wohnungen zu verwüsten. Der Friedhof, auf dem während des Krieges Häftlinge des KZ Hinzert bestattet wurden, war bereits 1929 geschändet, die Grabsteine zerstört worden. Denn im "Gau-Musterdorf" grassierte der Antisemitismus früh. Gustav Simon, schon 1925 Mitglied der NSDAP und Gauleiter Koblenz-Trier (1931 bis 1945), gründete 1927 im Heimatort eine Ortsgruppe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten in Hermeskeil etwa 45 jüdische Bürger, 1938 noch elf. Nachweislich in Konzentrationslagern ermordet wurden 14 Hermeskeiler Juden."
Link
zum Artikel |
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Februar 2014:
Zum Tod von Dr. Heinz Kahn (geb. 1922 in
Hermeskeil, langjähriger Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde
Koblenz) |
Artikel von Reinhard Kallenbach in der
"Rhein-Zeitung" vom 10. Februar 2014: "Holocaust-Zeitzeuge Heinz Kahn ist tot: Jüdische Kultusgemeinde trauert
Koblenz/Polch - Die Jüdische Kultusgemeinde trauert um Dr. Heinz Kahn. Der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Koblenz starb am Sonntag, 9. Februar, im Alter von 91 Jahren. Wie die Christlich-Jüdische Gesellschaft mitteilte, wird er am Mittwoch, 11. Februar, um 11.30 Uhr auf dem Friedhof in der Schwerzstraße beigesetzt..."
Link
zum Artikel |
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Mai 2019:
Vortrag zur jüdischen Geschichte
in Hermeskeil |
Artikel im "Trierischen
Volksfreund" vom 22. Mai 2019: "Pädagogik : 'Ein Thema, das nie vergessen
werden darf'.
Hermeskeil Heinz Ganz-Ohlig hat am Gymnasium Hermeskeil einen Vortrag über
die Geschichte der Juden in der Hochwaldstadt gehalten.
(red) Heinz Ganz-Ohlig ist einst selbst Schüler des Gymnasiums Hermeskeil
gewesen. Jetzt hat er seine ehemalige Schule besucht, um dort einen Vortrag
zum Thema 'Juden im Gaumusterdorf – Auf den Spuren ehemaliger jüdischer
Nachbarn in Hermeskeil' zu halten. Darin gewährte der Autor Einblicke in
sein gleichnamiges Buch. Zunächst beleuchtete er die vergleichsweise späte
Entstehung der jüdischen Gemeinde vor Ort, welche sich vermutlich erst um
1840 bildete, als die ersten Juden von
Thalfang nach Hermeskeil zogen. Durch den Bau der Hochwaldbahn 1889
ergab sich ein wirtschaftlicher Aufschwung. Die jüdische Gemeinde wuchs auf
45 Mitglieder an, insgesamt lebten 2795 Menschen im Ort. Die meisten
ansässigen Juden waren Viehhändler, wie etwa Emmanuel Mendel, Landwirte, wie
Isaak Ackermann oder Einzelhändler, wie Erich Süsskind, der ein Schuhhaus
besaß. Außerdem lebte in Hermeskeil der jüdische Tierarzt Dr. Moritz Kahn
mit seiner Ehefrau Elise und seinen Kindern Heinz und Gertrud. Durch die
sogenannte Machtergreifung Hitlers 1933 und die darauf folgende
antisemitische Politik änderte sich für die Juden in Hermeskeil einiges. Es
gab bereits 1926 eine Ortsgruppe der NSDAP, außerdem kam es schon 1929 zur
Schändung des jüdischen Friedhofs.
Autor Ganz-Ohlig erzählte von Heinz Kahn, der 1933 als Elfjähriger die
Höhere Schule in Hermeskeil, das damalige Gymnasium, besuchte. Dieser
schilderte später die Veränderungen, die er seit der Machtübernahme Hitlers
erlebte: Kurz danach distanzierten sich alle nicht-jüdischen Mitbürger von
ihm, auch seine Freunde. Nicht-jüdische Kinder versuchten ihn oft zu
verprügeln. Zudem wurde er in der Schule ignoriert oder gehänselt. Zuletzt
musste er 1935 aufgrund der Nürnberger Gesetze die Schule verlassen. Sein
Vater Dr. Moritz Kahn musste 1935 seine amtlichen Tätigkeiten niederlegen
und durfte ab 1938 nicht mehr praktizieren. Die antijüdische Politik wurde
verschärft. Des Weiteren beschrieb der Autor die Pogromnacht und deren
Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung von Hermeskeil. Es kam zur
Schändung des jüdischen Bethauses sowie des jüdischen Friedhofs. In mehreren
jüdischen Betrieben wurde randaliert, etwa im Schuhhaus Liser. Ernst Samuel
und Dr. Moritz Kahn wurden vom Bürgermeister in 'Schutzhaft' genommen.
Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde von Hermeskeil konnten Deutschland
rechtzeitig verlassen. Andere gingen nach Amerika oder Israel. Die übrigen
jüdischen Familien zogen weg. Am 17. Mai 1939 war Hermeskeil 'judenfrei'.
Ganz-Ohlig erzählte, dass die Hermeskeiler Familien Süsskind und Kahn, die
in Deutschland blieben, 1943 nach Auschwitz deportiert wurden. Insgesamt
wurden 21 der 45 Hermeskeiler Juden ermordet. Die einzigen Überlebenden der
deportierten Hermeskeiler Juden waren Heinz Kahn und Erich Süsskind.
Die Schule dankte Heinz Ganz-Ohlig für den Einblick in die Geschichte: Er
habe Schülern und Lehrern mit seinem Vortrag ein Thema nahegebracht, das nie
vergessen werden dürfe. Das Buch 'Juden im Gaumusterdorf – Auf den Spuren
ehemaliger jüdischer Nachbarn in Hermeskeil' von Heinz Ganz-Ohlig hat 288
Seiten und ist für 29,90 Euro im Handel erhältlich."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Robert Reichard / Thomas Heidenblut:
Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg. Trier 2000. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 182-183 (mit weiteren Literaturangaben).
|
| Axel Redmer: Staatenlos und vogelfrei. Widerstand,
Verweigerung und Verfolgung von Menschen aus dem Bereich der oberen Nahe
1933 bis 1945. 1. Teil. Die Ausgebürgerten. 132 S. Birkenfeld
1993.
|
| Georg Marx: Juden in Hermeskeil. Versuch einer
Dokumentation. 64 S. Kell am 1999.
Anmerkung: Georg Marx verstarb 2015. |
| Thomas Müller: Kleine Gedenksteine am Straßenrand.
Stolpersteine erinnern auch im Landkreis an Opfer des Nationalsozialismus.
In: Jahrbuch des Kreises Trier Saarburg 2008 S.
234-239.
Zur Verlegung von Stolpersteinen im November 2006 und Februar 2007 in
Hermeskeil, Waldrach und Wiltingen. Online
zugänglich. |
| Willi Körtels: Die jüdische Schule in der Region
Trier. Hrsg. Förderverein Synagoge Könen e.V. 2011. Online
zugänglich (pdf-Datei). |
|
Heinz
Ganz-Ohlig: Juden im Gaumusterdorf. Auf den Spuren ehemaliger
jüdischer Nachbarn in Hermeskeil. 2018. 288 Seiten, ISBN 978-3-7902-1947-0,
29,90 €. Veröffentlichung des Emil-Frank-Institutes Schriftenreihe Band 20.
Erhältlich bei der Paulinus Verlag GmbH (Tel.: 0651/4608-121, E-Mail:
media@paulinus.de) und über
Buchhandlungen.
Zu diesem Buch: 1925 hatte Hermeskeil 2795 Bewohner, davon waren 45
Personen Juden. Man kann davon ausgehen, dass sie bis 1933 gut inkludiert
waren. Bereits 1926 entstand in Hermeskeil eine Ortsgruppe der NSDAP, deren
Aktivitäten sich besonders gegen die ortsansässigen Juden richteten. Mit der
Machtübernahme konnten die Nationalsozialisten dann staatlich legitimiert
gegen die Juden vorgehen, mit dem Ziel, Hermeskeil – wie ganz Deutschland –
'judenfrei' zu machen. So kam es zu den Juden im Gaumusterdorf. In der 1970
erschienenen Chronik 'Hermeskeil – Stadt im Hochwald' schreiben die Autoren:
'Bedrückt durch diese Ausschreitungen [Reichspogromnacht] und
Zwangsmaßnahmen wanderten die jüdischen Familien von Hermeskeil nach Amerika
aus, so dass der Amtsbürgermeister 1942 ‚voll Stolz‘ melden konnte:
‚Hermeskeil ist judenfrei‘.' Diese Worte jedoch, blenden die ermordeten
Hermeskeiler Juden komplett aus. Einige Juden waren zwar ausgewandert, die
anderen Hermeskeiler Juden lebten ab 1939 in Köln oder Trier. Von dort
wurden sie in die Ghettos und Konzentrationslager deportiert. 21 Juden, die
in Hermeskeil geboren wurden oder in Hermeskeil gelebt haben, wurden
ermordet. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Hermeskeil.
Jews settled in the 19th century. They engaged in trade; sold locally produced
nails in nearby cities; dealt in cattle; and served as sources of credit. A
community of 17 Jews existed by 1871; growing to 45 (total 2.795) in 1925. A
synagogue and cemetery were opened in the late 19th century and a religious
school was in operation in 1890. The local population was generally hostile to
the Jews. Antisemitic incidents continued into the Nazi period. In 1936, windows
were smashed in five Jewish homes and stores. On Kristallnacht (9-10
November 1938), ten Jewish-owned buildings were wrecked, Jews were beaten, and
the synagogue was set on fire. Most Jews left the city, with 11 remaining in
1938. After Kristallnacht those who did not succeed in leaving for
Palestine or the United States via Trier were deported to the camps.
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|