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in Konstanz
Konstanz (Kreisstadt)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt (vor 1938)
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Konstanz wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Aus der Geschichte des
Rabbinates in Konstanz
Anmerkung: Die Gemeinde Konstanz war zunächst der Israelitischen Gemeinde Tiengen
unterstellt. 1884 wurden Tiengen und Konstanz dem Bezirksrabbinat Gailingen
zugeteilt. 1897 bekam die Israelitische Gemeinde in Konstanz ein
Ortsrabbinat (Stadtrabbinerstelle). Erster Rabbiner war Dr. Ludwig Hannes
(siehe unten Artikel aus dem Gemeindeleben von 1899). Er blieb bis 1907 in
Konstanz. Von 1907 bis 1936 war Rabbiner in Konstanz Dr. Hermann (Chaim)
Chone. 1925 wurde Konstanz zwar zum Bezirksrabbinat erhoben, dennoch
behielten die Gemeinden Randegg und Gailingen
den orthodoxen Rabbiner Dr. Mordechai Bohrer als Ortsrabbiner. Zum Konstanzer
Bezirk gehörten Wangen, Meersburg, Überlingen,
Radolfzell und Singen, wobei nur in Wangen
eine - damals klein gewordene - jüdische Gemeinde
bestand.
Über die Rabbinate in der Bodenseegegend
(1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. April 1897: "Aus Baden. Es
ist eine erfreuliche Wahrnehmung, dass gegenüber dem badischen Mittel-
und Unterland, in welchem mehrere Bezirkssynagogen, von denen jede früher
einen eigenen Rabbiner hatte, zu einem Rabbinatsbezirke zusammengelegt
wurden, in der badischen Bodenseegegend Rabbinatsstellen neu errichtet
werden. So hat jetzt die junge israelitische Gemeinde Konstanz mit 545
Mitgliedern, welche seither zum Bezirksrabbinate Gailingen gehörte, eine
eigene Stadtrabbinerstelle, verbunden mit einem festen Gehalt von 2.200
Mark und 800 Mark für Erteilung von Religionsunterricht, sowie Kasualien
zur Bewerbung ausgeschrieben. Schon vor Jahren hat Konstanz bei der
israelitischen Landesbehörde Anstrengung gemacht, den Sitz des
Bezirksrabbinats zu erhalten, doch die Bezirksgemeinden entschieden in
ihrer Mehrheit für den seitherigen, schon seit Jahrhunderten bestehenden
Rabbinatssitz Gailingen, welcher trotz der durch die Freizügigkeit
erfolgten Abnahme, immer noch eine ansehnliche Gemeinde von 763
israelitischen Einwohnern bildet, die, wenn auch damals Konstanz gesiegt hätte,
dennoch einen eigenen Rabbiner mit beträchtlichen Opfern zu halten
gezwungen gewesen wäre. Die aus sechs Gemeinden bestehende
Bezirkssynagoge Gailingen hat nunmehr drei Rabbiner, in
Gailingen,
Konstanz und Randegg. Denn auch die letztere nur aus 241 israelitischen
Seelen bestehende Gemeinde hat seit mehr als einem Jahrhundert einen
eigenen Ortsrabbiner. Seit Anfang der fünfziger Jahre hat die Gemeinde
Randegg außer der Besoldung eines eigenen Rabbiners auch einen größeren
Beitrag an die Bezirkssynagoge Gailingen zu entrichten, was für die an
Zahl abgenommene Gemeinde ein Opfer ist, doch ist der Besitz eines
Rabbiners, wie ihn Randegg in Herrn E. Pickard –
sein Licht leuchte –
seit 42 Jahren ihr eigen nennt, eines solchen Opfers wert. Einsender
dieses war vor mehreren Jahren über Schabbat in dieser Gemeinde und hat
angesichts der wahrgenommenen echten, alten hier herrschenden Jüdischkeit
den inneren Wunsch gehegt, es möchte doch allenthalben so sein, verbunden
mit dem weiteren Wunsche, durch größere Stiftungen solche Rabbinate zu
erhalten. W." |
Abschied von Bezirksrabbiner Dr. Hermann (Chaim) Chone (1936)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Chone ist 1946 in Palästina/Erez Israel
gestorben.
Artikel in der "Jüdischen Rundschau" vom
4. September 1936: "Konstanz. Am 15. August verabschiedete
sich Bezirksrabbiner Dr. Hermann Chone, der während 27 Jahren in der
Gemeinde tätig war, um nach Palästina zu wandern. Den Dank des Oberrates
überbrachte Konferenzrabbiner Dr. Schiff, als Lehrer und Freund sprach
Kantor Bravmann und der Vorsteher, Rechtsanwalt Bloch, sagte den Dank der
Gemeinde, und gab bekannt, dass 27 Bäume als Abschiedsgeschenk der
Gemeinde, der zionistischen Ortsgruppe des Jugendvereins, des
Frauenvereins, und des Synagogenchors für Herrn Dr. Chone gestiftet
worden seien." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer und weiterer Kultusbeamten
Anmerkung: Die jüdische Gemeinde in Konstanz stellte nach ihrer Gründung
1863 als ersten Religionslehrer Max Flehinger an. Nach seinem Tod
amtierte von 1866 an Lehrer Sigmund (Salomon) Rieser. Er starb im April
1879. Auf
die Ausschreibung der Lehrerstelle (siehe unten) bewarb sich erfolgreich Lehrer
Alexander Geismar (geb. in Breisach, zuvor tätig in Bretten). Bis 1923
amtierte Geismar in Konstanz; er starb im Mai 1925. Sein Nachfolger war Jakob
Bravmann, der bis Anfang 1938 amtierte. Ihm folgte noch Kantor Arthur
Godlewski, der im Oktober 1940 mit dem Rest der Gemeinde nach Gurs
deportiert wurde.
Zeitweise hatte die jüdische Gemeinde einen weiteren Lehrer und 2. Vorbeter
angestellt. 1917 starb als solcher Hauptlehrer Siegmund Bloch (siehe
Bericht unten).
Zum
Tod von Lehrer Sigmund Rieser (1879)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1879: "Konstanz. Die
hiesige israelitische Gemeinde ist durch das Ableben ihres Lehrers Sigmund
Rieser in Trauer versetzt. Denselben befiel am Freitagabend, den 18.
vorigen Monats, als er in der Synagoge das Kiddusch betete, ein
starkes Unwohlsein, welches zwei Stunden später mit seinem Dahinscheiden
endete. Der Verstorbene wirkte dahier seit 1866 als Religionslehrer, Vorsänger
und Schochet, in welch’ sämtlichen Funktionen er sich die ungeteilte
Zufriedenheit und Achtung sämtlicher Gemeindemitglieder verdiente. Die
Gemeinde ist sich bewusst, an ihm einen echt religiösen, charaktervollen,
gewissenhaften Angestellten zu verlieren, so sei zum Beispiel erwähnt,
dass die hiesige Religionsschule seit Jahren die beste im Bezirk war. Der
Verstorbene hatte auch in deren Wissenschaften umfassende Kenntnisse und
war daher zur Erteilung von Privatunterricht allseitig sehr gesucht. Die
Gemeindemitglieder veranstalteten sofort eine Kollekte zur Anlegung eines
Rieser’schen Kinder-Fonds (der Verstorbene hinterlässt eine Frau und
drei unmündige Kinder) und diese Kollekte, welche noch nicht geschlossen,
ergibt jetzt schon ca. Mark 3.300. Der Verstorbene hatte bei allen Ständen
und Konfessionen ungeteilte Achtung sich erworben; bei seinem Begräbnis
beteiligten sich der Stadtrat, die Geistlichkeit, der Schulrat, die
Lehrer, verschiedene Vereine und ein großer Teil der Bürgerschaft; die
Presse beider Parteien widmete dem Verstorbenen schöne Worte des
Nachrufs. Die Gemeinde ist bestrebt, die nun vakante Stelle wieder durch
eine ebenso geeignete Persönlichkeit zu besetzen; möge es ihr
gelingen!" |
Ausschreibung der Lehrerstelle (1879)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1879: "Vakante
Lehrerstelle. Die Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle in
Konstanz am Bodensee, welche durch den Tod des bisherigen Lehrers erledigt
ist, soll baldmöglichst wieder besetzt werden. Die fixe Besoldung beträgt
zunächst 1.200 Mark, einschließlich der Wohnungsentschädigung und des
Gemeindeschreiberdienstes. Der Schächterdienst trägt 500 Mark und das
Schulgeld 250 Mark, außer mancherlei Nebeneinkommen. – Junge und nur
ganz tüchtige Kandidaten, die sich für die drei genannten Dienste gut
qualifizieren, wollen sich baldigst unter Einsendung der Zeugnisse in
portofreien Eingaben an uns wenden.
Gailingen, den 21. April 1879. Die
Bezirks-Synagoge. Dr. Löwenstein." |
25-jähriges
Ortsjubiläum von Religionslehrer und Kantor Alexander Geismar (1906)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 20. Juli 1906:
"Konstanz. Am 8. dieses Monats beging Herr Religionslehrer und
Kantor Geismar sein 25-jähriges Jubiläum als Beamter der
hiesigen
Synagogen-Gemeinde." |
Auszeichnung des Großherzogs:
Kantor Alexander Geismar erhält die kleine goldene Verdienstmedaille (1910)
Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 28. Januar 1910: "Karlsruhe.
Der Großherzog hat an nachbenannten Personen in ihrer Eigenschaft als Beamte
der Landessynagoge folgende Orden und Ehrenzeichen verliehen: das
Ritterkreuz II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen: dem Mitglied des
Synagogenrats, Kaufmann Josef Zimmern in
Mannheim, dem Vorsteher der
israelitischen Gemeinde, Hoflieferanten Julius Mayer in
(Baden-)Baden, den Mitgliedern der
israelitischen Gemeindevertretung Privatmann Israel Aberle und
Privatmann Wilhelm Nauen in
Mannheim; das Verdienstkreuz vom Zähringer Löwen: den
Synagogenratsvorstehern Isaak Lang in Altdorf, Nathan
Rothschild in Mosbach, Heinrich Weil
in Emmendingen, Elias Heim
in Müllheim und Mayer Dreyfuss
in Nonnenweier; die kleine goldene
Verdienstmedaille: den israelitischen Religionslehrern Samuel
Böttigheimer in Kehl und Alexander
Geismar in Konstanz; Die silberne
Verdienstmedaille: dem Kantor Abraham Schlössinger in
Billigheim." |
Zum Tod von Hauptlehrer Siegmund
Bloch (1917)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Februar
1917: "Konstanz. Hauptlehrer Siegmund Bloch ist infolge
Lungenentzündung im Alter von 50 Jahren verschieden. Er war auch bei der
jüdischen Gemeinde als Lehrer und 2. Vorbeter angestellt. Wegen seines
tadellosen Charakters erfreute er sich überall des höchsten
Ansehens." |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. März 1917: "Hauptlehrer Siegmund Bloch in Konstanz
ist infolge Lungenentzündung im Alter von 50 Jahren verschieden. Er war
auch bei der Jüdischen Gemeinde als Lehrer und 2. Vorbeter angestellt.
Wegen seines tadellosen Charakters erfreute er sich überall des höchsten
Ansehens." |
Ausschreibung
der Stelle des Synagogenverwalters, Schochet und Hilfsvorbeters (1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 1. Mai 1924:
"In unserer Gemeinde ist die Stelle eines
Synagogenverwalters und Schochet
zu besetzen, der vertretungsweise die Dienste eines Hilfsvorbeters
zu versehen hat. Unverheiratete werden bevorzugt. - Angebote mit
Lebenslauf und Zeugnissen sowie Referenzen an die
Israelitische Gemeinde Konstanz zu Händen des Rechtsanwalts Bloch,
Konstanz." |
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Erinnerung an mittelalterliche Zeiten (Konzil von
Konstanz) (Aus einem Artikel von 1903)
Erinnerung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember
1903: Abbildungen mit Untertext: "Feierlicher Zug der
jüdischen Gesandtschaft zu Papst Martin V. auf dem Konzil zu
Konstanz 1447. Aus einer gleichzeitigen Handschrift von Ulrich von
Reichsthal in der Stadtbibliothek zu Basel." |
Gründung eines Antisemitenvereins
mit Schwierigkeiten (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1893:
"Konstanz. Hier hat sich ein Antisemitenverein gebildet; um für
denselben Propaganda zu machen, hat man eine Anzahl hiesiger
hervorragender Personen genannt, welche Mitglieder des Vereins geworden
seien. Nunmehr haben diese Persönlichkeiten sich öffentlich dagegen
verwahrt und gerichtliche Klage wegen Missbrauchs ihres Namens
eingereicht." |
Allgemeiner Bericht über die Gemeinde (1893)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Oktober 1893:
"Konstanz, 4. Oktober (1893). Die Festtage führten mich in
meine herrlich gelegene Vaterstadt und gaben mir zu meiner großen Freude
reichliche Gelegenheit, das Blühen der hiesigen jüdischen Gemeinde
wahrzunehmen. Im Jahre 1864 gegründet, zählt dieselbe heute über 100
Familien, nachdem sie mit 47 Mitgliedern im Jahre 1883 die in edlem
Renaissancestil von hübschen Anlagen umgebene Synagoge erbaut
hatte. Der Gottesdienst, dessen Grundlage der sogenannte Mannheimer
bildet, war sehr freilich und doch schlicht und gab ein prächtiges
Beispiel davon, was verständnisvolle Leitung mit einfachen Mitteln zu
bieten vermag. Herr Lehrer Geismar ist ein strebsamer wackerer
Prediger. Der gemischte Chor sind tüchtig. Die Ordnung und Ruhe in der
Synagoge sind musterhaft. - Für gemeinnützige Zwecke der gut
verwalteten Gemeinde wirken der Frauenverein und der Bruderschaftsverein,
beides Schöpfungen des unvergesslichen vortrefflichen Lehrers Sigmund
Rieser, der leider den Bau des geschmackvollen Gotteshauses, den er
aus allen Kräften anstrebte, nicht mehr erleben sollte (im Frühjahr 1881
sank dieser edle Mensch ins frühe Grab, tief betrauert von seiner
Gemeinde, um die er sich unvergessliche Verdienste erworben). Der
Belehrung und Geselligkeit dient die vor bald 12 Jahren von Herrn Jakob D.
Bloch gegründete Gesellschaft 'Erholung' durch gut ausgestattete
Bibliothek, Vorträge (vorzugsweise aus dem reichen Gebiete der jüdischen
Geschichte und Literatur), Pflege des Gesanges (Männerchor) und durch
stets mit Geschick und kunstverständigem Sinn arrangierte
Abendunterhaltungen. So waltet in der an der äußersten südlichen Grenze
des deutschen Reiches bestehenden jüdischen Gemeinde ein guter Geist,
möge derselbe stetsfort segensreich wirken!" |
Der Antisemitismus regt sich auch in Konstanz
(1893)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. Dezember
1893: "Dass der Antisemitismus hauptsächlich die Frucht der blassen
Neider ist, ist eine bekannte Tatsache. In Konstanz, wo er sich nur
noch verschämt hin und wieder seit einiger Zeit regt, macht er sich
gerade vor der Weihnachtssaison bemerkbar. Waren das letzte Jahr die
warnenden Flugzettel, 'nichts bei den Juden zu kaufen', auf einmal
unversehens in den Häusern untergebracht, ohne dass man wusste, woher sie
kamen, wer die Menschheit retten wollte, so besorgen dieses Jahr diesen
edlen Dienst die katholischen 'Konstanzer Nachrichten'. Natürlich
verwahrte sich das Blatt für Wahrheit, Freiheit und Recht dagegen auf
einen dem gegenüber erhobenen Protest, die Absicht gehabt zu haben, die
hiesigen jüdischen Geschäftsleute zu schädigen."
|
Äußerst kritischer Bericht eines konservativ-orthodoxen
Geschäftsreisenden über die liberal geprägte Gemeinde in Konstanz (1899)
Anmerkung: Der Bericht zeigt die starken Spannungen auf, die in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts zwischen liberalen und orthodox geprägten
jüdischen Gemeindegliedern an den Fragen von Orgel in der Synagoge, gemischten
Chor u.a.m. entstanden waren. Die Spannung zwischen den Gruppen führte in
vielen Städten zur Bildung eigener orthodoxer jüdischer Gemeinde. Der Beitrag
ist mit teilweise bitterer Ironie geschrieben. Er setzt sehr gut
Gemeindekenntnisse voraus und könnte von einem orthodox geprägten Konstanzer
Gemeindeglied geschrieben sein, das unter den liberalen Zuständen sehr gelitten
hat.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. März 1899: "Konstanz.
Dieser Tage führte mich mein Weg auf einer Geschäftsreise durch Konstanz
und hatte ich bei dieser Gelegenheit die Ehre oder das Vergnügen, zum
ersten Male die Wirksamkeit eines Rabbiners von der Berliner 'Hochschule
der Wissenschaft des Judentums' mir aus der Nähe ansehen zu könnten.
Konstanz ist eine neue Gemeinde im doppelten Sinne des Wortes. Sie
existiert noch nicht lange und hat sich aus kleinen Anfängen durch Zuzug
zu ihrer jetzigen Mitgliederzahl entwickelt. Diese Art der Entwicklung ist
auf ihre religiöse, respektive unreligiöse Richtung nicht ohne Einfluss
geblieben. Es sind meistens wohlhabende Leute aus den umliegenden Dörfern
und Landstädtchen, welche ihr Wohlstand nach dem aufblühenden Konstanz
zieht. Aber auch die wohlhabenden, und selbst die reichen Eingewanderten,
können bei allem Wohlstand nicht viel mehr, als sich satt essen und
trinken. Ihre materielle Überlegenheit sucht daher nach irgend einem
Ventil, durch welches sie hervortreten und sich bemerklich machen kann;
dazu ist die jüdische Gemeinde, sind ihre Institutionen und vor allem die
Synagoge, der beste Tummelplatz.
Man darf nicht vergessen, dass Konstanz eine aufstrebende Stadt des Landes
ist, dessen jüdische Behörde den Schulchan Aruch verdächtigt und einen
Ukas erlassen hat, welcher Mizwas Mila durch Verbot der Mezize
verkümmert, welcher das öffentliche Teffilinlegen auf der Reihe
untersagt, um alle Extravaganzen seitens der Gemeinde milder zu
beurteilen. Dass ein christliches Kircheninstrument und ein gemischter
Chor der Synagoge ihren jüdischen Charakter entzogen hat, ist nach
alledem nicht auffällig.
Aber je weniger die Herren in ihrer Totalität einen Anspruch auf
Religiosität erheben können, umso angelegentlicher ist es ihnen darum zu
tun, dass sie einen frommen Rabbiner bekommen. So ganz extrem orthodox
braucht er natürlich nicht zu sein, sondern zahm, lamm- und mittelfromm,
sodass er etwas höher steht, als das niedrige Konstanzer Gemeinde-Niveau.
Mittelfromm, so heißt, glaube ich, das erlösende Wort!
Hat man schon einmal davon gehört, dass ein Kaufmann einen Kassier sucht,
der mittelehrlich ist, d.h. einen solchen, der nicht zu ehrlich ist, und
auch nicht zu viel Spitzbube? Ich glaube kaum. Aber im jüdischen
Gemeindeleben der Gegenwart soll diese wunderliche Blüte nicht so selten
sein. Ein Rabbiner der Breslauer Schule hätte der Konstanzer Gemeinde
schon zu viel fromme Allüren unter Umständen verraten können, ein Schüler
von Hildesheim war ohnedies ausgeschlossen, weil diese keine Stelle in
Gemeinden annehmen, deren Synagoge durch |
christliche
Kircheninstrumente profaniert ist. Da entschied man sich für einen
Zögling der Geiger'schen Hochschule in Berlin und wählte vor einigen
Jahren Herrn Dr. Hánnes als Rabbiner, der aber mit Rabbi Meier bal
Hannés keinerlei Wahlverwandtschaft hat.
Wenn der Rabbiner das Gewissen seiner Gemeinde ist, so hat die Konstanzer
Gemeinde ein gutes, zahmes Gewissen, das nicht viel schlägt, pocht und
lärmt, sondern besteht ist, den Wünschen und Neigungen der Gemeinde,
soweit als irgendmöglich und noch ein Stück darüber hinaus, Rechnung zu
tragen. Von dieser Fügsamkeit und Schmiegsamkeit geleitet, hat die zarte
Dr. Hannes'sche Rücksichtnahme auf die lokalen Eigentümlichkeiten der
Konstanzer Gemeinde u.a. folgende Blase getrieben.
Herr Dr. Hannes hat scharfsinniger Weise herausgefunden, dass seine Herde
von ihren Geschäften und ihrem Morgenschlaf mehr angezogen wird, als von
der Synagoge. Da sie auch montags und donnerstags morgens den Gottesdienst
nicht besuchten, so hat er das Aufrufen zur Tora von diesen Tagen
auf zwei andere verlegt, an welchen seine lieben Konstanzer mehr Zeit und
Muße für ihre Synagoge haben sollen; ich glaube auf Freitag und Sonntag!
Das hat dem kühnen Reformator nun allerdings mehr Spott als Erfolg
gebracht, was man sich übrigens ohne besonderen spiritus asper an den
fünf Fingern abzählen kann. Die Leute, die sich noch so viel Pietät
für die Religion der Väter bewahrt haben, um am Montag und Donnerstag
Morgen den Gottesdienst aufzusuchen, die wollen eben an Montag und
Donnerstag gehen, und die anderen, die gehen Freitag und Sonntag so wenig,
wie sie Montag und Donnerstag gegangen sind! Ein besseres Mittel wäre
vielleicht gewesen, jeden Montag und Donnerstag Harmonium oder Orgel
spielen zu lassen. Noch besser und erfolgreicher hätte es sich vielleicht
gemacht, wenn der Chor für diese Tage in die Synagoge kommandiert worden
wäre, wenn auch ohne die Damen; das hätte dann ohne Zweifel ein Minjan
mit Pauken und Trompeten ergeben.
Ob diese originelle Novität des Konstanzer Reformtheaters heute noch
zugkräftig ist, oder ob sie als bereits veraltet schon den Weg aller
Reformen gegangen ist, weiß ich nicht; das ist auch gleichgültig; Herr
Dr. Hannes sucht und findet jeden Tag neue Überraschungen.
Dieser Tage war ein Leichenbegängnis. Nach der Rückkehr vom Friedhof
begab sich der große Teil des Leichenkondukts ins Trauerhaus, damit dort
mit Minjan gelernt und Kaddisch gesagt werden könne. Der
Herr Rabbiner wurde ersucht, etwas vorzulernen; doch weiterte er sich,
weil dies Sache des Chasan (Kantors) sei, der aber verreist war und
erst gegen Abend zurückkam. Als man ihn wiederholt ersuchte, doch
ausnahmsweise zu lernen, blieb er standhaft bei seiner Weigerung und
verließ das Haus. Zufällig war ein Herr aus einer benachbarten Gemeinde
da, der sich auf Verlangen bereit erklärte einen Schiur zu lernen. Es
scheint aber, als ob einer seiner Getreuen den Herrn Rabbiner auf das
Unbegreifliche seiner Handlungsweise aufmerksam gemacht habe. Er kehrte
wieder ins Trauerhaus zurück, wo inzwischen der Vortrag begonnen hatte.
Der Vortragende ersuchte den zurückkehrenden Rabbiner den Vortrag
fortzusetzen, was dieser denn auch nach einiger Weigerung
tat!
Aber das alles sind jedoch untergeordnete Kleinigkeiten gegen folgende
Einrichtung, die heute noch in Konstanz in Kraft ist. Zwischen dem Chasan
(Kantor) und dem Chor ist in der Synagoge eine elektrische Verbindung
hergestellt, mit welcher der Chasan dem Chor ein Signal gibt,
sobald er einzugreifen hat. Vielleicht sind auf der Berliner 'Hochschule
für die Wissenschaft des Judentums' die rabbinischen Entscheidungen
zur Elektrizität nicht gelernt worden. Herr Dr. Hannes weiß vielleicht
nicht, dass ein solches Signal unmöglich ist, ohne einen Funken zu
erzeugen und ohne somit das biblische Verbot zu übertreten: 'Ihr sollt
kein Feuer anzünden, an all eueren Wohnung am Sabbattage!' (2. Mose
35,3). Sobald er es aber jetzt durch diese Zeilen erfährt, wird er gewiss
nicht ruhen und nicht rasten, bis diese offizielle Entweihung des Schabbat
beim Gottesdienste abgestellt ist.
Her Dr. Hannes ist zunächst nur auf drei Jahres angestellt, erst wenn er
sich während dieser Zeit zur Zufriedenheit der Gemeindepotentaten
geführt hat, darf er auf definitive Anstellung rechnen. Ich glaube, dass
er sich damit nichts vergibt, wenn er gegen diese unerhörte Blasphemie,
einer Entweihung des Sabbats beim Gottesdienste, entschieden Stellung
nimmt! Teilt Herr Dr. Hannes diesen Glauben nicht, dann wird's wohl beim
Alten bleiben. Es wird kein Oberrat danach krähen, ja es wäre nicht
ausgeschlossen, wenn er bei seiner Schulchan Aruch-, Mila- und
Tefillin-Razzia noch Zeit und Sinn für Weihe und Entweihung des Schabbat
über hat, dass er eine solche Sabbatentweihung ad majorem dei
gloriam für eine empfehlenswerte Einrichtung hält.
Die reiche Konstanzer Gemeinde hat die Stirn gehabt, in dem Vertrag mit
ihrem Rabbiner diesem zu verbieten, sich während der drei Jahre des
Vertrags zu verheiraten und der Herr Rabbiner hat den erforderlichen
Charakter gehabt, eine solche Bedingung einzugehen! Vielleicht macht sie
seine definitive Anstellung von einem Keuschheitsgelübde abhängig und
verpflichtet ihn zur Eingehung des Zölibates!
Das sind sehr betrübende Symptome für Zustände und Verhältnisse, die
durch und durch faul und unhaltbar
sind." |
Antwort von Rabbiner Dr.
Ludwig Hannes auf die Vorwürfe
im vorigen Artikel gegen die jüdische Gemeinde (1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. März 1899: "Konstanz, 10.
März (1899). Von Herrn Dr. L. Hannes, Stadtrabbiner in Konstanz, erhalten
wir eine längere Zuschrift, aus der wir folgendes entnehmen: In einem
drei Spalten umfassenden Artikel haben Sie in Nr. 19 des ‚Israelit’
Jemanden zu Worte kommen lassen, der sich berufen fühlte, über unsere
Gemeinde, über meine Amtswirksamkeit sowie über die Anstalt, aus der ich
hervorgegangen bin, ein öffentliches Urteil abzugeben. ‚Durch und durch
faul und unhaltbar’, mit diesen Worten bezeichnet der Verfasser am
Schlusse seiner Auseinandersetzungen die in unserer Gemeinde herrschenden
Zustände. Wir wären versucht, auf das ‚Geistesprodukt’ des Herrn |
Einsenders
dieselben Worte anzuwenden, wenn wir es nicht verschmähen wurden, mit
gleicher Münze zu zahlen. Die beste Antwort gegenüber solchen
Anfeindungen und Entstellungen wäre wohl ein vornehmes Ignorieren; allein
wir haben zu viel Achtung vor der öffentlichen Meinung, vor welcher der
Herr Einsender seine Meinung ausgesprochen hat, als dass wir ruhig mit
ansehen könnten, wie durch entstellte, zum Teil unwahre Behauptungen
unsere Berufsehre und das Ansehen der hiesigen achtbaren Gemeinde verdächtigt
wird. Darum bitte ich Sie, mir zur Entgegnung nach dem Grundsatze:
audiatur et altera pars, denselben Raum in Ihrem geschätzten Blatte zu überlassen
und vorliegendes Schreiben ungekürzt zu veröffentlichen.
Der Herr Einsender beregten Artikels kritisiert den Umstand, dass
der Wochentagsgottesdienst anstatt montags und donnerstags, am Sonntag und
Freitag hierorts stattfinde. Wer die hiesigen Verhältnisse genau kennt
und sie nicht nur von einer ‚Geschäftsreise’ aus beurteilt, wird die
Berechtigung dieser ‚Reform’, wie der Herr Einsender sich auszudrücken
beliebt, uneingeschränkt zugeben. Die Einrichtung hat mir übrigens
keineswegs ‚Spott’ gebracht, wie der Herr Verfasser behauptet, sondern
‚Erfolg’, indem während des ganzen Sommers dieser Sonntags- und
Freitags-Gottesdienst sich eines regen Besuches der Gemeinde erfreute, was
am Montag und Donnerstag infolge der hier herrschenden geschäftlichen
Verhältnisse unmöglich ist. Im Winter kann leider ein regelmäßiger
Wochentagsgottesdienst vor der Erstellung der bereits beschlossenen
Synagogenheizung vorläufig nicht stattfinden. Nach Fertigstellung der
Heizungsanlagen wird sich der Sonntags- und Freitags-Gottesdienst
sicherlich auch im Winter derselben Frequenz zu erfreuen haben, wie im
Sommer (Anmerkung der Redaktion: Empfindsame Naturen! Unsere Alten haben
von Heizvorrichtungen in der Synagoge nichts gewusst und sind doch öfter
wie zwei Mal wöchentlich ‚schulen’ gegangen). Der Herr Verfasser
behauptet, es sei die Toravorlesung auf Sonntag und Freitag hierorts
verlegt worden. In diesem Umfange ist die Behauptung unrichtig, die
Absicht hierzu hat allerdings bestanden und ein- oder zweimal wurde auch
wirklich aus der Tora vorgelesen, was übrigens durchaus nicht gegen
religionsgesetzliche Bestimmungen verstößt, da bekanntlich, wie der Herr
Einsender nicht zu wissen scheint, die Tora-Vorlesung an Wochentagen nur
deswegen auf Montag und Donnerstag verlegt wurde, weil an diesen Tagen
Markt und Gericht abgehalten wurde (Anmerkung
der Redaktion: Das ist unrichtig. Die Vorlesung aus der Tora am zweiten
und fünften Tag der Woche wird im Talmud als eine von unserem Lehrer
Moses getroffene und von Esra später noch modifizierte Einrichtung
bezeichnet. Sie wurde getroffen, damit nicht drei Tage der Woche
dahingehen, ohne dass die Gemeinde die Worte der Tora hört. Dass später
an diesen Tagen auch die Markt- und Gerichtsage waren, hat mit der ursprünglichen
Begründung dieser Anordnung nichts zu tun. Abgesehen von dem Unrecht und
der Pietätlosigkeit, an einer solchen alten Einrichtung zu rütteln, hätte
man gar keine ungeeigneteren Tage wählen können, als Freitag und
Sonntag, wenn ihr ganzer Zweck ist, keine drei Tage der Woche ohne
Toravorlesung hingehen zu lassen! Nach dieser Reform wird die Tora drei
Tage hintereinander vorgelesen, dagegen fällt die Vorlesung der Tora vom
ersten bis zum sechsten Tage der Woche aus!’) . Die Verlegung der
Toravorlesung auf Montag und Donnerstag geschah also in Rücksicht auf
praktische Verhältnisse; und hierdurch rechtfertigt sich auch mein
Vorgehen, welches ebenfalls einem unabweisbaren Bedürfnisse
entgegenkommen musste und welches ohne eine direkte religionsgesetzliche
Bestimmung zu verletzen, dem religiösen Sinn, der in unserer Gemeinde
Gott sei Dank unleugbar vorhanden ist und lebendig sich regt, durch möglichste
Beseitigung von äußeren, seiner Entfaltung entgegenstehenden
Hindernissen Rechnung tragen wollte. Zur Beruhigung will ich dem Herrn
Verfasser übrigens mitteilen, dass ich aus eigener Initiative von der
Beibehaltung der Toravorlesung am Sonntag und Freitag wieder Abstand
genommen habe. Der Herr Einsender behauptet, ich hätte mich geweigert,
nach einer Leichenfeier im Trauerhause einen Lehrvortrag zu halten, und
gibt hierüber gleichfalls einen völlig entstellten Bericht. Es ist in
unserer Gemeinde allerdings üblich, im Trauerhause während der ersten
Trauerwoche, früh nach dem Morgen- und nachmittags vor dem Mincha-Gebet,
einen Lehrvortrag zu halten. Diese Funktion ist aber nach einem mit dem
Herrn Kantor von vornherein getroffenen Abkommen ausschließlich diesem übertragen,
und mein anfängliches Bedenken, im besagten Falle den Vortrag zu halten,
erklärt sich aus dem Bestreben, in keiner Weise in die Funktionen des
Kollegen einzugreifen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände obwalten.
Die Versammlung hatte sich nun im Trauerhause eigentlich nicht zur
Abhaltung des Lehrvortrags eingefunden, sondern zur Verrichtung des
Morgengebets. Zufällig erschien auch ich unmittelbar nach der Beendigung
daselbst und machte die Herren darauf aufmerksam, dass die Zeit zum
Morgengebet längst abgelaufen sei und man vor Minchah keinen Gottesdienst
mit Lehrvortrag mehr halten könne. Man wollte nun von mir wenigstens
einen Lehrvortrag hören, um daraufhin Kaddisch sagen zu können; ich wies
darauf hin, dass dies der Herr Kantor tun müsse und auch tun werde,
sobald er aus dem Religionsunterricht, den er gerade erteilte und der bald
geschlossen werden müsste, zurückkäme. (Der Herr Kantor war also nicht
verreist, wie der Herr |
Einsender
angibt (Anmerkung der Redaktion: nebensächlich). Erst, als man mir sagte,
dass einige auswärtige Verwandten, die mit dem nächsten Zuge abreisen
wollten, doch noch gern einen Lehrvortrag hören würden, sah ich ein,
dass in diesem Fall wohl außergewöhnliche Umstände obwalteten und die
Abhaltung eines Lehrvortrages durch mich kein Übergriff sei. Ich habe
dann auch den Vortrag gehalten, ohne dass, wie der Herr ‚Kritiker’
behauptet, ‚ein Herr aus einer benachbarten Gemeinde’ Veranlassung
gehabt hätte, mit dem Vortrage auch nur zu beginnen. Auf die Angriffe des
Verfassers gegen unseren synagogalen Gottesdienst, gegen die Orgel,
gemischten Chor, elektrische Signaleinrichtung, vermeide ich hier
einzugehen, weil ich, ohne die ‚Ehre oder das Vergnügen’ zu haben,
den Herrn zu kennen, ihn doch nicht für die geeignete Persönlichkeit
halte, um mit ihm über derartige, das gesamte moderne Judentum bewegende
Fragen zu rechten. Ich will ihm daher nur das eine bemerken, dass nach
unserer Überzeugung für das Urteil über die Religiosität eines Juden
nun einmal nicht der Umstand in Betracht kommt, ob man auf einen
elektrischen Knopf drückt oder nicht. Der Herr Verfasser hat sich nicht
entblödet, in seinem Artikel auch unsere Lehranstalt, der ich meine
Ausbildung verdanke, und aus der hervorgegangen zu sein, mir zum Stolze
gereicht, gelegentlich wieder einmal anzugreifen. Der betreffende Herr ist
völlig im Unklaren über die Art und den Geist, der in der ‚Hochschule
für die Wissenschaft des Judentums’ herrscht. Dieselbe ist gewiss keine
Anstalt für reformatorisch gesinnte Rabbiner, sondern vermittelt ihren
Schülern lediglich die Wissenschaft des Judentums, um jeden einzelnen
dann auf Grund seiner Studien seinen eigenen Standpunkt sich bilden zu
lassen. An der Anstalt wirken neben freieren Lehrern auch hoch
konservative Dozenten, wie aus ihr auch Rabbiner aller Richtungen
hervorgegangen sind. Lehrer und Hörer an ihr aber sind von inniger Liebe
und Hingebung zum Judentum getragen und stehen einer anderen Anstalt weder
in dieser noch in irgendeiner anderen Beziehung nach.
Der Verfasser hat am Schlusse des Artikels nun noch ‚die Stirn
gehabt’, zu behaupten: ‚die reiche Konstanzer Gemeinde hat die Stirn
gehabt, in dem Vertrag mit ihrem Rabbiner, diesem zu verbieten, sich während
der drei Jahre des Vertrages zu verheiraten, und der Herr Rabbiner hat den
erforderlichen Charakter gehabt, eine solche Bedingung einzugehen!’
Diese Behauptung, die das Ehrgefühl unserer Gemeinde, wie das
meinige, in empfindlichster Weise verletzt, entspricht durchaus nicht der
Wahrheit; derartige Unterstellungen weisen wir mit Entrüstung zurück.
Nie und nimmer ist eine solche Bestimmung auch nur besprochen, geschweige
in dem Vertrag aufgenommen worden. Den Herrn Einsender über die tatsächliche
Form der hier übrigens staatlich von Seiten des Oberrats geregelten
Vertragsverhältnisse aufzuklären, sowie meine wirklichen
Anstellungsbedingungen mitzuteilen, dazu habe ich begreiflicherweise
keinerlei Veranlassung, wie sehr er sich unberufener Weise auch dafür
interessieren mag. Auf jede etwaige weitere Auseinandersetzung mit dem
Herrn Einsender an dieser Stelle kann ich mich natürlich nicht einlassen,
ich lehne daher jede weitere öffentliche Debatte von vornherein ab.
Der Einsender der Korrespondenz aus Konstanz, bemerkt zu obiger
Entgegnung folgendes: Ich
habe über die Persönlichkeit und Wirksamkeit des Stadtrabbiners von
Konstanz, in Nummer 19 des Israelit, folgendes Tatsächliche zur Sprache
gebracht: 1. Der Rabbiner habe
den Toravorlese-Gottesdienst am Montag und Donnerstag, auf Freitag und
Sonntag verlegt. 2. Er habe
sich geweigert, in einem Trauerhaus einen Lehrvortrag zu lernen und habe
erst später diese Weigerung aufgegeben.
3. In der Konstanzer Synagoge wird beim Gottesdienst der Sabbat
durch Erzeugung elektrischen Lichtes entweiht.
4. Der Vertrag des Herrn Rabbiners mit der Gemeinde enthalte eine für
beide Kontrahenten nicht gehörige Bestimmung.
In seiner Entgegnung räumt der Herr Rabbiner die drei ersten
Punkte als den Tatsachen entsprechend ein, und bezeichnet lediglich den
vierten Punkt als nicht der Wahrheit gemäß. Ich bin somit hinsichtlich
des vierten Punktes unrecht berichtet worden, und bedauere, diese
Mitteilung in gutem Glauben hingenommen und verbreitet zu haben.
Ich wäre unglücklich, wenn auch die anderen Punkte sich als
irrige Beschuldigungen erwiesen hätten. Aber nachdem sie Herr Dr. Hannes
nicht zur zugesteht, sondern sie sogar in seiner Weise zu rechtfertigen
sucht, so hat er damit über sich und sein Wirken viel entschiedener den
Stab gebrochen, als ich dies je getan habe. Über einen Rabbiner, der
selbst einräumt, die Entweihung des Sabbat durch Lichterzeugung
entscheide nicht über die Religiosität eines Juden, brauche ich kein
Wort zu verlieren. Es scheint in der Tat, dass Herr Dr. Hannes sehr gut
zur Konstanzer Gemeinde und diese zu ihrem Rabbiner passt. Diese meine in
Nummer 19 ausgesprochene Behauptung, wird durch die Bemerkungen des Herrn Dr. Hannes so
vollständig bestätigt, dass ich dem nichts hinzuzufügen habe." |
Russische
Juden auf der Durchreise durch Konstanz (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. Mai 1906:
"Konstanz, 7. Mai (1906). Russische Juden auf dem Bahnhofe.
Auf dem hiesigen Bahnhofsplatz lagerte gestern Nachmittag ein Trupp nach
Amerika (offenbar über Genua) durchreisender russischer Juden, mit Frauen
und Kindern etwa 80 an der Zahl. Sie wurden während ihres kurzen
Aufenthaltes von Menschenfreunden gastlich bewirtet und beschenkt. Die
Szene bot einen ergreifenden Anblick russischen Elends. 'Frankfurter
Zeitung'." |
Die Nationalsozialisten gewinnen an Einfluss (1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1931: "Konstanz. Infolge
eines Gastspieles der ‚Habima’ am hiesigen Stadttheater wurden von
Deutschnationalen und Deutschvölkischen in Presse und Versammlung scharfe
Proteste gegen die ‚Einfuhr rassenfremde Kunst und Kultur’
erhoben. Der Direktor des Stadttheaters setzte sich kräftig zur Wehr und
ist entschlossen, das Gastspiel unter allen Umständen durchzuführen." |
"Ausspracheabend"
der jüdischen Jugendgruppe (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1933: "Konstanz,
16. Februar (1933). Am vergangenen Mittwoch veranstaltete die hiesige
Jugendgruppe einen recht anregenden Ausspracheabend, zu dem sie Herrn
Rabbiner Mayer von der 'Freien Vereinigung' in Frankfurt geladen
hatte. Mit großer Erwartung sah man dem Besuch des Gastredners entgegen,
denn in unserem Jugendverein interessiert man sich außerordentlich für
alle religiösen Fragen und ist für jede Anregung dankbar. Diese Anregung
ließ auch nicht lange auf sich warten: Herr Rabbiner Mayer, den
freundschaftliche Beziehungen mit unserer Bodenseestadt verbinden, führte
den Mitgliedern des Jugendvereins die Entwicklung der jüdischen
Gemeinschaftsform von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart vor. Er
suchte in klarer und prägnanter Weise zu zeigen, wie durch
Missverständnisse und fälschliche Adaption eine 'Verwässerung der
jüdischen Religion' eingetreten sei, durch die das ganze Gebäude der
Tradition bedroht wurde. Verschiedene Umstände haben in den letzten
Jahren in der jüdischen Jugend aller Richtungen ein religiöses Sehnen
erwachen lassen, das die gesetzestreue Richtung des Judentums pflegen und
der Lehre wieder zurückführen muss.
Die Souveränität der Tauroh (Tora) im privaten und öffentlichen leben
ist der Ausgangspunkt jeglicher religiös jüdischen Einstellung. das von Rabbiner
Hirsch verkündigte Ideal der Tauroh im derech erez könnte auch
gerade heute der modernen jüdischen Jugend die höchste Verwirklichung
des Menschlichen bieten. Es ist falsch, wenn man glaubt, dass ein gesetzestreuer
Mensch kein moderner Mensch sein könnte.
Der Vortrag wollte nicht überreden. Dafür überzeugte er die jungen
Anwesenden von der historischen Gesetzmäßigkeit der Orthodoxie. Die
lange Aussprache, die dann sogar nach Schluss des offiziellen Teils noch
privatim fortgesetzt werden musste, bewies, dass der Redner wirklich wie
selten ein anderer den richtigen Ton getroffen hatte. Herr Lehrer
Bravmann, der mit gewohntem Geschick den Abend leitete, konnte am Schlusse
Herrn Rabbiner Mayer für die vielfältigen Anregungen herzlich danken.
Wir können kaum besser ausdrücken, wie sehr wir uns mit dem Vortrag
gefreut haben, als wenn wir dem verehrten jungen Redner en baldiges
Wiedersehen in unserem Kreise wünschen.
An die anderen Jugendbünde ergeht die Bitte, sich mit Herrn Rabbiner
Mayer (Frankfurt am Main, Hanauer Landstraße 15) wegen einer
Veranstaltung in Verbindung zu setzen." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Dr.
Guggenheim wurde ausgezeichnet (1901)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 4. Januar 1901: "Dem leitenden Arzt der Sanitätskolonne in Konstanz,
Dr. Guggenheim, ist das Ritterkreuz II. Klasse des Zähringer
Löwenordens verliehen worden." |
Zum Tod von S. Kocherthaler (1906)
Anmerkung: es ist unklar, wieso der Artikel unter "Konstanz"
erscheint.
Artikel
im "Frankfurter Israeltischen Familienblatt" vom 20. Juli 1906:
"Konstanz. Sterbefall. Am 12. dieses Monats verschied
im Alter von 47 Jahren der Direktor der Gesellschaft für elektrische
Unternehmungen in Berlin, Herr S. Kocherthaler. Der Verstorbene war
früher zehn Jahre Mitglied der Großfirma Levi und Kocherthaler in Madrid
und seit neun Jahren in Berlin in der elektrischen Großindustrie
erfolgreich tätig. Außer bei der vorgenannten Gesellschaft war er auch
Direktor der Elektrizitätswerke Südwest, Aktiengesellschaft in
Schöneberg, und Mitglied des Aufsichtsrats einer Reihe weiterer
Gesellschaften". |
25-jähriges
Jubiläum von Bertha Auerbach als Vorsteherin des jüdischen Frauenvereins
(1913)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Oktober 1913:
"Frau Bertha Auerbach in Konstanz feierte ihr 25-jähriges Jubiläum
als Vorsteherin des jüdischen Frauenvereins und wurde aus diesem Anlass
von der Großherzogin Luise von Baden mit der Friedrich-Luisen-Medaille
ausgezeichnet." |
Zur
Beisetzung des im Krieg gefallenen Raymond Weill aus Epinal (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 2. Oktober 1914: "Konstanz, 23. September (1014). Die
Schwere des Krieges lernen wir allwöchentlich mehr kennen. Mehr als 1000,
schwer, meistens aber leicht Verwundete erfreuen sich hier der ihnen von
allen Seiten entgegengebrachten Liebe und Wohltätigkeit. Leider mussten
schon einige von ihnen dem Tode den Tribut zollen, darunter zwei
französische schwer Verwundete. Der eine, Raymond Weill aus Épinal,
wurde im Alter von 30 Jahren kurz vor Beginn der Sabbats unter
militärischen Ehren auf dem 'Krieger-Friedhof' bestattet. Der Stadtrat ha
denselben für diejenigen, welche auf dem Felde der Ehre starben und hier
beerdigt werden oder den Folgen ihrer Verletzungen erliegen, als
Ehrenplatz des städtischen Friedhofes geschaffen. Hier ruhen sie, die
sich vielleicht vorher gegenüberstanden, in selber Erde für ewige Zeiten
in Frieden miteinander. Ein allgemeines, von Künstlerhand verfertigtes
Denkmal soll für alle Zeiten als Palme des Sieges der Toleranz diesen
Ehrenplatz schmücken." |
Rechtsanwalt
Leopold Jung wird ausgezeichnet (1914)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 30. Oktober 1914: "Mit dem Ritterkreuz erster Klasse vom
Zähringer Löwen wurde der langjährige Vorsitzende der Konstanzer
Gemeindevertretung (Repräsentanten), Herr Rechtsanwalt Leopold Jung,
ausgezeichnet." |
Josef
Weil und Leutnant Siegbert Welbhäuser werden mit dem Eiserne Kreuz
ausgezeichnet (1916)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. Juli 1916:
"Konstanz. Josef Weil und Leutnant Dipl.-Ing. Siegbert
Welbhäuser erhielten das Eiserne Kreuz." |
Auszeichnungen für Leutnant
Herbert Picard und Assistenzarzt Dr. Edwin Picard (1916)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. September
1916: "Konstanz. Leutnant Herbert Picard, Sohn von Samuel Picard,
wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Assistenzarzt Dr. Edwin
Picard, Sohn der Frau Regina Picard, bereits Inhaber des Eisernen Kreuzes,
wurde der bayerische Militärverdienstorden 4. Kl. mit Schwertern
verliehen." |
Unteroffizier
Alex Biedelsheimer erhält das Eiserne Kreuz II (1916)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember
1916: "Konstanz. Unteroffizier Alex Biedelsheimer erhielt das
Eiserne Kreuz 2. Kl." |
Zum
Tod des Rechtsanwalt Dr. Willy Rothschild (1934)
Anmerkungen: 1. vgl. unten Karte
an "Rechtsanwalt Rothschild" von 1921.
2. Hinweis zu der im Nachruf vorkommenden Abkürzung, dass er ein begeisterter "K.C.- er"
war (von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries vom 15.9.2013): gemeint ist seine
Mitgliedschaft im "Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten
jüdischen Glaubens", siehe Wikipedia-Artikel: http://de.wikipedia.org/wiki/Kartell-Convent_der_Verbindungen_deutscher_Studenten_jüdischen_Glaubens.
3. Die Reise nach Palästina stand unter der Führung der "Aguda",
vgl. Wikipedia-Artikel
zur Agudath Israel Weltorganisation.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1934:
"Konstanz-Gailingen, 12. November (1934). Man schreibt uns:
Noch zittert der Schmerz über den Verlust des Dr. Moses Rothschild
(vgl. zu ihm Artikel
auf der Seite zu Randegg) in uns
nach, da kommt eine neue Schreckensbotschaft. Wieder hat der unerbittliche
Tod einen aus der jüdischen Gemeinschaft des badischen Seekreises
hinweggerafft und wieder ist es zugleich ein Gefährte jener denkwürdigen
unter der Führung der Aguda stattgefundenen Pilgerfahrt ins heilige Land.
Dr. Willy Rothschild, der 'Rothschild erster Klasse', wie er damals
zum Unterschied der vielen Gleichnamigen, halb scherzend, halb staunend
genannt wurde. Halb staunend, denn es kommt auf den üblichen Schiffen,
die nach Erez Jsrael verkehren, nicht alle Tage vor, dass ein
Passagier, wenn er nicht gerade ein hoher Regierungsbeamter ist, für sich
eine Kabine erster Klasse in Beschlag nimmt. Geboren in Gailingen,
Student auf Deutschlands Hochschulen, Rechtsanwalt in Konstanz,
gestorben fern der Heimat in Mailand in seinem 54. Lebensjahr. Drei
Ortsnamen, zugleich drei Pole, in denen dieses Leben eingespannt war.
Darüber hinaus typische Meilensteine, die irgendwie symbolisch den Weg
absteckten, den der deutsche Jude von gestern mit scheinbar innerer
Notwendigkeit gehen zu müssen glaubte. Geboren in einer Landgemeinde, die
stark in der Vergangenheit wurzelnd, voll traditionsgebundener Kraft ihren
Söhnen weniger einen großen Fundus jüdischen Wissens, als jüdischen
Stolz und Selbstbewusstsein mitgegeben. Dann Berührung mit der Welt,
begeisterter K.C.-er, den er Zeit seines Lebens nicht verleugnen konnte.
Weltmännischer Anwalt in Konstanz, dabei immer voll rührender
Anhänglichkeit ans heimatliche Dorf, der sich immer wieder zeigte. Auch
hier glühte, wenn auch scheinbar unter viel Weltlichem verschüttet, das
ewige jüdische Feuer. Es bedurfte nur eines kleinen äußeren Anstoßes,
dass auch er jener Fahrt sich anschloss. Ging hinüber, sicher mit viel
Skepsis, eher geneigt alles kritisch zu betachten und sich nicht von
Gefühlen überrumpeln zu lassen. Und siehe, auch an ihm vollzog sich das
Wunder der Kedduschah, die von jenem Boden ausströmt. Er, dessen
äußerer Ausgleich so weit gediehen war, dass ihn drüben die Araber nie
als Jehudi, immer aber als 'Germani' taxierten, auch er kam als ein
Verwandelter zurück. Und diese Verwandlung mag zuletzt sich für ihn als
eine große Gnade erwiesen haben: dass er, als seine Welt über ihm
zusammenbrach, Haltung und innere Würde zu bewahren wusste. Dr. S.
H." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige der Handlung von Gustav Bloch
(1867)
Anzeige in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Mai 1867: "Etrogim
und Lulawim.
Lieferung übernehme ich auch dieses Jahr und werde mir alle
Mühe geben, das Schönste und Billigste zu liefern. Aufträge über 200
Thaler liefere ab Triest, jedoch wollen sämtliche verehrlichen Besteller
ihre Kommission bis Ende Juli hierher einsenden. Gustav Bloch,
Konstanz." |
Anzeige
des Tuch- und Buckskin-Geschäftes en gros Louis Bloch (1872)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. April 1872: "Lehrlings-Gesuch.
Für mein Tuch- und Buckskin-Geschäft en gros suche ich unter annehmbaren
Bedingungen ein mit den nötigen Vorkenntnissen versehenen jungen Mann aus
guter Familie. Louis Bloch in
Konstanz." |
Anzeige des Hotels "Zum Roten Löwen"
(1881)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1881: "Geschäftsempfehlung!
Koscher Hotel zum ‚roten Löwen’ Koscher – in Konstanz am
Bodensee. Dem verehrten reisenden Publikum empfehle ich mein von mir aufs
Beste eingerichtete Hotel angelegentlichst mit Zusicherung prompter und
billiger Bedienung. Achtungsvoll Jacob
Levi, ‚zum roten Löwen’ in Konstanz." |
Verkauf des Gasthauses "Zum deutschen Haus"
(1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. April 1891: "Gasthaus-Verkauf.
In guter Lage der Stadt Konstanz - in der Nähe von Bahnhof und
Hafen - hat unterzeichnete Liegenschafts-Agentur im Auftrage des
Eigentümers das mit Realrecht versehene Gasthaus zum deutschen Haus,
vor drei Jahren neu hergerichtet und an zwei Straßen gelegen, in welchem
seit Jahren mit bestem Erfolg Israelitische Wirtschaft betrieben
wird, enthaltend: große Wirtschafts-Lokalitäten, Tanzsaal, Wohn-, Gast-
und Fremdenzimmer nebst Hofraite, Hinterhaus, Ökonomiegebäude mit
großen Stallungen, Remise, Futterböden etc. unter sehr günstigen
Zahlungs-Bedingungen billig zu verkaufen und wäre einem routinierten
Manne Gelegenheit geboten, ein schönes Geschäft mit guter Rentabilität
zu erwerben. Nähere Auskunft erteilt die mit dem Verakufe beauftragte
Liegenschafts-Agentur von B. Bloch, Konstanz." |
Anzeigen des Hotels "Zähringer Hof"
(1893/1899)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juli 1893: "Hotel Konstanz Zähringer
Hof Konstanz nächst dem Bahnhof und Hafen. Dem reisenden Publikum,
insbesondere den Herren Geschäftsreisenden, empfehle mein neu erbautes,
auf das Komfortabelste eingerichtete Hotel mit 20 eleganten
Fremdenzimmern, große Säle, reelle Weine, bekannt gute Koschere Küche,
billige Preise und aufmerksame Bedienung. Portier an allen Zügen und
Schiffen. Achtungsvollst der Besitzer J. Levi, vormals Inhaber vom
‚Deutschen Haus’." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September 1899: "Koscher
– Neu eröffnet – Koscher. Hotel Zähringer Hof, Konstanz. Besitzer:
Gustav Hammel. Äußerst günstige Lage in unmittelbarer Nähe des
Bahnhofes, große, freundlich und neu eingerichtete Zimmer, beste Küche,
reine Weine." |
Anzeige der
Pension Wolf (1902)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Januar 1902: "Streng
koscher – Pension Wolf, Konstanz,
befindet sich jetzt Sigismundgasse 21,
neben der Synagoge. Streng Koscher." |
Anzeige
der Metzgerei S. Levinger (1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 10. November 1902: "Tüchtiger Metzgerbursch,
welcher hauptsächlich die Wurstlerei gründlich versteht per sofort
gesucht, gegen guten Lohn.
S. Levinger, Metzgerei und Wurstlerei, Konstanz
(Baden)." |
Anzeige
der Bäckerei Adler (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 13. Juli 1903: "Ein junger Bäckergehilfe
und ein Lehrling gegen sofortige Vergütung gesucht.
Bäckerei Adler, Konstanz." |
Lehrlingssuche des
Manufakturwarengeschäftes J.J. Neuburger (1904)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1904:
"Lehrling.
Für mein Manufakturwaren-Geschäft engros und Detail suche per Ostern
unter günstigen Bedingungen einen Lehrling aus achtbarer Familie.
J.J. Neuburger, Konstanz." |
Anzeige der
Bäckerei Adler (1904)
Um 1900 bestand die Bäckerei von Jonas Adler in der Neugasse
30.
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1904:
"Junger Bäckergehilfe gesucht.
Bäckerei Adler, Konstanz (Baden)." |
Todesanzeige
für Hermann Einstein (1928)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 19. Oktober 1928:
"Am 10. Oktober entschlief nach langem, schwerem Leiden infolge
Schlaganfalls mein treubesorgter Mann, unser guter Vater, Schwiegervater, Großvater,
Bruder, Schwager
Herr Hermann Einstein Konstanz.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Frau Klara Einstein geb. Frank
Dr. Norbert Einstein
Rudolf Meyer und Frau Trude geb.
Einstein." |
Dokumente zu jüdischen
Gewerbebetrieben
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; die
Informationen gleichfalls auf Grund der Recherchen von P. K. Müller)
Firmenpostkarte
der
Firma J. & M. Lion (1899)
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Die Firmenpostkarte der Firma
J. & M. Lion (sc. Kurzwarenhandlung Jonas und Michael Lion)
wurde am
29. Juli 1899 von Konstanz nach Heilbronn verschickt. |
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Postkarte
an
Rechtsanwalt Rothschild (1921) |
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Postkarte aus der Schweiz, verschickt von Zürich-Neumünster nach Konstanz
am 15. September 1921 an den "Rechtsanwalt Rothschild -
Konstanz".
Da es in Konstanz zu dieser Zeit zwei Rechtsanwälte mit Nachnamen Rothschild gab
und eine genauere Zuordnung Mangels fehlendem Vornamen und genauerer Anschrift
nicht möglich ist, folgen kurze biografische Hinweis zu beiden
Rechtsanwälten:
- Dr. Willy Rothschild (geb. in Gailingen, gest. am 12. November 1934 im Alter
von 54 Jahren in Mailand; vgl. oben Nachruf zum Tod des Rechtsanwalts Dr. Willy Rothschild.
- Rechtsanwalt Leo Rothschild war der Sohn von Emanuel Rothschild, einem überaus angesehenen Bürger der Gemeinde Konstanz,
der sich nicht nur in der jüdischen Gemeinde engagierte, sondern auch im kommunalen Bereich,
unter anderem als Stadtrat und großer Förderer der heimischen Vereine und des Militär - und Kriegervereins.
Leo Rothschild meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger und geriet 1916 in Kriegsgefangenschaft. 1924 war die Konstanzer
Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten mit 54 Mitgliedern unter seiner Leitung. Er war verheiratet mit Sali Amalie Moos und lebte in der Gottlieberstraße in Konstanz. 1938 emigrierte er in die USA.
Nachbemerkung: da bei "Rechtsanwalt Rothschild" kein
"Dr." genannt ist, wurde die Karte eher an Rechtsanwalt Leo
Rothschild geschickt. |
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Firmen-Umschlag
der Firma Jakob Haymann
in Konstanz (1938) |
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Der Einschreiben-Brief - Firmen-Briefumschlag von J. Haymann aus
Konstanz wurde am 14. Dezember 1938 nach Karlsruhe an das Badische Finanz- & Wirtschaftsministerium
verschickt.
Jacob Haymann (geb. 17. November 1868) war verheiratet mit Ida
geb. Gollowitsch aus Bad Buchau
(geb. 14. Dezember 1875 in Bad Buchau). Das Ehepaar hatte drei Kinder:
Heinrich (geb. 23. Juli 1897), Else (geb. 5. Februar 1900) und Margarete
(geb. 13. November 1905.
Jacob Haymann übernahm zusammen mit seinem Bruder Max die von seinem Vater Heinrich
Haymann gegründete Rohproduktenhandlung. 1891 gründet er die Firma Jacob Haymann - Altmetall, Schrott - und Rohmaterialienhandlung.
In Kreuzlingen in der Schweiz richtete er eine Zweigstelle der Firma ein. Beide Kinder arbeiten
ab den 30er Jahren in der Kreuzlinger Filiale. Unter der Naziherrschaft beginnen die Repressalien
gegen die Firma und Jacob Haymann und seine Familie, die letztendlich ihren Höhepunkt erreichen
im Zwangsverkauf der Firma in Konstanz, der Liquidation der Schweizer Filiale und dem Zwangsverkauf
des Wohnhauses der Familie in der Schottenstrasse.
Jacob Haymann starb an den Folgen dieser Demütigungen am 20. Februar 1940. Seine Frau Ida
wurde im Oktober 1940 nach Gurs deportiert. 1943 folgen Verlegungen in
zwei andere französische Lager. Sie überlebte und reiste 1947 nach Montevideo in Uruguay zu ihren Kindern.
Detailliertere Informationen finden sich auf den Internetseiten zu den Konstanzer Stolpersteinen.
http://www.stolpersteine-konstanz.de/index.html?haymann_jacob.htm. |
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Sonstiges
Roman
zur jüdischen Geschichte in Konstanz (1906)
Anmerkung: zum Autor des Romanes siehe den Wikipedia-Artikel
"Wilhelm von Scholz"; das Werk wird bis zur Gegenwart
aufgelegt.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. Mai 1906:
"Wilhelm von Scholz: Der Jude von Konstanz. Tragödie.
München und Leipzig. Georg Müller.
Der Arzt Nasson, ein Proselyt, erntet für seine Fahnenflucht bei Juden
und Christen wenig Dank. Die Juden verachten ihn, die Christen misstrauen
ihm. Und das mit Recht, denn er kann das Blut, das in seinen Adern rinnt,
nicht verleugnen. Er fühlt sich unwillkürlich zu seinen Stammesgenossen
doch noch hingezogen, fördert und schützt sie, wo er nur kann. Was ihn
dennoch zum Übertritt bewogen? Heimatbedürfnis und Sesshaftigkeitsbedürfnis,
im Grunde also selbstsüchtige Motive trotz Verbrämung und Beschönigung.
Diese Vorliebe für sein Volk bringt ihn zu Fall. Er warnt sie in
Vermummung vor einem geplanten Pogrom, wird dessen bezichtigt und ist
Manns genug, das nicht in Abrede zu stellen. Sein Dank: der
Scheiterhaufen. Vor dem Tod rettet er noch durch einen klugen Appell an
die Habgier eines hochverehrlichen Rates und einer noch höherverehrlichen
Bürgerschaft der Stadt Konstanz die Juden derselben vor dem gleichen
Schicksal und philosophiert dann des Längeren und Breiteren über
Weltverachtung, Weltüberwindung, Weltverneinung. Hier ist eine kranke Stelle
im Organismus des Dramas. Was bei einem Ibsenschen Brand notwendige
Konsequenz eines ehernen Charakters wäre, wird bei diesem
willensschwachen, von des Gedankens Blässe angekränkelten Menschen
Anmaßung und Großspurigkeit, die ihm weder ansteht noch zukommt. - Von
den übrigen Gestalten ist nur Samlai, der Mann der jüdischen Selbstwehr,
eigenen Blutes voll. Manche Szene ist wirkungsvoll abgestuft, manches
geistreiche Wort verrät tiefere Erkenntnis der Zeitströmungen, auch ist
das Bestreben unverkennbar, objektiv Gerechtigkeit walten zu
lassen." |
Nach 1945
Vortragsabend 1947
Aus
einer jüdischen Zeitung von 1947: "Konstanz. Am 16. Juli sprach im
Jüdischen Gemeindehaus in Konstanz Flüchtlingsrabbiner Schachnowitz zum
Trauertag von Dr. Theodor Herzl und Chaim Nachmann-Bialik. In seinem
Referat brachte er das Lebensbild Herzls und Bialiks in einer wunderbaren
Lebendigkeit zum Ausdruck. Das sehr interessante Referat über das Leben
und Wirken Bialiks und Herzls für das jüdische Volk hinterließ bei
unseren Menschen einen sehr tiefen Eindruck. Das volle Haus der Teilnehmer
dankte Rabbiner Schachnowitz mit starkem Beifall. Am gleichen Tage sprach
auch Rabbiner Schachnowitz im Friedrichsheim in Gailingen. Auch hier hörten
die Zuhörer gespannt den sehr interessanten Ausführungen über die
Entwicklung Erze Israels zu. Wiederum wurde seine sehr interessante Rede
mit viel Applaus quittiert." |
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