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Wachenheim im
Zellertal (= Wachenheim an der Pfrimm, Kreis Alzey-Worms)
mit Mölsheim (VG Monsheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Wachenheim bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16./18. Jahrhunderts zurück. 1505
wird Menel von Wachenheim im Wormser Judenrat genannt, doch könnte seine
Herkunft auch Wachenheim an der Weinstraße gewesen sein. 1534 ist
erstmals sicher ein Jude aus Wachenheim an der Pfrimm genannt, der eine Klage
vor dem kaiserlichen Hofgericht in Rottweil einreichen musste, nachdem er von
einem Schuldner adliger Herkunft sein Geld nicht zurück bekam. Der älteste -
von den Grafen von Leiningen - ausgestellte und erhaltene Schutzbrief ist von
1537. 1538 wird ein Jud Samuel aufgenommen. Im Dreißigjährigen Krieg wird der
jüdische Handelsmann Hartmann Ulmann genannt. Nachkommen von ihm lebten noch im
19. Jahrhundert in Wachenheim.
1732 wurden aufgenommen: Suskind und Elias Feitel, 1740 Moses Joseph,
1748 Samuel von Bockenheim, 1750 Feitel Süskind und Löb Seligmann von Eich. 1770
lebten zehn jüdische Familien am Ort. 1808 werden folgende Familien
genannt: Löb, Hausmann, Joseph Kehr, Stern, Krautkopf, Ulmann, Fitler,
Goldschmitt, Scheuer und Mayer*. Die jüdischen Familien lebten bis weit ins 19.
Jahrhundert hinein überwiegend vom Handel mit Vieh und Waren (Hauswarenhandel
mit Ellen- und Kurzwaren), auch Spezerei- und Altwarenhandel. Später gab es
mehrere für das wirtschaftliche Leben des Ortes wichtige Handlungen
(Fruchthandlung, Kohlen- und Holzhandlung, Weinhandlung).
* Aufstellung zu den 1808
genannten Personen (xls-Datei) nach dem "Registre des actes de l'etat
civil, arrondissement de Spire, Mairie de Wachenheim an 1808",
erstellt von Wolf Dieter Egli (Originalregister im Stadtarchiv Worms). Zu
den neuen Familiennamen siehe den Beitrag
von Bernhard Kukatzki (pdf-Datei).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner/Haushaltungen
wie folgt: 1800 47 jüdische Einwohner, 1806 14 jüdische
Haushaltungen, 1824 60 jüdische Einwohner, 1830 63, 1838 81, 1855 62, 1861 58,
1885 41, 1894 35 (in zehn Familien), 1900 49 (9,5 % der Gesamteinwohnerschaft), 1905 42. Auch die in
Mölsheim lebenden Juden gehörten zur Wachenheimer Gemeinde. Dabei handelte
es sich 1824 um 24 Personen, 1830 18, 1855 8, 1905 8, 1925 10 Personen.
Um 1873 gab es zeitweise eine enge Verbindung zwischen den Gemeinden Monsheim
und Wachenheim ("vereinigte Gemeinden Wachenheim und Monsheim",
siehe Ausschreibung der Lehrerstelle 1873 unten.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (s.u.
im Bericht von 1892 die Nennung des israelitischen Schullokales) und ein
rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schächter tätig war. An Lehrern werden genannt: um 1827 David Nisan, um 1870
Samuel Müller aus Böhmen, um 1874 der Lehrer und Sofer (Torarollenschreiber)
Simon Silberstein aus Iwanoez (bei Temesvar; eventuell auf Grund der
Ausschreibung von 1873 gemeinsamer Lehrer für Wachenheim und Monsheim),
um 1879 B. Zopp, um 1882 Lehrer Finkelgrün und
Salomon Lewenstein, um 1889/1893 Lehrer Mannheimer. Um 1894/1895 erteilte Lehrer
Katzenstein aus Monsheim den Unterricht in Wachenheim. Er hatte damals drei
Kinder zu unterrichten. 1903 wurde die Stelle des Lehrers nochmals neu
ausgeschrieben (siehe Anzeige unten). Um 1910 wird Lehrer Zucker genannt. Vermutlich hatte
er sich auf die Ausschreibung von 1903 beworben. 1928 übernahm Lehrer
Salomon (Worms) den Unterricht in Wachenheim.
1843 wurde
von der jüdischen Gemeinde in einem Haus des Ortes eine Schule mit
Lehrerwohnung eingerichtet. Dazu zahlte auch die bürgerliche Gemeinde einen
Beitrag. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Dalsheim
beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in
Worms.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1889 D. Monat, um 1894 S.
Monat, F. Fittler und D. Hausmann.
Im Ersten Weltkrieg
fielen aus der Gemeinde Gefreiter David Herzberger (geb. 31.8.1893 in
Wachenheim, gef. 2.8.1917), Unteroffizier Julius Herzberger (geb. 21.2.1895 in
Wachenheim, gef. 27.7.1918) und Heinrich Kehr (geb. 12.9.1894 in Wachenheim,
gef. 28.10.1915).
Um 1925
gehörten noch 30 Personen zur jüdischen
Gemeinde (5 % von etwa 600 Einwohnern), dazu die schon oben genannten zehn
Personen aus Mölsheim. Um 1925 waren Vorsteher der jüdischen Gemeinde die Herren Theodor Loeb, Samuel Monat, Adolf Mayer und David Hausmann. Um 1932 waren die
Gemeindevorsteher: Heinrich Kehr, David Hausmann (Mölsheim). Als Lehrer war
inzwischen ein
Herr Salomon tätig, als Friedhofsaufseher David Gebauer (Mölsheim).
1933 lebten noch 27 jüdische Personen am Ort. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts sind in
den folgenden Jahren die meisten emigriert oder in andere Orte verzogen. Die
letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 aus Wachenheim deportiert.
Von den in Wachenheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Johanna Decker (1895), Antonie Eckhaus (1914), Arthur Eckhaus (1905), Kurt
Eckhaus (1908), Lothar Eckhaus (1938), Mirjam Eckhaus (1939), Ludwig Falkenberg
(1875), Bella Grombacher geb. Hausmann (1894), Josephine Kehr (?), Paula Kehr
geb. Kohlmann (1892), Emmy Koßmann geb. Hausmann (1895), Hertha Loeb (1918), Max Loeb (1909), Theodor Loeb (1877), Helene
Mané geb.
Herzberger (1903), Simon Mané (1894), Flora Mehlinger 1873), Babette Weiß
(1854).
Eines
der letzten Zeugnisse der jüdischen Einwohner Wachenheims: Theodor Löb
und Antonie (Toni) Eckhaus nehmen im Oktober 1941 von der Verfügung
Kenntnis, ab sofort einen gelben Stern tragen zu müssen. Möglicherweise
waren Theodor Löb und Antonie Eckhaus damals die einzigen noch am Ort
lebenden jüdischen Personen.
Quelle: Kopie dankenswerterweise erhalten von Wolf-Dieter Egli, Wachenheim. |
Aus Mölsheim sind umgekommen: Daniel Hausmann (1872),
Ernst Hausmann (1899), Frieda Hausmann geb. Mann (1864) und Martha Hausmann
(1901).
Aus der
Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters und
Schochet 1873 und 1903
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. März 1873:
"In den vereinigten Gemeinden Wachenheim und Monsheim
ist die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schächters sofort zu
besetzen. Gehalt 300 Gulden, Nebeneinkünfte ungefähr 75 Gulden. Bewerber
wollen sich unter Vorlage ihrer Zeugnisse bei dem Unterzeichneten
melden.
Worms am Rhein, im Februar 1873. Dr. Alex. Stein,
Rabbiner." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1903: "Die
israelitische Gemeinde Wachenheim (Rheinhessen) sucht zum 1. April 1903
einen seminaristisch gebildeten Lehrer, zugleich Vorbeter und
Schochet, Gehalt an Fixum Mark 700, nebst Nebeneinkommen bei freier
Wohnung und Heizung. Das Nebeneinkommen würde sich eventuell um ca. Mark
300 erhöhen zur Erteilung des Religionsunterrichtes einer
Nachbargemeinde. Ledige Bewerber wollen sich melden bei dem
Vorstand."
|
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Streit um das "Recht auf
Segen"(1905)
Artikel in der "Israelitischen Wochenschrift für die religiösen und socialen
Interessen des Judentums" vom 14. April 1905: "" |
Prüfung der Religionsschüler und
-schülerinnen durch Rabbiner Dr. Holzer (1931)
Artikel
im "Mitteilungsblatt des Landesverbandes israelitischen Religionsgemeinden
Hessens" vom Mai 1931 S. 8: "" |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarte
für die in Wachenheim
geborene Hertha Loeb |
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Kennkarte (ausgestellt
in Worms 1939) für Hertha Löb (geb. 6. April 1918 in Wachenheim).
wohnhaft in
Wiesbaden, am 25. März 1942 deportiert ab Mainz - Darmstadt in das
Ghetto Piaski, umgekommen |
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Zur Geschichte des Betsaal/der Synagoge
Zunächst war vermutlich ein Betsaal vorhanden. 1830
wurde eine Synagoge erstellt.
1892
wurde die Synagoge umfassend renoviert. Die Planungen hierzu fanden 1891 statt. Erhalten ist
(nach Hinweis von Wolf-Dieter Egli, Wachenheim) ein Plan vom Oktober
1891, in dem die Lage der kleinen Synagoge
eingetragen ist. Damals wurde eine neue Einfriedung an der Synagoge
erstellt. Nach
Ausweis der Parzellenkarte gehörte ein freier Raum vor der Synagoge (etwa 10
qm) zur Straße. Von diesem Bereich aus ging eine damals beseitigte
Stiege (Treppe) zur Galerie (Frauenempore) der Synagoge. Der Entwurf des Planes
wurde durch den damaligen Synagogenvorsteher S. Monat und dem Geometer
Wallmannach aus Pfeddersheim unterzeichnet. Die Genehmigung der neuen
Einfriedung wurde von der zuständigen Behörde (Kreisamt Worms) am 11. November 1891
unter der Bedingung erteilt, dass die äußere Tür des neuen Holzzaunes entlang
der Straße nicht nach außen (zur Straßen) aufgehen darf.
Während der Restaurierung fanden die
Gottesdienstes im jüdischen Schulsaal statt. Über die feierliche Wiedereinweihung am
Freitag, 11. März 1892 berichtete die Zeitschrift "Der Israelit"
am 21. März 1892:
"Wachenheim (Kreis Worms). Heute Erew Schabbat
Paraschat Sachor (Freitag vor dem Schabbat mit der Toralesung Sachor) fand
dahier die feierliche Einweihung der restaurierten Synagoge statt. Nachdem um 4
1/2 Uhr im israelitischen Schulsaale der Mincha-Gottesdienst stattgefunden,
begaben sich die Festteilnehmer an die Wohnung des Vorstandsmitgliedes, Herrn
Fittler, woselbst sich ein stattlicher Festzug ordnete. Unter den Klängen der
Musik bewegte sich derselbe durch die mit Fahnen geschmückten Ortsstraßen zur
Synagoge. Daselbst angekommen, übergab ein 9jähriges Mädchen Herrn Rabbiner
Dr. Stein aus Worms mit passender Ansprache den Schlüssel. Sofort füllte sich
das Gotteshaus bis zum letzten Platz. Nachdem die vorgeschriebenen sehr präzis
und hübsch vorgetragenen Gesänge unter Leitung des Herrn Lehrers Levy aus
Göllheim verklungen waren, hielt Herr Dr. Stein in bekannter Meisterschaft die
Predigt über Tora, Awoda und Gemilut Chasodim (die Tora, den Gottesdienst und
die Wohltätigkeit)."
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Die genannte Renovierung der Synagoge 1891/92 wurde vor allem von
Tünchermeister Zeller aus Harxheim ausgeführt. Die Kosten beliefen sich auf
mehr als 3.000 Mark, die die klein gewordene jüdische Gemeinde selbst
aufgebracht hatte. Zur Einweihung waren drei Torarollen im Festzug durch den Ort
getragen. Auch der evangelische Pfarrer war unter den Gästen. Damaliger erster
Vorsteher war Salomon Monat. Das im Bericht aus der Zeitschrift "Der
Israelit" genannte Mädchen war die Enkelin des Vorstehers Monat.
Über die weitere Geschichte der Synagoge, vor allem auch, wie lange in
ihr Gottesdienste abgehalten wurden, ist bislang nur wenig bekannt. Nach
Angaben von Wolf-Dieter Egli (Wachenheim) wurde das Gebäude nach dem 2.
Weltkrieg abgetragen. Das Grundstück wurde danach neu bebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: die Synagoge
stand in der "Sackgasse" (heute "Schmiedgasse"), eine kleine
Seitenstraße ca. 30 Meter von der Kirche entfernt. Das Grundstück der
ehemaligen Synagoge ist heute dem Grundstück Hauptstraße 25 zugeordnet. Anfang
der 1950er-Jahre erfolgte der Übergang. Es ist größtenteils Hoffläche.
Fotos / Darstellungen:
Anmerkung: Ein historisches Foto oder Zeichnungen des Grundrisses konnten bisher nicht
gefunden werden.
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Gedenktafel am Gebäude
der
ehemaligen jüdischen Schule (?)
(Fotos: Bernhard Kukatzki) |
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Gedenktafel mit
Inschrift: "Synagoge & Judenschule - in Gedenken an unsere
jüdischen Mitbürger. In diesem Bereich der Schmiedgasse stand eine 1830
erbaute und 1892 erneuerte Synagoge sowie eine Religionsschule. In
Wachenheim wohnten seit Ende des 16. Jahrhunderts zeitweise über zehn
Prozent jüdische Bürger. Die jüdische Gemeinde bestand bis zu(r)
Reichspogromnacht 1938." |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Band 2
S. 333-334. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. (mit weiteren Literaturangaben). |
| Bernhard Kukatzki: Krautkopf und Kehr, Hausmann und
Fittler. Neue Namen für die Juden von Wachenheim an der Pfrimm im Jahr
1808: online
zugänglich (pdf-Datei, interner Link)
|
Hinweis: Wachenheim im Zellertal (=
Wachenheim an der Pfrimm) sollte nicht verwechselt werden mit Wachenheim an der
Weinstraße, wo es auch eine jüdische Gemeinde gab. Zur Seite
über die jüdische Geschichte / Synagoge in Wachenheim an der Weinstraße.
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Wachenheim.
Numbering 58 (about 12 % of the total) in 1861, the Jewish community declined to
27 in 1933. Only four Jews remained in 1939.
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