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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Bad Teinach (Stadt
Bad Teinach-Zavelstein, Kreis Calw)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte
in Bad Teinach
In Bad Teinach bestand zu
keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Dennoch war - seitdem der Ort 1835 "königliches
Bad" und von König Wilhelm I. mit neuem Badehaus, Trinkhalle und einem
Badhotel versehen wurde - Bad Teinach auch für jüdische Personen einer
weiteren Umgebung ein beliebter Kurort. In einem Bericht vom September 1871
(siehe unten) erfährt man, dass im Sommer dieses Jahres jüdische Personen
unter anderem aus Stuttgart, Frankfurt, Mannheim usw. sich in Bad Teinach zur
Kur aufhielten.
Weitere Spuren: Von besonderem Interesse am Ort ist die kabbalistische
Lehrtafel der Prinzessin Antonia Herzogin von Württemberg aus dem 17.
Jahrhundert in der Dreifaltigkeitskirche. Sie ist inhaltlich christlich geprägt,
doch stark von jüdisch-kabbalistischer Mystik beeinflusst. Informationen u.a.
über den Wikipedia-Artikel
"Kabbalistische Lehrtafel".
In Bad Teinach praktizierte von 1930 bis 1933 der jüdische Badearzt Dr. Eugen
Marx, der als praktischer Arzt in
Neuweiler und Umgebung tätig war. Auf Grund seiner jüdischen Abstammung
wurde er im September 1933 in das KZ Heuberg verschleppt. Wenig später verlor er
seine Approbation. Weiteres zu ihm und seiner Familie in der Seite zu
Neuweiler. Seit April 2018 erinnert
an den Arzt eine Gedenktafel am Gartenhaus (siehe unten).
Berichte aus der
jüdischen Geschichte in Bad Teinach
Ein orthodox-jüdischer Kurgast in Bad Teinach kritisiert
die Verhältnisse unter liberalen "Reformjuden" (1862)
Anmerkung: im zweiten Teil des Berichtes erfährt
man von einem jüdischen Mädchen aus Freudental, das in Bad Teinach starb und
dabei nicht die sonst in jüdischen Gemeinden übliche Sterbebegleitung erhielt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13.
September 1871: "Aus Bad Teinach bei Calw, im August
(1871, Württemberg). An einem der jüngsten Sabbate war es, - wir glauben
Paraschat Ki teze - als Schreiber dieses (Artikels) auf seiner
Durchreise durch Stuttgart die dortige Synagoge besuchte, nicht etwa, um
dort seine Andacht zu verrichten (denn dies war ihm nach seinen früheren
Erfahrungen in anderen Reform-'Synagogen' zum Voraus als unmöglich
erschienen), sondern um sich persönlich davon zu überzeugen, ob auch in
Stuttgart der Synagogenbesuch ebenso schwach sei, wie in anderen
Reformgemeinden, oder ob vielleicht Stuttgart besser als sein Ruf; wir
fanden, was wir gefürchtet oder erwartet hatten: eine verschwindende
Anzahl von talislosen Besuchern und auf der 'Loge' (Empore) einen Kranz
von 'sonntäglich' - wir wollten sagen - sabbatlich geputzten Damen, die
mir der gleichgültigsten Miene dem Orgeltone lauschten, sich nach dem
Kommando von Maier's Gebetbuch erhoben |
und
setzten, im Übrigen aber sich brav ruhig und still verhielten; da und
dort erblickten wir, gleichsam zu Erinnerung, dass wir uns in einem
jüdischen Tempel befanden, einen mit wirklicher Andacht betenden Mann,
der, unbeirrt von dem Rauschen der Orgel und dem Gleichklang des
Chorgesangs, stehend und mit jenem spezifisch jüdischen 'Schütteln' - alle
meine Gebeine werden sprechen: Ewiger, wer ist gleich dir? (Psalm
35,10) - seine Tephillah (Gebet) verrichtete. Nach dem Einheben und dem
Absingen eines 'Chorals' bestieg Kirchenrat Dr. Maier die Kanzel und hielt
eine Rede, in welcher er anknüpfend an den inneren Zusammenhang der drei
ersten Abschnitte der Sidre (Wochenabschnitt der Tora) den
Ausspruch des ... als Text benützte und ihn durch mannigfache Beispiele
schön exemplifizierte. Uns war nur leid, dass nicht die jüdische
Teinacher Badegesellschaft, die größtenteils aus Stuttgartern besteht,
zugegen war; sie hätte n sich vielleicht sonst ihres Gebarens im Bade
Teinach, einem christlichen Dorfe erinnert und wären nachdenklich
geworden wegen des großen sittlichen Zerfalls, der begonnen hat mit
kleinen Übertretungen der Gebote Gottes, dann fortgeschritten ist in der
völligen Missachtung des jüdischen Gesetzes und bereits so sehr jedes
religiöse Gefühl ausgemerkt hat, dass diese Stuttgarter Juden bereits
aufgehört haben, ihre Glaubensgenossen als Mitmenschen zu betrachten;
denn wo in aller Welt hat man schon gehört, dass ein Jude, der zu einem
Sterbenden gerufen wird, sich weigert, diese Liebespflicht zu erfüllen?
Und dies ist geschehen im Bade Teinach. Diese Erfahrung musste ein
Elternpaar aus Freudental machen,
deren Tochter im Bade Teinach ihrem Leiden erlegen ist. Beim
Verscheiden derselben sahen sich die unglücklichen Eltern nach den im
Bade anwesenden Juden um und ließen sie rufen, damit diese mit ihnen
gemeinschaftlich die Sterbegebete verrichteten; es waren Juden da aus Stuttgart,
Frankfurt, Mannheim etc. - aber, mögen sie nun ihre Nerven haben
schonen wollen oder aus irgendwelchem anderen Grunde, es erschien keiner,
und so waren die Eltern allein mit ihrer sterbenden Tochter, die in einem christlichen
Hause krank gelegen hatte. Eigentümlich ist es, dass der Vater des
verstorbenen Mädchens selbst zu den Reformjuden zählt; möge er und
alle, die sich einen Ruhm daraus machen, diesen Namen zu tragen, an diesem
Falle erkennen, wohin diese Reformsucht führt - zur vollständigen
Apathie gegen alles Göttliche und Menschliche; wo die Juden bisher
zusammenwohnten, getreu dem alten Gesetz und der alten Sitte, bildeten sie
gewissermaßen eine Familie, deren Glieder Freud' und Leid
miteinander teilten und in Unglücksfällen sich hilfreich gegenseitig
unterstützten und dies taten sie nicht aus menschlichen
Nebenrücksichten, sondern weil Wohltätigkeit ein göttliches Gebot
ist; erst wenn diese Familienbande sich lösen würden, wurden wir in
Wahrheit im Exil leben, dann erst würde die Diaspora unerträglich
werden und den bestand des Judentums wesentlich in Frage stellen. Hoffen
wir, dass dieser Fall vereinzelt bleiben möge; denn sonst müsste der
fromme Jude, ehe er ins Bad reist, neben den Rücksichten auf den Erfolg
der Kur, auch darauf sehen, ob er dort Glaubensgenossen trifft, die
eintretenden Falls zu Liebesdiensten bereit sind, und es gäbe dann eine
neue Kategorie von Bädern, 'orthodoxe' und 'Reformbäder'; oder man
müsste jüdische Feldbadgeistliche aufstellen, die dem alljährlichen
Heereszuge der badelustigen Judenheit mit in den Kampf folgen und den
Kranken und Sterbenden erforderlichenfalls zur Seite
stehen." |
Fotos
(Quelle: Postkarte aus den 1970er-Jahren;
Dreifaltigkeitskirche Bad Teinach - Führer für Kirche und Lehrtafel. 1981²
s.u. Anhang)
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Die
kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia von Württemberg in der
Dreifaltigkeitskirche zu Teinach mit den
10 Sephiroth oder Abglänzen Gottes. |
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Gedenktafel für Dr.
Eugen Marx am
Gartenhaus in der Otto-Neidhardt-Allee
(Fotos: Ulrich Müller) |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
April
2018:
Eine Gedenktafel für den Arzt Dr.
Eugen Marx wird angebracht
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Artikel
von Steffi Stocker im "Schwarzwälder Boten" vom 9. März 2018:
"Bad Teinach-Zavelstein Gedenktafel gegen das Vergessen
Erinnerung und Mahnung zugleich soll die Gedenktafel an Doktor Eugen Marx
sein. Am heutigen Gartenhaus in der Otto-Neidhardt-Allee wird die
Installation den einstigen Badearzt von Bad Teinach würdigen.
Bad Teinach-Zavelstein. "Solche Dramen, die in dieser Zeit passierten,
müssen wir wach halten, zumal die Einzelschicksale langsam verloren gehen",
unterstreicht Hotelbetreiber Wolfgang Scheidtweiler im Gespräch mit dem
Schwarzwälder Boten. Er war von der Idee Bürgermeister Markus Wendels sofort
angetan, zumal das zum Hotelkomplex zählende Gartenhaus, die frühere
Trinkhalle, den originalen Wirkungsort von Marx darstellt. In der damals
dort integrierten Praxis war der jüdische Arzt drei Jahre bis 1933 tätig. Er
verhalf dem Kurort zum Aufschwung und wurde in der Bevölkerung geschätzt.
"Überliefert ist außerdem, dass die Menschen und auch der damalige
Bürgermeister anfangs des NS-Regimes hinter ihm standen", berichtete Wendel
dem Gemeinderat im Zuge der Information, dass eine Gedenktafel errichtet
werde. Er freute sich über den Zuspruch Scheidtweilers, zumal das Gebäude,
das den örtlichen Bezugspunkt darstellt, bei ihm in privatwirtschaftlicher
Hand ist. "Es ist wichtig, daran zu erinnern, was den Menschen seinerzeit
angetan wurde", bekräftigte der Eigentümer nicht zuletzt vor dem aktuellen
Hintergrund antisemitischer Bewegungen. Angestoßen wurde die Idee einer
Gedenktafel durch Marx’ Neffen Ernest Kolman*. Er war selbst mit einem
Kindertransport nach Großbritannien dem grauenvollen Regime entkommen.
Kolman* lebt in London und war vor eineinhalb Jahren zu Besuch in Bad
Teinach-Zavelstein gewesen.
Einweihung am 24. April mit Zeitzeugen. "Mich hat sein Buch gefesselt
und, der Kontakt ist über Pfarrer Ulrich Müller nie ganz abgerissen",
erzählte Wendel unter anderem vom Wiedererkennen des Gebäude-Ensembles durch
Kolman, das er zuletzt als siebenjähriger Junge gesehen hatte. Der
inzwischen über 90-Jährige freue sich demnach, dass nun sein Wunsch nach
einer Gedenktafel für die Familie des Onkels realisiert werde. "Wir haben
sie nicht vergessen!" steht als Titel über der Tafel zur Arztfamilie und
dessen Schicksal. Denn schon 1934 starb Marx’ Ehefrau Karola aufgrund der
Verfolgung, und später wurden auch die beiden Töchter im Alter von acht und
elf Jahren in einem Lager nahe Minsk ermordet. Der Arzt selbst hatte schon
zuvor ausreisen müssen und emigrierte 1948 in die USA, wo er in einer Klinik
arbeitete, ehe er 1965 starb. Zur Einweihung der Tafel am 24. April wird
Kolman laut Bürgermeister Wendel aus London anreisen und wohl auch seinen
Sohn mitbringen, der Eugen Marx noch persönlich in einer amerikanischen
Klink kennenlernte."
Link zum Artikel |
* zu Ernest Kolman vgl. Presseartikel von
Alfred Verstl im "Schwarzwälder Boten" vom 20. Januar 2021 zum Tod von
Ernest Kolman: "Das Wachrütteln bleibt sein Vermächtnis. Nachruf.
Holocaust-Überlebender Ernest Kolman verstorben..."
Link zum Artikel (pdf-Datei). Weitere Informationen auf der
Seite zu Neuweiler.
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2023:
Jubiläumsveranstaltungen zu "350 Jahre Kabbalistische Lehrtafel"
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Aus Anlass des 350-jährigen Jubiläums der
Aufstellung der kabbalistischen Lehrtafel in der Evangelischen
Dreifaltigkeitskirche in Bad Teinach gibt es ein umfangreiches Festprogramm,
das dem eingestellten Flyer entnommen werden kann:
Das
Programm ist eingestellt (pdf-Datei) |
Aktuelle Publikation (vgl. unten in der
Literaturliste):
https://www.klotz-verlagshaus-shop.de/home/Die-Kabbalistische-Lerntafel-der-Prinzessin-Antonia-in-Bad-Teinach-p551582252
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| siehe Wikipedia-Artikel oben |
| Dreifaltigkeitskirche Bad Teinach. Führer für Kirche und
Lehrtafel. Hrsg. von der Evang. Kirchengemeinde Bad Teinach 1973. 1981²
(Text: Martin Schüz). |
| Gabriel Stängle mit Sebastian Röhrle, Jeremias
Viehweg, Fabian Gote, Pascal Grimm und Kevin Schmidt (Hrsg.
Christiane-Herzog-Realschule Nagold): "Wir waren froh, als es vorbei war":
die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden im Kreis Calw zwischen 1933-1945.
Horb am Neckar: Geigerdruck GmbH 2017 143 S. Ill. Karten ISBN
978-3865956491. |
| Otto Betz: Licht vom unerschaffnen Lichte. Die
kabbalistische Lehrtafel der Prinzession Antonia in Bad Teinach. 2013. |
| Eva Johanna Schauer, Eberhard Fritz,
Elisabeth Frister (Hrsg.): Bildung - Glaube - Seelenheil. Das
Vermächtnis der Prinzessin Antonia von Württemberg. 2014. |
| Reinhard Gruhl: Die kabbalistische Lehrtafel der
Antonia von Württemberg. Studien und Dokumente zur protestantischen
Rezeption Jüdischer Mystik in einem frühneuzeitlichen Gelehrtenkreis. 2016. |
| Erwin Morgenthaler, Ewald Freiburger: Die
Kabbalistische Lehrtafel und die Dreifaltigkeitskirche Bad Teinach. 2019. |
| Matthias Morgenstern: Die kabbalistische Lehrtafel
der Prinzession Antonia in Bad Teinach. In: Thorsten Trautwein
(Hrsg.): Jüdisches Leben im Nordschwarzwald. 2021. |
| Monika Garruchet: Prinzessin Antonia von
Württemberg und die Teinacher Lehr- und Lerntafel. Zur 250. Wiederkehr der
Einweihung eines außergewöhnlichen Kunstwerks. In: Rundbrief des
Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins. Nr. 34 Oktober 2022 S.
15-21. |
| Matthias Morgenstern/Monika Garruchet
(Hrsg.) Die kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia in Bad Teinach.
J.S. Klotz Verlagshaus Neulingen 2023. 29,90 €. Link zur Verlagsseite
https://www.klotz-verlagshaus-shop.de/home/Die-Kabbalistische-Lerntafel-der-Prinzessin-Antonia-in-Bad-Teinach-p551582252
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