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Wetteraukreis"
Bindsachsen
(Gemeinde Kefenrod, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Bis 1816 gehörten die benachbarten Orte Bindsachsen und
Wenings zur Herrschaft Ysenburg-Büdingen beziehungsweise Büdingen-Birstein. In
Bindsachsen bestand eine kleine, zunächst selbständige jüdische
Gemeinde bis um 1860. Danach gehörten die in Bindsachsen lebenden
jüdischen Familien zur Gemeinde in Wenings beziehungsweise bildeten mit den
Juden in Wenings eine gemeinsame Gemeinde.
In Bindsachsen wurden 1830 16
jüdische Personen gezählt. 1857 werden sechs Familien genannt, 1905 waren
es vier Familien mit zusammen 16 Personen. Die Familiennamen der Bindsachsener
Juden waren insbesondere Felsenthal (Bäckerei Isidor Felsenthal), Freimark,
Grünebaum (Fruchthandlung Isaac Grünebaum, siehe Anzeige unten) und Stern.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal / Synagoge. Die
Toten der jüdischen Gemeinde wurden nach 1852 im jüdischen
Friedhof in Büdingen beigesetzt.
Um 1924, als nur noch sieben Gemeindeglieder in den beiden Familien
Felsenthal und Freimark gezählt wurden, waren die Vorsteher der Gemeinde Isidor
Felsenthal und Isak Freimark.
1932/33 waren weiterhin nur die beiden Familien Felsenthal und Freimark am Ort. Dennoch kam es bereits am 24. März 1933 zu einem Übergriff
durch maskierte Nationalsozialisten auf die Wohnungen dieser Familien. Kurz
darauf verließen beide Familien Bindsachsen und zogen nach Frankfurt. Ihre weitere
Geschichte ist nicht bekannt.
Von den in Bindsachsen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Paula Alexander geb. Stern (1886),
Rosa Baum geb. Grünebaum (1873), Leopold Freimark (1875), Rosalie Freimark
(1873), Simon Grünebaum (1867), Berta Heymann geb. Stern (1884), Rosa Mayer
geb. Grünebaum (1865), Marianne Stern (1860).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Fruchthändlers Isaac Grünebaum I
(1868)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1868:
"Ein israelitischer Metzgergeselle aus guter Familie, stark und
kräftig, welcher drei Jahre zünftig gelernt hat, sucht eine Stelle bei
einem israelitischen Metzger, bei welchem an Sabbat- und Feiertagen das
Geschäft geschlossen ist. Franco-Offerten wolle man richten an Herrn
Isaac Grünebaum I., Fruchthändler in Bindsachsen, Kreis
Büdingen." |
Zur Geschichte der Synagoge
In der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts trafen sich die in armseligen Verhältnissen lebenden jüdischen
Familien zu Gebet und Gottesdienst in einer Betstube, einem "dunklen
Dachkämmerlein" (siehe Bericht unten), für dessen Miete sie
aufzukommen hatten. Vermutlich 1856 wurde ihnen diese Dachkammer gekündigt.
Die Familien planten hierauf den Bau einer Synagoge. Dazu gelang es, ein
Haus zu kaufen. Man wollte dieses zu einer Synagoge umbauen. Da freilich die
hierzu nötigen 2.200 Gulden nicht aus eigenen Mitteln aufgebracht werden
konnten, bemühte sich die Gemeinde, über eine Kollekte zumindest einen Teil
dieser Summe zu erhalten. In der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
erschien am 27. April 1857 folgender Aufruf:
Spendenaufruf zur Unterstützung des Synagogenbaus
(1857)
"Öffentliche
Bitte um Beisteuer zu einem Synagogenbau in der israelitischen
Gemeinde Bindsachsen, Großherzoglich hessischen Kreises Büdingen. Von
Großherzoglichem Kreisamte Büdingen ermächtigt, richte ich an alle Israeliten
von Nah und Gern die ergebenste wie dringende Bitte um Beisteuer zur Errichtung
einer Synagoge in der israelitischen Gemeinde Bindsachsen, Großherzoglich
hessischen Kreises Büdingen. Diese genannte Gemeinde besteht nur aus 6
Mitgliedern, wovon die Hälfte beitragsunfähig. Sie hatte sich bisher mit einem
dunklen Dachkämmerlein als Betlokal begnügt, was gemietet war. Daraus nun
vertrieben und in Ermangelung eines andern hatte diese winzige Gemeinde ein
Gebäude angekauft, um es zur Synagoge einrichten zu lassen, und ist dieses mit
einem Kostenaufwand von circa 2.200 Gulden verbunden. Dazu ist die pekuniäre
Kraft dieser einigen Bemittelten zu schwach. Großherzogliches Kreisamt diesen
Übelstand wahrnehmend, hat mich zum Erlass dieser öffentlichen Bitte
ermächtigt.
Darum Ihr Glücklichen in Euern Tempeln und Prachtsynagogen, worin Ihr labt die
Seele an dem lebendigen Gottesworte aus dem Munde des Predigers, und erhöht das
Hochgefühl für Gott und Religion durch den Sang der Chöre - fühlt Mitleid
mit dieser verlassenen, ohne Gotteshaus existierenden armen Gemeinde, traget bei
ein Scherflein, dass auch diese sich ein Gotteshaus bauen, darein sich sammeln
und in Versammlung den Herrn anbeten möge.
Die verehrliche Redaktion dieses Blattes wird sich gewiss bereit erklären zur
Entgegennahme von Gaben und deren endliche Beförderung an den israelitischen
Vorstand zu Bindsachsen.
Büdingen (Groß Hessen), 17. April 1857. I Ottensoser Lehrer und
Trauungsbevollmächtiger
Dass Großherzogliches Kreisamt zu vorstehendem Aufruf die Ermächtigung erteilt
hat, wird dadurch beglaubigt.
Büdingen, 17. April 1857. Großherzogliche Bürgermeisterei Büdingen.
Eckel." |
Der Aufruf hatte Erfolg. In den folgenden Monaten konnte in
jüdischen Periodika immer wieder die eine oder andere Spende für den
Synagogenbau in Bindsachsen quittiert werden:
Zeitschrift
"Jeschurun" - Ausgabe Mai 1857: "Für den Synagogenbau in
Bindsachsen sind bei uns eingegangen: von Herrn O. in G. ... 5 Taler P.Ct.
Die Redaktion." |
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Zeitschrift
"Jeschurun" - Ausgabe Juni 1857: "Erhalten von Herrn
Salomon Boehmann, Lehrer in Messelhausen.
2 Gulden zum Synagogenbau in Bindsachsen. Die Redaktion". |
Tatsächlich konnte eine Synagoge erstellt und eingeweiht
werden. Ob es sich um die Einrichtung eines Betsaales oder ein selbständiges
Gebäude gehandelt hat, ist nicht bekannt. Die Einweihung am 18. Oktober 1861
nahm Provinzial-Rabbiner Dr. Levi aus Gießen vor:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Januar 1862:
"Büdingen, Großherzogtum Hessen, im Dezember. Im Laufe des Herbstes
fanden in zwei israelitischen Gemeinden des hiesigen Kreises Einweihungen
zweier neu erbauter Synagoge statt. Die Eine am 16. August zu Düdelsheim,
die andere zu Bindsachsen, am Gedenktag der Leipziger Völkerschlacht, 18.
Oktober. Beide Weiheakte vollzog der Großherzogliche Provinzial-Rabbiner
Herr Dr. Levi zu Gießen unter glänzendem Beifall aller Anwesenden ohne
Konfessionsunterschied." |
Obwohl wenig Jahre später die jüdischen
Familien aus Bindsachsen der Gemeinde in Wenings zugeteilt wurden, konnten sie
als kleine Filialgemeinde wohl ihre Gottesdienste - soweit Minjan zustande kam
(notwendige Zahl von zehn jüdischen Männern zum Gottesdienst - in der
Folgezeit in Bindsachsen abhalten. Ansonsten werden sie die Gottesdienste in
Wenings besucht haben. Über die weitere Geschichte der Synagoge in Bindsachsen
ist nichts bekannt.
Adresse/Standort der Synagoge: nicht bekannt (für weitere Hinweise ist der Webmaster dankbar, Adresse siehe Eingangsseite).
Fotos
Fotos zur
jüdischen Geschichte in Bindsachsen sind noch nicht vorhanden; über
Hinweise oder Zusendungen freut sich
der Webmaster der "Alemannia
Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite. |
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Beisetzungen der in
Bindsachsen verstorbenen
jüdischen Personen im jüdischen
Friedhof in Büdingen |
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Grabstein links für
Simson aus Babenhausen,
Schwiegervater des Is. Grünebaum zu Bindsachsen
(gest. 1851); rechts für Henoch Herrmann (1787-1851) |
Grabstein
für Elise Grünebaum, Tochter
von Isaak Grünebaum von Bindsachsen
(1843-1868) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. 358-359 (innerhalb des Abschnittes zu
Wenings) |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 322.327. |
| Susanne Gerschlauer: Synagogen. In: Kirchen und
Synagogen in den Dörfern der Wetterau. Reihe Wetterauer Geschichtsblätter.
Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Band 53. Im Auftrag des Friedberger
Geschichtsvereins hrsg. von Michael Keller. Friedberg 2004 S. 289-326. |
| dies.: Katalog der Synagogen. In: ebd. S. 555-580. |
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