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Die Synagoge in Böhl: Quelle)
Böhl-Iggelheim
(Rhein-Pfalz-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge (in Böhl)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Böhl-Iggelheim bestand eine jüdische Gemeinde
bis 1940. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. 1744
wohnten in Iggelheim drei jüdische Familien, in Böhl war es eine
Familie.
Anfang des 19. Jahrhunderts lebten in Böhl zwar vorübergehend keine
Juden, doch ließen sich bald wieder einige Familien nieder. Ihre Zahl stieg von
0 (1801) auf 8 (1808; 0,7 % der Einwohnerschaft), 25 (1821), 37 (1825, 2,6 % der
Einwohnerschaft) auf 70 (1845). 1848 wurde mit 79 Personen in 15 Familien
allerdings bereits die Höchstzahl erreicht. Durch Aus- und Abwanderung ging die
Zahl rasch zurück. Bereits 1875 waren es nur noch 17 jüdische Einwohner, 1893
21, 1900 14. Bis 1910 waren alle vom Ort verzogen.
In Iggelheim wurden 1801 14 jüdische Personen gezählt (1,2 % der
Einwohnerschaft), 1808 15 (1,2 %), 1821 23, 1825 27 (1,6 %), 1845 37. Die Höchstzahl wurde
hier 1866 mit 44 jüdischen Gemeindegliedern erreicht. In Iggelheim setzte die
Aus- und Abwanderung nicht in derselben Weise wie in Böhl ein, sodass hier um
1900 noch 34 jüdische Personen gezählt wurden.
1808/09 werden als jüdische Haushaltsvorstände genannt: in Böhl
Abraham Gerson I, Abraham Gerson II (Viehhändler) und Joseph Gerson
(Viehhändler); in Iggelheim Michel Mayer (Metzger), Samuel Mayer
(Kleinhändler) und Simon Mayer (Gebrauchtwarenhändler).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Schule (Religionsschule) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden
auf dem jüdischen Friedhof in Haßloch beigesetzt. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Einer der ersten namentlich bekannten Lehrer war Jacob Mayer Eppstein,
der von 1806 bis 1808 als Lehrer in Iggelheim tätig war (danach in Ruchheim).
Die Gemeinde gehörte zum
Bezirksrabbinat Frankenthal (Sitz des Rabbinats in
Bad Dürkheim).
Um 1925 (bereits damals
"Synagogengemeinde Böhl-Iggelheim"), als noch 20
jüdische Gemeindeglieder (alle in Iggelheim) gezählt wurden (0,7 % von ca.
2.800 Einwohnern), bildeten den Synagogenvorstand die Herren Julius Mayer, Max
Blum und Moritz Wälder. 1932 werden Julius Mayer als 1. Vorsitzender, Eduard
Marschall als 2. Vorsitzender und als Schriftführer Moritz Wälder
genannt.
1933 wurden in Böhl-Iggelheim noch 16 jüdische Einwohner gezählt,
1938 noch 14 oder 15. Erst nach den Ereignissen in der Pogromnacht 1938 verzogen
einige dieser Personen. Sieben Iggelheimer Juden wurden im Oktober 1940 nach
Gurs deportiert.
Von den in Böhl geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Max Bender (1861),
Alfred Gerson (1863), Ernst (Ernest) Roos (1893).
Von den in Iggelheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Franziska Blum (1913),
Johanna Blum geb. Rhein (1889), Max Blum (1877), Friedrich Mayer (1894), Ludwig
Mayer (1901), Michael Mayer (1858), Susanna Mayer (1895).
Im Oktober 2013 wurde zum Gedenken an die aus Böhl-Iggelheim
deportierten jüdischen Personen ein Gedenkstein auf dem Friedhof der Gemeinde
eingeweiht mit der Inschrift: "Das Geheimnis der Versöhnung heißt
Erinnerung. Wir erinnern an unsere im Okt. 1940 nach Gurs deportierten
Mitbürger jüdischen Glaubens. Michael Mayer mit Tochter Susanne. Max und
Johanna Blum mit Tochter Franziska. Moritz und Rosa Wälder und unseren 1939
verurteilten Mitbürger der Glaubensgemeinschaft Jehovas Zeugen Jakob Bug. Wir
gedenken aller Menschen, die in den Jahren 1933-1945 durch Unrecht und Gewalt
des Nationalsozialismus deportiert, ermordet, verurteilt und erniedrigt worden.
Die Bürger der Gemeinde Böhl-Iggelheim 2013."
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1890
(Vertretung für die Hohen Feiertage) /
1900
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1890:
"Kultusgemeinde Böhl-Iggelheim sucht für Rosch HaSchana
(Neujahr) und Jom Kippur einen Chasan (Kantor) und Baal
Tokea (Schofarbläser) zur Aushilfe. Bewerber aus der Pfalz oder Baden
wollen sich an den Unterzeichneten wenden. Jacob Mayer III.,
Iggelheim (Rheinpfalz). |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Oktober 1900:
"Zu besetzen
die Stelle für Vorbeter, Religionslehrer und Schächter in Böhl
(bayerische Pfalz). Gehalt Mark 300, Nebenverdienst 120 Mark, Wohnung 130
Mark, zusammen 550 Mark, auch kann ein Nebengeschäft nebenbei betrieben
werden. Reflektanten wollen sich innerhalb 14 Tagen brieflich
anmelden.
Der Vorstand: Samuel Gerson."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1900:
"Zu besetzen
die Stelle für Vorbeter, Religionslehrer und Schächter in
Böhl (bayerische Pfalz). Gehalt Mark 300, Nebenverdienst 120 Mark,
Wohnung 130 Mark, zusammen 550 Mark, auch kann ein Nebengeschäft nebenbei
betrieben werden. Reflektanten wollen sich innerhalb 14 Tagen brieflich
anmelden.
Der Vorstand: Samuel Gerson."
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Über die Familie des jüdischen Lehrers Jacob Mayer Eppstein
(Lehrer in Iggelheim von 1806-1808, danach in Ruchheim
- Beitrag von
Rolf Michael Mayer (2009, E-Mail)
Vom Taunus über Frankfurt und Mannheim nach
Fußgönheim, Ruchheim und Mutterstadt.
HaLevi – Eppstein – Eppler – Mayer. Vier Namen – eine Familie
1335 erteilte Kaiser Ludwig IV. (Ludwig der Bayer) Gottfried von Eppstein die Erlaubnis, im Tal und an seiner Burg Eppinstein im Taunus 10 jüdische Familien anzusiedeln. 1392 zog eine dieser Familien von dort nach Frankfurt am Main. Ihr ursprünglicher Name war HaLevi gewesen, was sie als Angehörige des Stammes der Leviten auswies.
Wie bei vielen Juden wurde dieser Herkunftsort zum späteren Nachnamen - hier Koppelmann (von)
Eppstein. Nathan HaLevi Eppstein war von 1450 - 1470 Oberrabbiner in Frankfurt. Während des Fettmilch-Aufstandes 1612 - 1614 wurden alle Juden aus Frankfurt vertrieben und die inzwischen weit verzweigte Familie Eppstein zerstreute sich in alle Richtungen.
1674 tauchte der Name erstmals in Mannheim auf, als ein Jesaias Eppstein als Mitbegründer
der jüdischen Begräbnisbruderschaft genannt wird. Ab 1730 wird ein Jacob Eppstein mehrmals in den Mannheimer Ratsprotokollen erwähnt. 1743 saß er wegen nicht bezahlter Verbindlichkeiten zeitweise im Arrest.
Die drei Kinder seines Sohnes Mayer Löb Eppstein gingen in die Pfalz: Sara als Dienstmagd nach
Mutterstadt, ebenso ihr Bruder Joseph, der in der dortigen jüdischen Gemeinde Vorsänger wurde. Er nannte sich später
"Eppler" und ist der Ur-Urgroßvater von Heinz Eppler, der mit seinen Eltern vor den Nazis flüchten musste und heute in den USA lebt.
Heinz Epplers Großvater Isidor starb 1941 im Lager Gurs in den Pyrenäen und dessen zweite Frau Bertha 1944 in Marseille.
Joseph Eppler starb 1869 in Mutterstadt und wurde auf dem jüdischen
Friedhof in Fußgönheim begraben.
Der dritte, Jacob Mayer Eppstein arbeitete 1806 als Lehrer in
Iggelheim und heiratete 1807 in
Fußgönheim die Tochter des Händlers Moyse Hirsch. 1808 ging er nach
Ruchheim, wo er eine Anstellung als Lehrer der jüdischen Gemeinde gefunden hatte. Hier wurde 1810 der Sohn Jacob geboren, der später ebenfalls Lehrer wurde und im Saarland und Hunsrück tätig war. Aus dieser Linie stammen die
Eppsteins, die heute in Israel, USA und anderen Teilen der Welt leben.
Ebenso Dr. Paul Eppstein (vgl. Wikipedia-Artikel
zu ihm), der 1902 in Ludwigshafen geboren wurde und von 1928 - 1933 Leiter der Volkshochschule Mannheim war, bis die Nazis ihm die weitere Ausübung dieser Tätigkeit untersagten. Er ging daraufhin nach Berlin in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, von wo er im Januar 1943 mit seiner Frau, Dr. Hedwig Strauss, ins Lager Theresienstadt deportiert wurde. Dort angekommen, wurde er zum
"Ältesten der Juden" bestimmt. In dieser Funktion hatte er die Anordnungen der Lagerleitung umzusetzen. Am 27. September 1944 wurde er von der SS verhaftet und erschossen.
Ein weiterer Nachkomme der Ruchheimer Linie war Eugen Eppstein, der als Mitglied der KPD 1924 Reichstagsabgeordneter der Weimarer Republik war und 1943 im KZ Lublin-Majdanek ermordet wurde. Sein Name findet sich auf einer Liste mit 33 Namen bekannter deutscher Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky, welche die Nationalsozialisten 1933 ausbürgern wollten.
Der offizielle Name der Familie war seit 1807 Mayer, ohne dass der Name Eppstein gänzlich abgelegt wurde und die meisten Familienteile nannten sich später wieder Eppstein.
Nach seiner Tätigkeit als jüdischer Dorfschullehrer von Ruchheim ging Jacob Mayer Eppstein nach
Fußgönheim zurück, wo 1814 Jacob Salomon Mayer (der Ur-Urgroßvater des Verfassers) geboren wurde. Sein Vater Jacob Mayer Eppstein starb
1845 in Worms, wo er von einer Pferdekutsche überfahren wurde.
Jacob Salomon Mayer behielt den Namen Mayer bei. Mit seiner Ehefrau Esther Levi aus
Altdorf bei Edenkoben hatte er acht Kinder. Sohn Emanuel war mit Susanna Joel verheiratet, deren Familie ebenfalls in Fußgönheim wohnte. Emanuels Tochter Bertha wurde mit ihrem Ehemann Alfred Bernstein ins Lager Gurs deportiert. Bertha starb 1944 in Limoges, ihr Mann im gleichen Jahr im Lager
Nexon.
Welche Mitglieder der Familie im ehemaligen "Mayer-Haus" - es war das zweite Haus rechts neben der Kirche – wohnten, ist nicht bekannt. Die Gräber von Emanuel und Susanna Mayer findet man ebenfalls auf dem jüdischen
Friedhof in Fußgönheim.
Moses Mayer, ein weiterer Sohn Jacob Salomons, zog nach Oggersheim, wo 1882 Sohn Albert (der Großvater des Verfassers) geboren wurde. Albert war 1914 nach Mannheim verzogen, wo er eine Fischhandlung betrieb.
Er war mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet, die nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten regelmäßig von der Gestapo bedrängt wurde, sich von ihrem jüdischen Mann scheiden zu lassen, was sie jedoch strikt ablehnte. Die Ehe mit einer
"arischen" Frau hat Albert Mayer letztendlich das Leben gerettet, denn er wurde – wie die meisten Juden aus Mischehen – erst spät, im Frühjahr 1945 in das KZ Theresienstadt deportiert. Zu dieser Zeit gingen von dort keine Transporte mehr in die Vernichtungslager im Osten. In Theresienstadt traf er seine Schwester Ella wieder, die bereits 1944 deportiert worden war.
Im Juni 1945 kehrten beide unversehrt nach Deutschland zurück, doch mindestens 18 Mitglieder der Familie Eppstein - Eppler - Mayer verloren im Holocaust ihr Leben." |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
80. Geburtstag von Michael Mayer (im Artikel: Maier) in
Iggelheim (1938)
Anmerkung: Michael (Michel) Mayer, geb. 4. April 1858 in Iggelheim, wurde am
22. Oktober 1940m in das Internierungslager Gurs deportiert, wo er am 24.
November 1940 umgekommen ist.
Artikel in "Jüdisches Gemeindeblatt für das Gebiet der
Rheinpfalz" vom 1. April 1938: "Iggelheim. Am 4.
April begeht Herr Michael Maier die Feier seines 80. Geburtstages
in erfreulicher geistiger und körperlicher Frische. Herr Maier amtierte
jahrelang ehrenamtlich als Vorbeter seiner Gemeinde. Wir wünschen dem
gottesfürchtigen und wohltätigen Mann einen gesegneten Lebensabend.
S.M.Sp." |
Kennkarte
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Iggelheim geboren sind |
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Kennkarte (ausgestellt
in Mainz 1939) für Joseph Mayer (geb. 6. November 1869) in
Iggelheim, Kaufmann |
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Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge
Eine erste Synagoge wird 1815 genannt. Sie war inzwischen für die in
dieser Zeit rasch gewachsene Gemeinde zu klein geworden, zumal sie auch von den
jüdischen Familien aus Schifferstadt
besucht wurde. Ihr Standort ist nicht
mehr bekannt. Er war nicht identisch mit dem Standort der 1840 fertiggestellten
Synagoge, da im Bericht zur Einweihung von einem "Zug von der alten zur neuen
Synagoge" zu Rede ist.
In den 1830er-Jahren planten die Böhl lebenden Juden den Bau einer
neuen Synagoge. Josef Gerson hatte hierfür ein Baugrundstück kostenlos zur
Verfügung gestellt. Unter erheblichen finanziellen Opfern (der Bau kostete
mindestens 5.000 Gulden) konnte ein für die relativ kleine Gemeinde sehr
repräsentativer Bau erstellt werden. Bezirksbauschaffner Foltz hatte die Pläne
gezeichnet. Er orientierte sich beim Bau an der Synagoge in Ingenheim.
Am 27. Dezember 1840 wurde die neue Synagoge feierlich von Rabbiner Aron Merz
(Frankenthal) eingeweiht.
Speyer, 17. Januar. Am 27. des vorigen Monats fand in
dem benachbarten Orte Fehl (verschrieben für Böhl!) die Einweihung
einer neuen Synagoge statt, welche die dortige kleine Gemeinde mit großem Opfer
erbaute. Ich bemerke mit Vergnügen, dass viele christliche Einwohner durch Geld
und Arbeit ihr Scherflein zu derselben beigetragen. Die Gemeinde besoldet auch
einen sehr guten Religionslehrer sehr reichlich. Die Einweihung ging feierlich
vonstatten. Der Zug von der alten zu neuen Synagoge, bei welchem der Sängerchor
und die Schuljugend Lieder sangen, wurde auch von der protestantischen
Geistlichkeit und Schullehrern begleitet, die letzteren wirkten in der Synagoge
beim Gesange mit. Allerdings war aber der katholische Geistliche und sein
Schullehrer entfernt geblieben. Herr Rabbiner Merz hielt eine sehr erbauliche
Predigt über wahre Gottesverehrung. Der Psalm 150 schloss die Feierlichkeit, an
die sich aber das Minchagebet im Chore auf höchst angemessene Weise reihte.
Christ und Israelit verließen tief bewegt und zum Herrn erhoben das Gotteshaus. |
Ein ausführlicher Artikel erschien zur
Synagogeneinweihung in einer Beilage zur "Neuen Speyerer
Zeitung" |
Artikel
in der "Beilage zur Neuen Speyerer Zeitung" vom 17. Januar 1841:
"Die Synagogeneinweihung zu Böhl..." |
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Die Synagoge wurde gemeinsam von den in Iggelheim und Böhl lebenden
jüdischen Einwohnern besucht. 1906 brannte sie teilweise ab, konnte
jedoch wieder aufgebaut werden. Auf Grund der zurückgegangenen Zahl der
jüdischen Gemeindeglieder an beiden Orten wurden in der Böhler Synagoge in der
Zeit nach dem Ersten Weltkrieg nur noch gelegentlich, insbesondere an den
Festtagen Gottesdienste gefeiert. Nachdem nur noch in Iggelheim Juden lebten,
gingen diese zu den Gottesdiensten meist nach Hassloch. Man investierte jedoch
auch noch in der Böhler Synagoge für deren Erhalt, indem 1920 mit einer
erheblichen Summe bauliche Verbesserungen vorgenommen wurden und 1932 noch
elektrisches Licht gelegt wurde.
Seit 1937 war die in der Synagoge befindliche Wohnung an eine nichtjüdische
Familie mit fünf Kindern vermietet. Beim Novemberpogrom 1938 wurde (am
Morgen des 10. November) die Mieterin vom Bürgermeister und Ortsgruppenleiter
von Böhl (Adolf Konrad) auf das Rathaus zitiert. Es wurde ihr eröffnet, dass
sie mit ihrer Familie innerhalb von dreißig Minuten aus der Wohnung
verschwinden müsse, da die Synagoge angezündet werden solle. Freilich fand
sich in den nächsten Stunden keine Wohnung, weswegen der Bürgermeister um die
Mittagszeit ihr mitteilte, dass "wegen Gefährdung arischen Besitzes"
die Synagoge nicht angezündet, sondern nur systematisch zerstört werden solle.
Gemeindebedienstete, Aktivisten von NSDAP und SA sowie Einwohner des Ortes, auch
Frauen und Jugendliche richteten in den kommenden Stunden das Werk der
Schändung und Verwüstung der Synagoge an. Mit Äxten, Hacken, Knüppeln wurde
die gesamte Inneneinrichtung einschließlich der Torarollen sowie Fenster und
Türen zerstört. Das Gebäude wurde weitgehend zerstört, selbst die
Dachziegel wurden abgedeckt. Auch die Wohnung der Mieterfamilie wurde
verwüstet, die Mieterin tätlich angegriffen, als sie sich dagegen wehren
wollte. Im Juni 1940 ging das Synagogenanwesen kostenlos in den Besitz
der Gemeinde Böhl-Iggelheim, da Kaufpreis gegen Abbruchkosten gegeneinander
aufgerechnet wurden. Das Synagogengebäude wurde noch im selben Jahr
abgebrochen. 1951 zahlte die Gemeinde 4.500 DM als
"Wiedergutmachung" an die Jüdische Kultusgemeinde der
Rheinpfalz.
Am 28. November 1971 wurde am Standort der Synagoge ein Gedenkstein
aufgestellt mit der Inschrift: "Hier stand bis zu ihrer Zerstörung durch
die Nationalsozialisten am 9.11.1938 die Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde
Böhl-Iggelheim".
Bei Bauarbeiten für einen Erweiterungsbau der Johannes-Fink-Grundschule in Böhl
wurde Anfang 2021 ein Teil der Fundamente der ehemaligen Synagoge
entdeckt. Diese Fundamente bleiben als Bodendenkmal erhalten, werden aber nicht
ausgegraben.
In Iggelheim wurde in der Gedenkstätte für die
Gefallenen der beiden Weltkriege eine zusätzliche Platte eingelassen mit den
Namen der Iggelheimer Bürger, die im KZ waren. Drei Namen von jüdischen
Einwohnern sind darunter genannt.
Adresse/Standort der Synagoge: Schulstraße 43
Fotos:
Historische
Ansichtskarte
mit der Synagoge (1898) |
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Die Karte wurde
mit freundlicher Genehmigung von Frantisek Bányai
aus der Website www.judaica.cz
übernommen |
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Historische Aufnahmen
der
Synagoge
(Quelle: O. Weber s. Lit. und
Landesamt s. Lit.) |
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Die Synagoge nach
der
Zerstörung 1938 |
Blick auf die Westfassade mit
dem Hufeisenbogen |
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Der Gedenkstein am
Standort der Synagoge
(Foto: Bernhard Kukatzki) |
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Inschrift:
"Hier stand bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten
am
9.11.1938 die Synagoge der jüdischen Kultusgemeinde Böhl-Iggelheim" |
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(Fotos von Michael
Ohmsen;
vgl. Seite
zu Böhl-Iggelheim in der
Foto-Website von M. Ohmsen) |
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Blick auf den
Gedenkstein |
Die
Inschriftentafel |
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Der für Böhl und
Iggelheim zuständige
jüdische Friedhof war in Haßloch |
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Grabstein für Karoline Mayer
von Iggelheim
im jüdischen Friedhof Haßloch |
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Denkmal für die
Kriegsteilnehmer
1866 und 1870/71
(Fotos von Michael Ohmsen;
vgl. Seite
zu Böhl-Iggelheim in der
Foto-Website von M. Ohmsen) |
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Die Liste der
Kriegsteilnehmer, u.a. mit dem Namen von Nathan Blum |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Juli
2005: Zur 1225-Jahrfeier im Jahre 2005 in Böhl
erstellen Schülerinnen und
Schüler aus Böhl-Iggelheim ein Modell der ehemaligen Synagoge:
Angeregt
durch den Vorschlag von Andreas Scherer, dem Hauptorganisator der Festlichkeiten
zur 1225 Jahr-Feier in Böhl, auch den Bau der Synagoge in der Schulstraße beim
Festumzug mit einen Beitrag zu würdigen, kam Jürgen Schweitzer auf den
Gedanken, die Böhler Synagoge, die in der Reichspogromnacht am 10. November 1938
wie so viele andere auch zerstört wurde, im Modell wiederherzustellen und beim
Festumzug am 28.August mitzuführen. |
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Im Rahmen einer Projektwoche
wurde ein Modell der Böhler Synagoge erbaut |
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Durch die Information von Bernhard Kukatzki bei seinem Vortrag
über das Leben der Juden in unserer Gemeinde auf Einladung des ökumenischen
Arbeitskreises, dass die Böhler Synagoge ein Spiegelbild der Synagoge in
Ingenheim bei Landau war und diese von Hofarchitekt Ludwig I von Bayern
Friedrich Gärtner erbaut wurde, war Schweitzer im Internet auf die Suche nach
weiteren "Duplikaten" gegangen. Im bayrischen Binswangen wurde er fündig.
Die Synagoge in Binswangen hatte die Reichspogromnacht nahezu unversehrt überstanden
und wurde 1996 nach umfassenden Renovierungsarbeiten als Kulturzentrum wieder
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vom dortigen Freundeskreis der Synagoge
bekam er die Baupläne der Synagoge. "Über Herrn Farris, einem Lehrer an
der Peter-Gärtner-Schule der mit seiner Schulklasse den Vortrag über das Leben
der Böhler Juden besucht hatte, bekam ich den Hinweis auf die diesjährige
Projektwoche an der Schule. Bei dem Rektor Herrn Dr. Fries und Herr Hasenöhrl
dem Klassenlehrer der 8b und zugleich Werklehrer an der Peter-Gärtner-Schule
fand ich gleich die notwendige Unterstützung zur Realisierung des Projektes Bau
eines Modells der Böhler Synagoge", sagte Schweitzer.
Nach einigen Treffen mit Herrn Hasenöhrl zur näheren Ausarbeitung der
Konzeption ging es in der Zeit vom 15.07. bis 21.07. frisch ans Werk. Während
Lehrer Hasenöhr mit den Jungs seiner Klasse engagiert ans Werk ging, die Baupläne
im Maßstab 1:15 in ein Holzmodell umzusetzen, war er zusammen mit seiner
Kollegin Anne Kuntz und den Mädchen der Klasse unterwegs, um die jüdische
Geschichte in der Region zu erforschen. So besuchten sie zuerst den jüdischen
Friedhof in Hassloch, wo 1847 als erster der Böhler Jude Joseph Gerson seine
letzte Ruhestätte fand und am darauf folgenden Montag das mittelalterliche
Judenbad in Speyer, eines der ältesten erhaltenen Ritualbäder. Bernhard Bruno
ein in Rom geborener, inzwischen pensionierter ehemaliger Lehrer, der seit über
30 Jahren in Deutschland wohnt, führte die Böhler vom Gedenkstein der neuen
Synagoge hinter dem Kaufhof in Speyer zum Judenbad und brachte ihnen sehr
anschaulich seine Geschichte näher. Mit jedem Projekttag der verging wuchs das
Modell zu einen stattlichen Gebäude heran.
Die während der beiden Exkursionen erhaltenen Kenntnisse wurden zu einer Präsentation
zusammengefasst. Es wurde unter anderem eine Übersicht über die
unterschiedlichen Feiertage von Juden, Christen und Muslime erarbeitet.
Nach der erfolgreichen Präsentation am Ende der Projektwoche am Donnerstag soll
das Modell der Synagoge beim Festzug am Kerwesonntag erstmals einer breiten Öffentlichkeit
gezeigt werden. Am Sonntag, 4. September, dem Europäischen Tag der Jüdischen
Kultur, besteht nochmals in der Zeit von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr die
Möglichkeit, das Modell und die von den Schülern erarbeitete Präsentation im
evangelischen Gemeindehaus, Schulstraße 36, gegenüber dem
ehemaligen Standort der Synagoge, an den ein Gedenkstein erinnert, zu
besichtigen. Neben Tee und Kaffee wollen die Organisatoren das jüdisches
Festtagsgebäck "Hamantaschen" reichen. Obwohl beide Termine in den
Sommerferien liegen, werden Schüler und Schülerinnen die Veranstaltungen
begleiten. (spa)
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Oktober
2013: Gedenkstein für die in der
NS-Zeit deportierten Böhl-Iggelheimer wird eingeweiht |
Artikel: "Acht Namen
erinnern an alle Opfer" in der "Rheinpfalz" vom 22. Oktober
2013: Artikel
eingestellt als pdf-Datei |
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Januar 2021:
Die Fundamente der Synagoge wurden
gefunden |
Artikel von Annegret Ries in der
"Rheinpfalz" vom 19. Januar 2021: "Synagogen-Fundament bleibt erhalten:
Geschützt im Verborgenen
Bevor es an die Erweiterung der Fink-Grundschule gehen konnte, musste der
Boden ausgiebig erkundet werden.
Die Johannes-Fink-Grundschule in Böhl muss erweitert werden. Bei Bauarbeiten
ist das Fundament der Synagoge gefunden worden, die bis 1938 in der heutigen
Schulstraße stand. Was tun? Das Fundament ist ein Bodendenkmal, das erhalten
wird, aber nicht zu sehen ist..."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 95-96.103-104. (mit weiteren Literaturangaben). |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 122 (mit weiteren Literaturangaben). |
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|