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Diemerode (Stadt
Sontra, Werra-Meissner-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Diemerode bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts
zurück. 1664 gab es zwei jüdische Familien am Ort, 1744 waren es fünf, 1776 6
Familien.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1835 69 jüdische Einwohner, 1861 101 (24,4 % von insgesamt 414
Einwohnern), 1871 64 jüdische Einwohner (7,0 % von 377), 1885 37 (11,6 % von
320), 1895 52 (15,4 % von 337), 1905 43 (13,2 % von 325), 1910 27 (8,7 % von
312). Die jüdischen Familienvorsteher verdienten den Lebensunterhalt als
Händler, Hausierer, Manufakturwaren- und Lebensmittelhändler. Dazu gab es einen
jüdischen Schreiner am Ort.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad und ein Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den
Lehrern ist bekannt: um 1866 B. Jaffa (Quelle),
seit 1869 Jakob Emmerich (zuvor in Zimmersrode).
Die Gemeinde gehörte innerhalb des Kreises Rotenburg an der Fulda zum
Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz in Kassel.
Anfang des 20. Jahrhunderts gab es noch acht jüdische Familien am Ort. In den
folgenden Jahren verzogen mehrere von ihnen in andere Orte (Heinebach, Sontra,
Bebra).
Um 1924, als zur Gemeinde noch 19 Personen gehörten (6,3 % von insgesamt
302 Einwohnern), war Vorsteher der Gemeinde Isak Löwenstein. Den
Religionsunterricht der drei schulpflichtigen jüdischen Kinder am Ort erteilte
Lehrer Herz Bachrach aus Reichensachsen. 1932 war Gemeindevorsteher M.
Falkenstein.
1933 lebten noch 18 Personen in vier Familien am Ort. In
den folgenden Jahren ist ein Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938
wurde die Synagoge demoliert; die Wohn- und Geschäftshäuser von Selma und
Gustav Löwenstein, Moses Falkenstein und Joseph Sobernheim wurden gleichfalls
demoliert, teilweise geplündert. Die letzten fünf Diemeröder Juden wurden am
1. Juni 1942 deportiert: Joseph Sobernheim, Rosa Sobernheim geb. Falkenstein,
Richard Falkenstein, Selma und Gustav Löwenstein.
Von den in Diemerode geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Frieda Amram
(1899), Friedericke (Rickchen) Bloch geb. Wertheim (1868), Rosa Buchheim geb.
Katz (1886), Moritz Emmerich (1874), Julia Frankenberg (1882), Rosa Glauberg
geb. Wertheim (1870), Lina Kanthal geb. Wertheim (1871), Isidor Katz (1878),
Jakob Katz (1889), Michael Max Katz (1877), Moritz Katz (1894), Sally Katz
(1890), Settchen Katz geb. Spiegel (1863), Meta Lorch geb. Amram (1902, vgl.
Kennkarte unten), Gustav
Löwenstein (1890), Selma Löwenstein (1895), Willy Löwenstein (1892), Karoline
Meyersohn geb. Wertheim (1883), Isaak Rothschild (1884), Pauline (Lina)
Rothschild geb. Spiegel (1861), Richard Rothschild (1894), Josef Sobernheim
(1899), Rosa Sobernheim geb. Rothschild (1892), Bertha Veit geb. Amram
(1894).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zur Geschichte der jüdischen
Gemeinde wurden in jüdischen Periodika des 19./20. Jahrhunderts noch
nicht gefunden. |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Hinweis auf den aus Diemerode stammenden Lehrer Wolf
Amram (gest. 1909 in Borken)
Wolf Amram ist um 1850 (?) in
Diemerode geboren. Er ließ sich zum Lehrer ausbilden und unterrichtete
nach 1872 an der Israelitischen Elementarschule in Zwesten,
seit 1888 in Borken, wo er 1909 gestorben ist. Er war verheiratet mit
Julie geb. Lomnitz (geb. 1857 in Bischhausen).
Seine Tochter Frieda (geb. 6. Oktober 1885 in Zwesten) wurde später
Oberin des Kinderhauses der Weiblichen Fürsorge in Frankfurt am Main.
Zeitweise wurde sie in dieser Aufgabe unterstützt von ihrer jüngeren
Schwester Goldine (Dina) Hirschberg geb. Amram, die mit dem 1894 in
Zwesten geborenen Lehrer Seligmann Hirschberg verheiratet war. Die Mutter
Julie Amram ist 1942 im Ghetto Theresienstadt umgekommen. Ihre Tochter
Frieda wurde 1942 in Auschwitz ermordet.
vgl. zu Frieda Amram die biographischen Anmerkungen zu ihr in www.juedische-pflegegeschichte.de. |
Kennkarten
aus der NS-Zeit |
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Am 23. Juli 1938 wurde
durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt.
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de |
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Kennkarten
zu Personen,
die in Diemerode geboren sind |
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Meta Lorch geb. Amram
(geb. 4. Mai 1902 in Diemerode)
wohnte später in Dieburg und Frankfurt
am Main. Sie
wurde im September ab Frankfurt am Main über Berlin in die
Tötungsstätte Raasiku bei Reval deportiert und
ermordet. |
Rosa Siegel geb. Falkenstein
(geb. 21. Mai 1899 in
Diemerode), lebte später vermutlich in Dieburg,
wo die
obige Kennkarte im Januar 1939 ausgestellt wurde.
Weitere Informationen liegen nicht vor. |
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Zur Geschichte der Synagoge
Bereits aus dem Jahr 1725
liegt ein Dokument vor, in dem von einer "Israelitischen Synagoge" am
Ort die Rede ist. Es handelte sich um eine Privatsynagoge im Haus des Moses Wolf
(Dorfstraße 10). In einem Anbau soll sich das jüdische Badehaus befunden
haben.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Zahl der jüdischen Einwohner zunahm, plante
die jüdische Gemeinde den Bau einer neuen Synagoge und eines
Schulhauses. 1859 wurden erste Pläne eingereicht, die vom damaligen
Landbaumeister Caesar technisch geprüft und für gut geheißen wurden. Damals
wurde jedoch noch nicht gebaut.
1868 konnte der Gemeindeälteste Katzenstein das Haus in der Dorfstraße
55 vom Eigentümer Johannes Kayser zur Herrichtung einer Synagoge kaufen. Dieses
Haus war bislang schon von der jüdischen Gemeinde gemietet gewesen. In ihm
befanden sich die jüdische Schule und die Lehrerwohnung. Nun wurde in diesem
Gebäude ein Betsaal mit einer dreiseitigen Empore sowie der Schulraum und die
Lehrerwohnung eingebaut. Beim Synagogengebäude handelte es sich um ein
zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem Satteldach im Straußenstock. Die
Fenster des Obergeschosses hatten Trapezbögen mit radialer Sprossenteilung
(siehe Rekonstruktionszeichnung unten).
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Einrichtung der Synagoge durch
SA-Leute vollständig zerstört. Kultgegenstände hatte man zwar vor 1938 nach
Rotenburg an der Fulda verbringen können, durch wurden sie dort im November
1938 zerstört.
Während der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde die ehemalige Synagoge als
Unterkunft für polnische Zwangsarbeiter und kriegsgefangene Franzosen
zweckentfremdet. 1951 wurde das Gebäude von der Gemeinde Diemerode gekauft und
vermietet. 1958 wurde das Erdgeschoss zu einem Feuerwehr-Geräteraum umgebaut.
Dabei wurde das schadhafte Fachwerk durch ein massives Mauerwerk im Erdgeschoss
ersetzt. Nach einigen Jahren (um 1970?) wurde das Gebäude an eine Privatfamilie
verkauft, von der die ehemalige Synagoge abgerissen wurde, Nur ein kleiner Rest
blieb stehen, in dem im Vorderteil eine Garage, dahinter Stallungen eingerichtet
wurden. Inzwischen ist das Synagogengrundstück mit einem neuen
Garagengebaut überbaut (vgl. unten Foto von 2019). Eine Gedenk- oder
Hinweistafel ist nicht vorhanden.
Adresse/Standort der Synagoge: Stölzingerstraße
45 (ehemals Dorfstraße, Haus Nr. 55)
Fotos /Darstellungen
(Quelle: wie angegeben)
Plan von 1859 - nicht
ausgeführt
(Kollmann/Wiegand s.Lit. S. 66) |
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Entwurf für einen
Synagogenneubau in Diemerode mit den
Wohnräumen des Lehrers und der
Synagoge (Erdgeschoss) |
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Rekonstruktion der Synagoge
(Quelle: Altaras s. Lit. 1988 S. 72;
2007 S. 190) |
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Südliche Stirnseite |
Straßenansicht |
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Das ehemalige
Synagogengebäude
um 1958
(Quelle: Altaras wie oben) |
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Um 1958 wurde im Erdgeschoss
ein Feuerwehrgeräteraum
eingerichtet; dabei wurde das schadhafte Fachwerk
im
Erdgeschoss durch ein massives Mauerwerk ersetzt. |
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Rest des Synagogengebäudes |
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Der Rest des
Synagogengebäudes - die Ecke links
entspricht der Ecke links des
Gebäudes oben. |
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Das Grundstück ist
neu bebaut
(Foto: Hahn, Aufnahme vom 23.10.2019) |
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Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 137-138. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 72-73. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 68 (keine weiteren
Informationen) |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bücher. 2007. S. 190-191. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 235. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 420-421. |
| Karl Kollmann / Thomas Wiegand: Spuren einer
Minderheit. Jüdische Friedhöfe und Synagogen im Werra-Meissner-Kreis.
Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des Werralandes. Kassel 1996. S.
78-79 u.ö. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Diemerode
Hesse-Nassau. Established in 1725, the Jewish community numbered 101 (25 % of
the total) in 1861 and opened a new synagogue in 1868, but dwindled to 19 in
1925. The synagogue was vandalized on Kristallnacht (9-10 November 1938),
and most Jews left by 1939; five were deported in 1942.
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