Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Unterfranken"
Dittlofsroda (Gemeinde
Wartmannsroth, Kreis Bad Kissingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(die Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth
Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Dittlofsroda bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Dittlofsroda auf
insgesamt 17 Matrikelstellen die folgenden Familienvorstände genannt
(mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Hayum Nussbaum (Krämer und Händler
mit rauen Häuten, Vorgänger; mit Frau und vier Kindern), Wolf Schloss (Krämer
und Händler mit rauen Häuten; mit Frau); Moses Mannes (Metzler, mit Frau und
einem Kind), Mannes Rosenburger (Kurzwarenhändler, mit Frau und fünf Kindern),
Abraham Mannheimer (Schnittwarenhändler; mit Frau), Josef Hofmann (Viehhändler;
verwitwet, zwei Kinder), Götz Adler (Viehhändler; mit Frau und zwei Söhnen),
Eisig Adler (Schnittwarenhandel; verwitwet mit vier Kinder), Löb Ascher
(Viehhandel; mit Frau und einem Sohn), Kaufmann Grünlaub (Viehhandel; mit Frau
und einem Kind), Kaufmann Hofmann (Schnittwarenhandel; mit Frau und zwei
Kindern); Moses Hofmann (Viehhandel; mit Frau und zwei Kindern); Nathan Straus
(Spezerei- und Kurzwarenhandel; mit Frau und drei Kindern), Feist Baumann (Krämer;
mit Frau), Löb Rosenstock (Kleinhandel; mit Frau und drei Kindern), Rifka
Wunder (Witwe, drei Kinder), Isack Stern (Handel mit rauen Häuten; mit Frau und
vier Kindern).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1816 68 jüdische Einwohner (17,8 % von insgesamt 383), 1833 80
jüdische Einwohner, 1867 45 (10,9 % von 413), 1890 19 (4,6 % von 414), 1900 23
(5,9 % von 389), 1910 25 (6,3 % von 394).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule und ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden
auf dem Friedhof
in Pfaffenhausen, teilweise auch auf dem Friedhof
in Altengronau beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war zeitweise ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter
tätig war. 1817 wird im Zusammenhang der Erstellung der Matrikelliste Hirsch
Koburger als jüdischer Lehrer in Dittlofsroda (mit Frau und vier Kindern)
genannt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde Dittlofsroda
jedoch der Gemeinde in Völkersleier
als Filiale angeschlossen; die dortige Lehrer unterrichtete auch die jüdischen
Kinder in Dittlofsroda. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat in Bad
Kissingen.
Im Ersten Weltkrieg kämpften sechs jüdische Männer aus Dittlofsroda an
den Fronten. Gefallen sind Gefreiter Ludwig Joseph Adler (geb. 27.5.1897 in
Dittlofsroda, gef. 20.4.1918) und Max Adler (geb. 22.4.1895 in Dittlofsroda,
gef. 8.8.1916), die beiden ältesten Söhne des Gemeindevorstehers Leon Adler
(Inhaber einer Viehhandlung und einer Metzgerei, gest. 1927) und seiner Frau
Pauline geb. Schuster.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde noch 22 Personen gehörten (5,5 %
von insgesamt etwa 400 Einwohnern), war Vorsteher der Gemeinde Sigmund
Stern (vgl. Bericht unten). Dieser war mit seiner Frau Karolina Stern Eigentümer
des Geschäftes "Kaufhaus Stern (Sigmund Stern starb noch am 30. Oktober
1941 in Dittlofsroda, seine Frau im April 1942 in Würzburg).
1933 lebten noch 14 jüdische Personen in Dittlofsroda. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen der wirtschaftlichen Boykotts verließen
bis 1939 10 von ihnen den Ort. Bereits 1937 waren auf Grund der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts alle jüdischen Einwohner unterstützungsbedürftig
geworden. Im Dezember 1940 wurden auf Anordnung des Landrats von Hammelburg bei
den letzten jüdischen Einwohnern Hausdurchsuchungen vorgenommen, da sie verdächtigt
wurden, Lebensmittel gehamstert zu haben. Im Mai und Juni zogen zwei jüdische
Einwohner nach Frankfurt am Main. In der ersten Hälfte des Jahres 1942 wurden
die beiden letzten jüdischen Einwohner von Dittlofsroda nach Würzburg gebracht
und von dort am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt verschleppt.
Von den in Dittlofsroda geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Else Adler (1903),
Isaak Josef Adler (1875), Ludwig Adler (1928), Moritz Adler (1908), Pauline
Adler geb. Schuster Erna Aron geb. Goldner (1905), Margarete Feingold geb.
Goldner (1910), Malchen (Mali) Frank geb. Strauss (1871), Irma Gayer geb.
Goldner (1906), Moses Goldner (1873), Johanna Goldschmidt (1933), Klara
Goldschmidt (1930), Lina Goldschmidt geb. Grünlaub (1898), Sally Goldschmidt
(1893).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers,
Vorsängers und Schochet (1892)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1892:
"Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in hiesiger Gemeinde ist bis 1. März neu zu besetzen und
wollen Bewerber sofort ihre Zeugnisse an die unterfertigte
Kultusverwaltung gelangen lassen.
Der dahier angestellte Lehrer hat auch
in dem Filialorte Dittlofsroda die Lehrer- und Schächterfunktion
zu übernehmen, wofür jedoch besonders honoriert wird.
Völkersleier
(Unterfranken), 18. Januar 1892. Die Kultusverwaltung: Löb Bergmann." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1892:
"Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle zu Völkersleier mit Filiale Dittlofsroda ist
sofort neu zu besetzen. Das Einkommen inklusive Nebenverdienste beträgt
900-1000 Mark.
Nur inländische, streng orthodoxe Bewerber wollen sich
unter Beifügung ihrer Zeugnisse an den unterfertigten Kultusvorstand
wenden.
Völkersleier (Unterfranken).
Löb Bergmann, Vorstand." |
Der Schuldienst-Exspektant Abraham Adler aus
Dittlofsroda wird Religionslehrer und Vorsänger in Tauberrettersheim (1867)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von
Unterfranken und Aschaffenburg" vom 26. November 1867:
"Durch Regierungs-Entschließung vom 20. November laufenden Jahres ad
Nr. 42955 ist die von der israelitischen Kultusgemeinde Tauberrettersheim,
königlichen Bezirksamts Ochsenfurt, beschlossene Übertragung ihrer
Religionslehrers- und Vorsängerstelle an den israelitischen Schuldienst-Exspektanten
Abraham Adler aus Dittlofsroda, königlichen Bezirksamtes Hammelburg,
genehmigt worden." |
Berichte aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Dokument der Auflösung der jüdischen Gemeinde (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. November 1936:
"München. Die alte Gemeinde Dittlofsroda übergab vor einiger Zeit
dem Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden in München einen alten
Kultgegenstand und zwar ein zinnernes Waschgerät für Kohanim." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Josef Hofmann (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni 1907:
"Ermetzhofen (Bayern), 4. Juni. Am 27. Mai starb in Dittlofsroda
Herr Josef Hofmann im Alter von nahezu 90 Jahren. Von tiefer Frömmigkeit
beseelt, hat der Verblichene noch bis in seine letzten Tage die
religiösen Pflichten mit jugendlicher Rüstigkeit erfüllt. Auf seinen Stock
gestützt, erschien er regelmäßig trotz seiner großen Schwäche, im
Sommer wie im Winter, zum gemeinsamen Gebet. Bis vor 6 Jahren hat er als Baal
tokea (Schofarbläser an den Hohen Feiertagen) fungiert. Seine
Wohltätigkeit war von seltener Art. So wird er als ein echter Zadik
(Gerechter) im Andenken seiner Mitmenschen geehrt werden. Seine Seele
sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Über Michael Nußbaum (geb. 1842 in Dittlofsroda) -
Ehrenmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde München (Bericht von
1921)
Artikel aus der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Mai
1921: "Michael Nußbaum - Ehrenmitglied der Israelitischen
Kultusgemeinde München.
Gleichzeitig mit den Wahlen zu dem neu gegründeten Verbande bayerischer
israelitischer Gemeinden fanden in München auf Grund einer freiheitlichen
neuzeitlichen Verfassung die Gemeindewahlen statt, weiche nach
vorhergegangenem leidenschaftlichen Wahlkampfe unter Zugrundlegung der
Verhältniswahl annähernd die gleiche Verhältniswahl zeitigten wie das
bisherige Wahlrecht. Die Liberalen erhielten zwei Drittel, die vereinigten
Orthodoxen und Zionisten ein Drittel der abgegebenen Stimmen. Nach der
neuen Verfassung besteht die Gemeindeverwaltung nunmehr aus einem
zehngliedrigen Vorstande und der aus 24 Mitgliedern zusammengesetzten
Gemeindevertretung, sohin aus einem Oberhause und einem Unterhause, zwei
Gemeindevertretungskörpern, die man in Bayern bisher nicht kannte.
In der ersten Sitzung dieser beiden Vertretungskörper wurde einstimmig
beschlossen, dem bisherigen 1. Vorstand, Herrn Michael Nußbaum, der im
Hinblick auf seine vorgerückten Jahre gebeten hatte, ihn von seiner
Stelle zu entheben, die Ehrenmitgliedschaft der Gemeinde zu
verleihen.
Der erste so ausgezeichnete Mann ist Michael Nußbaum. Die Verleihung ehrt
die Gemeinde in gleicher Weise wie den Geehrten. Nußbaum hat diese
Auszeichnung verdient. Er ist kein Gelehrter, die man aus
wissenschaftlichen Werken kennt. Er ist ein einfacher und schlichter Mann
aus dem Volke, dessen Werke in der Kultusgemeinde weiterleben, in der er
sich durch deine Tätigkeit ein Denkmal gesetzt für alle
Zeiten.
Er ist geboren in Dittlofsroda bei Würzburg am 5. November 1842,
wohnt seit 1857 in München, wurde am 1. Mai 1887 in die
Gemeindeverwaltung gewählt, der er nunmehr seit 34 Jahren angehört und
seine ganze Kraft widmet. 1897 wurde ihm das Amt des 2. Vorstandes und
1917 das des 1. Vorstandes übertragen.
Wie in der Gemeinde, so treffen wir im gesellschaftlichen Leben auf die
Spuren seiner Tätigkeit.
In der Gesellschaft Concordia, der ersten und ältesten jüdischen Gesellschaft,
wirkte er über ein Menschenalter in der Vorstandschaft, seit Jahrzehnten
als erster vorstand und seit nahezu 20 Jahren als deren
Ehrenpräsident.
Die München-Loge Bne Brith wäre im Jahre 1897 nicht gegründet worden,
wenn er, der Gründungsmentor, nciht seine ganze Person hierfür
eingesetzt hätte, und es war damals nicht leicht, dem Orden U.O.B.B. in
Süddeutschland die erste Heimstätte zu schaffen.
Es wird wenig Vereine geben, in welchen er nicht an leitender Stelle
tätig ist. Ich nenne nur auszugsweise das Israelitische Pensionat, nenne
den ältesten Verein, den die Stadt München besitzt, den israelitischen
Aussteuerverein, und den von ihm gegründeten Kindersparverein, der
Kindersparkörbchen in die Familien entsendet, die Kinder sparen und
wohltun lehrt und bedürftige Kinder mit Milch versieht, ein Verein, der
in keiner Gemeinde fehlen sollte. Wohin wir blicken, auf dem Felde
der sozialen und karitativen Tätigkeit, überall sind die starke Hand und
der starke Wille Nußbaums festzustellen. |
Der
neue Friedhof an der Ungererstraße ist sein Werk. Für seine Verdienste
um die Allgemeinheit wurde er mit Orden ausgezeichnet und lange Jahre
verwaltete er das Amt eines Landrats im Kreise Oberbayern.
Er ist kein Mann vieler Worte, sondern ein Mann der Tat. Wenn er spricht,
dann sind es kernige, markige Worte. Als er in der letzten Sitzung des
alten Verwaltungstauschusses von seiner Stelle zurücktrat, sprach er zum
Abschied kurze Worte, die es wert wären, in goldenen Buchstaben im
Gemeindehaus festgehalten zu werden. Er führte aus: 'Mit der neuen
Gemeindevertretung zieht ein neuer Geist in dieses Haus. Mögen die neuen
zur Leitung der Gemeinde berufenen Männer nie den Geist vergessen, der in
diesem Hause geherrscht hat, den Geist des Friedens und der
Versöhnlichkeit.'
In diesen Worten spiegelt sich der Kern seines Wesens. Wenn beim
Widerstreit der Meinungen die Geister aufeinander stießen, und wenn es
denn doch immer wieder zu einer friedlichen Einigung kam, so gebührt ihm
hieran mit das Hauptverdienst.
Er steht an der Schwelle des 80. Lebensjahres. Im 90. Psalm heißt es:
'Des Menschen Leben währet 70 und, wenn es hoch kommt, 80 Jahre, und,
wenn es köstlich gewesen, dann ist es Mühe und arbeit
gewesen.'
Sein Leben war und ist köstlich im Dienste der Allgemeinheit, im Dienste
der Gemeinde, im Dienste der gemeindlichen Stiftungen, Anstalten und
Vereine.
Eine solche Arbeitskraft lässt man nicht ungenützt, solange man sie noch
nutzen kann. Von diesen Gedanken getragen, hat ihn denn auch trotz seiner
Jahre, trotz seines Widerstrebens die Gemeinde wiederum in den
Gemeindevorstand berufen. Möge er noch lange hier zum Wohle der Gemeinde
wirken!" |
Zum Tod des aus Dittlofsroda stammenden langjährigen Lehrers in Rothenburg ob
der Tauber Moses Hofmann (1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
September 1929: "Moses Hofmann.
Es herbstlt! Auch in unserem
Verein. Beklagten wir schon im vergangenen Berichtsjahre den Tod von acht
lieben Kollegen, hatten wir kaum das frische Grab des ehemaligen Vereins-
und Ehrenvorsitzenden Goldstein verlassen, da trifft uns wieder ein
schwerer Verlust im Heimgang eines unserer Besten, des Lehrerveteranen
Moses Hofmann (Rothenburg). Stand er auch bereits im gesegneten Alter von
fast 78 Jahren, so schienen körperliche und geistige Frische, Rosenwangen
im schneeigen Silberbart noch viele Lebensjahre zu verbürgen. Da
überfiel ihn unversehens vor mehreren Wochen ein Leberleiden, das
überraschend schnell zum leichten Tode führte.
Hofmanns Wiege stand in Dittlofsroda bei Hammelburg. Zum Lehrerberuf
bestimmt, besuchte er die Präparandenschule Höchberg und von 1868-71 das
Israelitische Lehrerseminar Würzburg. Die erste Anstellung fand er in Zeckendorf
bei Bamberg. 1875 berief ihn die nach 350jähriger Unterbrechung
neugegründete Kultusgemeinde Rothenburg o.d.T. zum Religionslehrer. Hier
in der Stadt des 'Maharam'* sollte seine Haupt- und Lebensaufgabe in
51-jähriger Amtstätigkeit erfüllen. Er warf nicht nur Lehrer, sondern
auch geistiger Führer und Berater, ja sogar finanzieller Sorger seiner
Gemeinde, soweit es sich um Kultusangelegenheiten handelte. Er genoss das
Vertrauen seiner Gemeinde in seltenem Maße. Nie erfuhr das schöne
harmonische Verhältnis zwischen Gemeinde und Beamten eine Störung. Und
auch außerhalb seiner Glaubensgemeinde, in allen Schichten der Bevölkerung
erfreute er sich großen Ansehens. Anlässlich seines 70. Geburtstages und
goldenen Ortsjubiläums wurden ihm außergewöhnliche Ehrungen zuteil.
Infolge zunehmenden Alters, nach 55jähriger Lehrertätigkeit, ließ er
sich in den Ruhestand versetzen, den er bei seinen Kindern in Würzburg**
verbrachte.
Hofmann war Mitbegründer des Israelitischen Lehrervereins für Bayern und
23 Jahre Verwaltungsmitglied. Er förderte ruhig die Interessen unseres
Berufes und Standes. In der stürmischen Revisionskampfzeit stellte er
mutig seinen Mann, wenn es Not tat, auch gegen oben. Wie denn
überhaupt Charakterstärke und Wahrhaftigkeit Wesenszüge seines Lebens
bildeten.
Freitag, 23. August, bewegte sich ein großer Trauerzug, in dem viele
Lehrer, von Würzburg nach der altehrwürdigen Begräbnisstätte
Höchberg, wo die sterblichen Reste Hofmanns an der Seite seines Freundes,
unseres unvergesslichen Hirsch Goldstein zu letzten Ruhe gebettet wurden.
In Respektierung eines Wunsches, dass an seinem Grabe nur wenig gesprochen
werden solle, beschränkte sich der stellvertretende Geistliche, Herr
Seminarlehrer Gr. Neubauer, darauf, den Lebensgang des Heimgegangenen als
Lehrer und Mensch kurz zu würdigen. Herr Theodor Mann, Vorstand der
Kultusgemeinde Rothenburg, dankte bewegten Gemüts nochmals für treue,
hingebende Pflichterfüllung, während Herr Lehrer Liffgens (Rothenburg)
seinem treuen Vorgänger die letzten Abschiedsgrüße unseres Vereins,
sowie die des großen bayerischen Bruderbundes und des Bezirkslehrervereins
Rothenburg überbrachte. Moses Hofmann hat sich durch seine mustergültige
Lebensführung ein ehrendes Andenken gesichert.
'Sie haben einen braven Mann begraben, mir aber war er mehr'. A. St. in
U."
*Anmerkung: Der Maharam, Rabbi Meir ben Baruch (1220-1293), einer der
bedeutendsten Talmudisten aller Zeiten, lebte in Rothenburg ob der Tauber
zur Zeit Rudolphs von Habsburg.
**Anmerkung: Moses Hofmann war verheiratet mit Karoline geb. Ansbacher; in
Würzburg (Neubaustr. 32) lebte die Tochter Gretchen verh.
Ansbacher (geb. 1883 in Rothenburg, gest. 1954 in New York, verh. mit
Josef Ansbacher) sowie die Tochter Emma Hofmann (geb. 1878 in
Rothenburg, nach der Deportation 1942 in den Raum Lublin in einem
Todeslager ermordet). Informationen nach R. Strätz: Biographsiches
Handbuch Würzburger Juden Bd. I S. 59-60.271-272).
|
Grabstein für Moses Hofmann
in Höchberg
(Quelle: Naftali Bar Giora Bamberger: Der jüdische Friedhof in Höchberg.
1991 S. 262) |
Hebräische Inschrift |
|
Grabinschrift für
Moses Hofmann:
"Hier ruht
der fromme Mann, R' R' Mosche Sohn von Joseph,
genannt Hofmann, Lehrer der Kinder
in der Stadt des Mahara"m, Rothenburg,
Rabbinatsrichter, Hirte seiner Herde,
Vorbeter in seiner Gemeinde,
in Redlichkeit führte er die Mitglieder seines Hauses,
abberufen zu dem Sitz in der Höhe
am 15. Menachem 689 nach der kleinen Zählung.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens". |
81. Geburtstag von Kaufmann Grünlaub (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
22. Oktober 1936: "Dittlofsroda, 19. Oktober (1936). Herr
Kaufmann Grünlaub dahier, begeht am Samstag, den 24. Oktober, in
seltener geistiger und körperlicher Frische seinen 81. Geburtstag.
Trotz seines hohen Alters besucht er noch regelmäßig den Gottesdienst
und ist es ihm - Gott sei Dank - vergönnt, ohne Brille zu beten. Auch an
den hohen Feiertagen war Herr Grünlaub ständig in der Synagoge und
fastete sehr gut. Wir wünschen dem Jubilar weiter einen schönen
Lebensabend. (Alles Gute) bis 120 Jahre."
|
Sigmund Stern ist 26 Jahre Vorsteher der Gemeinde und
35 Jahre ihr Vorbeter (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22.
Oktober 1936: "Dittlofsroda, 19. Oktober (1936). Am 12.
November werden es 26 Jahre, dass Herr Sigmund Stern Vorsteher der
hiesigen Kultusgemeinde ist. Seit 35 Jahren hat derselbe den
Vorbeterposten inne. Auch an den hohen Festtagen, sowie am Versöhnungstag
betet Herr Stern allein und ohne Ablösung vor. Möge es ihm noch lange
vergönnt sein, diese Ämter in bester Gesundheit auszuüben." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Verlobungs- und Hochzeitsanzeige von Meta Rothschild und Josef Ludwig
Stern (1937)
Anmerkung: Josef Ludwig Stern war ein am 18.1.1908 in Dittlofsroda
geborener Sohn des langjährigen Gemeindevorstehers Siegmund Stern und seiner
Frau Karoline Stern. Er besuchte von 1918 bis 1922 die Oberrealschule in
Würzburg, heiratete 1937 Meta geb. Rothschild aus Frankfurt. Beide sind 1941
noch von Frankfurt in die USA emigriert.
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. März 1937:
"Statt Karten.
Meta Rothschild - Josef Ludwig Stern.
Verlobte.
Frankfurt am Main, Elkenbachstraße 14 -
Dittlofsroda/Bayern / Frankfurt am Main. März
1937." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1937:
"Statt Karten Josef-Ludwig Stern - Meta Stern geb.
Rothschild. Vermählte.
Dittlofsroda/Bayern - Frankfurt am Main
- Frankfurt am Main, Elkenbachstraße 14
Trauung: Sonntag, 22. August 1937 1 3/4 Uhr Synagoge Hermesweg
Frankfurt am Main." |
Sonstiges
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Postkarte
von L. Adler (Dittlofsroda) an
die Fa. Eisenheimer (Schweinfurt, 1895) |
|
|
|
Absender der am 9.
Juni 1895 geschriebenen Karte war (wie unten) Liebmann Adler
aus Dittlofsroda. Er
bestellte mit der Karte bei der Fa. Eisenheimer in Schweinfurt 15 Stück
Stahlhaken (?) im Gewicht von 9-12 Pfd. |
|
|
|
Postkarte
von Liebmann Adler (ebd.) an
die Fa. Eisenheimer (Schweinfurt, 1896) |
|
|
|
Die Postkarte
wurde in Gräfendorf am 16.8.1896 abgestempelt und trägt den
Ankunftsstempel von Schweinfurt seligen Datums. |
|
|
|
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge in Dittlofsroda wird 1795 erstmals
genannt. Nach dem nachstehenden Bericht von 1936 soll sie noch im 17.
Jahrhundert erbaut worden sein.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1936: "Eine
Kleingemeinde. Dittlofsroda, ein kleines Dorf in Unterfranken, am Fuße
der Vorderrhön gelegen, gehört zu dem Rabbinatsbezirk Bad Kissingen und
wird den meisten Lesern fremd erscheinen. Die Gemeinde zählte heute noch
vier jüdische Familien mit insgesamt 11 Seelen und ist durch Ab- und
Auswanderung im Abnehmen begriffen und wird wohl letzten Endes einmal
verwaisen. Eine Synagoge, welche ungefähr im 17. Jahrhundert erbaut
wurde, gleicht von außen her durch Bretterverschlag einer Halle, im
Innenraum verborgt dieselbe jedoch mancherlei Gegenstände im alten
Barockstil. Von besonderem Symbol erscheinen hoch oben vom Oren Hakodausch
herab, die zwei Löwen, das Wahrzeichen Israels. Gottesdienst findet
regelmäßig statt, jedoch ohne Minjan, nur an den höheren Festtagen
erhält die Gemeinde von auswärts die fehlenden Männer. Auch bestehen
bei der Synagoge sogenannte Rechte. Eine Nebenhalle, welche zur
Aufbewahrung von Holz und dergleichen dient, wird auch von
Andersgläubigen in Anspruch genommen und kommt dies daher, dass früher
jüdischer Anwesen in andere Hände gelangten und dies sich somit
forterbte. Es wurde immer gesagt: 'Altes Recht bleibt.' Wollen wir das
euch für uns immer hoffen. J.St." |
Die Synagoge wurde mehrfach renoviert, nach der Kollekte von 1858
vermutlich noch in diesem Jahr (einschließlich dem Bau eines jüdischen
Schulhauses), letztmals 1929.
Anzeige
im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt der Pfalz" Nr. 26 vom
31. März 1858 S. 455:
"(Bitte der israelitischen Kultusgemeinde zu Dittlofsroda um die
Bewilligung einer Kollekte betreffend)
Im Namen Seiner Majestät des Königs.
An die sämtlichen Königlichen Landkommissariate.
Seine Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen
geruht, dass zum Zwecke der Erbauung eines Schulhauses und der Reparatur
der Synagoge für die israelitische Kultusgemeinde zu Dittlofsroda,
Königlichen Landgerichts Hammelburg, eine Kollekte bei ihren
Glaubensgenossen in allen Synagogen des Reiches vorgenommen werde.
In Folge höchster Entschließung des Königlichen
Staatsministeriums des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten vom
8. laufenden Monats erhalten die Königlichen Landkommissariate den
Auftrag, diese Kollekte in ihren Amtsbezirken vollziehen zu lassen und die
Kollektengelder binnen 6 Wochen einzusenden.
Speyer, den 23. März 1858.
Königlich Bayerische Regierung der Pfalz,
Kammer des Innern. Hohe
Schwenk." |
1938 vereinbarten die in Dittlofsroda noch lebenden jüdischen Personen mit
denen im benachbarten Völkersleier,
einmal monatlich, an einem Schabbat, einen gemeinsamen Gottesdienst abzuhalten,
und zwar abwechselnd in der Synagoge von Dittlofsroda und in der Synagoge von
Völkersleier.
Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Inneneinrichtung
und die Ritualien der Synagogen zerstört. Das Gebäude blieb erhalten, wurde
jedoch 1977 abgebrochen. An seiner Stelle befindet sich ein Gemüsegarten.
Erhalten blieben einige 20 cm hohe Grundmauern und die Stufen, die zur Synagoge
führten.
Eine Gedenktafel am Gemeindehaus (neben dem "Schützenhaus") erinnert
an die jüdische Gemeinde mit dem Text: "In Dittlofsroda bestand eine
jüdische Kultusgemeinde, deren Synagoge sich im Straßenzug 'Zum Schondratal'
zwischen Nr. 2 und 8 befand. Die Gemeinde gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen
Mitbürger. Zur Erinnerung und Mahnung".
Adresse/Standort der Synagoge: Gartengrundstück hinter den heutigen Garagen zwischen den Häusern 2 und 10 der Straße
"Zum Schondratal".
Fotos /Abbildungen
Plan von
Dittlofsroda von 1846
(Plan erhalten von der
Gemeindeverwaltung Wartmannsroth) |
|
|
|
Die Synagoge ist
mit einem
roten Pfeil markiert |
|
|
|
|
Jüdische
Häuser in Dittlofsroda
(Fotos erhalten von der
Gemeindeverwaltung Wartmannsroth) |
|
|
|
Das Kaufhaus
Stern, Inhaber
Sigmund und Karola Stern |
Das
Haus der Familie Goldschmitt (wegen dem
Hausnamen "Grünlaub" gehörte es wohl
ursprünglich der Familie Grünlaub) |
|
|
|
|
Gedenktafel |
|
|
|
Foto: Jürgen Hanke,
Kronach (2004);
aus www.synagogen.info |
|
|
|
|
|
|
|
Das Grundstück der
ehemaligen Synagoge im Frühjahr 2010
(Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmedatum 30.4.2010) |
|
|
|
An der Straße "Zum
Schondratal":
zwischen den Gebäuden 2 und 10: das
Synagogengrundstück liegt im Bereich
hinter der mittleren und rechten
Garage. |
Die Grundmauern der Synagoge sind noch teilweise erhalten.
Hinweis für Personen, die sich für die jüdische Geschichte von
Dittlofsroda
interessieren: Das
Grundstück der ehemaligen Synagoge ist heute ein Privatgrundstück.
Der Weg zum Standort ist ebenfalls privat und für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich. |
|
|
|
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2019:
Beteiligung am "DenkOrt Aumühle" https://denkort-deportationen.de/
|
Artikel von Isolde Krapf in der "Main-Post"
von 8. Februar 2019: "Bad Kissingen. Warum die Erinnerung wichtiger denn
je ist
Die Würzburger Initiative zum Gedenken an die 2069 deportierten Juden aus
Unterfranken hat in den vergangenen Jahren Kreise gezogen. Es fanden vor Ort
etliche Gedenkveranstaltungen statt. So machten sich zum Beispiel im Mai
2011 mehr als 3000 Menschen, darunter auch etliche aus dem Landkreis Bad
Kissingen, auf den "Weg der Erinnerung": Die Juden mussten nämlich damals,
streng bewacht von der Gestapo, von den Sammelplätzen aus- das war meist der
Platz'sche Garten am heutigen Friedrich-Ebert-Ring– zum Bahnhof Aumühle
laufen. Auch in den Ratsgremien der Kommunen im Landkreis Bad Kissingen
stößt der geplante DenkOrt Aumühle inzwischen auf allgemeines Interesse....
In Wartmannsroth stehen schon drei Koffer aus Holz bereit, die
Hobbyschreiner Kurt Müller gefertigt hat. Zwei davon sollen am DenkOrt in
Würzburg die jüdischen Gemeinden Dittlofsroda und Völkersleier
repräsentieren, sagt Bürgermeister Jürgen Karle. Der dritte Koffer wird – so
beschloss es der Gemeinderat – am Rathaus in Wartmannsroth aufgestellt, wenn
der Platz dort fertig saniert ist. Anfangs habe man sich freilich überlegt,
ob nun noch ein weiterer Gedenkort für die jüdischen Mitbürger notwendig
sei, sagt Karle. Doch dann sei allen relativ schnell klar geworden, dass
dieses Thema gerade jetzt, wo der Antisemitismus gelegentlich wieder um sich
greife, "besondere Tragweite" habe..."
Link zum Artikel https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Warum-die-Erinnerung-wichtiger-denn-je-ist;art766,10173741 |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. 1992² S. 50-51. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 452-453.
|
| Volker Rieß: Jüdisches Leben in und um Hammelburg.
Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Herrenmühle 12. Oktober – 10.
Dezember 2000, Hammelburg 2001.
|
| Cornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces /
Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen.
Schweinfurt 1992. |
| dieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von
Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt
1800 bis 1945 / Yestervear's Neighbours. Traces of German Jews in the
abministrative district of Bad Kissingen focusing on the period
1800-1945. Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792-6. Zu beziehen bei den
Autoren/obtainable from: E-Mail.
Info-Blatt
zu dieser Publikation (pdf-Datei).
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Dittlofsroda Lower
Franconia. The Jewish population numbered 68 in 1816 (total 383), declining
immediately thereafter mainly through emigration to the United States (including
18 in 1830-1854). A synagogue was built in 1795. Seventeen Jews were present in
the Nazi era; 13 left in 1936-39, 11 for other German cities. The last two were
deported to the Theresienstadt ghetto in September 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|