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Völkersleier (Gemeinde
Wartmannsroth, Kreis Bad Kissingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Völkersleier bestand eine jüdische Gemeinde bis
1942. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück.
In einer Auflistung des Bistums Würzburg von 1699 werden 59 jüdische
Einwohner genannt. 1762 wurde eine Synagoge erbaut (s.u.).
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie
folgt: 1810/11 98 jüdische Einwohner (22.9 % von insgesamt 428); 1847
Höchstzahl von 105 (davon 24 Haushaltsvorstände, d.h. 21 Familienväter
und drei Witwen), 1867 95 (15,8 % von 602), 1880 76 (13,5 % von 565),
1900 49 (10,4 % von 473), 1910 45 (8,6 % von 520). Seit Mitte des 19.
Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner zurück, insbesondere durch
Auswanderungen in die Vereinigten Staaten: allein im Zeitraum zwischen 1830 und 1854 sind 28
Personen aus Völkersleier dorthin ausgewandert.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Völkersleier auf
insgesamt 23
Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Simon Marx Stein
(Gewürzhändler), Sender Joseph Sondheimer (Kurzwaren- und Lederhandlung), Jakob
Abraham Frank (Viehhandel und Schlachten), Maier Michel Levi Bergmann
(Viehhandel und Schlachten), Itzig Michel Levi Bergmann (Kurzwarenhändler),
Wolf David Oberzenner (Rabbiner), Menke Maier Roedelheimer, Moses Menke Roedelheimer (Viehhandel und Schlachten), Wolf Moses Stern (Vieh- und
Warenhandel), Aron Wolf Stern (Vieh- und Warenhandel), Isack Hirsch Engel
(Viehhandel und Schlachten), Moses Itzig Metzger (Schlachten), Jüdlein Baruch
Schild (Viehhandel und Schlachten), Salomon Katz Hamburger (Handel mit kurzen
Waren), Feist Michel Schloß (Handel mit kurzen Waren und rauhen Häuten), Maier
Raphael Berliner (Mäkler), Mardochai Löw Ring (Viehhandel), Maier Abraham
Lisen (Eisenhandel und Schmusen), Jüdlein Simon Adler* (Viehhandel und
Schmusen), Maier Simon Adler* (Schmusen), Michel Isack Bergmann (Viehhändler),
Löb Isack Bergmann (Viehhändler), Michel Maier Bergmann (Viehhändler), dazu
(ohne Matrikelstelle) David Nathan Ollmann (Kurzwarenhandel).
Hinweis: Rosenstock s.Lit. nennt als Familiennamen "Attner", was vermutlich
ein Abschreibfehler ist. Nach Mitteilung von Leonhard Scherg und Hinweis auf die
jüdischen Standesregister von Völkersleier muss der Familienname in "Adler"
korrigiert werden.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde ein Gemeindezentrum mit Synagoge
(s.u.), Lehrerwohnung und Schule sowie eine Mikwe (rituelles Bad - nach Angaben
von Alt-Bürgermeister Rudolf Winter vom 4.5.2010 im heutigen
Gebäude Quellengasse 2, d.h. dem ehemaligen Haus der Familie Viktor Bergmann). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem
jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen beigesetzt
(die teilweise zu lesende Angabe, dass es aus Völkersleier auch in
Altengronau Beisetzungen gab, ist nicht
korrekt; korrigiert nach Hinweis von Leonhard Scherg vom 8.3.2020 auf die
Standesregister von Völkersleier). Zur Besorgung
religiöser Aufgaben
der Gemeinde war ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter
und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Von den Lehrern
werden genannt: um 1867/1875 Lehrer Jakob Geßner, um 1879/1885 Simon Halle, um
1890/1892 Hirsch Wißmann.
Die jüdische Gemeinde
hatte Anfang des 19. Jahrhunderts noch einen eigenen Ortsrabbiner (vgl. oben den
1817 genannten Rabbiner Wolf David Oberzenner, damals 60 Jahre alt), später gehörte
Völkersleier zum Bezirksrabbinat (Bad)
Kissingen.
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1892 Löb Bergmann, um 1901 Gerson
Stern, um 1902/1913 Viktor Bergmann, um 1908 Lehrer Bierschild.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Bernhard Bergmann
(geb. 19.1.1894 in Völkersleier, vor 1914 in Burgkunstadt
wohnhaft, gef. 13.8.1917), Hugo Ring (geb. 28.7.1893 in Völkersleier, gef.
3.11.1916) und Siegfried Stern (geb. 23.10.1891 in Völkersleier, gef.
26.5.1916).
Um 1925 hatte die jüdische Gemeinde noch 36 Mitglieder
(7,2 % von ca. 500), davon 12 Haushaltsvorstände. Vorsteher der
Gemeinde war Viktor Bergmann (auch noch nach 1932). Den Religionsunterricht der
damals drei jüdischen Kinder erteilte Lehrer Moses Rosenberger aus Hammelburg. Schon einige Jahre hatte die Gemeinde
keinen eigenen Lehrer mehr anstellen können (letzte, möglicherweise erfolglose
Ausschreibung erfolgte 1922, siehe unten). Wenig später übernahm (bis 1929)
Lehrer Maier Laßmann aus Westheim auch
die mit der Lehrerstelle in Völkersleier verbundenen Aufgaben (siehe Bericht
unten). 1932 wird neben dem Vorsitzenden Viktor Bergmann auch die
Repräsentanz, bestehend aus 12 Mitgliedern, vermutlich alle damaligen Haushaltsvorstände
genannt. Den Dienst als Vorbeter übernahmen damals gemeinsam Max Bergmann und Viktor
Bergmann. Im Schuljahr 1931/32 gab es sechs schulpflichtige jüdische Kinder.
1933 lebten noch 33 jüdische Personen am Ort (6,6 % von insgesamt 497).
Auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen
Boykotts verließen alsbald mehrere der jüdischen Einwohner den Ort. Im Mai
1937 waren zehn der noch 24 jüdischen Einwohner unterstützungsbedürftig.
Dennoch haben viele Bauern des Ortes weiterhin mit jüdischen Händlern
geschäftliche Beziehungen unterhalten. Der Bürgermeister klagte im Juni 1937
bei den Behörden darüber, dass solche Geschäfte meistens nachts abgeschlossen
würden. Beim Novemberpogrom 1938 kamen auswärtige SA-Leute nach
Völkersleier. Sie drangen in die jüdischen Häuser ein und plünderten sie.
Bis Februar 1939 konnten 17 jüdische Einwohner auswandern (14 in die
USA, zwei nach Palästina, einer nach Holland); drei verzogen in andere Städte.
Anfang 1940 wurden noch 12 jüdische Einwohner gezählt, von denen sechs in den
folgenden Monaten nach Würzburg verzogen. Von den letzten sechs jüdischen
Einwohnern wurden vier im April 1942 nach Izbica bei Lublin deportiert, die
beiden Verbliebenen im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt.
Von den in Völkersleier geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Elsa Adler geb. Berliner (1903),
Else Adler geb. Bergmann (1894), Herbert Leo Adler (1929), Pauline Adler geb.
Schuster (1872), Jettchen Bamberger
geb. Ring (1895), Emanuel Bergmann (1880), Frieda Bergmann (1922), Fritz Bergmann (1888),
Pauline Bergmann (1887), Regina Bergmann geb. Goldschmidt (1895), Viktor Bergmann (1869),
Frieda Berliner geb. Hamburger (1872), Meier (Maier) Berliner (1873), Settchen Neumann
geb. Stern (1868), Markus (Max)
Ring (1868), Blanka Stern geb. Jakob (1896), Hannelore Stern (1930),
Marga Stern (1923), Max Stern (1892).
Von den nach Theresienstadt deportierten Personen überlebte nach Angaben bei
Mence/Binder (s.Lit.) Karoline Bergmann geb. Kuhn (geb. 1.12.1866 in
Aidhausen,
wurde am 23.9.1942 deportiert), die Frau des Viehhändlers Viktor Bergmann in
der Quellengasse 2.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1892 /
1901 / 1902 / 1903 / 1908 / 1911 / 1913 / 1922
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Januar 1892:
"Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle in hiesiger Gemeinde ist bis 1. März neu zu besetzen und
wollen Bewerber sofort ihre Zeugnisse an die unterfertigte
Kultusverwaltung gelangen lassen. Der dahier angestellte Lehrer hat auch
in dem Filialorte Dittlofsroda die
Lehrer- und Schächterfunktion zu übernehmen, wofür jedoch besonders
honoriert wird. Völkersleier (Unterfranken), 18. Januar 1892. Die
Kultusverwaltung: Löb Bergmann." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1892:
"Vakanz.
Die Religionslehrer-, Vorsänger- und
Schächterstelle zu Völkersleier mit Filiale Dittlofsroda ist sofort neu
zu besetzen. Das Einkommen inklusive Nebenverdienste beträgt 900-1000
Mark. Nur inländische, streng orthodoxe Bewerber wollen sich unter
Beifügung ihrer Zeugnisse an den unterfertigten Kultusvorstand wenden.
Völkersleier (Unterfranken).
Löb Bergmann, Vorstand." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. November 1901:
"Die Stelle eines Religionslehrers, Vorbeters und Schächters
dahier, ist per 1. Dezember 1901 neu zu besetzen. Jahreseinkommen ca. 900
Mark bei freier Wohnung und Beheizung und wollen sich seminaristisch
gebildete Bewerber an den Unterfertigten werden.
Gerson Stern, Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde
Völkersleier, Post Gräfendorf,
Unterfranken." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. August 1902:
"Die hiesige Religions-, Vorbeter- und Schächterstelle ist vakant.
Die Stelle trägt ca. 1.000 - 1.200 Mark ein. Bewerber wollen sich
baldigst melden.
Viktor Bergmann, Kultusvorsteher,
Völkersleier, Post Gräfendorf,
Unterfranken." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1903:
"Lehrer-Vakanz.
Die hiesige Lehrer-, Kantor- und
Schochetstelle, ist durch Erkrankung des jetzigen Lehrers, sofort zu
besetzen. Gehalt mit Nebenverdiensten, bei freier Wohnung und Heizung,
beträgt ca. 1000-1100 Mark jährlich. Offerten nebst Zeugnissen an
Viktor Bergmann, Kultusvorsteher,
Völkersleier, Post Gräfendorf
(Bayern)." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Juli 1903:
"Vakanz.
Durch Einberufung unseres Lehrers zum Militär soll die hiesigen
Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle baldigst besetzt
werden. Fixer Gehalt 750 Mark, Schächtereinkommen 300 Mark,
Nebeneinnahmen ca. 200 Mark. Meldungen mit Zeugnisabschriften wollen
längstens bis 15. August eingesendet werden an
Viktor Bergmann, Vorstand,
Völkersleier |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Januar 1908:
"Durch Berufung unseres Lehrers an die Präparandenschule
Burgpreppach ist die
Religionslehrer-, Vorbeter- und Schochetstelle
dahier sofort zu besetzen. Fixum 800 Mark, Nebeneinnahmen 600-700 Mark,
sowie freie Wohnung und Beheizung. Bewerber belieben sich zu melden
an
Viktor Bergmann, Kultusvorstand,
Völkersleier (Unterfranken).
Ausländer ausgeschlossen." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. März 1908:
"Lehrer-Vakanz! Die hiesige Religionslehrer-, Vorbeter- und
Schochetstelle ist sofort zu besetzen. Fixer Gehalt Mark 800.-
Nebenverdienste ca. Mark 6-700 bei freier Wohnung und Beheizung. Bewerber
wollen sich mit Zeugnisabschriften baldigst melden an
Victor Bergmann Kultusvorstand. Völkersleier in Bayern." |
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Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 10. September 1908: "Die hiesige
Religionslehrer-, Schochet und Vorbeterstelle ist sofort zu besetzen.
Fixum Gehalt 800 Mark. Nebendienst ca. 6-700 Mark bei freier Wohnung und
Heizung. Bewerber wollen sich baldigst mit Zeugnisabschriften melden an
Viktor Bergmann, Kultusvorstand, Völkersleier, Unterfranken". |
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Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 5. Januar 1911: "Die hiesige
Religions-Lehrer, Vorbeter- und Schochet-Stelle ist sofort zu besetzen.
Fixum Gebalt 700 Mk. und circa 6-800 Mk. Nebenverdienst, bei freier
Wohnung und Heizung, auch ist noch eine Filiale dabei, welche noch extra
200 Mk. Fixum Gehalt gezahlt. Seminaristisch gebildete Lehrer erhalten den
Vorzug. Bewerber wollen sich gefl. bald mit Zeugnissen melden an
Viktor
Bergmann, Kultusvorstand, Völkersleier, Unterfranken". |
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Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 27. Juni 1913:
"Die hiesige Lehrer-, Vorbeter- und Schochetstelle ist sofort
zu besetzen. Fixum-Gehalt 800 Mark, ca. 4-500 Mark Nebenverdienst bei
freier Wohnung und Heizung. Nur seminaristisch gebildete Lehrer wollen
sich melden.
Victor Bergmann, Kultusvorstand, Völkersleier,
Unterfranken." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. September 1922:
"Junger Lehrer, Kantor, Schochet gesucht. Gehalt
(einschließlich freiem Kosthaus) nach Gruppe 6. Bewerbungen sofort an Kultusverwaltung
Völkersleier (Unterfranken)." |
Schuldienst-Exspektant Jakob Geßner in Steinach wird
Religionslehrer und Vorsänger in Völkersleier (1867)
Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von
Unterfranken und Aschaffenburg" vom 26. November 1867:
"Durch Regierungsentschließung vom 19. November 1867 ad Nr. 37,850
ist die, von der israelitischen Kultusgemeinde Völkersleier,
königlichen Bezirksamts Hammelburg, beschlossene Übertragung ihrer
Religionslehrers- und Vorsängerstelle an den israelitischen Schuldienst-Exspektanten
Jakob Geßner in Steinach,
königlichen Bezirksamts Kissingen, genehmigt worden." |
Zum Tod von Jakob Geßner: von 1867 bis 1875 Lehrer in
Völkersleier
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" vom 15. Februar 1937: "Jakob Geßner. Kaum 24
Stunden nach dem Ableben unseres Kollegen Jakob Nussbaum wurde uns ein
weiteres liebes und treues Mitglied, der im 89. Lebensjahre stehende
Lehrer i.R. Jakob Geßner, durch den Tod entrissen. Der Heimgegangene, am
18. Juli 1848 in Steinach a.d. Saale geboren, war Schüler der
Präparandenschule
Höchberg und der Lehrerbildungsanstalt
Würzburg, die er 1867
absolvierte. In Würzburg legte er auch die Anstellungsprüfung für den
Volksschuldienst ab. Seine erste Anstellung fand er in Völkersleier, wo
er von 1867-1875 tätig war; er wirkte dann in Hammelburg und trat nach
31jähriger überaus segensreicher Tätigkeit in dieser Gemeinde, geehrt
und geachtet in allen Kreisen der Bevölkerung, in den Ruhestand über,
den er bei seinen ihn liebevoll betreuenden Kindern in Güstrow und später
in Rostock verbrachte. Der Entschlafene zählte zu den Männern, die im
Herbste 1879 dem Weckruf zur Gründung eines jüdischen Lehrervereins zunächst
für Unterfranken, der sich wenige Jahre später auf ganz Bayern
erstreckt, gefolgt waren und sich in Erkenntnis der Notwendigkeit des
Zusammenschlusses der Lehrerschaft dem Verein als Mitglied anschlossen.
Mit warmfühlendem Herzen und in edler sozialer Gesinnung förderte er die
Ziele des jungen Vereins und in einem der ersten Jahresberichte werden
seine erfolgreichen und anerkennenswerten Bemühungen um die
Vereinseinrichtungen dankend hervorgehoben. Durch das Vertrauen der
Kollegen wurde er 1889 zum ersten Male und dann wiederholt als Ersatzmann
gewählt, um alsdann in die Verwaltung, der er von 1894-96 als Beisitzer
angehörte, einzutreten. Anlässlich des 50-jährigen Vereinsjubiläums
wurde er mit acht weiteren Gründungsmitgliedern zum Ehrenmitgliede des
Vereins ernannt. Mit dem Dahingeschiedenen ist ein gütiger Mensch, ein
edler und vornehmer Charakter, ein Mann von vorbildlicher Treue
dahingegangen; ihm wird in unseren Reihen ein stetes und ehrendes Andenken
bewahrt bleiben. Secher zadik livrocho (das Gedenken an den
Gerechten ist zum Segen)." |
Lehrer Wolffromm wechselt von Völkersleier nach
Unter- und Oberaltertheim (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni 1909:
"Würzburg, 15. Juni (1909). Herr Lehrer Wolffromm, bislang in
Völkersleier, wurde als Lehrer der vereinigten Kultusgemeinden Unter- und
Oberaltertheim gewählt. |
Lehrer Maier Laßmann, der auch in Völkersleier unterrichtet hat, verlässt Westheim (1929, Lehrer seit 1925)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Mai
1929: "Westheim bei Hammelburg. Herr Meier
Laßmann, der hier seit
vier Jahren als Lehrer, Schochet und Chasen amtiert hat und gleichzeitig
in der Nachbargemeinde Völkersleier diese Ämter verwaltete, verlässt
die hiesige Gemeinde, um sein Amt in der Gemeinde Rimpar anzutreten. Wir
sehen mit aufrichtigem Bedauern diesen tüchtigen Mann von hier scheiden.
Er besitzt ein überaus großes jüdisches Wissen, ist ein tüchtiger
Schochet und hat auch beim Religionsunterricht große Erfolge erzielt. Mit
allen Gemeindemitgliedern lebte er in bestem Einvernehmen. Auch der
zuständige Rabbiner, Herr Dr. Bamberger (Kissingen) hat sich jederzeit
lobend über die Wirksamkeit unseres Lehrers ausgesprochen, dies
insbesondere bei der kürzlich stattgehabten Religionsprüfung. Die besten
Wünsche unserer Gemeinde begleiten Herrn Lehrer Laßmann in seinen neuen
Wirkungskreis, woselbst er auch die verdiente Anerkennung finden
möge." |
Anzeigen und
Dokumente jüdischer Gewerbebetriebe
Bestellung von Aron Stern
(1896)
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
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Postkarte von Aron Stern aus
Völkersleier vom November 1896 an die Eisenhandlung Eisenheimer in
Schweinfurt. |
Anzeige von Babette Berliner (1901)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 14. November 1901:
"Ein israelitisches kräftiges Mädchen sucht sofort Stelle.
Offerten an Babette Berliner, Völkersleier, Bayern" |
Anzeige von Fanni Bergmann (1902)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember
1902:
"Ein israelitisches Mädchen, Waise, sucht wegen Trauerfall bei einem
einzelnen Herrn als
Haushälterin
oder sonst in besserem Hause ab sofort Stelle. Offerten an
Fanni Bergmann, in Völkersleier, Post
Gräfendorf." |
Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge (jüdisches Gemeindezentrum mit Betsaal,
Lehrerwohnung und Schule) wurde 1762 erbaut. Der damals eingebaute
wertvolle Toraschrein blieb bis 1938 erhalten.
1927 wurde die Synagoge umfassend renoviert und durch den Bezirksrabbiner Dr. Bamberger
(Bad Kissingen) am 29. Oktober
1927 neu eingeweiht. Über die Einweihung liegt folgender Bericht des
damaligen jüdischen Lehrers Moses Rosenberger (Hammelburg)
vor:
Artikel
in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 15. Januar 1928: "Völkersleier.
Am 29. Oktober 1927 fand in der Israelitischen Kultusgemeinde zu Völkersleier
die Einweihung der renovierten, im Jahre 5522 (= 1761/62) erbauten Synagoge,
verbunden mit der Einweihung einer Kriegergedenktafel, ferner das 25jährige
Amtsjubiläum des Kultusvorstandes, des Herrn Viktor Bergmann statt. Eine
stattliche Anzahl von Freunden und Bekannten aus Nah und Fern hatten sich zu
Ehren des Tages in der festlich geschmückten Synagoge eingefunden. Als ein
Zeichen des konfessionellen Friedens in der Gemeinde sei besonders erwähnt,
dass auch die katholische und evangelische Geistlichkeit, der vollständige
Gemeinderat, die drei Ortsvereine mit Fahnen erschienen waren. Den Mittelpunkt
der Feier bildete eine Ansprache des Herrn Distriktsrabbiners Dr. Bamberger (Bad
Kissingen), der in warmherzigen, beredten Worten seiner Aufgabe gerecht wurde.
M. Rosenberger, Lehrer".
|
In der Synagoge wurden bis zum Passa-Fest 1936 regelmäßig Gottesdienste
abgehalten. Danach wurde es auf Grund der zurückgehenden Einwohnerzahl
schwieriger, regelmäßig die Zehnzahl der Männer zusammen zu bekommen. Ab März
1938 kamen auch die noch in Dittlofsroda lebenden jüdischen Einwohner zum
Gottesdienst nach Völkersleier. Man hatte vereinbart, monatlich einmal in der
Synagoge von Dittlofsroda und Völkersleier Gottesdienste abzuhalten.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von SA-Leuten
zerstört, die Ritualien gleichfalls zerstört oder
gestohlen. Das Gebäude überstand jedoch die Kriegszeit und wurde in dieser
Zeit als Lagerschuppen, Schweine- und Hühnerstall verwendet. Nach 1945 blieb es
bei der Nutzung als Lager und Hühnerstall. Ein Bericht aus dem Jahr 1951 ist
erhalten:
Artikel
in der Zeitschrift "Jüdische Illustrierte" Düsseldorf März
1951 Nr. 7 S. 2: "Wo Gläubige einst beteten. Die
Völkersleier Synagoge als Lagerschuppen. Wenn am Sonntagmorgen die Kirchenglocken im unterfränkischen Völkersleier zum Gottesdienst rufen, führt
der Weg die Bewohner an der ehemaligen Synagoge vorbei. Juden gibt es dort nicht
mehr, ihr Gotteshaus steht noch - aber wie unsere Bilder zeigen - nur
äußerlich. Dem Pächter, Anton Brustmann, wurde der Vertrag gekündigt, weil
Vertretern einer Kommission während der Besichtigung der Synagoge Hühner
zwischen den Beinen herumliefen. Früher hielt der Schmiedemeister sogar seine
Schweine darin. Er fühlt sich dennoch ungerecht behandelt und möchte das
Gotteshaus, das an sein Anwesen grenzt, gerne kaufen. Die Kommission aber sagt
nein."
In den 1970er-Jahren wurde die Synagoge abgebrochen. Auf dem Grundstück wurde
eine Scheune errichtet.
Adresse/Standort der Synagoge: Fronstraße
4
Fotos
(neuere Fotos: Elisabeth Böhrer, Aufnahmen 30.4. 2010)
Historische
Innenansicht der Synagoge
(Foto aus der Sammlung von Nachkommen
der Familie Stern:
Rob Benden, Christchurch Neuseeland) |
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Beschreibung
(Text rechts): "Inneres der Synagoge zu Völkersleier bei Hammelburg... Die
Behänge etc. sind Stiftungen von: Moses Wolf Stern - Samuel Stern - wie aus
den hebräischen Inschriften ersichtlich.
1. Obergehänge gestiftet von Samuel Stern & Frau 1857. 2. Vorhang gestiftet
von Moses Wolf Stern & Frau 1859. 3. Decke gestiftet von Samuel Stern
& Frau 1863.
In dieser Synagoge sind die Großeltern mütterlicherseits und später deren
Kinder: Babette, Therese, Amalie, Sara zum Gottesdienst und Unterricht
gegangen. Mitglieder der Familie Stern waren Jahrzehnte hier im Vorstand der
Synagoge und in der Wohlfahrt der Gemeinde tätig. Völkersleier hatte keinen
eigenen jüdischen Friedhof, sodass die Gräber in Pfaffenhausen bei
Hammelburg zu finden sind. Bevor ich Deutschland verließ, wurden die Gräber
alle in guten Zustand versetzt und einzementiert."
Rechts mit moderner Software koloriertes Foto (erhalten von Rob
Benden) |
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Die ehemalige Synagoge
nach
1945 |
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Vergrößerungen
aus dem oben zitierten Presseartikel; rechts Angabe des Jahres der
Erbauung 1762; die Tafel befand sich vermutlich unten am Fuß des Aron
HaKodesch/Toraschein, vor dem das Huhn steht. Das Foto links zeigt nach
Angaben von E. Böhrer nicht die Synagoge, sondern Gebäude in der von der
Fronstraße abzweigenden heutigen Straße "Am
Seeblick" (am 4.5.2010 durch Alt-Bürgermeister Rudolf Winter
abgesichert). |
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Standort der
ehemaligen Synagoge (2010) |
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Grundstück
Fronstraße 4: nach Auskunft vor Ort stand die Synagoge
im Bereich der heutigen Scheune rechts des Wohngebäudes |
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Gedenken nach Abbruch
der
ehemaligen Synagoge |
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Gedenktafel am
Gemeindehaus in der Rhönstraße 18 mit dem Text: "In
Völkersleier bestand eine Jüdische Kultusgemeinde, deren Synagoge sich
in der Fronstraße 4 befand, und deren Inneneinrichtung in der Pogromnacht
1938 zerstört wurde. Die Gemeinde gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen
Mitbürger. Zur Erinnerung und Mahnung". |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Februar 2019:
Beteiligung am "DenkOrt Aumühle"
https://denkort-deportationen.de/
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Artikel von Isolde Krapf in der "Main-Post"
von 8. Februar 2019: "Bad Kissingen. Warum die Erinnerung wichtiger denn
je ist
Die Würzburger Initiative zum Gedenken an die 2069 deportierten Juden aus
Unterfranken hat in den vergangenen Jahren Kreise gezogen. Es fanden vor Ort
etliche Gedenkveranstaltungen statt. So machten sich zum Beispiel im Mai
2011 mehr als 3000 Menschen, darunter auch etliche aus dem Landkreis Bad
Kissingen, auf den "Weg der Erinnerung": Die Juden mussten nämlich damals,
streng bewacht von der Gestapo, von den Sammelplätzen aus- das war meist der
Platz'sche Garten am heutigen Friedrich-Ebert-Ring– zum Bahnhof Aumühle
laufen. Auch in den Ratsgremien der Kommunen im Landkreis Bad Kissingen
stößt der geplante DenkOrt Aumühle inzwischen auf allgemeines Interesse...
In Wartmannsroth stehen schon drei Koffer aus Holz bereit, die
Hobbyschreiner Kurt Müller gefertigt hat. Zwei davon sollen am DenkOrt in
Würzburg die jüdischen Gemeinden Dittlofsroda und Völkersleier
repräsentieren, sagt Bürgermeister Jürgen Karle. Der dritte Koffer wird – so
beschloss es der Gemeinderat – am Rathaus in Wartmannsroth aufgestellt, wenn
der Platz dort fertig saniert ist. Anfangs habe man sich freilich überlegt,
ob nun noch ein weiterer Gedenkort für die jüdischen Mitbürger notwendig
sei, sagt Karle. Doch dann sei allen relativ schnell klar geworden, dass
dieses Thema gerade jetzt, wo der Antisemitismus gelegentlich wieder um sich
greife, "besondere Tragweite" habe... "
Link zum Artikel https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/Warum-die-Erinnerung-wichtiger-denn-je-ist;art766,10173741 |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 422-423. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 123. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 535-536. |
| Volker Rieß: Jüdisches Leben in und um Hammelburg.
Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Herrenmühle 12. Oktober – 10.
Dezember 2000, Hammelburg 2001.
|
| Cornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces /
Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen.
Schweinfurt 1992. |
| dieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von
Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt
1800 bis 1945 / Yesteryear's Neighbours. Traces of German Jews in the administrative district of Bad Kissingen focusing on the period
1800-1945. Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792-6. Zu beziehen bei den
Autoren/obtainable from: E-Mail.
Info-Blatt
zu dieser Publikation (pdf-Datei). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 126-127. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Voelkersleier Lower
Franconia. A Jewsh community is known from the mid-18th century, with a
synagogue erected in 1762. In 1830-54, 28 Jews emigrated to the United States.
The Jewish population in 1867 war 95 (total 602) and 33 in 1933. The economic
boycott under the Nazis reduced many to penury and Jewish homes were looted on Kristallnacht
(9-10 November 1938). By February 1939, 17 Jews had emigrated, including 14 to
the United States; another nine left for other German cities by 1941. The last
six Jews were deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and the
Theresienstadt ghetto in 1942.
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