Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Nach
1945 sind in Esslingen nur wenige Familien auf längere Zeit wieder zugezogen. Erst seit den
1990er-Jahren ist ein größerer Zuzug durch Personen aus den GUS-Ländern
festzustellen, doch kam es bislang nicht zur Gründung einer neuen jüdischen
Gemeinde. 2012 leben in Esslingen und der unmittelbaren Umgebung etwa
250 - 300 jüdische Personen, die zur Israelitischen Religionsgemeinschaft in
Stuttgart gehören.
Die Neugründung einer jüdischen Gemeinde
(Filialgemeinde zur Stuttgarter Israelitischen Religionsgemeinschaft
Württembergs (IRGW) mit Sitz in Stuttgart) ist 2012
mit der Übernahme des früheren jüdischen Gemeindezentrums im Heppächer als
dem auch künftigem jüdischen Gemeindezentrums in Esslingen ermöglicht worden.
Nach 1945 konfiszierte amerikanisches Militär
das von 1819 bis 1938 als Synagoge genutzte Gebäude im Heppächer, das 1941 bis
1945 als Heim der Hitlerjugend zweckentfremdet worden war, und richtete darin von Juli 1945 bis April 1946 erneut
eine Synagoge ein. In den folgenden Jahren wurde das Gebäude
insbesondere zu Wohnzwecken und als Kindertagesstätte genutzt. 1949 bis 1986
war es Haus des Kreisjugendringes Esslingen beziehungsweise "Jugendhaus
Stadtmitte". Danach befand sich eine private Galerie ("Galerie
im Heppächer") in diesem Gebäude. Mehrere Gedenk- und Hinweistafeln wurden
nach 1945 angebracht.
Nach Auszug der "Galerie im Heppächer" kam es seit Ende 2010
zu Gesprächen zwischen der Stadt Esslingen und der Israelitischen
Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW) im Blick auf eine mögliche
Übernahme des Gebäudes durch die IRGW zwecks Einrichtung eines jüdischen
Gemeindezentrums mit Betsaals für die in Esslingen und Umgebung lebenden
jüdischen Personen. Am 18. März 2012 konnte der Betsaal eingeweiht
werden.
Rabbiner der Gemeinde ist im Auftrag der IRGW Rabbiner Yehuda Puschkin.
November 2010:
Wird die ehemalige Synagoge von der
Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs übernommen?
Artikel von Karen Schnebeck in den
"Stuttgarter Nachrichten" vom 24. November 2010 (Artikel):
"Zeit der Kunst im Heppächer ist abgelaufen.
Die Galerie schließt. Jetzt interessiert sich die Israelitische Religionsgemeinschaft für die Alte
Synagoge.
Am vergangenen Sonntag hat die Esslinger Galerie im Heppächer zum letzten Mal eine Vernissage veranstaltet. Noch bis zum 19. Dezember sind dort Werke der Malerin Elly Weiblen und des Skulpteurs Armin Göhringer zu sehen, dann kommt mit der Finissage zugleich das Ende der Galerie. Dabei hatte es in den vergangenen Monaten noch als sicher gegolten, dass es auch in den kommenden Jahren moderne Kunst in der ehemaligen Synagoge geben wird. Stattdessen zeichnet sich nun eine völlig andere Nutzung ab: Die Israelitische Religionsgemeinschaft hat Interesse an dem Gebäude angemeldet.
Den Galeristen Susanne Lüdtke und Roland Bachofer war die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren zwar zu groß geworden, ihre Liebe zur Kunst und zu dem Fachwerkgebäude mit der wechselvollen Geschichte haben sie trotzdem nicht verloren. Deswegen hatten sie versucht, Mitstreiter zu finden und einen Verein zu gründen. Dieser sollte die Galerie künftig mit einem neuen Konzept betreiben. Lüdtke und Bachofer wollten als engagierte Vereinsmitglieder an Bord bleiben.
"Der Gedanke war einfach, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen", berichtet Lüdtke. Bei Podiumsdiskussionen zur Zukunft der Galerie war das Interesse noch groß. Doch als es darum gegangen sei, die Arbeit zu verteilen, seien viele plötzlich abgesprungen, berichtet Bachofer. Kein Wunder, schließlich bestand die Arbeit der Galeristen im Heppächer nicht nur aus dem Organisieren von Ausstellungen, sondern auch aus wenig prestigeträchtigen Tätigkeiten wie Kloputzen oder regelmäßigem Wände weißeln.
Wie es mit dem Gebäude weitergeht, ist noch offen. "Die Begehrlichkeiten sind natürlich groß, wenn ein solches Haus aufgegeben wird", sagt Susanne Lüdtke. Die Stadt als Besitzerin hat sich zunächst eine Denkpause verordnet, denn die Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG) in Stuttgart hat "ein vorsichtiges Interesse" an dem Gebäude bekundet, wie die Vorstandssprecherin Barbara Traub bestätigt.
Vorgestern Abend hat die Stadtverwaltung die Mitglieder des Verwaltungsausschusses in einer nichtöffentlichen Sitzung über den Stand in Sachen Heppächer informiert. Die Gemeinderäte haben dabei dem Vorschlag zugestimmt, das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert der IRG kostenlos zu überlassen, falls diese das wünscht. Schließlich, so die Argumentation des Esslinger Rathauses, sei das Gebäude bis 1938 als Synagoge genutzt worden. Die Nazis hatten es den Juden entrissen und als Treff für die Hitlerjugend genutzt.
Mit dem Angebot verknüpft die Stadt freilich eine Bedingung. "Die IRG dürfte es ausschließlich für religiöse oder kulturelle Zwecke nutzen", sagt der Pressesprecher der Stadt Roland Karpentier. Dass es für eine neue Synagoge genug Bedarf gibt, bezweifelt niemand. Allein in Esslingen leben heute rund 200 Juden. Ob sich die IRG tatsächlich auf das Angebot einlässt, steht in den Sternen - denn wer immer das Gebäude künftig besitzt, muss zunächst einmal kräftig investieren. "In vielen Räumen kann überhaupt nicht geheizt werden", sagt Lüdtke dazu. Den Gedanken, dass der Kunst bald die Religion folgen könnte, den finde sie freilich "ganz wunderbar"."
Artikel von Dagmar Weinberg in
der "Esslinger Zeitung" vom 27. November 2010 (Artikel):
"Synagoge könnte zum Gemeindezentrum werden
ESSLINGEN: Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg meldet Interesse am Gebäude Im Heppächer 3 an Die Esslinger jüdischen Glaubens könnten bald einen eigenen Bet- und Versammlungsraum bekommen. Der Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) hat Interesse an der früheren Synagoge bekundet. Da die Galerie
'Kunst im Heppächer' zum Jahresende den Betrieb einstellt, steht das denkmalgeschützte Gebäude, das seit 1949 im Besitz der Stadt Esslingen ist, wieder zur Verfügung.
Bis zum 19. Dezember sind in dem imposanten Fachwerkhaus Im Heppächer 3 noch die Werke des Skulpteurs Armin Göhringer und der Malerin Elly Weiblen zu sehen. Mit der Finissage endet dann auch die mehr als 20-jährige Ära der von Otto Rothfuß und Margarete Rebmann gegründeten Galerie. Ihre Nachfolger Susanne Lüdtke und Roland Bachhofer können die Arbeit nicht mehr alleine stemmen und haben zum Jahresende den Mietvertrag gekündigt (die EZ berichtete). Nachdem der Entschluss der Galeristen bekannt geworden war, beschäftigte man sich nicht nur im Esslinger Rathaus mit der Frage, wie es in der früheren Synagoge Im Heppächer weitergehen
soll. Anfang des Monats meldete sich der Vorstand der IRGW bei der Stadtverwaltung und bat darum, über die künftige Entwicklung auf dem Laufenden gehalten zu werden. Denn aus Sicht der Israelitischen Religionsgemeinschaft käme, so teilt die Stadt Esslingen jetzt mit,
'auch eine Nutzung als Bet- und Versammlungsraum' für die Esslinger Gemeindemitglieder in Frage. Nach ersten Schätzungen leben zurzeit 200 bis 300 Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in der Stadt. Große Investitionen nötig. Oberbürgermeister Jürgen Zieger bekundete, dass er dem Wunsch der Israelitischen Religionsgemeinschaft entsprechen möchte. Schließlich fühlt sich die Stadt an das Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens aus dem Jahr 1949 mit der Jewish Restitution Successor Organization in New York gebunden. Damals ging es um die Frage, wie viel die Stadt für den Kauf der Synagoge samt Garten sowie die beiden jüdischen Friedhöfe bezahlen soll. In dem Schlichtungsvergleich einigte man sich nicht nur auf eine Kaufsumme von 35 000 D-Mark. Das Amtsgericht Stuttgart hielt fest:
'Falls sich in Esslingen eine jüdische Gemeinde bilden sollte, wird die Stadtgemeinde Esslingen ihr Möglichstes tun, um ihr einen Raum zur Abhaltung der Gottesdienste
nachzuweisen.'
An die mietfreie Übergabe des Hauses, das die IRGW für kulturelle, kultische und soziale Zwecke nutzen möchte, knüpft die Stadt allerdings die Bedingung, dass ihr
'durch Renovierung, Sanierung oder Betrieb des Gebäudes' keine Folgekosten entstehen dürfen. Das könnte am Ende zum Knackpunkt werden. Bevor das historische Gebäude wieder genutzt werden kann, muss erst einmal kräftig investiert werden - vor allem in die marode Heizung.
'Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung'. Als Zunfthaus der Schneider wird das Gebäude Im Heppächer 3 erstmals 1463 erwähnt. 1819 kauft die jüdische Gemeinde das Fachwerkhaus, baut es um und verschuldet sich auf Jahre hinaus. 70 Jahre später renoviert die jüdische Gemeinde das Haus. Am 10. November 1938 wird das Innere der Esslinger Synagoge von den Nationalsozialisten zerstört, Kultgegenstände werden verbrannt. Im März 1940 muss die Jüdische Kultusvereinigung Württemberg die Synagoge samt Garten weit unter Wert an die Stadt verkaufen. Das Haus wird zum BDM-Heim umgebaut. Im Mai 1945 konfiszieren die amerikanischen Streitkräfte die ehemalige Synagoge und übereignen sie an die Jewish Restitution Successor Organization. Die bietet es der Stadt Esslingen zum Kauf an. In einem Schlichtungsverfahren einigt man sich 1949 auf einen Kaufpreis von 35 000 D-Mark.
In den folgenden Jahren wird die einstige Synagoge unter anderem als Versammlungsstätte von Adventisten, Kinderhort, Arbeitsstätte des Kreisjugendausschusses (ab 1955 Kreisjugendring) sowie bis 1987 als Jugendhaus Stadtmitte genutzt. Unter Bezug auf seine Geschichte als Zunfthaus und Synagoge wird das Gebäude Im Heppächer 1986 als
'Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung' ins Denkmalbuch eingetragen. Im Februar 1987 wird auf die alte Synagoge ein Brandanschlag verübt."
Artikel von Ulrich Stolte in der "Stuttgarter
Zeitung" vom 3. Dezember 2010 (Artikel):
"Synagoge in Erbpacht
Esslingen. Die Verwaltung hat intern die Bedingungen für eine Übergabe formuliert.
Die Stadt Esslingen hat offenbar die Bedingungen erklärt, unter denen sie bereit ist, der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg die alte Esslinger Synagoge zu überlassen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen war, plant Esslingen, das mittelalterliche Fachwerkhaus der jüdischen Gemeinschaft in Erbpacht zu überlassen. Das heißt, nach 99 Jahren würde es wieder an die Stadt zurückfallen. Bis dahin würde es der Israelitischen Religionsgemeinschaft gehören, die im Gegenzug für die Heizung aufkommen müsste, die anscheinend in einem desolaten Zustand ist. Wie weiter zu erfahren war, überlegt sich die Israelitische Religionsgemeinschaft jetzt einen Finanzierungsplan für die Sanierung.
Die Stadt tritt auch einem offenen Brief des Theologen Thomas Schild an den Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger entgegen. Darin heißt es, wenn die Stadt das Gebäude der jüdischen Gemeinschaft in einem derart desolaten Zustand übergebe, würde sie die Beziehungen der Stadt zu ihren Bürgern jüdischen Glaubens belasten. Das Haus sei im Jahr 1949 rechtmäßig erworben worden, sagt dazu ein Sprecher der Stadt, und die Übergabe in Erbpacht sei ein großes finanzielles Geschenk.
Bisher war das Fachwerkhaus als Galerie genutzt worden, doch hatte die Galeristin Susanne Lüdtke das Handtuch geworfen. Nach dem Kriegsende hatten die amerikanischen Streitmächte das Gebäude konfisziert und darin von Juli 1945 bis April 1946 eine Synagoge eingerichtet. 1949 bot die als Besitzer eingesetzte Jewish Restitution Successor Organisation der Stadt das Gebäude zum Kauf an. Esslingen zahlte damals 35 000 Mark für das Gebäude, den dazugehörigen Garten und die beiden jüdischen Friedhöfe und erklärte sich bereit: "Falls sich in Esslingen eine jüdische Gemeinde bilden sollte, wird die Stadtgemeinschaft Esslingen ihr Möglichstes tun, um ihr einen Raum zur Abhaltung der Gottesdienste nachzuweisen." uls"
Januar/Februar
2012: Die ehemalige wird auch die
künftige Synagoge in Esslingen
Presseerklärung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg
vom 1. Februar 2012: "Rückkehr jüdischen Lebens nach
Esslingen.
Esslingen / Stuttgart, 01.02.2012 - Erbbauvertrag zwischen Stadt Esslingen
und Israelitischer Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW)
unterzeichnet. Entstehung einer zweiten jüdischen Anlaufstelle in der
Region Stuttgart auf gutem Weg..." Presseerklärung:
eingestellt als pdf-Datei. Weitere Presseerklärung der Israelitischen Religionsgemeinschaft
Württemberg vom 20. Februar 2012: "Stadt spendet Tora-Schrein.
Esslingen / Stuttgart, 20.02.2012 - Esslinger Oberbürgermeister Dr.
Jürgen Zieger überrascht bei Pressetermin mit einem ganz besonderen
Geschenk. Stadt gibt Tora-Schrein für jüdisches Gemeindezentrum in
Auftrag..."
Presseerklärung eingestellt als pdf-Datei.
Pressekonferenz der Stadt
und
der Israelitischen Religionsgemeinschaft
am 16. Februar 2012 im ehemaligen
und künftigen jüdischen
Gemeindezentrum im Heppächer
(Fotos: Hahn)
An der
Pressekonferenz nahmen neben Oberbürgermeister Dr. Zieger
die Vorstandsmitglieder der Israelitischen Religionsgemeinschaft
Württembergs (Sprecherin: Barbara Traub), der
Ehrenvorsitzende
Meinhard Tenné, Rabbiner Puschkin sowie von Seiten der Stadt
Stadtarchivar Dr. Halbekann teil
Oben: Karte mit den
derzeitigen Filialgemeinden
der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Württembergs
März 2012: Die Einweihung des Betsaales im neu eröffneten jüdischen
Gemeindezentrum
(vgl. Pressemitteilung
der IRGW vom 15. März 2012 zur Einweihung des IRGW Gemeindezentrums in
Esslingen - pdf-Datei) Presseberichte:
- Artikel von Dagmar Weinberg in der "Esslinger Zeitung" vom 19.
März 2012: "'Und gegen Morgen ist es Jubel'. Esslingen: 74 Jahre nach der
Schändung der Synagoge Im Heppächer kehrt die jüdische Gemeinde nun
zurück...." Link
zum Artikel
- Artikel von Kai Holoch in der "Stuttgarter Zeitung" vom 19.
März 2012: "Die Synagoge kehrt an ihren alten Ort zurück...". Link
zum Artikel
Nachfolgende Fotos: Hahn
Das Programm zur
Eröffnung des IRGW-Gemeindezentrums Esslingen
Vor der
Einweihungsfeier in der
Straße "Im Heppächer"
Links
Rabbiner Puschkin und
Landesrabbiner Wurmser
Links: Rabbiner Puschkin kurz
vor
Beginn der Veranstaltung
Die Mesusa wird durch Rabbiner
Yehuda Puschkin angebracht
Das blauweiße Band wird vor
Einlass
der Gäste durchgeschnitten
Begrüßungsrede
von Barbara Traub,
Vorstandssprecherin der IRGW
Rede von
Ministerialdirektorin
Dr. Margret Ruep, Ministerium
für Kultus, Jugend und Sport
Rede von
Oberbürgermeister
Dr. Jürgen Zieger,
Stadt Esslingen am Neckar
Rede von Landesrabbiner
Netanel Wurmser
IRGW Stuttgart
Übergabe des
Tora-Schreines und des Torapultes - am Pult Meinhard Tenné, rechts von
ihm Karl-Hermann Blickle ("Haus Abraham" Stuttgart)
März - April 2015:
Ausstellung im jüdischen Gemeindezentrum
Vom 1. März bis 30. April ist im Jüdischen Gemeindezentrum Esslingen zu
sehen:
Lev Kaplan - Meine Inspiration entsteht hier und jetzt - in aqua
veritas. Aquarellmalerei im Gemeindezentrum Esslingen (daw) - 'Meine Inspiration entsteht hier und jetzt', sagt Lev Kaplan, der seine Werke jetzt im Jüdischen Gemeindezentrum Esslingen zeigt. Er wurde in Lugansk geboren und verbrachte viele Jahre in Kiew, wo er Architektur studierte. Als jüdischer Kontingentflüchtling übersiedelte er 1992 nach Württemberg und arbeitet heute als Art Director in einer Werbeagentur. Seine ganze Freizeit widmet er der Malerei sowie der Grafik und Kinderbuchillustrationen. Unter der Überschrift
'In aqua veritas' präsentiert Lev Kaplan im Jüdischen Gemeindezentrum Esslingen eine Auswahl seiner ausdrucksstarken Aquarelle.
Die Ausstellung ist im Jüdischen Gemeindezentrum, Im Heppächer 3 bis zum 30. April mittwochs von 16 bis 18 Uhr, donnerstags von 11 bis 15 Uhr sowie sonntags von 11 bis 14 Uhr zu sehen..
März 2015:
Ein Bürgerbündnis sammelt Spenden für eine
Torarolle der jüdischen Gemeinde
Artikel von Dagmar Weinberg in der
"Esslinger Zeitung" vom 24. März 2015: "Thorarolle für die Esslinger Synagoge
ESSLINGEN: Bürgerbündnis will binnen eines Jahres 33 000 Euro Spenden sammeln.
Als am 10. November 1938 ein wütender Mob die Esslinger Synagoge im Heppächer stürmte, Kultgegenstände und Bücher raubte und sie auf dem Platz des heutigen Zwiebelbrunnens verbrannte, wurde auch die Thorarolle ein Raub der Flammen. Damit der heute rund 350 Mitglieder zählenden Gemeinde im Gottesdienst wieder aus dem eigenen
'Buch der Bücher' vorgelesen werden kann, hat Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler die Initiative ergriffen und unter dem Titel
'Thorarolle für Esslingen' einen Spendeninitiative der Esslinger Bürgerschaft ins Leben gerufen.
Wie breit das Bündnis ist, zeigte sich gestern bei der Vorstellung des Projekts in der Synagoge im Heppächer. So haben sich neben der Evangelischen und Katholischen Gesamtkirchengemeinde viele weitere Gruppen angeschlossen: die Griechisch-orthodoxe Kirchengemeinde, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die Islamische Gemeinschaft Esslingen - Fatih Moschee, der türkisch-islamische Kulturverein Diyanet, die Arbeitsgemeinschaft der Bürgerausschüsse, der Verein Denk-Zeichen, die ES-music-fans, die Esslinger Gesangsvereine, der Verein Freunde jüdischer Kultur, der Musikverein Wäldenbronn, der Musikverein Zell-Oberesslingen, das Netzwerk Kultur, der Sportverband Esslingen, der Stadtjugendring, die Stadtkapelle Esslingen/Musikverein RSK und das Theodor-Rothschild-Haus. 'In Baden-Württemberg einmalig'. 'Alle haben sofort ja gesagt', freut sich Wolfgang Drexler.
'So eine Bereitschaft aus der Mitte der Gesellschaft habe ich noch nie
erlebt.' Dass die Bundesregierung die Juden, die sich teilweise in Deutschland nicht mehr sicher fühlen, zum Dableiben aufgerufen hat, sei zwar eine prima Sache.
'Indem wir der jüdischen Gemeinde eine Thorarolle schenken, demonstrieren wir aber, dass sie uns willkommen ist und wir sie gerne hierbehalten möchten.' Bei der Spendenaktion gehe es jedoch nicht nur darum, bis zum nächsten Frühjahr rund 33 000 Euro für die Thorarolle zu sammeln.
'Wir möchten, dass möglichst viele etwas über den jüdischen Glauben und die jüdische Geschichte Esslingens
erfahren.'
Besonders froh ist der Landtagsabgeordnete, dass sich die beiden muslimischen Gemeinden in der Initiative engagieren.
'Das ist ein Zeichen weit über die Stadt hinaus und nach meinem Kenntnisstand in Baden-Württemberg
einmalig.' Durch ihr Engagement zeigten die Beteiligten, 'dass wir unabhängig von der Herkunft und der Religion alle Esslinger
sind'. Der Islam respektiere alle Religionen, machte Mohammed Taher Al-Radwani vom Vorstand der Fatih Moschee deutlich.
'Und das jüdisch-islamische Verhältnis war über Jahrhunderte hinweg
gut.' Gebe es heute Meinungsverschiedenheiten, bezögen sie sich auf die Politik des Staates Israel und nicht auf den jüdischen Glauben.
'Die Meinungsverschiedenheiten tragen wir hier in Esslingen unter Freunden
aus.' Dass künftig im Gottesdienst nicht mehr aus einer ausgeliehenen, sondern der eigenen Thorarolle gelesen werden kann, freut Rabbiner Yehuda Pushkin ebenso wie Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs.
'Die Synagoge ist ein offenes Haus und wir sind froh, wenn es durch diese Initiative viele Menschen kennenlernen.'" Link
zum Artikel
Juni 2016:Die
Einweihung einer Torarolle am 7. Juni 2016:
Auf Initiative des früheren baden-württembergischen Landtags-Vizepräsidenten Wolfgang Drexler sammelten achtzehn Esslinger Institutionen und Initiativen – evangelische, katholische und orthodoxe Kirchengemeinden, zwei Moscheegemeinden und viele Vereine – ein Jahr lang Geld, um den Esslinger Juden zu einer Torarolle zu verhelfen.
Am 7. Juni wurde die Torarolle im Alten Rathaus feierlich vollendet, in einem Festumzug durch die Innenstadt zur Synagoge gebracht und dort mit einem Gebet eingeweiht. An der Feier nahmen nicht nur zahlreiche Gemeindeglieder, Bürger und Gäste teil, sondern auch mehrere Dutzend Rabbiner, die zur gleichen Zeit eine Konferenz der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands in Stuttgart und Esslingen abhielten. Sie sorgten mit Gesang und Tanz für eine feierliche, fröhliche, während des Festumzugs fast ausgelassene Stimmung, ein in Esslingen einmaliges Ereignis.
In ihren Ansprachen hoben praktisch alle Rednerinnen und Redner die Bedeutung dieser Sammelaktion für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden in der Stadt hervor. IRGW-Vorstandssprecherin Barbara Traub erinnerte an die Gabe der Zehn Gebote, die an Schawuot (12./13. Juni 2016) gefeiert wurde, und an die kritische Funktion der Tora, in der es (5. Mose 31,19) heißt, sie sei ein
'Zeuge gegen euch'. Dank der Tora lebe das Volk Israel bis heute. Aus aktuellem Anlass mahnte sie, dem Antisemitismus in der neu in den Landtag gewählten AfD entschieden entgegenzutreten. Sie dankte dem Oberbürgermeister dafür, dass die jüdische Gemeinde einen Platz in der Stadt hat, und wünschte, dass die 304.805 Buchstaben der Tora Eingang in die Herzen finden. OB Dr. Jürgen Zieger erinnerte an die Schändung der Synagoge in den 1930er und -40er Jahren und dankte dem Esslinger Gemeinderat für den einstimmigen Beschluss 2012, die Synagoge der inzwischen wieder gewachsenen jüdischen Gemeinde zu übergeben. Jüdisches Leben in der Stadt habe sich wunderbar entwickelt, jetzt werde mit der Einweihung der Torarolle eine schmerzliche Leerstelle geschlossen. Alle sollten dafür eintreten, dass auch die jüdischen Mitbürger/innen ihren Glauben leben können.
Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha überbrachte die Glückwünsche von Ministerpräsident Kretschmann und betonte die Bedeutung der Torarollen-Aktion für den sozialen Frieden und Zusammenhalt. Es gelte nach vorn zu schauen, aber niemals zu vergessen. Jüdisches Leben dürfe bei uns niemals wieder infrage gestellt oder im Stich gelassen werden. Gesellschaftliche Teilhabe dürfe nicht haltmachen vor religiösen Unterschieden.
Der bereits erwähnte Initiator der Aktion, MdL Wolfgang Drexler, nannte als Motivation für seine im März 2015 gestartete Initiative die mehr als 1.300 rechtsradikalen Straftaten im Jahr. Nicht nur Geld müsse gesammelt, sondern vor allem Wissen über das Judentum in die Stadt gebracht werden. Das beste Mittel gegen Extremismus sei eine starke Bürgerschaft – Antisemitismus breite sich nur dort aus, wo die Mehrheit ihn schweigend hinnehme. Die Bürger sollten die jüdische Gemeinde in ihre Mitte nehmen und, wenn nötig, schützen.
Der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Abraham Lehrer sprach von einem fröhlichen Tag für uns alle, einem kleinen Torafreudenfest. Freude mache auch die neue jüdische Erfolgsgeschichte am Neckar. Die Wiederbelebung einer jüdischen Gemeinde erfordere viel Kraft und Geduld. Die IRGW habe ihren Glauben an den neuen Weg tatkräftig unter Beweis gestellt. Seit Jom Kippur 2011 gebe es wieder jüdische Gottesdienste in Esslingen, seit 2012 eine Synagoge, jetzt eine Tora. Drei Mal in der Geschichte der Stadt sei die jüdische Gemeinde ausgelöscht worden. Der jetzige Aufbau sei nur durch Zuwanderung möglich geworden. Heute beruhten jüdische Ängste auf nicht geahndeten feindseligen Äußerungen gegen Menschen, vorwiegend gegen Muslime. Das Erreichte müsse für die Generation der Kinder und Enkel ausgebaut werden. Sein Wunsch: dass viele Beter zur Tora aufgerufen werden mögen. Landesrabbiner Netanel Wurmser sagte: Hätten wir der jüdischen Gemeinde Esslingens im 14. Jahrhundert erzählt, was heute geschieht – niemand hätte es für möglich gehalten. Er dankte dem Sofer (Torarollenschreiber), der die Tora aus Zion, aus Jerusalem, von wo nach Jesaja 2 Tora ausgeht, mitgebracht hatte. Die erste Esslinger Gemeinde sei von einem Schüler des Maharam, des Rabbi Meir von Rothenburg, gegründet worden. Sie wurde 1348 und 1544 dann für lange Zeit zerstört. Jetzt kehrten die Buchstaben der Tora wieder geordnet nach Esslingen zurück. Der Schochet und Chasan (Vorbeter und Schächter) Josef Leon Staropolski habe den letzten Gottesdienst vor der Schoa geleitet, er wurde in Terezin (Theresienstadt) ermordet.
'Seine Seele hört mit uns mit und freut sich, dass die Buchstaben zurückkehren.' Dann erzählte der Rabbiner, in 4. Mose 17 komme eine Seuche über das durch die Wüste wandernde Volk Israel. Da sei der Hohepriester Aaron mitten hineingegangen unter das Volk:
'Er räucherte und sühnte für das Volk und stand zwischen den Toten und den
Lebenden.' Woher hatte er die Kraft dazu? Der Targum (aramäische Bibelübersetzung) sage: aus dem Gebet. Daher den Wunsch an den Ortsrabbiner: das Gebet gebe Kraft gegen alle Stürme. Im Midrasch zu Stelle stehe: Du sollst es tun für das Leben der Lebendigen. Da hörte die Plage auf. Der Landesrabbiner schloss mit den Worten, dass dies ein Tag großer Freude und Segens für die ganze Stadt sei, die Spenden seien für eine heilige Sache.
'Möge die Tora kraft der Lesung und des Gebets eine Kappara, eine Sühne für Generationen
bringen.'
Die 'Jüdische Allgemeine' berichtete in Nr. 23/2016: http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/25737/highlight/esslingen
und http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/25741/highlight/esslingen
.
Die neue Torarolle war von Rabbiner Yehuda Pushkin in
Israel in Auftrag gegeben worden. In Jerusalem hat der Sofer (Toraschreiber)
Yitzak Goldstein die Tora geschrieben. Er brachte die Torarolle persönlich nach
Esslingen. Die letzten zwölf Buchstaben der neuen Torarolle wurden bei der
Zeremonie im Alten Rathaus von Hand geschrieben.
Vorstellung der Torarolle
am Vormittag
des 7. Juni 2016 in den Räumen der
Israelitischen Religionsgemeinschaft
in Stuttgart (Fotos: J. Hahn)
In der Wochentagssynagoge der
IRG
Sofer Goldstein bringt die
Torarolle
Blick zum Toraschrein
der Wochentagssynagoge
Die Kinder
des Kindergartens der Israelitischen Religionsgemeinschaft interessieren
sich für die Tora und bekommen Erklärungen durch den Sofer
Die Präsentation wurde von einem Kamerateam des SWR
aufgenommen und am Abend in der "Landesschau" publik
gemacht
Sofer
Goldstein zeigt, wie eine Torarolle geschrieben wird; rechts die letzten
Worte der Tora aus dem 5. Buch Mose
mit den noch unvollendeten letzten Buchstaben
Die Einweihung
der Torarolle in Esslingen am Abend des 7. Juni 2016 (Fotos: Werner Meier, IRG Stuttgart)
Die Torarolle wird von
den Rabbinern empfangen
Fotos mit den
Vorstandsmitgliedern der IRGW
Ein Gebetsschal dient
als Baldachin
Auf dem Weg zum Alten
Rathaus
Ankunft der
Torarolle im Alten Rathaus
MdL Wolfgang Drexler mit
Landesrabbiner Wurmser
Landesrabbiner Wurmser
mit Minister Manfred Lucha
Drei der anwesenden Rabbiner
Reihe der Ehrengäste
Barbara Traub,
Vorstandssprecherin der IRGW
Interessiertes Publikum
Oberbürgermeister Jürgen
Zieger
Minister Manfred Lucha von der
baden-württembergischen Landesregierung
MdL Wolfgang Drexler
Abraham Lehrer vom
Zentralrat der Juden in Deutschland
Landesrabbiner Netanel
Wurmser von
der Israelitischen Religionsgemeinschaft
Rabbiner Yehuda Pushkin
Das Schreiben der
letzten Buchstaben der Tora wird vorbereitet, rechts Sofer Yitzak
Goldstein
Sorgfältigstes
Schreiben - auch der letzten Buchstaben der Tora
Mit Barbara Traub vom Vorstand
der IRG
Mit Michael Kashi vom Vorstand
der IRG
Mit OB Jürgen Zieger
Mit Susanne Jakubowski vom
Vorstand der IRG
Mit MdL Wolfgang Drexler
Mit Abraham Lehrer vom
Zentralrat
Mit Rabbiner Shneur Trebnik
Landesrabbiner Wurmser
betätigt sich selbst als Sofer
OB Zieger mit Frau Pushkin
Vor dem Rathaus warten
Zuschauer auf die Tora
Der Baldachin steht
bereit
Die Torarolle wird bis
zur Mitte eingerollt
Emporheben der Tora
durch den Landesrabbiner
Die Rolle wird mit dem
Toramantel umhüllt
Die Torakrone wird aufgesetzt
Für den Transport ist alles
bereit
Rabbiner Yehuda
Pushkin trägt die Tora unter dem Baldachin
Gang über
den Rathausplatz
Vorbei an einem
Café
Auf dem Weg zum Hafenmarkt
Auf dem
Hafenmarkt mit fröhlichem Tanz und Singen
In den Esslinger
Altstadtgassen zwischen Hafenmarkt und der Synagoge im Heppächer
Die Torarolle wird in die
Synagoge gebracht
Gäste betreten die
Synagoge
Vor der
Synagoge
Im Betsaal
Rabbiner Pushkin
Gäste betreten den Betsaal
Kantor Moses von der
IRG
Voller Betsaal
Umzüge vor dem
Toraschrein
nach Einstellen der Tora
Landesrabbiner Wurmser,
Rabbiner Puskin und Kantor Moses
Musikalische
Unterhaltung
Ausklang im Garten der
Synagoge
2019:
Jubiläumsjahr: 200
Jahre Synagoge in Esslingen 1819-2019
Rückblick
auf das Jubiläumsjahr: Artikel von Dagmar Weinberg in der "Eßlinger Zeitung"
vom 9. Januar 2020: "Die Gemeinde in die Mitte nehmen. Esslingen.
Veranstaltungsreihe zum 200-jährigen Bestehen der Synagoge 'war ein voller
Erfolg'..."
Zum Lesen des Artikels Abbildung links anklicken oder
Link zum Artikel
Artikel von Wolfgang Berger in der
"Stuttgarter Zeitung" vom 9. Januar 2020: "Synagoge in Esslingen. Zeichen
der Solidarität für die jüdische Gemeinde..."
Link zum Artikel
Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Esslingen. Geschichte, Quellen
und Dokumentation. (Esslinger Studien. Schriftenreihe Band 14). Sigmaringen
1994 (mit weiterer bis dahin erschienener Literatur). Das 1994 erschienene Buch bezieht auch die jüdische Geschichte nach 1945
bis zum Zuzug jüdischer "Kontingentflüchtlinge" aus den Ländern
der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre mit ein.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge