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Euerbach (Kreis
Schweinfurt)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(die Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth
Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In Euerbach bestand eine jüdische Gemeinde bis zur ihrer Auflösung
im Juli 1901. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück, als sich hier einige der aus Schweinfurt
im Jahr 1554 vertriebenen Juden ansiedeln konnten. Die Gemeinde
gehörte zunächst zum "Ritterschaftlichen Oberrabbinatsbezirk"
Würzburg, anschließend seit 1840/41 zum Rabbinatsbezirk Niederwerrn,
bis 1864 der Rabbinatssitz nach Schweinfurt
verlegt wurde.
Um 1800 lebten 55 jüdische
Einwohner am Ort, danach entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 68 (14,7 % von insgesamt 463 Einwohner), 1835 93 (von 450),
1867 28 (6,1 % von 458), 1880 29 (5,2 % von 560), 1890 26 (5,3 % von 492), 1900
8 (1,8 % von 437), 1910 5 (1,1 % von 436).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden die folgenden
jüdischen Familienvorstände in Euerbach genannt (bei allerdings nur vier
vorgemerkten Matrikelstellen; mit neuen Familiennamen und Erwerbszweig):
Löw Moses Schloßmann (Hausierhandel), Seligmann Burgunder (Warenhandel), Maier
Seligmann Burgunder (Schlächter und Viehhändler), Benjamin Seligmann Burgunder
(Schlächter und Viehhändler), Faust Salomon Mork (Altkleiderhandel), Jakob
Salomon Mork (Altkleiderhandel), Simon Benedikt Sternberger* (Warenhändler),
Moses Hirsch Hamburger (Lumpenhändler), Abraham Seligmann Burgunder
(Viehhändler), Salomon Oppenheimer (Warenhandel), Raphael Seligmann Thugut
(Lumpenhändler), Abraham Michel Stern (ohne Angabe zum Erwerb), Simson Joseph Strausser (Metzger).
Ohne Matrikelstelle eingetragen wurde der damalige "Judenschullehrer"
und Vorsänger Jakob Levi Bielheimer.
* "Sternberger" und nicht "Steinberger" nach Auskunft von
Elisabeth Böhrer.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (Schulhaus, heutiges Wohnhaus Kirchgasse 16), eine
Mikwe, einen
Friedhof
und ein Abstellhäuschen für den Leichenwagen (unweit des ehemaligen
Synagogengebäudes). Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert zeitweise ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Er
hatte auch die Aufgabe der Verwaltung des Euerbacher Friedhofes zu übernehmen. 1817
wird (s.o.) Lehrer und Vorsänger Jakob Levi Bielheimer erwähnt (geb. 1785,
gest. 1838). Aus dem Jahr 1869 liegt noch eine Anzeige zur Ausschreibung der Stelle
auf Anfang 1870 vor (siehe unten). Der 1884 genannte Lehrer J. Lewinsohn (siehe
unten) dürfte der letzte Lehrer in Euerbach gewesen sein.
Die am Ort noch wohnhaften jüdischen
Personen gehörten seit Ende des 19. Jahrhunderts beziehungsweise nach der
endgültigen Auflösung der Gemeinde Euerbach zur jüdischen Gemeinde im
benachbarten Obbach.
1933 und auch 1935 lebten noch zwei jüdische Personen am Ort. Von den vier jüdischen
Frauen, die Anfang 1942 noch in Euerbach lebten, wurde eine am 22. April über
Würzburg in das Vernichtungslager Izbica/Krasniczyn
bei Lublin (Polen) gebracht; die übrigen drei kamen am 10. September in das
Ghetto Theresienstadt.
Von den in Euerbach geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Caecilia Blank (1903), Jette Blank (1860), Regina Blank
(1865), Sabine Blank (1868), Moritz (Moses) Hamburger (1875, wohnhaft in
München).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1869
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Oktober 1869:
"Offene Lehrerstelle.
Vom 1. Januar 1870 an, ist die
Religionslehrer-, Vorsänger- und Schächterstelle, verbunden mit der
Begräbnisverwaltung von Euerbach-Geldersheim erledigt; nach der Faision
trägt die Stelle 387 Gulden 30 Kreuzer ein. Es sind jedoch noch
bedeutende Nebeneinkünfte mit der Stelle verbunden. Religiös befähigte
Bewerber wollen sich persönlich an den Unterzeichneten mit ihren
Zeugnissen wenden. Verheiratete Bewerber werden bevorzugt. Reisekosten
werden nicht vergütet. Euerbach am 12. Oktober 1869. Juda Schloss,
Kultusvorstand." |
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Ergänzende
Anzeige in "Der Israelit" vom 3. November 1869: "Auf die
Anonnce in Nr. 42 des 'Israelit' vom 20. Oktober dieses Jahres, die
Religions- und Vorsängerstelle Euerbach-Geldersheim betreffend, wird
erwidert: Das einseitige Ausschreiben des Kultusvorstandes Juda Schloss in
Euerbach ist ungesetzlich verfrüht, da von der Kultusgemeinde Geldersheim
ein Gesuch an hohe königliche Regierung von Unterfranken, um Errichtung
einer eigenen Schulstelle, eventuell die Verlegung des Sitzes des Lehrers
von Euerbach nach Geldersheim eingereicht wurde, bisher aber eine
Entscheidung noch nicht erfolgt ist.
Geldersheim im Oktober 1869. Jakob Weichselbaum,
Kultusvorstand." |
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Während 1869 nach der obigen
Ausschreibung die Begräbnisverwaltung (des Bezirksfriedhofes
in Euerbach) noch mit der Lehrerstelle verbunden war, wurde dieses Amt
1901, nachdem es vermutlich seit 1884 keinen Lehrer mehr in Euerbach gab,
separat - in möglicher Verbindung mit dem Amt des Schochet -
ausgeschrieben: |
Ausschreibung der Stelle eines Begräbnisverwalters (1901)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1901: "Die
Stelle eines Begräbnisverwalters in Euerbach, bei Schweinfurt,
Unterfranken, mit einem Gehalt von Mark 200 nebst ca. Mark 200
Nebenverdienst und freier Wohnung ist zu besetzen. Auch könnte die Stelle
als Schochet mit einem Ertrag von beiläufig Mark 200 übernommen werden.
Bewerber, welche deutsche Reichsangehörige sein müssen, wollen sich an
Unterzeichneten wenden.
Niederwerrn bei Schweinfurt, 21.
April.
S. Grünebaum, Kultusvorstand." |
Bericht von 1934
In
einem jüdischen Reisebericht durch Unterfranken aus dem Jahr
1934 wird Euerbach unter den "ganz ausgestorbenen" jüdischen Gemeinden erwähnt:
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
September 1934:
"So sind die jüdischen Gemeinden in Bonnland,
Bischwind, Werneck,
Euerbach und in anderen Orten ganz ausgestorben.
In langsamer Fahrt durchquere ich diese Dörfer. Ich suche nach einstigen
jüdischen Häusern und finde sie. Auch wenn ich nicht die Stelle am Türpfosten
sehe, wo früher die Mesusah befestigt war. Vor solchen Häusern schlägt mein
Gefühl aus wie die Wünschelrute, wenn sie auf wertvolle Erzadern stößt. Mein
sicheres Gefühl sagt mir deutlich, dass dort jüdisches Leid gewohnt und da in
stiller Freude Sabbatruhe gehalten wurde. Die alten Zeiten rühren mich
geisterhaft an. Und mein Blick trübt sich und mein Herz flattert." |
Zur Geschichte der Synagoge
Bereits um 1880 haben die jüdischen
Einwohner von Euerbach die Gottesdienste im Nachbarort Geldersheim
besucht, da die nötige Zehnzahl jüdischer Männer am Ort (Minjan) nicht mehr
erreicht wurde (siehe Bericht unten). Die in Euerbach vorhandene Synagoge
wurde nach den Forschungen von Elisabeth Böhrer im Oktober 1904 an Privatleute
verkauft.
Besuch der Gottesdienste in Geldersheim
(1884)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1884: "Euerbach
(Bayern), 8. Dezember 1884: "Gestatten Sie mir, sehr geehrter Herr
Redakteur, Ihnen einige Zeilen zuzusenden, mit der Bitte, denselben
gefällige Aufnahme in Ihr geschätztes Blatt gewähren zu wollen, als ein
Beispiel für die Herren Kollegen.
Der Sachbestand ist folgender: Unser Gottesdienst am Schabbat und dem
Versöhnungstag findet im Orte Geldersheim statt, wo unsere
schulpflichtigen Kinder dem Gottesdienste beiwohnen. Da sie deshalb die
Elementarschule versäumen, so brachte der hiesige Kuratus, respektive
Lokal-Schulinspektor dies zur Anzeige. Es wurde mir daraufhin seitens der
königlichen Staatsanwaltschaft eine Strafverfügung von 5 Mark
zugeschickt, da ich jedoch Einspruch erhob, so kam es am 5. September
dieses Jahres im königlichen Amtsgericht zu Schweinfurt zur öffentlichen
Verhandlung, wo ich nicht nur von der Strafe freigesprochen wurde, sondern
auch entschieden wurde, dass die Kinder an gewöhnlichen Sabbattagen den
Gottesdienst besuchen dürfen, obwohl sie die Elementarschule versäumen.
Der Herr Oberamtsrichter sagte ausdrücklich zum Herrn
Lokal-Schulinspektor, dass der Sabbat bei den Israeliten so gut geheiligt
werden darf, wie bei den Christen der Sonntag. J. Lewinsohn,
Religionslehrer." |
Belegbare Recherchen von Elisabeth Böhrer haben ergeben, dass das Schulhaus und die Synagoge keinesfalls
- wie in einigen Beiträgen zu lesen ist - abgerissen wurden. Die Synagoge erhielt
lediglich einen Anbau.
Adresse/Standort der Synagoge: Kirchgasse 11
Foto
Gebäude der ehemaligen
Synagoge und Leichenwagen-Häuschen
(Fotos links und rechts: Elisabeth Böhrer, Aufnahmedatum 31.3.2010
bzw. 13.2.2008; Foto
Mitte: Hahn, Aufnahmedatum
9.4.2007) |
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Blick auf das ehemalige
Synagogengebäude,
das bereits in den 1920er-Jahren zu
einem Wohnhaus
umgebaut wurde |
Links ein Teil des ehemaligen Abstellhäuschens
für den Leichenwagen
der jüdischen Gemeinde;
im Hintergrund der Anbau an das
ehemalige
Synagogengebäude |
Das ehemalige Abstellhäuschen
für den
Leichenwagen der jüdischen Gemeinde;
eine am Gebäude früher
angebrachte
Hinweistafel wurde mehrfach gestohlen |
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Gebäude der
ehemaligen
jüdischen Schule
(Foto: Elisabeth Böhrer,
Aufnahmedatum 31.3.2010) |
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Auch das
frühere jüdische Schulhaus
(Kirchgasse 16) wurde - wie das
Synagogengebäude - zu einem
Wohnhaus umgebaut |
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Einzelne
Presseberichte
Februar
2014: Auf den Spuren der jüdischen
Kindheit |
Artikel von Hannes
Helferich in der "Main-Post" vom 20. Februar 2014: "Auf
den Spuren einer jüdischen Kindheit.
Mark Dornhelm aus den USA besuchte die Orte, an denen seine Vorfahren gelebt haben
Es war keine leichte Reise – und es gab viele bewegende Momente: 1937 konnte Mark Dornhelms Mutter Emmy in die USA fliehen und entkam so dem Holocaust. Nun besuchte der 69-jährige Mark die Orte der Kindheit seiner Mutter.
Emmy ist 1914 in Schweinfurt geboren, als zweites Kind von Jakob und Paula Rosenstock. Bis 1940 gelang der kompletten Familie die Flucht nach Amerika. Emmy Rosenstock heiratete in den USA Salomon Dornhelm. Sohn Mark wurde 1945, sein Bruder Richard 1943 geboren. Diese Woche besuchte Mark erstmals Schweinfurt. Abstecher unternahm er auch nach Schwanfeld und
Euerbach, den Wohnorten der Vorfahren..."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 290. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 50-51; 1992² S. 55-56. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 246. |
Euerbach Lower Franconia, Germany. A Jewish
community existed in the early 17th century and numbered 68 in 1816 (total 463).
Few Jews remained in the 20th century. The cemetery was destroyed by Hitler
Youth in November 1938 and the four Jews women remaining in Euerbach 1942 were
deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and to the Theresienstadt
ghetto.
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