Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht
"Synagogen in Unterfranken"
Niederwerrn (Kreis
Schweinfurt)
Jüdische Geschichte / Synagoge / jüdisches Schulhaus
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherrn von Münster
gehörenden Niederwerrn bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Ihre Entstehung
geht in die Zeit des 16./17. Jahrhunderts zurück. Erstmals wird eine jüdische
Gemeinde in Niederwerrn 1672 im Zusammenhang mit dem jüdischen Friedhof in Euerbach
genannt, auf dem auch die in Niederwerrn verstorbenen Juden beigesetzt wurden.
Die Gemeinde
gehörte zum "Ritterschaftlichen Oberrabbinatsbezirk" Würzburg (Sitz
in Heidingsfeld), war jedoch seit dem 17. Jahrhundert Sitz eines
Unterrabbiners der Würzburger Ritterschaft. Unter den Rabbinern sind
u.a. zu nennen:
- Moses Aaron aus Krakau (ließ sich 1696 in der
Schweinfurter evangelischen St.-Johannis-Kirche taufen, nachdem er einige Zeit
Hebräischlehrer des Schweinfurter Stadtpfarrers war).
- Samuel Wolf (geb. um 1740 in Oettingen, gest. 1790 in
Heidingsfeld): war von etwa 1765 bis 1785 Rabbiner, Hoffaktor und Vorgänger der
ritterschaftlichen Judenschaft; lebte seit 1785 in Heidingsfeld.
- Ascher Löw ben Aryeh Löb (geb. 1754 in Minsk, gest. 1837 in
Karlsruhe), war 1783 bis 1785 als Schwiegersohn von Samuel Wolf Rabbiner in
Niederwerrn, seit 1785 Rabbiner in Wallerstein, seit 1809 badischer Oberrabbiner
in Karlsruhe. Siehe Bericht auf der Seite
zu den Rabbinern in Karlsruhe.
- Meyer Zeckendorf, Joseph Gugenheimer, Mendel Jacob, Hirsch
Fürther: über diese Rabbiner ist, die zwischen ca. 1785 und ca. 1824 in
Niederwerrn einige Zeit tätig gewesen sein sollen, ist nur wenig bekannt.
- Isaak Werner (geb. in Niederwerrn, gest. 1836 in Würzburg): ab 1808
"Aktuar" des in Heidingsfeld,
seit 1814 in Würzburg residierenden Oberrabbiners Abraham Bing genannt, zwischen
1817 und 1831 wird er als Rabbiner bei Trauungen in Niederwerrn genannt, nahm
möglicherweise noch weitere Rabbinatsfunktionen wahr.
1841 wurde Niederwerrn Sitz eines Distriktrabbinates
(s.u.).
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt:
1816 265 jüdische Einwohner (39,3 % von insgesamt 675), 1836 etwa 300 (40 % von
775), 1867 207 (30,5 % von 678), 1880 197 (27,0 % von 729), 1890 178 (25,1 % von
710), 1900 140 (18,9 % von 740). Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehörten
auch die im benachbarten Geldersheim
lebenden jüdischen Personen zu Niederwerrn.
Bei der Erstellung der Matrikelliste 1817 werden in Niederwerrn die
folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (es ist nicht klar, wie viele
tatsächlich Matrikelinhaber geworden sind; Angaben mit neuen Familiennamen und
Erwerbszweig): Aron Haium Heinemann (Schmuser), Baruch Martel Gutmann
(Viehhändler, Baruch Jakob Levi Heßlein (Schmuser), Hirsch Haium Fürther
(Warenhändler), Haium Samuel Kohnstamm (Viehhändler), Hirsch Nihm Dreschfeld
(Viehhändler, Landesvorgänger), Haium Samuel Maiblum (Schmuser), Isaac Schmey
Nordschild (Viehhändler), Jakob Aron Theilhaber (Viehhändler), Herz Jakob
Mänl Maulmann (Warenhändler), Jakob Haium Heinemann (Schmuser), Joseph Haium
Mühlstein (?, Viehhändler), Isaac Maier Maibrunn (Schlächter), Isaac Kusel
Weiler (Schmuser), Löw Mayer Grünbaum (Hausierhandel), Lippmann Samuel Elson
(?, Uhrmacher), Joachim Leser Werner (Warenhändler), Maier Jakob Kohnstamm
(Warenhändler), Jüdlein Männlein Frankfelder (Viehhändler), Mendel Maier
Kohnstamm (Warenhändler), Joseph Schmey Nordschild (Warenhändler), Seligmann
Anschel Anschild (Warenhändler), Samuel Itzig Nordschild (Viehhändler), Simon
Kusel Weiler (Viehhändler), Sußmann Lämlein Ballin (Viehhändler), Lämlein
Sußmann Ballin (Viehhändler), Abraham Itzig Nordschild (Viehhändler), Nihm
Hirsch Dreschfeld (Viehhändler), Löw Nathan Weiler (Metzger), Abraham Samuel
Rosenstrauß (Viehhändler), Hona Jüdlein Wehrmann (o.A.), Daniel Seligmann
Ullmann (Kleiderhändler), Isaac Samuel Schatzmann (Warenhändler), Jakob Löb
Steinheimer (Viehhändler), Löw Jacob Steinheimer (Viehhändler), Löb Schmul
Maiblum (Warenhändler) Israel Schlom Friedenthal (Warenhändler), Hirsch Faust
Silberschmidt (Warenhändler); Witwe von Aron Haium Kohnstamm (Viehhandel),
Haium Mendel Kohnstamm (o.A.) Isaac Faust Silberschmidt (Schmuser) Isaac Haium
Kohnstamm (Schmuser), Itzig Abraham Rosenstrauß (Viehhändler), Itzig Löb
Hirschbringer (o.A.), Löb Salomon Kronacher, Löb Haium Kohnstamm
(Warenhändler), Mordechai Itzig Nordschild (Warenhändler), Mendel Jakob
Bamberger (Familienname nicht: Ballin wie bei Rosenstock, Korrektur
von E. Böhrer; eine Berufsbezeichnung wird zu Bamberger in der
Matrikelliste nicht genannt), Männlein Lämmlein Ballin (Viehhändler), Märlein, Witwe von Maier
David Grünebaum (Warenhandel), Moses Maier Hammelburger (Schmuser), Nathan
Kusel Weiler (Schmuser), Jud Wolf Wolfing (Warenhändler), Witwe von Samuel
Geldersheim (Warenhandel), Schmul Itzig Kohn (Viehhändler), Samuel Lippmann
Lion (Warenhändler), Samuel Haium Kohn (Schmuser), Simon Jakob Simon
(Warenhändler), Simon Moses Weglein (o.A.).
Die meisten jüdischen Familien lebten noch im 19. Jahrhundert in Häusern im
Bereich des Altortes, das heißt rund um die heute nicht mehr bestehende
"Wiesenburg", die Residenz der Freiherren von Münster) und ihrer
Patronatskirche.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Elementar- beziehungsweise Religionsschule und ein rituelles Bad. Die
Toten der jüdischen Gemeinde wurden in Euerbach
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war (im 19.
Jahrhundert neben dem zeitweise am Ort befindlichen Rabbiner) ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. An jüdischen
Lehrern waren u.a. am Ort: Gabriel Hirsch Friedmann (ca. 1840 - 1863), Samuel Kahn (1871 - 1891), Samuel Massenbacher
(1891 - 1924), danach David Banda (bis 1927) und Julius Neuberger.
Niederwerrn wurde 1841 Sitz eines Distriktsrabbinates. Der langjährige
Distriktsrabbiner Mayer
Lebrecht war seit 1840 unterfränkischer Distriktsrabbiner für 2.767 Juden mit
Sitz in Obbach. Unmittelbar vor seiner Wahl
wurde zur Finanzierung des Distriktsrabbinates 1840 ein Distriktsrabbinatsfond
gegründet. Die jüdische Gemeinde Niederwerrn erklärte sich hierauf bereit, 30
Jahre lang pro Jahr von jedem Familienhaupt 1/2 Gulden an diesen Fond
abzuführen, wenn der Rabbinatssitz anstatt nach Obbach, wie es zuerst von der
Königlichen Regierung vorgesehen war, nach Niederwerrn gelegt würde. Hierauf
wurde Niederwerrn der Vorzug gegeben, zumal der Ort günstiger gelegen war.
Distriktsrabbiner Mayer Lebrecht hatte mit dem Umzug nach Niederwerrn vermutlich
keine Probleme, da er 1841 Karoline Dreschfeld heiratete, die Tochter des Jeidel
Dreschfeld aus Niederwerrn. 1864 erfolgte nach einer Abstimmung im
gesamten Rabbinatsbezirk die Verlegung des Sitzes des Distriktsrabbinates nach Schweinfurt (Verlegung mit Wirkung
vom 1. November 1864).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Hugo Gutmann
(geb. 15.2.1888 in Niederwerrn, gef. 27.4.1918), Siegfried Gutmann (geb.
11.1.1887 in Niederwerrn, gef. 31.3.1915), Siegfried Hammelburger (geb. 1.7.1892
in Niederwerrn, gef. 22.5.1917), Unteroffizier Siegfried Massenbacher (geb.
11.6.1886 in Miltenberg, gef. 15.7.1918). Außerdem sind gefallen: Gustav
(Justin) Gutmann (geb. 29.10.1891 in Niederwerrn, vor 1914 in Schweinfurt
wohnhaft, gef. 13.3.1915) und Gefreiter Sally Nordschild (geb. 4.2.1888 in
Niederwerrn, vor 1914 in Schweinfurt wohnhaft, gef. 30.9.1915, Foto des
Grabsteines siehe unten). Die Namen stehen
- außer dem Namen von Sally Nordschild - auf einem nach 1945 errichteten
Kriegerdenkmal für die Gefallenen beider Weltkriege auf dem Friedhof der
Gemeinde unterhalb der
Leichenhalle.
Um 1924, als etwa 40 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (4,6 % von
870), waren die Vorsteher der Gemeinde Salli Gutmann, Leopold Weiler,
Felix Rosenberger, Jacob Hesslein und Simon Hammelburger. Als Kantor und Lehrer
wird David Bauda (oder Banda?) genannt. 1932 waren die Gemeindevorsteher Salli Gutmann (1.
Vors.), Simon Hammelburger (2. Vors.) und Felix Rosenberger (3. Vors.). Lehrer
war inzwischen Julius Neuberger. Er hatte damals noch zwei jüdischen Kindern
den Religionsunterricht zu erteilen und war ansonsten Vorbeter und Schächter
der Gemeinde. An jüdischen Vereinen gab es vor allem den Verein Chewroth
(Arbeitsgebiete: Wohlfahrtspflege, Bestattungswesen; 1932 unter Vorsitz von
Felix Rosenberger) und den Israelitischen Frauenverein (Zweck:
Wohlfahrtspflege 1932 unter Leitung von Frau B. Weiler),
In der NS-Zeit gab es bereits im November 1934 Übergriffe gegen die
jüdische Bevölkerung. Damals wurden in vielen jüdischen Häusern der Gemeinde
die Fenster eingeschlagen. Auch am 21. Juli 1935 wurden Holzklötze in ein
Wohnhaus geworfen, wobei eine jüdische Frau Verletzungen erlitt. Wiederum
wurden Anfang 1938 Fenster jüdischer Häuser zertrümmert. Beim Novemberpogrom
1938 gab es schwere Ausschreitungen, bei denen die meisten jüdischen Häuser
zerstört und geplündert, eine jüdische Frau vergewaltigt und eine 70jährige
Frau im Beisein einer großen Menge überfallen und in den Werrnbach gestoßen
wurde.
Zwischen 1934 und 1940 verließen 39 jüdische Einwohner den Ort. Im Februar
1942 wohnten noch neun Juden in Niederwerrn, die im April 1942 über Würzburg
in das Vernichtungslager Izbica (bei Lublin/Polen) beziehungsweise im September
1942 über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden.
Von den in
Niederwerrn geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Bella Ackermann geb. Steinheimer (1891), Jakob Ackermann
(1875), Karlheinz Ackermann (1932), Jeanette Bildstein geb. Stern (1867),
Jeanette Blumenthal geb. Sonnenberger (1873), Flora Gärtner (1870), Hugo
Gärtner (1867), Adolf Gottlob (1874), Felix Gottlob (), Hans Gottlob (), Robert
Gottlob (), Therese (Theresia) Gottlob geb. Lippmann (auch Liebman, 1875), Isidor Gutmann (1882), Nathan
Gutmann (1882), Max Hammelburger (1898), Rosa Hammelburger (1884), Siegbert
Hammelburger (1895), Simon Hammelburger (1859), Pauline Hanauer geb. Steinheimer
(1874), Betty Heilbrunn geb. Steinheimer (1883), Luise
Hesslein geb. Eckstein (1878), Pauline Katzenstein geb. Gutmann (1883), Jeanetta
Lehmann geb. Hammelburger (1887), Heinrich Lion (1879), Rosa May geb. Dreschfeld
(1873), Emma Ramsfelder geb. Gottlob (1908), Betta Rothschild geb.
Nordschild (1878), Betti Rosendorf geb. Steinheimer (1870), Bella Rothschild
geb. Nordschild (1878), Clara Schatzmann (1862), Klara Schloss geb. Grünebaum
(1869), Lina Simon geb. Teilhaber (1876), Jakob Steinheimer (1872), Rosa Steinheimer
(1870), Bela Theilhaber (1938), Gilda Theilhaber geb. Moritz (1904), Harry
Theilhaber (1900), Ingeborg Theilhaber (1933), Hedwig Wohlmuth geb. Steinheimer (1881), Selma Zander geb. Steinheimer
(1879).
1950/51 wurden zwölf der an den Ausschreitungen beim Novemberpogrom 1938
Beteiligten vor Gericht gestellt. Vier erhielten Gefängnisstrafen von acht
Monaten bis zu einem Jahr, die anderen wurden freigesprochen.
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über Rabbiner Ascher Löw (1754-1837, Rabbiner in
Niederwerrn von 1783 bis 1785; siehe Berichte auf der Seite
zu den Rabbinern in Karlsruhe
Über Rabbiner Mayer Lebrecht (1808-1890, Rabbiner in
Niederwerrn von 1841 bis 1864)
Meyer Lebrecht (geb. 1808 in Memmelsdorf,
gest. 1890 in Schweinfurt): studierte in Würzburg; 1836 Gesuch um
Rabbinatsbildung in Unterfranken; am 11. Juni 1840 wurde Lebrecht
Distriktsrabbiner (zunächst in Obbach); von
Rabbiner Lazarus Adler am 28. Juni 1841 in Schwanfeld
getraut mit Karoline Dreschfeld aus Niederwerrn, wohin der
Rabbinatssitz nach kurzzeitigem Sitz in Obbach
1841 verlegt wurde (Hinweis von Elisabeth Böhrer: bereits im
Heiratseintrag ist von Niederwerrn als Wohnsitz die Rede; Niederwerrn
war bereit, 30 Jahre lang pro Jahr von jedem Familienhaupt 1/2 Gulden an
den 1840 gegründeten Distriktsrabbinatsfond abzuführen, wenn der
Rabbinatssitz anstatt nach Obbach, nach Niederwerrn gelegt würde). 1864 erneute Verlegung des
Rabbinatsitzes nach Schweinfurt.
Meyer Lebrecht befürwortete gemäßigte Reformen. Er soll Großvater
mütterlicherseits des amerikanischen Finanzministers Henry Morgenthau Jr.
(1891-1967) gewesen sein**, der 1944 den nach ihm benannten Plan zur Deindustrialisierung
Deutschlands ausarbeitete. |
**Hinweis von Elisabeth Böhrer: Trotz
intensiver Bemühungen und Vorlage des derzeit aktuellen Stammbaums gibt
es noch keine Beweise für diese Aussage. Es ist eventuell eine
Verwechslung mit seinem Urenkel Max Köhler, der der 3. Rabbiner in Schweinfurt
war. Das kann zweifelsfrei bestätigt werden. |
|
Über die
"gemäßigten Reformen" von Rabbiner Mayer Lebrecht (1859)
Hinweis: der in der liberal geprägten "Allgemeinen
Zeitung des Judentums" erschienene Artikel enthält eine herbe Kritik
an den orthodoxen Rabbiner Unterfrankens, insbesondere den als
"Oberprior" bezeichneten Würzburger Raw Seligmann Bär
Bamberger.
sowie über die Erfolge seines Zöglings, des Medizinstudenten Hirsch
Silberschmidt (zu diesem auch weiterer Bericht unten von
1885) |
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Januar 1859:
"Unter den auf die vorjährigen Preisfragen der Universität zu
Würzburg eingeladenen Arbeiten wurde in der medizinischen Fakultät die
des cand. med. Hirsch Silberschmidt von Niederwerrn (Unterfranken)
als preiswürdig erkannt. Herr Silberschmidt, der Sohn unbemittelter
Eltern, verdankt seine geistige Ausbildung vorzüglich Herrn
Distrikts-Rabbiner Lebrecht in Niederwerrn.
Bei dieser Gelegenheit kann auch nicht unerwähnt bleiben, wie Herr
Rabbiner Lebrecht unablässig bemüht ist, in den Gemeinden seines
großen Distrikts einer gemäßigten Reform Bahn zu brechen, die wohl
nirgends mehr als in Unterfranken am Platze ist. Obwohl nun dieser
Distrikt nicht nur von den treuesten Anhängern des Würzburger Muckertums
ganz umzingelt ist, sondern auch in vielen Gemeinden selbst viele Anbeter
des Ordenspriors birgt, die das Judentum nur nach der Länge der Zizit,
der Größe der Kapseln an den Tefilin und dem Schaukeln und Schreien beim
Gebete bemessen, so sind seine Bemühungen doch nirgends vergeblich
gewesen." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers / Vorbeters /
Schochet 1924
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juni 1924: "Die
israelitische Kultusgemeinde Niederwerrn sucht für den durch das Ableben
ihres Hauptlehrers Massenbacher frei gewordenen Posten des Kultusbeamten
einen geeigneten verheirateten Nachfolger bei entsprechender, zu
vereinbarender Besoldung, eventuell in Anlehnung an die
Reichsbesoldungsordnung. Geräumige Wohnung mit Garten vorhanden. In
Betracht käme auch ein gesunder, noch dienstfähiger Beamter des Ruhestandes.
Bewerbungen mit beglaubigten Zeugnisabschriften sind zu richten an den israelitischen
Kultusvorstand Salli Gutmann, Niederwerrn bei Schweinfurt." |
Über Lehrer Gabriel Hirsch Friedmann (1805-1863, Lehrer
in Niederwerrn von ca. 1840 bis 1863)
Gabriel Hirsch Friedmann (geb. 1805 in Memmelsdorf,
gest. 9. Januar 1863 in Niederwerrn): lernte an den Jeschiwot in Fürth
und in Würzburg; ließ sich in Würzburg (Studium an der Universität)
zum Rabbiner ausbilden; 1837 ordiniert von Rabbiner Abraham Bing; 1839 bis
1840 war er Rabbinatsverweser in Würzburg. Da er keine Rabbinerstelle
bekam, unterzog er sich dem Examen für das Schullehramt und wurde
Oberlehrer in Niederwerrn. Von Rabbiner Lebrecht wurde er am 18. Mai 1842
mit Riffka Steinheimer aus Niederwerrn getraut. |
Zum Tod des Lehrers Samuel Kahn 1891 (Lehrer in Niederwerrn von 1871 bis 1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Februar 1891:
"Niederwerrn (Bayern), Januar (1891). Unsere Gemeinde ist in tiefe
Trauer versetzt worden. Sie hat ihren langjährigen Lehrer und Leiter
verloren, sie hat einen treuen Berater, einen guten Freund eingebüßt.
Herr Elementarlehrer Samuel Cahn hat am 17. Schebat nach
mehrwöchentlichem Leiden im Alter von 82 Jahren uns verlassen. Im Jahre
1808 in Kleinbardorf geboren, wurde er von seinem Vater, der ein sehr
gottesfürchtiger Mann und ein bedeutender Toragelehrter gewesen, in der
Wissenschaft unserer heiligen Religion unterwiesen und zum Lehrfache
bestimmt. Mit einem reichen Fond talmudischen Wissens, den man leider
heute immer seltener auf dem Lande antrifft, trat er in die Lehrpraxis
ein, nachdem er das Lehrerseminar in Würzburg absolviert hatte, und volle
50 Jahre hat der pflichttreue Mann in seinem Berufe ausgehalten. Zuerst
war er zwei Jahre als Lehrer in Rieneck tätig, alsdann 9 Jahre in
Kleineibstadt, hierauf 19 Jahre in Altenschönbach, wo er gleichzeitig die
Funktion eines Religionslehrers in dem Zuchthause in Klosterbrach
ausübte, schließlich wurde er von der Regierung als Elementarlehrer nach
unserer Gemeinde versetzt, wo er 20 Jahre tätig gewesen.
Wahrlich unsere Gemeinde betrachtete es damals als ein Glück, dass gerade
Samuel Cahn ihr Lehrer wurde. Denn seit langer Zeit war Niederwerrn die
Heimstätte bedeutender Lamdonim gewesen; nachdem nun in dem
Rabbinatskandidaten J. Friedrich - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen -, der die Stelle des Lehrers inne hatte, einer der letzten zu Grabe
getragen, und auch der Rabbinatssitz endgültig nach dem benachbarten
Schweinfurt von der Königlichen Regierung verlegt worden war, war man
froh, in Samuel Cahn einen streng seminaristisch gebildeten Lehrer
bekommen zu haben, der auch im Gebiete der Tora und des Talmuds kein
Fremdling war. Und er verstand es auch den reichen Schatz seiner
Midraschkenntnisse in populärer, anziehender Form in seinen
Lehrvorträgen, deren er an jedem Sabbat drei hielt, seiner Gemeinde
zugänglich zu machen, die stets mit gespannter Aufmerksamkeit seinen Erklärungen
lauscht. Er war ein pflichttreuer Mann, der - und das muss besonders
hervorgehoben werden - in seiner Schule über den Elementarunterricht
niemals den Religionsunterricht vergessen hat, der oft genug die für den
Unterricht vorgeschriebene Stundenzahl |
überschritten
hat. Er war ein freundlicher, sanftmütiger Mann, der vor allem auch bei
seinen nichtjüdischen Mitbürgern einen hohen Graf von Beliebtheit sich
zu erringen verstand. Er war ein wohltätiger Mann, der nicht nur gerne
gab, sondern vor allem ohne Aufsehen spendete.
Und dass man von diesem seinem Werte allgemein durchdrungen, das bewies
unumstößlich sein Leichenbegängnis. Seit den hohen Festtagen litt der
Verstorbene an einer heftigen Gelbsucht, die zu überwinden seine Kräfte
nicht mehr ausreichten. Er reichte bei der Königlichen Regierung sein
Ruhegesuch ein; aber bevor diese sie ihm bewilligt hatte, hat ihn Gott zu
einer ungestörten Ruhe abberufen. An seinem Leichenbegängnisse
beteiligten sich nicht nur die jüdische Gemeinde, sondern auch die
christliche Bevölkerung des Ortes, die Freunde aus Nah und Fern, die
Amtskollegen der ganzen Umgegend. Beim Abschied vom Hause sprach zuerst
Herr Distriktsrabbiner Dr. Stein aus Schweinfurt in wenigen Worten, dass
die Gemeinde, wie sie dem Toten bei seinem Einzug vor 20 Jahren ein Baruch
Ata beworech (Gesegnet seist du bei deinem Kommen!) zugerufen, ihm
heute ein wehmutsvolles Uwaruch ata bezetcha (und gesegnet seist du
bei deinem Weggehen!) zugerufen berechtigt sei, nachdem der Verstorbene
die Krone des guten namens sich erworben habe. Herr
Distriktsschulinspektor Dr. Kranpold schilderte im Anschluss an Hiob 5,26
die Erfolge seiner Lehrtätigkeit, Herr Pfarrer Hellmut auf Grund Sprüche
10,7 seine große Beliebtheit bei den Angehörigen aller Konfessionen. Am
Grabe zu Euerbach schilderte Herr Dr. Stein in längerer Rede die Schwierigkeit
des Lehrberufes, besonders in unserer Zeit, wo der Zwiespalt zwischen
Schule und Haus bereits auch auf dem Lande sich geltend mache, und wies
darauf hin, dass die bloße Tatsache einer 50jährigen Tätigkeit in
diesem Amte dem Verstorbenen den Danke der Gemeinde sichere.
Hoffen wir, dass die Königliche Regierung, die alle Zeit auf die
berechtigten Wünsche der Gemeinde Rücksicht nimmt, uns einen Mann senden
wird, der auch nach seiner religiösen Bildung einen vollwertigen Ersatz
für Samuel Kahn bietet. Dem Verstorbenen wird die Gemeinde zu allen
Zeiten ein dankbares Andenken bewahren! Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens."
|
Anmerkung: Nachfolger von Samuel Kahn
wurde Samuel Massenbacher, der zuvor (seit 1876) Lehrer in Miltenberg
war und in Niederwerrn bis zu seinem Tod 1924 wirkte. Ein Bericht zu
Samuel Massenbacher wurde noch nicht gefunden. |
Lehrer David Banda verlässt Niederwerrn (1927)
Anmerkung
(Angaben auf Grund der Recherchen von Elisabeth Böhrer): Lehrer
David Michael Banda ist am 21. August 1902 geboren. Er war bis 1927
(vermutlich seit 1924) jüdischer Lehrer in Niederwerrn, danach bis 1934 Lehrer in
Demmelsdorf. David Banda war verheiratet mit Ricka geb.
Kannenmacher (geb. 9. Oktober 1906 in Obbach). Die beiden hatten drei Kinder (alle
drei in der Entbindungsanstalt in Bamberg geboren): Liddi (1928), Paul
(1929), Helmut (1929). Familie Banda lebte bis 1934 in Demmelsdorf. Die
ganze Familie ist nach der Deportation ermordet worden.
Nachweisbar ist die Familie nach 1934 durch Schriftwechsel der Mutter Ricka
geb. Kannenmacher, die am 4. August 1937 in Brünn eine Vollmacht erteilte. Aus
einem weiteren Schriftstück ist ersichtlich, dass die Kantorsehegattin am 19.
Juni 1939 in Prostejow, damaliges Projektorat Böhmen-Mähren, wohnhaft ist.
Mitteilungen
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7.
Januar 1927: "Kantor Banda in Niederwerrn übernimmt die
Stelle Demmelsdorf - Scheßlitz." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der
Gemeinde
Über Löb Kent: geb. um 1760 in Niederwerrn, Bankier
in London, Stifter der Synagoge in Niederwerrn
Artikel
aus der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1.
September 1934: "Löb Kent.
Von ihm erzählt eine wahre Geschichte,
die ein Märchen sein könnte. Um 1760 wurde er in Niederwerrn geboren.
Die ewige Sehnsucht nach dem Unbekannten trieb ihn in die Weite.
Vielleicht auch die Verpflichtung, sein erlerntes Handwerk zuerst da
draußen zu erproben. So kam er nach Amsterdam, sieht im Hafen die
mächtigen Kauffahrtenschiffe und verfällt, auf einem Heringsfass
sitzend, in Träume von Reichtum und Geltung. Da hört er die
durchdringende Stimme des Taxators, der die seit längerer Zeit
überfälligen Schiffe an den Meistbietenden abzusetzen sucht. Die wenigen
Gulden sollten der letzte Ertrag des vom Reeder bereits verloren gegebenen
Seglers sein. Die reiche Ladung aus der ostindischen Inselwelt hatte der
Schiffsherr längst abgeschrieben.
'Überfällig die 'Johanna Elisabeth', mit Zimt und Pfeffer geladen! Wer
bietet?' Löb Kent greift in die Tasche, bietet deren ganzen Inhalt: 3
Gulden. Und steigert und erhält die überfällige 'Johanna Elisabeth'.
Vom Morgengrauen bis zum sinkenden Abend sitzt nun Löb Kent draußen am
Hafeneingang und wartet auf 'sein' Schiff. Drei Tage später läuft sie
ein, die stolze 'Johanna Elisabeth', vollbeladen mit Zimt und anderen
wertvollen Gewürzen von den niederländischen Inseln.
Löb Kent gründet in London ein Bankhaus. Er zweigt von seinem Reichtum
eine Summe ab und lässt im Jahre 5546 (1785/86) - so weist es der
Erinnerungsstein an der Außenwand aus - in Niederwerrn eine Synagoge
errichten, einen monumentalen Bau, der in seinen Ausmaßen und seiner
Anlage dem in Heidingsfeld ziemlich genau abgesehen ist.
Insbesondere ist der aus Stein gefertigte Almemor bis zu den Pinienzapfen
nachgeahmt. An der südöstlichen Ecke brennt seit jenem Jahre ein Licht
für den edlen Spender und an jedem Wanderfest wird seiner Großtat, die
im Memorbuch der Gemeinde aufgezeichnet ist, rühmend gedacht." |
Über Hirsch Zwi Sommerhausen (später: Hartog Sommerhausen, geb. 1781 in
Niederwerrn, seit 1799 in Amsterdam, gest. 1853 in Brüssel)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Orient" vom 26. Januar 1850 mit der
Bibliographie zu " H. Sommerhausen, Dr. phil. PG., geb. 1781 in
Niederwehren (Niederwerrn) in Franken - seit 1799 in Amsterdam - seit 1817
in Brüssel; beeidigter Translator etc. Von diesem jüdischen Gelehrten
der Gegenwart sind uns folgende Arbeiten bekannt: |
Die
Zusammenstellung wird hier nicht wiedergegeben. Die eindrucksvolle Liste
zeigt das umfangreiche Werk des Gelehrten aus Niederwerrn.
vgl. Seite des Historischen Jüdischen Museums in Amsterdam - Joos
Historisch Museum:
hier Suchbegriff "Sommerhausen" eingeben.
|
Zum Tod des aus Niederwerrn stammenden Würzburger Arztes Dr. Hirsch Silberschmidt
(1831-1884)
(vgl. Reiner Strätz: Biographisches Handbuch Würzburger
Juden Bd. 2 S. 561: Hirsch Silberschmidt, geb. 1831 in Niederwerrn, gest. 1884
Würzburg. 1860 Annahme als Insasse in Würzburg, 1876 [?] Bürgerrecht in
Würzburg; Über Silberschmidt als Preisträger während seines Studiums siehe
oben den Bericht von 1859).
(wiedergegeben wird nur der erste Teil des in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 15. Januar 1885 wiedergegebenen Nekrologes):
"Würzburg. 'Dem Verdienste seiner Kronen.' Unter diesen leuchtet
bekanntlich die des guten Namens am herrlichsten und unter den Verdiensten
ist wohl kein schöneres als das, welches man sich um die leidenden, auch
oft mit Not kämpfenden Menschen erwirbt. Ein solches Beispiel gab uns der
so frühzeitig dahingeschiedene, allgemein beliebte, hochgeachtete, auch
in entfernteren Kreisen bekannte Arzt dahier, Herr Dr. H. Silberschmidt,
geb. zu Niederwerrn in Unterfranken, welcher am 30. Dezember (1884) im
Alter von 53 Jahren nach längerem Leiden das Zeitliche segnete. Es lohnt
sich, dieses Leben etwas näher zu betrachten und es verdient der Mann,
dass ihm auch in diesen geschätzten Blättern ein Denkmal gesetzt
werde.
Schon in seinen Studienjahren zeichnete sich Silberschmidt durch rastlosen
Fleiß und durch reiche Begabung aus und erhielt auf dem Gymnasium stets
den ersten Preis; sein Staatsexamen bestand er mit der ersten Note und
dokumentierte noch weiter seine medizinischen Kenntnisse durch Lösung der
Preisfrage an hiesiger Universität. Im Jahre 1858 eröffnete er seine
Praxis dahier, welche bald einen solchen Umfang annahm, dass er zu den
gesuchtesten Ärzten gehörte. Es wird kaum eine jüdische Familie hier
sein, der Herr Dr. Silberschmidt nicht seinen ärztlichen Beistand
leistete, der er nicht zum Wohltäter und Freunde wurde, er war nicht nur
der gesuchte, vielbegehrte Arzt der Reichen, sondern auch der Armen,
bereitwillig, teilnehmend, aufmerksam und gewissenhaft wie immer. Auch in
nichtjüdischen Kreisen fanden seine Fachkenntnisse die wohlverdiente
Anerkennung und er galt als medizinische Autorität. Er war auch ganz und
gar Arzt und sein ganzes Sein ging in diesem Berufe auf; das
gesellschaftliche und teilweise auch Familienleben mussten vor demselben
zurückweichen.... |
Goldene Hochzeit von Manasse Hammelburger und Frau geb. Gutmann (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1907:
"Niederwerrn bei Schweinfurt, 31. Dezember (1907). Das seltene Fest
der goldenen Hochzeit begingen dieser Tage die Eheleute Manasse
Hammelburger und Frau geb. Gutmann. Das Hammelburger'sche Ehepaar hat in
fünf Dezennien es verstanden, sich die Achtung und Beliebtheit seiner
Mitbürger in hohem Maße zu erwerben. Die Jubilarin insbesondere darf als
Eschet Chajal (tüchtige Frau) im wahren Sinne des Wortes gelten,
überall bereit jüdische Nächstenliebe zu betätigen und mit Eifer
bemüht, alle religiösen Obliegenheiten zu erfüllen. Möge den Jubilaren
ein langer und glücklicher Lebensabend beschieden sein." |
Goldene Hochzeit von Hirsch Lion und Babette geb. Weglein (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April 1925:
"Grünstadt, 21. April (1925). Am 3. Mai 1925 begeht das Ehepaar
Hirsch Lion und Frau Babette geb. Weglein, zu Niederwerrn (Unterfranken)
das Fest der Goldenen Hochzeit. Herr Lion war Kriegsteilnehmer im Jahre
1870." |
Zum Tod von Hirsch Lion (1926,
Kriegsteilnehmer 1870/71)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1926:
"Niederwerrn, 16. April (1926). Am 30. Nissan wurde eines
unserer ältesten Mitglieder, Hirsch Lion, zu Grabe getragen. Der
Verblichene war ein echter Jehudi, der gleicherweise die Pflichten gegen
seine Mitmenschen und sein Vaterland wie auch gegen Gott erfüllte. Heldenhaft,
wie er am Kriege 1870/71 teilgenommen hatte, trug er auch ein herbes
Geschick, das ihm ein Jahrzehnt lang Körperkraft und Augenlicht versagte.
Bei der Beerdigung, an der auch der Kriegerverein teilnahm, brachte sein
Sohn, Herr Lehrer Lion von Grünstadt in tiefempfundenen Worten zum
Ausdruck, wie alle seine guten Eigenschaften aus der einen, eines Isch
jehudi (jüdischen Mannes) entsprungen seien. Möge der Heilige -
ER sei gepriesen - seinen Angehörigen Trost senden. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
Hinweis auf den aus Niederwerrn
stammenden Arzt Julius Dreschfeld
Julius Dreschfeld ist am 13. Oktober 1845 in Niederwerrn geboren und am 13.
Juni 1907 in Withington, Manchester gestorben. Er besuchte die Schule in Bamberg
und studierte später Medizin in Würzburg. Seit 1870 war er als Arzt, seit 1881
als Professor für Pathologie und Medizin an der Victoria Universität von
Manchester tätig. Weitere Informationen siehe den Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Dreschfeld
Anzeigen
Ausschreibungen der Löb Kent'schen Stipendienstiftung
(1915 / 1922)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1915: "Löb
Kent'sche Stiftung in Niederwerrn zur Förderung des
Tora-Studiums.
Die Stiftung kommt demnächst zur Vergebung. Bezugsberechtigt ist in
erster Linie ein Waisenkind, in zweiter Linie ein anderes Kind oder
Jüngling. 1. aus der Familie des Stifters, 2. weiterhin aus Niederwerrn,
3. von auswärts. - Nach Abschluss der Studien oder des 24. Lebensjahres
erlischt der Bezug der Stiftung. Bewerber wollen sich unter Vorlage der
Nachweise und Zeugnisse wenden an
Die israelitische Kultusvorstandschaft Niederwerrn. bez. Sigmund
Gutmann." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Februar 1922: "Löb
Kent'sche Stipendienstiftung in Niederwerrn.
Die Stiftung ist zur Zeit frei. Die Präbende (Mk. 183.- pro Jahr!) kann
einem Knaben oder Jüngling zugesprochen werden, der sich dem 'Lernen'
widmet und zwar in erster Linie aus der Familie der Stifters, dann aus
Niederwerrn, endlich irgend ein anderer. Waisen sind vorzugsberechtigt.
Bewerbungen sind bis 15. Februar 1922 einzureichen.
Niederwerrn, den 27. Januar 1922. Die israelitische Kultusverwaltung:
i.A. Felix Rosenberger." |
Sonstiges
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal, dann eine erste Synagoge
vorhanden (kleine "Schul", die der Familie des Löb Kaz gehörte).
1786 erbaute die
jüdische Gemeinde auf dem heutigen Grundstück Schweinfurter Straße 23 eine
neue Synagoge. Dank der großherzigen Unterstützung des Bankiers Löb Kent, der
aus Niederwerrn stammte, konnte ein monumentaler Bau errichtet werden, der in
seinen Ausmaßen und seiner Anlage mit der Synagoge in Heidingsfeld (bei Würzburg)
vergleichbar ist. Die Synagoge wurde 1885 umgebaut und 1913 renoviert. Das Gebäude fällt durch
seinen charakteristischen Mansarddachbau auf; ein Eckstein trägt die
hebräische Jahreszahl für 5546 = 1785/86.
Beim Novemberpogrom 1938 kamen am Mittag des 10. November etwa 50
SA-Leuten aus Schweinfurt, die mit Beilen und Hämmern ausgerüstet waren. Nach
der Verwüstung der jüdischen Häuser drangen sie in die Synagoge ein,
zerstörten das Mobiliar und die Ritualien, darunter Torarollen und
Toraschrein-Vorhänge aus dem 18. Jahrhundert. Die Trümmer der Inneneinrichtung
wurden in der Synagoge auf einen Haufen geworfen und in Brand gesetzt. Da bei
einem Brand des Gebäudes Gefahr für die (u.a. landwirtschaftlich genutzten) Nachbarhäuser bestanden hätte,
löschte die Feuerwehr den Brand. Die politische Gemeinde kaufte wenig später
die Synagoge für 3.000 RM sowie das jüdische Schul- und Gemeindehaus für
7.000 RM (der Wert wurde auf 15.000 RM geschätzt).
1958 wurde die ehemalige Synagoge zu einem Kino umgebaut. Bis 1987 diente sie
als Abstellhalle einer Fabrik und als Schulungsraum der Handwerkskammer.
1999/2000 wurde das Gebäude zur
Gemeindebücherei umgebaut und am 19. Januar 2001 eröffnet. Mit
Hilfe der Städtebauförderung, Denkmalpflege und Bibliotheksförderung wurde
aus der ehemaligen Synagoge wieder ein Schmuckstück für die ganze Gemeinde.
Zur Gestaltung des sieben Meter hohen Raumes ließ Architekt Dag Schröder eine
Empore einbauen, die dem ehemals sakralen Charakter des Raumes Rechnung trägt.
Bei der Möblierung wurde an der Ostseite der Platz ausgespart, an dem in der
ehemaligen Synagoge der Toraschrein stand.
Schule. Im 19. Jahrhundert bestand eine jüdische Konfessionsschule.
Um 1850 gehörten 54 Schulkinder der jüdischen Gemeinde an. Ein jüdisches Schul-
und Gemeindehaus
wurde 1829 eingerichtet, 1878 neu erstellt. Es galt als das schönste Haus in Niederwerrn.
In dem Gebäude war auch die Wohnung des Lehrers/Vorsängers und das rituelle
Bad eingerichtet. Dank einer
Geldspende eines in die USA ausgewanderten Gemeindegliedes konnte die Gemeinde
noch bis nach 1933 einen Lehrer bezahlen, der im Schuljahr 1932/33 noch zwei
Kindern Religionsunterricht erteilte. 1939 wurde das Gebäude von der
politischen Gemeinde Niederwerrn zu einem Rathaus mit Dienstwohnung umgebaut.
Seit 1970 war es ausschließlich Rathaus. 1996 wurde das Gebäude modernisiert und
ein Trauzimmer eingebaut (inzwischen: Rathaus Altbau). Eine Hinweistafel
ist vorhanden. Sie lautete ursprünglich: "Dieses Gebäude diente der jüdischen Kultusgemeinde als
Schule". Inzwischen lautet der Text der Hinweistafel: "Rathaus Altbau.
1878 erbaut als Jüdische Schule. 1939 Rathaus mit Dienstwohnung. 1970
ausschließlich Rathaus. 1996 Modernisierung und Einbau des Trauzimmers".
Fotos
Historische Fotos der Synagoge
(Fotos um 1930: Abraham Berlinger, Schweinfurt; Quelle: Central Archives for the
History of the Jewish People, Jerusalem; veröffentlicht in: Die Inventarisierung jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern.
Jüdisches Museum Franken. 1998 S. 619-621)
|
|
|
Inneres der Synagoge mit Blick
über
das Vorlesepult zum Toraschrein |
Der Almemor in
der Synagoge |
Die Menora in der Synagoge vor
dem Aron Hakodesch |
Neuere Fotos:
(Fotografien mit *) wurden von Klaus Kurre, Mainberg
angefertigt und dürfen nicht ohne Genehmigung weiter verwendet werden. Hochauflösende
Aufnahmen und weitere, hier nicht hinterlegte Bilder können per Mail
bei Klaus Kurre angefordert werden; Quelle für die Innenaufnahmen: www.niederwerrn.de;
übernommen mit freundlicher Genehmigung der Gemeinde Niederwerrn).
Die ehemalige Synagoge,
heute
Gemeindebücherei |
|
|
|
Das ehemalige
Synagogengebäude 2004* |
|
|
|
|
|
|
|
Blick nach Osten auf Höhe der
ehemaligen Frauenempore |
Aufgang vom ehemaligen Betsaal
der Männer zur Höhe der
ehemaligen Frauenempore |
Auf Höhe der ehemaligen
Frauenempore |
|
|
|
|
|
|
|
Die ehemalige jüdische
Schule,
heute Altbau des Rathauses |
|
|
|
Die ehemalige
jüdische Schule 2004* |
|
|
Fotos der ehemaligen Schule
Frühjahr 2007
(Hahn, Aufnahmedatum 9.4.2007) |
|
|
|
Das Schulgebäude von
Nordosten |
Ansicht von Norden |
|
|
|
|
|
|
Eingang zur ehemaligen Schule |
Hinweistafel |
|
|
|
Fotos der ehemaligen
Synagoge
Frühjahr 2007
(Hahn, Aufnahmedatum 9.4.2007) |
|
|
|
Blick auf die
ehemalige Synagoge, jetzt Gemeindebücherei der Gemeinde Niederwerrn |
|
|
|
|
|
Ansichten des
ehemaligen Synagogengebäudes |
Rechts der Synagoge:
ehemalige
jüdische Häuser |
|
|
|
|
|
|
Hinweistafel
am "Löb-Kent-Platz": "Löb Kent wurde
um 1760 in Niederwerrn geboren und lässt als Stifter
1785/86 die Synagoge in seinem Geburtsort errichten".
(Fotos: E. Böhrer 9/2018) |
Grundstein mit hebräischer Jahreszahl
(nur teilweise erkennbar)
|
Hinweistafel (längere
Zeit fehlerhaft links:
"Kulturgemeinde"), inzwischen korrigiert
(neues Foto rechts: E. Böhrer 9/2018)
|
Weitere Fotos
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
September 2011:
Lisa Goodman aus New York - Urenkelin des
Viehhändlers Max Gutmann in Niederwerrn - besucht die Heimat der
Vorfahren |
Artikel von Uwe Elchler in der Main-Post vom
4. Oktober 2011 (Lokalausgabe Schweinfurt): "Von einem, der
überlebte".
Link
zum Artikel - auch eingestellt
als pdf-Datei. |
|
November 2013:
Die Bereitstellung von Geldern zur Verlegung von
"Stolpersteinen" wird im Finanzausschuss der Gemeinde abgelehnt |
Artikel von Uwe Eichler in der Main-Post vom
25. November 2013 (Lokalausgabe Schweinfurt): "Stolpersteine fallen unter den Tisch
SPD-Antrag zum Gedenken an NS-Opfer im Finanzausschuss von Niederwerrn abgelehnt
...In der ehemaligen jüdischen Schule Niederwerrns, dem alten Rathaus, befasste sich der Finanzausschuss im Rahmen der Haushaltsberatungen nun mit einem SPD-Antrag, 1000 Euro zur Verlegung von
'Stolpersteinen' bereitzustellen:...
Heute sind neun jüdische Niederwerrner bekannt, die im Krieg von hier aus über Würzburg in Vernichtungslager deportiert worden sind, insgesamt gab es etwa 40 Holocaustopfer mit Bezug zur Gemeinde. Der Antrag wurde ohne besondere Debatte mit vier zu drei Stimmen abgelehnt...
Antragsteller Wolf-Dietrich Lang überreichte zugleich einen offenen Brief an den Bürgermeister, in dem auf eine Gedenkveranstaltung der SPD an der Gemeindebibliothek, der ehemaligen Synagoge, am Jahrestag der Pogromnacht 1938 hingewiesen wurde. Die aktuelle Situation in Deutschland, die auch von einem
'latenten Antisemitismus_ gekennzeichnet sei, sowie die Erinnerung an die jüdische Gemeinde Niederwerrns fordere alle dazu auf, sich gegen das Vergessen zu stellen, heißt es in dem Brief...
Bürgermeister Peter Seifert, der für den Antrag der SPD gestimmt hatte, erinnerte gegenüber dieser Zeitung an gelegentliche Besuche von Nachfahren jüdischer Niederwerrner – was zumindest im Einzelfall zu Unruhe unter heutigen Haus- und Grundstücksbesitzern geführt haben soll."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen
Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für
politische Bildungsarbeit A 85. München 1988 S. 95-96. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 370-371. |
| Ulrich Debler:
Die jüdische Gemeinde von Niederwerrn. Sennfeld 1988. |
| Karl-Heinz Grossmann: Die Niederwerrner Juden.
1871-1945. Würzburg 1990. |
| Michael Schneeberger: Die Juden von
Niederwerrn. Reihe: Jüdische Landgemeinden in Bayern (6). In:
Jüdisches Leben in Bayern. Mitteilungsblatt des Landesverbandes der
Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 18. Jg. Nr. 93 vom Dezember 2003
S. 23-30. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 246-249. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Niederwerrn Lower
Franconia. The community was established no later than the second half of
the 17th century and was one of the oldest attached to the chief rabbinate at
Wuerzburg. In 1796, French forces looted the Jewish ghetto. The Jewish
population numbered around 300 in 1836 (40 % of the total). Most of the Jews
were craftsmen, particularly watchmakers. In 1850, there were 54 Jewish
schoolchildren in Niederwerrn. In 1880, the Jewish population was 197 and in
1933 it was 39. On Kristallnacht (9-10 November 1938), a gang of 50 SA
troops, bolstered by local residents and armed with hammers and axes, destroyed
11 Jewish homes. One woman was raped and another, 70 years old, was thrown into
a freezing lake. Afterwards the synagogue was vandalized and religious articles
were burned. All the Jews were forced to sell their homes and land holdings. In
1934-40, 39 Jews left Niederwerrn, 21 emigrating (including 12 to the United
States). The last nine were deported to Izbica in the Lublin district (Poland)
and to the Theresienstadt ghetto in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|