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in Fürth
Fürth (Mittelfranken)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er-Jahre
Berichte aus der Geschichte der Israelitischen Waisenanstalt in Fürth
Übersicht:
Zur Geschichte der israelitischen Waisenanstalt in Fürth
Eine israelitische Waisenanstalt konnte in Fürth bereits im Jahr 1763
vor allem auf Grund einer Stiftung des aus Prag stammendenden Israel Lichtenstädter
eingerichtet werden. Es war das erste jüdische Waisenhaus in Deutschland.
Vorbilder hierfür waren entsprechende Einrichtungen in Amsterdam und Prag. Das
Fürther Waisenhaus befand sich seit 1764 in einem bisherigen jüdischen
Wohnhaus (des Nathan Bar Baruch). Das Haus war freilich nicht groß genug, um
auch für die Verpflegung der Kinder zu sorgen, sondern nur für gemeinsames
Lernen und religiöses Leben. Verpflegt wurden die Kinder in Privathäusern,
teilweise - wenn bei Kindern aus Fürth zumindest die Mutter noch am Leben war -
im eigenen Zuhause. In den ersten Jahren - bis 1771 - war Leiter der
Waisenanstalt Israel Lichtenstädter.
Erst seit 1838 gab es in der Waisenanstalt auch für ganztätige
Unterbringung mit Erziehung und Verpflegung die notwendigen Voraussetzungen,
nachdem für die Waisenanstalt ein Gebäude in der Geleitsgasse 1 (am Gänsberg)
erworben und umgebaut werden konnte. Hier gab es nun Platz für die ständige
Betreuung von sechs bis etwa zwölf Kindern (bis 1884 nur für Jungen). Die
Einrichtung war vor allem für verwaiste Kinder der jüdischen Gemeinde Fürth
bestimmt, doch konnten - je nach Zahl der freien Plätze - auch auswärtige Kinder
aufgenommen werden.
Während der ersten gut einhundert Jahre des Bestehens der Anstalt blieb es auf
Grund der Größe der ersten beiden Waisenhäuser bei bis zu 12 Kindern, die
betreut werden konnten. 1863 waren zwei der Pfleglinge aus Fürth, zehn aus
auswärtigen Gemeinden. Seit 1838 standen die Kinder unter Aufsicht und
Pflege eines eigenes hierfür berufenen staatlich geprüften Lehrers und
Erziehers. Unter den Lehrern ("Waisenväter") des 19. Jahrhunderts
sind insbesondere Lehrer/Rabbi Simon Bamberger (bis 1866 an der
Waisenanstalt) und Rabbiner Dr. Moses Jonas Königshöfer zu nennen. Letzterer
war bis 1866 Rabbiner in Hagenbach;
1891 konnte er sein 25-jähriges Jubiläum als Waisenvater in Fürth begehen; er
starb 1894.
Die Gesamtaufsicht der Waisenanstalt wurde von einer "Administration"
übernommen (z.B. 1863: Seligmann Dinkelspühler, J. D. Heumann und Lehrer Simon
Bamberger, der als Sekretär der Administration tätig
war).
1867 konnte auf Grund der Bemühungen von Lehrer Simon Bamberger ein neues Gebäude an der Hallemannstraße bezogen werden. 1884/85 wurde eine
Mädchenabteilung ergänzt, nachdem das Gebäude auf Grund einer Stiftung von
Lazarus und Bertha Schwarz aus Nürnberg um einen Anbau erweitert werden konnte.
Die erste Aufnahme von Mädchen erfolgte im Juli 1885. Die
Zahl der in der Waisenanstalt betreuten jüdischen Kinder vergrößerte nach der
Errichtung des Neubaus und des Erweiterungsbaus erheblich. Während Dr.
Königshöfer zu Beginn seiner Tätigkeit 1866 13 Kinder betreute, waren es 1878
37 Kinder (davon 2 aus Fürth, 35 vom Lande) und es 1891
62 Kinder, davon 46 Jungen und 16 Mädchen. An der Seite von Dr. Königshöfer
stand seine Frau, beiden lag daran, den Kindern des Hauses - soweit möglich -
die eigenen Eltern innerhalb der "Waisenhausfamilie" zu
ersetzen.
Bereits in den ersten Waisenhäusern befand sich eine Betsaal. Auch
im Neubau in der Hallemannstraße wurde ein solcher eingerichtet
(Haussynagoge). Eine eigene Waisenhausschule wurde um 1900 aufgegeben. Nun
besuchten die Kinder die allgemeinen öffentlichen Schulen der Stadt, die Jungen
vor allem die Israelitische Realschule, die Mädchen die städtische
Volksschule.
Von 1895 bis 1929 war Dr. Hermann Deutsch Waisenhausdirektor (zuvor
Distriktsrabbiner in Burgpreppach).
Seit 1904 bestand der Plan, ein neues Waisenhaus zu bauen. 1909 konnte
ein geeignetes Grundstück von der Stadtgemeinde (an der Ecke Hirschen- und
Theresienstraße) erworben und in den folgenden Jahren Pläne für den Neubau von den
Fürther Bauräten Zizler und Holzer sowie dem Architekten Mayer in Nürnberg ausgearbeitet
werden. Die Grundsteinlegung sollte am 7. Januar 1915, dem 70.
Geburtstage des Königs, vor sich gehen. Durch den Ausbruch des
Ersten Weltkrieges musste der Plan eines Neubaus der Waisenanstalt in die
fernere Zukunft verschoben, durch die Vernichtung des Stiftungsvermögens in der
Inflationszeit ganz aufgegeben werden. 1929 wurde das Gebäude der Waisenanstalt
renoviert.
Nachdem Dr. Deutsch 1929 in den Ruhestand trat, wurde an seiner Stelle
Dr. Isaak Hallemann Direktor der israelitischen Waisenanstalt. Seine Frau
Clara übernahm die hauswirtschaftliche Leitung. Drei Jahre nach der
Machtübernahme durch die Nationalsozialsten machte 1936 Dr. Hallemann der
Stiftungsverwaltung den Vorschlag, die Kinder der Waisenanstalt mit Hilfe des
Stiftungsvermögens nach Palästina zu bringen. Der Antrag wurde abgelehnt, da
die Satzung der Waisenhaus-Stiftung eine Verwendung der Gelder nur in Fürth
vorsah. 1937/38 korrespondierte Hallemann mit der "Reichsvertretung der
Juden in Deutschland" über einen Plan für die Errichtung einer
landwirtschaftlichen Schule in Palästina, die vor allem für die Zöglinge der
Anstalt bestimmt werden sollte. Die Familie Hallemann, das verbliebene Personal sowie 33 Kinder aus der
Waisenanstalt wurden am 22. März 1942 ins das Vernichtungslager Izbica bei
Lublin gebracht und ermordet.
Das Gebäude der Waisenanstalt wurde noch 1942 zur Unterbringung von
Fremdarbeitern zweckentfremdet.
Nach 1945 kam das Gebäude der früheren Waisenanstalt wieder in den
Besitz der Israelitischen Kultusgemeinde in Fürth und ist bis heute das
religiöse Zentrum der neu gegründeten Gemeinde.
Fotos
Das alte und
das neue Waisenhaus |
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Das alte
israelitische Waisenhaus
in der Geleitsgasse, um 1935 |
Die Waisenanstalt
vor 1884 (noch ohne den in
diesem Jahr begonnen Erweiterungsbau für
das
Waisenhaus der Mädchen) |
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Innenaufnahmen
der
Waisenanstalt um 1935 |
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Schlafzimmer |
Spielzimmer |
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Fotos der
Waisenhauskinder 1939
(Fotos: Jüdisches Museum Franken) |
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Mädchengruppe |
Jungengruppe |
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Erinnerungen an
den letzten Direktor der Waisenanstalt, Dr. Isaak Hallemann und seine
Familie |
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Familienfoto
Hallemann 1939 (von links: Klara
geb. Mandelbaum, geb. 1896, Eva Ester,
geb.
1927, Beate Rachel, geb. 1927 und Dr. Isaak
Hallemann, geb. 1896);
alle vier wurden nach
der Deportation 1942 ermordet. |
Familien Hallemann
und Mandelbaum
auf dem Balkon des jüdischen Waisenhauses,
1939
(Quelle: Jüdisches Museum Franken, 01279) |
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NS-Zeit und
Gedenken
an die Deportation |
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Schmierereien an
der Waisenanstalt
"Juden morden" |
"Am 22. März
1942 wurden die letzten Insassen
dieses Hauses 33 Waisenkinder mit ihrem
Lehrer und Direktor Dr. Isaak Hallemann in den
Tod nach Izbica
geschickt" |
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Die ehemalige
israelitische Waisenanstalt
(Gebäude an der Hallemannstraße
seit 1867 / Erweiterung 1884; Fotos: Hahn) |
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Blick auf das
Gebäude der Israelitischen Waisenanstalt an der Hallemannstraße
(ehemals Julienstraße) |
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Eingangsportal mit
Hinweistafel: "Gegründet 1763 [hebräisch:] - 523 nach der
kleinen Zählung.
Neuerbaut 1868 - 628 nach der kleinen Zählung.
Erweitert 1884 - 644 nach der kleinen Zählung. |
Berichte
aus der Geschichte der israelitischen Waisenanstalt - in chronologischer
Reihenfolge von 1863 bis 1933
Die nachstehend wiedergegebenen Texte wurden in jüdischen Periodika des 19./20.
Jahrhunderts gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Neueste Einstellung am 22.7.2012.
Über
die Aufnahmen in die israelitische Waisenanstalt (1863)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. Mai 1863: "Fürth, 5. Mai (1863). (Berichtigung). In
No. 18 äußert ein Korrespondent aus Mittelfranken: ....'Vor Allem sollte
ein allgemeines Waisenhaus für die Israeliten Bayerns begründet werden,
da die zu Fürth bestehende Waisenanstalt nur wenige Kinder aufzunehmen im
Stande ist und sich hauptsächlich mit einigen Ausnahmen nur auf den Ort
Fürth beschränkt.' Dieser Äußerung gegenüber sieht sich die
unterfertigte Administration veranlasst hiermit zu erklären, dass diese
Angabe der Wahrheit geradezu entgegenläuft, da schon seit einer langen
Reihe von Jahren auch auswärtige Waisen in die diesseitige Anstalt
aufgenommen wurden und nur selten desfallsige Bewerbungsgesuche
unberücksichtigt geblieben sind, sodass der größere Teil ihrer
Zöglinge auswärtigen israelitischen Gemeinden angehört. Unter den zur
Zeit in der Anstalt sich befindlichen zwölf Waisen sind sogar zehn von
auswärts und nur zwei von hier, und würden sich die auswärtigen
Israeliten in größerer Anzahl diesem wohltätigen Vereine anschließen
(besteht doch der jährliche Beitrag eines Mitgliedes nur in 2 Gulden 30
Kreuzer), so wäre man wohl im Stande, die sämtlichen desfallsigen
Bewerber des Inlands zu jeder Zeit aufzunehmen.
Die Administration der israelitischen Waisenanstalt dahier.
Seligmann Dinkelspühler. J. D. Heumann. S. Bamberger, Sekr."
|
Über
die Aufnahmen in die israelitische Waisenanstalt - weiterer Artikel (1863)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 16. Juni 1863: "Aus Mittelfranken, im Mai (1863). Auf
die 'Berichtigung' der Administration der israelitischen Waisenanstalt zu
Fürth in No. 21 dieses Zeitung sieht sich Korrespondent veranlasst,
Folgendes zu erklären: Die Administration wird es nicht leugnen können,
dass die Aufnahme fremder Waisenkinder nur dann gestattet ist, wenn die
vorhandenen Plätze von solchen aus Fürth nicht beansprucht werden; wenn
daher gegenwärtig unter 12 Waisen 10 von auswärts sind, so beweist eben
dieses nur, dass keine dortigen Bewerber vorhanden sind; würden hingegen
die sämtlichen Vakanzen von einheimischen Waisen beansprucht, so werden
wohl kaum diese zurückgewiesen und auswärtige aufgenommen werden
können; sodann wird dieselbe aus ihrer eigenen Angabe, dass nämlich 12
Waisen dort sind, die Überzeugung schöpfen, dass eine Anstalt, wo nur
eine so geringe Anzahl Aufnahme findet, nicht als genügend für das
Königreich Bayern erachtet werden kann, zudem dort nur Knaben aufgenommen
werden.
Es dürfte somit die Angabe des Korrespondenten in No. 18 nicht als eine solche
bezeichnet werden, 'die der Wahrheit geradezu widerspricht', im Gegenteile
sie ganz der Wahrheit gemäß ist.
Schreiber dieses denkt übrigens nicht im Entferntesten daran, der
Fürther Waisenanstalt irgendwie nahe zu treten, oder ihr irgendeinen
Nachteil zufügen zu wollen; im Gegenteile ist derselbe bestrebt, soweit
sein Einflug reicht, ihr neue Mitglieder zuzuführen; die Erwähnung derselben
geschah nur, um das Bedürfnis einer allgemeinen derarbtige3n Anstalt
zuzuweisen und zu deren Begründung aufzufordern, und gewiss wird jeder
Unparteiische solches eingestehen! Sollte trotzdem die Sache nicht
zustande kommen, so wird wohl die Ursache hierfür nicht darin zu suchen
sein, weil das Bedürfnis in Abrede gestellt wird, als vielmehr, weil es
hierzu entweder an der nötigen Opferbereitwilligkeit fehlt, oder weil
niemand der Sache sich mit dem nötigen Ernste annehmen will. Vielleicht
gelingt es, die Waisenanstalt zu Fürth so zu gestalten, dass sie dem
allgemeinen Bedürfnisse entspricht, und es wäre nur verdienstlich, wenn
die Administration daselbst die desfalls geeigneten Schritt täte, um
diese so höchst wichtige Angelegenheit zu einem erwünschtem Resultate zu
führen!" |
Unter
dem Waisenhausdirektor Dr. Moses Jonas Königshöfer (1866-1894)
Rabbiner Dr. Moses Jonas Königshöfer (geb. 1844 in Welbhausen,
gest. 1894 in Fürth): war Sohn des Religionslehrers Mendel Löb Königshöfer (Bericht
zu seinem Tod) und der Marianne geb. Suggenheimer aus Theilheim;
lernte seit 1856 an der Preßburger Jeschiwa, seit 1860 in Würzburg
(Universität und Jeschiwa von Seligmann Bär Bamberger), 1865 Distriktsrabbiner
in Hagenbach mit Sitz in Ermreuth,
1867 Leiter des Israelitischen Waisenhauses in Fürth; war die rabbinische
Autorität der Fürther Orthodoxen. Er war verheiratet mit eines Tochter des
Moses Ottenheimer aus München (starb bei der Geburt des ersten Kindes), danach
mit Lea geb. Feuchtwanger aus Schwabach
(gest. 1918), mit der er zwölf Kinder hatte (Sohn Leopold Wolf Königshöfer,
geb. 1886, wurde in Auschwitz ermordet).
Mitteilungen aus der israelitischen Waisenanstalt
(1866)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August
1866: "Fürth (Bayern), im August (1866). Zu meinem
jüngsten Berichte über die hiesige Waisenanstalt habe ich Folgendes zu
ergänzen: Die löbliche Administration hatte bereits vor Jahren einen
geeigneten Platz zum Baue eines neuen Waisenhauses gekauft; da aber
die bei dem Beschlusse in der Minorität gebliebenen Verwaltungsmitglieder
auch nach dem Kaufe ihre Zustimmung nicht gaben, so wurde zur Erhaltung
der Eintracht und des Friedens jener Kauf rückgängig gemacht, indessen
ist man im Begriffe, dem nunmehr allgemein anerkannten Bedürfnisse eines
neuen Waisenhauses in nicht ferner Zeit wirklich abzuhelfen. Als
Nachfolger des Waisenlehrers Herr Bamberger hat die aus den
würdigsten und achtbarsten Männern der hiesigen Orthodoxie bestehenden
Verwaltung einen ihrer religiösen Gesinnung entsprechenden Gelehrten in
der Person des Herrn Rabbiner Dr. Königshöfer in Hagenbach
ernannt, dessen Bestätigung von königlicher Regierung bereits erfolgt
ist.
Zum Synagogenwesen übergehend..."
Abschnitt ist auf Seite zur jüdischen
Geschichte / Synagogengeschichte wiedergegeben.
|
Über die Israelitische Waisenanstalt und den Waisenhauslehrer Simon Bamberger
nach der Errichtung des Neubaus (1867)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November
1867: (Eingesandt).
Es sind bereits hundert und vier Jahre, dass die allgemein bekannte und
allein für ganz Bayern segensreich wirkende Waisenanstalt in Fürth in
einem bis jetzt noch von ihr bewohnten Hause sich befindet. Den
Zeitanforderungen, sowie der Sanität Rechnung tragend, gab sich Herr
Bamberger, der frühere Lehrer der Anstalt, vergangenem Winter alle
mögliche Mühe, um einen gehörigen, angemessenen Bauplatz zum Neubau
einer Waisenanstalt zu erwerben; nachdem es diesem ehrwürdigen Manne, im
Einklange mit der wohllöblichen Administration der Waisenanstalt gelang,
steht diese Woche schon ein weit räumlicheres und zweckentsprechenderes
Waisenhaus unter Dach, das der rastlosen Mühe und großen Umsicht des
Herrn Bamberger, sowie der jetzigen wohllöblichen Administration der
Waisenanstalt sehr vieles zu verdanken hat. Sowie Herr Bamberger zur Zeit
seiner Tätigkeit als Waisenlehrer der Anstalt als wirklicher Vater
vorstand, so lässt er es auch jetzt nicht mangeln, mit allen Kräften
für dieses wohltätige Institut stets zu wirken. Das Verdienst der wahren
Wohltätigkeit - (hebräisch und sinngemäß deutsch:) - es betrifft
sowohl die schon Dahingeschiedenen als auch die noch Lebenden, da Waisen
erzogen und herangebildet werden. Lasse der himmlische Vater sowohl ihm
als auch den wohllöblichen Administrationsmitgliedern alles Gute
angedeihen und erhalte sie sämtlich bis 100 Jahre. Amen. Dr.
Königshöfer." |
Besuch in der israelitischen Waisenanstalt
(1871)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli
1871: "Aus Schwaben, im Juli (1871). Die Sorge um den
verwaisten Sohn eines meiner früheren Jugendfreunde führte mich vor
Kurzem nach Fürth, wo derselbe in dem israelitischen Waisenhause
untergebracht ist.
Die liebenswürdige Aufnahme, welche mir der Vorstand dieser Anstalt, Herr
Dr. Königshöfer, bereitet hat, vor Allem aber die tiefgehende zärtliche
Liebe, womit derselbe im Vereine mit seiner jugendlichen biederen Gattin
den unglücklichen Waisen den Verlust der Eltern ersetzt, verpflichten
mich, die Aufmerksamkeit meiner Glaubensgenossen auf die Fürther
jüdische Waisenschule zu lenken, die unter der umsichtigen und
intelligenten Leitung des genannten Dr. Königshöfer eine wahre Zierde
der dortigen Kultusgemeinde sowie der bayerischen Judenheit geworden
ist.
Von der Gastfreundschaft des Herrn Dr. K. gefesselt, verblieb ich mehrere
Tage in dessen angenehmer Umgebung, und hatte so Gelegenheit, öfters dem
Unterricht beizuwohnen, wobei ich die erstaunlichsten Fortschritte in
allen Gegenständen des umfassenden Schulprogramms seitens der jungen
Zöglinge konstatieren konnte. Einen besonders wohltuenden Eindruck auf
das Auge gewähren die zierlichen Handschriften und Zeichnungen der
Kleinen, von denen mancher ein gewisses Talent verriet.
Solche Erfolge konnten nur erzielt werden durch eine ebenso sorgfältige
wie gediegen wissenschaftliche Leitung, wie sie der männliche Sinn des
Direktors handhabt.
Das gesunde frische Aussehen der Zöglinge, deren froher Wille zum
Arbeiten überzeugt mich, dass Herr Dr. Königshöfer seine Tätigkeit
nicht auf das Lehren einer Sinne gewisser Kenntnisse und die materielle
Pflege beschränkt, sondern seinen Beruf als Waisenvater auf das
Hochherzigste aufgefasst habe, indem er aus allen Kräften strebt, das
Herz und den Geist der vom Schicksal so hart Betroffenen zum Wahren, Guten
und Nützlichen heranzubilden.
Es herrscht in diesem Institute nicht jener militärische Geist, welcher
des Knaben Gefühle und Empfindungen von Jugend auf nach einer
schablonenförmigen Hausordnung und Disziplin regelt, vielmehr der sanfte
Ton eines Vaters seinen Kindern gegenüber.
Und in Wahrheit haben die Waisenkinder in der Königshöfer'schen Ehepaare
ihre Eltern wiedergefunden.
Dank der vortrefflichen Führung ist nun auch diese mildtätige Anstalt zu
einer ungeahnten Bedeutung gediehen; die Spenden und Vermächtnisse für
dieselbe fließen so reichlich, dass seit dem Eintritte des Herrn Dr. K.
die Zahl der Armen, welchen dort ein Asyl geboten wird, auf das Zweifache
gestiegen ist.
An diesem segensreichen Aufschwung hat auch die löbliche Administration
der Waisenschule ihren gerechten Anteil. In uneigennützigster Weise
fördern die Verwaltungsmitglieder das Interesse der Anstalt, und müssen
wir ihnen besonders erkenntlich sein, dass sie durch die Wahl des Herrn
Dr. Königshöfer zum Direktor einen Mann an die Spitze des Waisenhauses
gestellt haben, welcher dasselbe in kurzer Zeit in religiöser,
moralischer wie intellektueller Beziehung zur Muster-Anstalt erhoben
hat.
Mögen diese Zeilen dazu dienen, die Sympathien meiner Religionsgenossen
einer Institution zuzuwenden, welche durch ihren Zweck und ihre Leistungen
gewiss eine der hervorragendsten israelitischen Anstalten Bayerns genannt
werden darf.
Aus Schwaben, im Juni 1871. B.D." |
Aufruf zur Unterstützung der israelitischen Waisenanstalt (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. September
1878: "Aufruf und dringende Bitte an die Herren Rabbinen,
Vorstände, Lehrer und Gemeindemitglieder um Unterstützung der
Waisenanstalt Fürth. Die im Jahre 1763 gegründete Waisenanstalt
zu Fürth, die einzige für Bayern und die älteste Deutschlands, von der
königlichen Staatsregierung bestätigt, nimmt alle israelitischen
Waisenknaben aus allen Gemeinden des ganzen Königreichs auf und so befinden
sich 37 Waisenknaben in der Anstalt, von denen 35 vom Lande und nur 2 von
der Stadt Fürth sind. Schon nach zurückgelegtem 5. Lebensjahre werden
die Waisenknaben aufgenommen und verbleiben da bis zum ihrem 13. beziehungsweise
14 Lebensjahre. Während des Aufenthaltes in der Anstalt erhalten sie
Logis, Kost, Kleidung und Wäsche, überhaupt vollständige Verpflegung,
sowie vollständigen Religions- und Elementarunterrichts - alles
unentgeltlich. In der Religion umfasst der Unterricht alle zu diesem Fache
gehörigen Gegenstände, bei den Befähigteren Raschi, Mixchna und Gemara.
Der Elementarunterricht entspricht den Leistungen einer städtischen
Volksschule und erstreckt sich noch überdies auf kaufmännliche Fächer,
wie kaufmännisches Rechnen, Korrespondenz und Buchhaltung. Von den
neueren Sprachen wird französisch unterrichtet.
Was die Erziehung als solche betrifft, so werden die Kinder derart
erzogen, dass sie als brauchbare Menschen und als nützliche und treue
Staatsbürger heranwachsen.
Durch die Freizügigkeit sind die Landgemeinden im Allgemeinen im Abnehmen
begriffen, und ist es nicht selten, dass viele Gemeinden nicht mehr
imstande sind, einen Lehrer zu besolden, wodurch unbemittelte Witwen mit
ihren Kindern ratlos und verlassen dastehen. Da ist es die wohltätige
Waisenanstalt, worin diese hilfslosen Kinder gute Unterkunft finden und
für sie körperlich und geistig bestens Sorge getragen wird. Wie viele
Tränen der Witwen und Waisen werden durch das segensreiche Wirken der
Anstalt getrocknet! Viele Hunderte von herangewachsenen Bürgern verdanken
diesem wohltätigen Institute ihre Versorgung und Stellung als würdige
Glieder der menschlichen Gesellschaft, Er gibt wohl keine edlere Tat als
Witwen zu trösten und Waisen versorgen zu helfen. Lehrt ja schon der Talmud,
'wer einen Waisen erziehen hilft, dessen Lohn ist ebenso groß, als
erzöge und versorge er sein eigenes Kind.' Der Lohn der Mildtätigkeit
ist an sich schon sehr groß, noch viel größer aber ist der Lohn jener
Mildtätigkeit, die man Waisen angedeihen lässt. Nennt sich doch der
Allmächtige selbst 'Vater der Witwen und Waisen.'
Der große Rabbi Chije war einer der frommsten und Torakundigsten Männer
Israels. Als ganz besonderes Verdienst hebt aber der Talmud hervor, dass
er in eigener Personen den Waisenkindern Kleider fertigte und sie
unterrichtete. Der Raum gestattet hier nicht, alle jene Stellen das Talmuds
aufzuzählen, die von dem überaus großen Verdienste der Waisen-Erziehung
und deren Versorgung sprechen. Die hiesige Waisenanstalt hat sich zur
Aufgabe gemacht, alle israelitischen Waisenknaben des ganzen
Königsreiches aufzunehmen und musste zu diesem Zwecke vor Kurzem das erst
vor zehn Jahren unter großen Opfern neu aufgeführte Gebäude in Folge
der vielen Bewerbungsgesuche der Waisen durch Aufführung eines weiteren
Stockwerkes vergrößern, was wieder mit erheblichen Kosten verbunden war.
Diese Aufgabe kann sie aber nur dann in ihrem ganzen Umfange lösen, wenn
ihr die Unterstützungsmittel von wohltätigen und edlen Menschenfreunden
hierzu geboten werden. Die Administration der israelitischen Waisenanstalt
dahier sieht sich angesichts der großen Mizwah dringend veranlasst, an
die Herren Rabbinen, Gemeindevorstände, Lehrer und Gemeindemitglieder die
inniges Bitte zu richten, sich doch der armen Waisen zu erbarmen, die
Anstalt durch Zusammenbringen von jährlichen Beiträgen, freiwilligen
Gabe, Legaten und etwaiger Errichtung von Freiplätzen derart
zu unterstützen, dass einerseits für die bereits aufgenommenen 37
Waisenknaben die Mitte ausreichen und andererseits ermöglicht werde, kein
Aufnahmegesuch einer Waisenknaben des ganzen Königreiches zurückweisen
zu brauchen. Errichtete Freiplätze bezwecken, dass für die Gründer
dieser Plätze für ewige Zeiten ein Waisenknabe auf deren Namen erzogen
wird. Die dahingeschiedenen Väter und Mütter der Waisen werden gewiss
vor dem Throne des Allmächtigen für die edlen Versorger ihrer Kinder
stets alles Gute auswirken und Gott, Vater der Witwen und Waisen, wird die
verehrlichen Spender dieser so großen Mizwah gewiss in diesem und
jenseitigem Leben reichlich lohnen und sie bis in das späteste Alter vor
allem Unfällen bewahren. Amen!
Fürth, im Juli 1878. Die Administration der israelitischen
Waisen-Anstalt dahier.
Schließlich sei noch bemerkt, dass die aufgenommenen Waisenknaben
täglich zu jeder Gebetszeit in der Waisen-Synagoge für die
hingeschiedenen Mitglieder und Stifter das Kaddisch-Gebet
verrichten." |
Ausschreibung eines Freiplatzes in der Waisenanstalt
(1884)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. März
1884: "Bekanntmachung.
In der israelitischen Waisenanstalt dahier wird im Mai dieses Jahres einer
der von den Herren Gebrüder Schwarz in Nürnberg gegründeten
Freiplätze erledigt und soll derselbe durch einen inländischen israelitischen
Waisenknaben wieder besetzt werden. Bewerbungsgesuche um gedachten
Freiplatz, über welchen obengenannte Herren das Präsentationsrecht
zusteht, sind innerhalb 4 Wochen von heute an portofrei anher
einzuwenden und folgende Zeugnisse beizuschließen.
1) ein Geburts-, Domizils- und Leumundszeugnis mit besonderer Angabe, dass
der Bewerber einer legalen Ehe entstammt;
2) ein Gesundheitszeugnis;
3) Ein Schulzeugnis;
4) ein Zeugnis über den Vermögensstand des Bewerbers;
5) ein Impfzeugnis.
Waisenknaben, die das 6. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt oder das 11.
schön überschritten haben, können sie Aufnahme nicht erlangen.
Fürth, den 10. März 1884. Die Administration der israelitischen
Waisenanstalt." |
Eine Mädchenabteilung kann der israelitischen Waisenanstalt angegliedert werden (1884)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November
1884: "Fürth (Bayern), 31. Oktober (1884). Ihr geschätztes
Blatt, das seine Spalten zum Heile der Armen und Hilfsbedürftigen stets
offen hält und ganz besonders aber von jeher bereit war, der bedrängten
Lage der Witwen und Waisen abzuhelfen, wird gewiss auch nachstehenden
Artikel, der die Gründung einer israelitischen Mädchenwaisenanstalt
bespricht, bereitwilligst Aufnahme gewähren.
Eine israelitische Mädchenwaisenanstalt bestand in Bayern noch nie. die
notwendige Existenz einer solchen Anstalt wurde schon lange allseitig
anerkannt. und deren Gründung beschäftigte seit vielen Jahren die Herzen
vieler Edlen Bayerns. Bisher blieb es aber immer bei dem edlen Streben
stehen und gelang nie zur Ausführung.
'Die Liebe des Ewigen, dass sie noch nicht aufgehört, dass noch nicht
zu Ende ist sein Erbarmen' (Klagelieder 3,22).
Mit Gotteshilfe kann ich Ihnen heute nun die Gründung einer
israelitischen Mädchenwaisenanstalt als bereits vollzogene Tatsache
berichten. Herr Lazarus Schwarz und dessen hochgeschätzte Gemahlin
Frau Bertha Schwarz zu Nürnberg waren es, die der Verwaltung der israelitischen
Knabenwaisenanstalt zu diesem edlen Zwecke 100.000 Mark zur Verfügung
stellten und mithin als die Gründer der israelitischen
Mädchenwaisenanstalt in Fürth zu betrachten sind. Dass oben erwähnte
Schenkung die seltene Herzensgüte der Schwarz'schen Eheleute zur
Genüge beweist, bedarf wohl keiner weiteren Ausführung. Die hiesige
Waisenanstalt, die im Jahre 1763 gegründet wurde, war bis jetzt nur für
die Aufnahme von Waisenknaben eingerichtet. Aber auch für Knaben konnte
die Anstalt ihr segensreiches Wirken nicht im gewünschten Maße
entfalten, da sie immer nur mit bescheidenen Mitteln arbeiten musste. Seit
circa zehn Jahren vergrößerte sich die Tätigkeit der Anstalt derart,
dass sie gegenwärtig 48 Waisenknaben in ihren Mauern zählt, die in
derselben Erziehung, |
Verpflegung
und Unterricht unentgeltlich finden. Auch zu dieser Vergrößerung der
Knabenwaisenanstalt trugen die Herren Gebruder Joseph und Lazarus Schwarz
in Nürnberg ein nicht geringes Scherflein bei; denn sie waren es, die
seit zwei Jahren ununterbrochen die Anstalt teils durch Errichtung von Freiplätzen,
teils durch jährliche Subvention unterstützen. Immerhin konnte aber an
eine Erweiterung der Anstalt zur Aufnahme von Mädchen nicht gedacht
werden, weil die Verwaltung mit Rücksicht auf den Umstand, dass die
anfallenden Zinsen des Grundkapitals nur 15.000 Mark betragen, immer noch
mit der Aufbringung der Mittel zur Unterhaltung der Waisenknaben zu
kämpfen hat. Herr Lazarus Schwarz aus Nürnberg gründete nun in so hochherziger
Weise mit einem Legate von 100.000 Mark, wie bereits schon oben erwähnt,
für verwaiste Mädchen eine Anstalt, welch letztere durch einen
prachtvollen, neu aufgeführten Anbau mit der Knabenwaisenanstalt in
gesonderten Lokalitäten verbunden wurde.
Herr Lazarus Schwarz wurde die hohe Ehre zuteil, dass ihm Seine Majestät,
unser allergnädigster König und Herr, allerhöchst welchem die Stiftungs-
und Gründungsurkunde zur landesherrlichen Genehmigung in Vorlage
gebracht, unter dem 26. September laufenden Jahres durch das königliche
Staatsministerium des Innern und die königliche Regierung von
Mittelfranken die allerhuldvollste wohlgefällige Anerkennung für die in
so edler und hervorragender Weise gemachte Stiftung aussprechen ließen.
Bis Chanukka wird - so Gott will - das Gebäude fertig sein und im
kommenden Frühjahre die Aufnahme von Waisenmädchen stattfinden können,
worüber seinerzeit noch besonders berichtet werden wird. Bevor ich
schließe, finde ich es angezeigt, noch einen anderen Gönner der Anstalt
zu erwähnen. Es ist der als Wohltäter und Unterstützer
(wörtlich: 'in die Bresche springender') allseitig bekannte Herr
Jacob Cramer dahier. Derselbe stiftete 8.000 Mark zur Gründung eines
Freiplatzes. Möchten diese edlen Beispiele Nachahmung finden! Dr.
Königshöfer." |
Aus
der Arbeit des israelitischen Waisenhauses - Werbung für Unterstützung der
Einrichtung (1885)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. März 1885: |
|
Zum Tod von Rabbi Simon Bamberger
(1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. April
1885: "Fürth, im Nissan. Leider schon wieder hat der
unerbittliche Tod eine tiefe Lücke gerissen unter den hervorragenden
Männern hiesiger Gemeinde und betrauern wir den Verlust des weit über
die Grenzen hiesiger Stadt hinaus berühmten Rabbi Simon Bamberger
- das Andenken an den Gerechten ist zum Segen, Schüler des großen
Rabbiners (Gaon) Wolf Hamburger - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen. Nachdem er die hiesige Jeschiwa verlassen, widmete er sich dem
Lehrfache und hatte das Glück, an die hier bestehende, damals noch in den
ersten Anfängen liegende israelitische Waisenanstalt berufen zu
werden, als deren Reorganisator er sich bewährte. Er war es, der von
geringen Anfängen durch Energie, Ausdauer und große Geschicklichkeit
dieses heute so imposant und beinahe einzig in seiner Art dastehende Institut
zu heben, zu befestigen und zu dessen innerem wie äußerem Ausbau ganz
Eminentes beizutragen verstand. Seine Kraft entfaltete er hauptsächlich
mit großem Nutzen, für sämtliche hiesige wohltätige und öffentliche
Institutionen, in den Tagen der ernsten Kämpfe, die hier vor circa 50
Jahren so vernichtend gewütet haben, als die Neologie Alles zu
nivellieren suchte! Ihm ist es zu großem Teile zu danken, wenn die vielen
und zahlreichen Institutionen in unserer ehrwürdigen Gemeinde bis auf den
heutigen Tag erhalten bleiben konnten. Einen unentwegten Kämpfer für Wahrheit
und Tora, ein leuchtendes Beispiel für kommende Generationen
mussten wir verlieren; er ist eingegangen zu ewigen Ruhe, wo der reiche
Lohn für seine vielen und edlen Taten ihm zuteil werden wird. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
-s-m." |
Über die israelitische Waisenanstalt nach Einrichtung der Mädchenabteilung (1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. September
1885: "Die israelitische Waisenanstalt zu Fürth.
Die im Jahre 1753 gegründete Waisenanstalt zu Fürth, die einzige für
Bayern und die älteste Deutschlands, von Seiner Majestät dem Könige,
unserem allergnädigsten Landesvater, mit dem Rechte der juristischen
Persönlichkeit ausgestattet, nimmt alle israelitischen Waisenknaben aus
allen Teilen des ganzen Vaterlandes auf, und so befinden sich dermalen 47
Waisenknaben in der Anstalt.
Schon nach zurückgelegtem 5. Lebensjahre werden die Waisenknaben
aufgenommen und verbleiben da bis zu ihrem 13. beziehungsweise 14.
Lebensjahre. Während ihres Aufenthaltes erhalten die Zöglinge in der
Anstalt Logis, Kost, Kleidung, Wäsche, überhaupt vollständige
Verpflegung, ebenso den vollständigen Religions- und Elementarunterricht
- alles unentgeltlich. In der Religion umfasst der Unterricht alle zu
diesem Fache gehörigen Gegenstände. Der Elementarunterricht entspricht
den Leistungen der städtischen Volksschule und erstreckt sich noch
überdies auf kaufmännische Fächer, wie kaufmännisches Rechnen,
Korrespondenz und Buchhaltung. Von den neueren Sprachen wird die
französische unterrichtet.
Was die Erziehung betrifft, so werden die Kinder derart erzogen, dass sie
als brauchbare Menschen und nützliche, treue Staatsbürger
heranwachsen.
Durch die Freizügigkeit haben die Landgemeinden an Mitgliederzahl
bedeutend abgenommen, und so ist es nicht selten der Fall, dass viele
Gemeinden gar nicht mehr imstande sind, einen Lehrer besolden zu können,
wodurch dann unbemittelte Witwen rat- und hilflos dastehen. Würde für
solche verlassene Waisen nicht gesorgt werden, so würden sie ohne
Unterricht und ohne gehörige Erziehung aufwachsen müssen. In diesem
Notfalle ist es immer und immer wieder die wohltätige Waisenanstalt,
worin diese verlassenen Kinder gute Unterkunft finden, und für deren
körperliches und geistiges Gedeihen bestens Sorge getragen wird. Wie
viele Tränen der Witwen und Waisen werden durch das segensreiche Wirken
der Anstalt getrocknet! Viele Hunderte von herangewachsenen Bürgern
verdanken diesem wohltätigen Institute ihre Versorgung und Stellung als
würdige Glieder der menschlichen Gesellschaft.
Schon eine Reihe von Jahren war die Verwaltung der Anstalt bestrebt, alle Aufnahmegesuche
der Waisen zu berücksichtigen, und so wurde schon seit 10 Jahren kein
einziges Aufnahmegesuch zurückgewiesen, und wenn mit Mittel der Anstalt
zur Aufnahme aller Gesuchsteller nicht ausreichten, trat nicht selten die
Verwaltung der Anstalt mit eigenen Mitteln helfend ein.
Die Erhaltung, Verpflegung und der Unterricht so vieler Waisenkinder
erfordern selbstverständlich große Summen, Da aber die Anstalt nur so
viel Kapital besitzt, dass durch dessen Zinsen erst die Hälfte der
notwendigen Ausgaben bestritten werden kann, so ist sie zur Erlangung der
anderen Hälfte jahraus und jahrein auf freiwillige Gaben angewiesen. Wenn
nun der Anstalt nicht in ergiebiger Weise wohltätig beigestanden wird, so
ist es sehr fraglich, ob sie dem edlen Prinzipe, kein Waisengesuch
zurückzuweisen, auch künftighin noch Rechnung tragen kann. Ein Leichtes
wäre es aber und könnte gar mancher trostlosen Witwe geholfen und gar
manches verlassene Waisenkind versorgt werden, wenn unsere edlen
Mitbrüder und Mitschwestern auch nur einen kleinen Teil ihrer
Wohltätigkeit dieser segensreichen Anstalt zufließen ließen. Die
Verwaltung der Anstalt erlaubt sich daher und ist dringend hierzu
veranlasst, unsere edlen Mitbrüder und Mitschwestern zu bitten, die
Anstalt mit ihren Waisenkindern zu unterstützen, sei es durch jährliche
Beiträge oder auch einmalige Spenden, oder sei es durch Stiftungen und
Gründung von Freiplätzen. Es gibt ja doch wohl keine edlere Tat, als
Witwen zu trösten und Waisen versorgen zu helfen. Lehrt ja schon der Talmud,
'wer einen Waisen erziehen hilft, dessen Lohn ist ebenso groß, als
erzöge und versorge er sein eigenes Kind.' Der Lohn der Mildtätigkeit
ist an sich schon sehr groß, noch viel größer aber ist der Lohn jener
Mildtätigkeit, die man Waisen angedeihen lässt. Nennt sich der
Allmächtige selbst 'Vater der Witwen und Waisen'.
Bisher war nur für die Unterbringung der Waisenknaben Sorge getragen. Das
Bedürfnis und die Notwendigkeit, auch für verlassen dastehende Waisenmädchen
eine derartige Anstalt zu besitzen, wurde schon seit langer Zeit tief
empfunden, und |
die
Gründung einer solchen Anstalt beschäftigte schon lange die Herzen
vieler edler Menschenfreunde.
Wie oft musste die Verwaltung von Witwen, die ihre Knaben in die Anstalt
brachten, unter bitteren Tränen die Klage hören, dass sie jetzt für
ihre Knaben wohl ein Heim gefunden hätten, aber ihre Mädchen ganz
unversorgt dastünden. Der Allmächtige, Vater der Witwen und Waisen,
lenkte in seiner allweisen Fürsorge die Aufmerksamkeit eines edlen
Gönners der Knaben-Waisenanstalt auch auf dieses edle Vorhaben. Dieser
wohltätige Herr, der zu Nürnberg wohnhaft und für die
Waisenknabenanstalt schon viel Gutes und Ersprießliches wirkte, übergab
der Verwaltung 100.000 Mark zur Gründung einer
Mädchenwaisenanstalt.
Die Verwaltung ließ nun zu diesem Zwecke einen schönen Neubau
aufführen, der mit dem bereits bestehenden Gebäude verbunden wurde, und
so findet schon im Monat Juli dieses Jahres eine Aufnahme von
Waisenmädchen statt. Die Waisenmädchen erhalten in der Anstalt, wie dies
bei den Knaben der Fall ist, Logis, Kost, Kleidung und Wäsche, wie
überhaupt vollständige Verpflegung ganz unentgeltlich. Den Unterricht
genießen die Mädchen in der Volksschule. Was die Erziehung betrifft, so
sollen die Mädchen zu brauchbaren, braven Töchtern erzogen werden.
Von jenen 100.000 Mark, die der Anstalt zu erwähntem Zwecke verfügbar
waren, wurde durch den Neubau, sowie durch die Einrichtung ein
beträchtlicher Teil absorbiert. Die der Verwaltung zur Aufnahme von
Waisenmädchen verfügbaren Mittel sind daher vorerst noch sehr geringe
und reichen nur dahin, um eine ganz kleine Anzahl von Mädchen aufnehmen
zu können, während eine größere Anzahl Aufnahmegesuche sehr armer und
dürftiger Mädchen unberücksichtigt bleiben müssen, wodurch dann die so
traurige Lage vieler bekümmerter Witwen nicht gebessert
wird.
Edle Brüder und Schwestern!
Der Bau und die Grundlage zu einer Mädchenanstalt ist durch einen
edlen Menschenfreund wohl geschaffen. Soll es aber auch dieser notwendig
gewesenen und wohltätigen Anstalt ermöglicht werden, die heißen Tränen
so vieler traurigen Witwen zu stillen und den verlassen dastehenden
Mädchen die Aufnahme in die Anstalt zu bewirken, so trage doch ein Jeder
zu diesem humanen, edlen Zwecke sein Scherflein bei, unterstütze doch ein
jedes mildtätige Herz auch diese neue segensreiche Anstalt mit
jährlichen freiwilligen Beiträgen oder Stiftungen und durch Gründung
von Freiplätzen. Wolle doch ein jedes edle Herz einen Teil seiner
Wohltätigkeit auch dieser Segen bringenden Anstalt zufließen
lassen.
Der Allmächtige, der Beschützer der Witwen und Waisen, wir ein
solch edles wohltätiges Werk reichlich lohnen und den lieben Spendern und
Spenderinnen eine lange Reihe von Jahren die Frucht ihrer segensreichen
Saat in Freuden und Glück genießen lassen.
Fürth, im September 1885.
Die Administration der israelitischen Waisenanstalt. Schließlich sei noch
bemerkt, dass die aufgenommenen Waisenknaben täglich zu jeder Gebetszeit
in der Waisen-Synagoge für die hingeschiedenen Mitglieder und Stifter das
Kaddisch-Gebet verrichten." |
Ausschreibung
der Stelle einer Erzieherin in der israelitischen Waisenanstalt (1887)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Juli
1887: "Am 1. Dezember laufenden Jahres erledigt sich in der
Mädchen-Abteilung der israelitischen Waisen-Anstalt dahier die Stelle
einer Erzieherin und Aufseherin. Bewerberinnen gesetzten Alters, die Sinn
für Häuslichkeit haben, von guter Gemütsart sind, um den Kindern die
Mutter zu ersetzen, und nebstdem die Fähigkeiten besitzen, die
Bearbeitung der Volksschulaufgaben zu beaufsichtigen, werden ersucht, ihre
Meldung unter Vorlage entsprechender Zeugnisse über sittlichen und
religiösen Lebenswandel und unter genauer Angabe seitheriger Verwendung
an den Direktor der Anstalt, Herr Dr. Könighöfer,
einzuwenden.
Fürth, den 6. Juni 1887. Die Verwaltung der israelitischen
Waisen-Anstalt." |
Ausschreibung von Plätzen in der israelitischen
Waisenanstalt (1889 / 1890 / 1892 / 1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. März
1889: "Bekanntmachung.
Im Laufe des Monats April dieses Jahres werden inländische israelitische
Waisen-Knaben und Waisen-Mädchen in die hiesige israelitische
Waisen-Anstalt aufgenommen und sind Bewerbungsgesuche um fragliche
Aufnahme
innerhalb 4 Wochen
portofrei einzusenden und folgende Zeugnisse beizuschließen:
1) Ein Geburts-, Domizils- und Leumundszeugnis mit besonderer Angabe, dass
Bewerber einer legalen Ehe entstammen;
2) ein Gesundheitszeugnis;
3) ein Schulzeugnis;
4) ein Vermögenszeugnis;
5) ein Impfzeugnis.
Solche Waisen, die das 6. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt oder das 11.
schön überschritten haben, können die Aufnahme nicht erlangen.
Fürth, den 6. März 1889. Die Verwaltung der israelitischen
Waisen-Anstalt." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März
1890: "Bekanntmachung.
Im Laufe des Monats April dieses Jahres werden inländische israelitische
Waisenknaben und Waisenmädchen in die hiesige israelitische
Waisen-Anstalt aufgenommen und sind Bewerbungsgesuche um fragliche
Aufnahme
innerhalb 4 Wochen
portofrei einzusenden und folgende Zeugnisse beizuschließen:
1) Ein Geburts-, Domizils- und Leumundszeugnis mit besonderer Angabe, dass
Bewerber einer legalen Ehe entstammen;
2) ein Gesundheitszeugnis;
3) ein Schulzeugnis;
4) ein Vermögenszeugnis;
5) ein Impfzeugnis.
Solche Waisen, die das 6. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt oder das 11.
schön überschritten haben, können die Aufnahme nicht erlangen.
Fürth, den 6. März 1890. Die Verwaltung der israelitischen
Waisen-Anstalt." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März
1892: "Bekanntmachung.
Mitte April dieses Jahres werden inländische israelitische
Waisenknaben und Waisenmädchen in die hiesige israelitische
Waisen-Anstalt aufgenommen, und sind Bewerbungsgesuche um
fragliche Aufnahme
innerhalb 4 Wochen
portofrei einzusenden und folgende Zeugnisse beizuschließen:
1) Ein Geburts-, Domizils- und Leumundszeugnis mit besonderer Angabe, dass
Bewerber einer legalen Ehe entstammen;
2) ein Gesundheitszeugnis;
3) ein Schulzeugnis;
4) ein Vermögenszeugnis;
5) ein Impfzeugnis.
Solche Waisen, die das 6. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt oder das 11.
schön überschritten haben, können die Aufnahme nicht erlangen.
Fürth, den 10. März 1892. Die Verwaltung der israelitischen
Waisen-Anstalt." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März
1893: "Bekanntmachung!
Mitte April dieses Jahres werden inländische israelitische
Waisenknaben und Waisenmädchen in die hiesige israelitische
Waisen-Anstalt aufgenommen. Bewerbungsgesuche um fragliche Aufnahme
sind
innerhalb 3 Wochen
portofrei einzusenden und folgende Zeugnisse beizuschließen:
1) Ein Geburts-, Domizils- und Leumundszeugnis mit besonderer Angabe, dass
Bewerber einer legalen Ehe entstammen;
2) ein Gesundheitszeugnis;
3) ein Schulzeugnis;
4) ein Vermögenszeugnis;
5) ein Impfzeugnis.
Solche Waisen, die das 6. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt oder das 11.
schön überschritten haben, können die Aufnahme nicht erlangen.
Fürth, den 9. März 1893. Die Verwaltung der israelitischen
Waisen-Anstalt." |
25-jähriges Dienstjubiläum von Rabbiner Dr.
Königshöfer in der Waisenanstalt (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. August
1891: "Fürth. Wenn schon öfters die Spalten des 'Israelit'
sich geöffnet, um die Verdienste eines Mannes hervorzuheben, so verdient
ganz besonders das weiter Erwähnte durch Ihr vielgelesenes Blatt bekannt
gegeben zu werden. Am 1. August waren es 25 Jahre, dass Herr Herr Dr.
Königshöfer, damaliger Rabbiner in Hachenbach,
als Direktor und Pflegevater in das hiesige israelitische Waisenhaus
seinen Einzug hielt. Mit welchem Eifer, in welcher Hingebung durch
rastlose Arbeit und stete Fürsorge für seine Pflegbefohlenen Herr Dr. K.
während der ganzen Dauer dieser Zeit wirkte, um sowohl die ihm
anvertrauten Waisenkinder als brauchbare Menschen heranzubilden und zu
erziehen, als auch die Anstalt selbst als Muster für gleiche Institute
voranzustellen, beweist schon, dass diese Anstalt, welche beim Antritt des
Herrn Dr. K. nur 13 Zöglinge hatte und die Mittel für eine größere
Zahl nicht besaß, nunmehr 46 Knaben und 16 Mädchen in ihren Räumen
birgt, wo ihnen, sowohl von Herrn Dr. als auch dessen Gattin die sorgsamste
Pflege und Erziehung, verbunden mit aufopfernder Liebe und Sorge für
deren Gedeihen und Wohlergehen zuteil wird. Gar viele, welche ihre Erziehung
und Heranbildung nur in dieser Anstalt genossen, fungieren jetzt in der
Welt als Lehrer, Kaufleute etc. und haben dort gelernt, ihren Erwerb zu
finden und in der menschlichen Gesellschaft als Muster dazustehen.
Mit Recht lässt sich auf den Jubilar sagen, dass er ein "Vater
der Waisen"* ist. Wissen doch die meisten Zöglinge, welche im
zartesten Kindesalter die Anstalt betreten, kaum den Unterschied, dass sie
noch einen anderen Vater gehabt. Herr Dr. K. und dessen Gattin sind aber
auch stets bestrebt, die Kinder mit hingebenster Liebe zu behandeln.
Die Administration der Waisenanstalt hat aus diesem Anlass ihr Lob und
Dank auch in anerkennendster Weise kundgegeben. Möge es der Anstalt und
der hiesigen Gemeinde vergönnt sein, noch viele Jahre des segensreichen
Wirkens des Herrn Dr. Königshöfer teilhaftig zu werden. Ploni."
|
*der Titel beinhaltet hohe Anerkennung,
das nach Psalm 68,6 Gott selbst "Vater der Waisen" ist. |
Zum Tod der "Waisenmutter" Bertha Schwarz, Gattin
von Lazarus Schwarz in Nürnberg (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Oktober
1893: "Fürth. Am vergangenen Erew Jom Tow (Tag vor
Feiertag), vor Eingang des Sukkot-Festes, wurde die brave, fromme, edle Frau
Bertha Schwarz, Gattin des allgemein weit und breit rühmlichst
bekannten Herrn Lazarus Schwarz zu Nürnberg, leider nur viel zu
frühe zur ewigen Ruhe bestattet.
Die Waisenknaben und Mädchen der Waisenanstalt zu Fürth gingen als
Leidtragende hinter der Bahre. Der Ausdruck des Kummers und des Schmerzes
lag auf dem Gesichte eines jeden Waisenkindes; denn sowie Herr Lazarus
Schwarz als der zweite Vater aller Waisen Bayerns im edelsten Sinne des
Wortes zu betrachten ist, so war dessen fromme Gattin, Frau Bertha
Schwarz, die zweite Mutter der Waisen. Dass schon eine lange Reihe von
Jahren kein Aufnahmegesuch eines Waisen zurückgewiesen werden brauchte,
war nur der Wohltätigkeit dieses edlen Ehepaares, Herrn Lazarus und Frau
Bertha Schwarz zu verdanken. Dort, wo die Finanzen der Anstalt nicht
ausreichten, um alle Gesuche berücksichtigen zu können, konnten solche
auf Kosten des Herrn Lazarus und Frau Bertha Schwarz aufgenommen
werden.
Als sich der Mangel einer Mädchen-Waisenanstalt immer mehr fühlbar
machte, gründete dieses wohltätige Ehepaar, anschließend an die
Knaben-Waisenanstalt, auch eine Mädchen-Waisenanstalt mit einem Kapitale
von 100.000 Mark. Da aber von diesem Kapitale über 30.000 Mark zu
Baukosten verwendet werden mussten, so reichten die Zinsen des Kapitals
nicht aus, um alle sich anmeldende Waisenmädchen aufnehmen zu können. Um
auch kein Waisenmädchen-Gesuch zurückweisen zu brauchen, zahlte Herr
Lazarus Schwarz die Unterhaltungskosten jahrelang für 4
Waisenmädchen.
Außer noch vielen anderen Vermächtnissen bestimmte Frau Bertha Schwarz -
sie ruhe in Frieden - für alle Waisen der Anstalt Fürth, deren
jetzt 68 in der Anstalt sich befinden, für jedes Waisenkind je 100 Mark,
die verzinslich angelegt werden müssen und im 21. Lebensjahre jedem Kinde
ausbezahlt werden sollen.
An dem ungemein großen Leichenbegängnisse konnte man sehen, was Frau
Bertha Schwarz der Welt galt und wie dieser herbe Verlust allgemein
empfunden wird. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
Möge Gott deren wohltätigen, edlen Gatten Herrn Lazarus Schwarz bis
100 Jahre recht gesund und wohl erhalten, um noch recht viel Gutes und
Edles in Israel wirken zu können!" |
Zum Tod des Waisenhausvaters Dr. Moses Jonas Königshöfer
(1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juli 1894:
"Fürth. (Hebräisch und deutsch:) Die Krone unseres Hauptes ist
gefallen, wehe uns, denn wir haben gesündigt! (Klagelieder 5,16) Ja,
eine Krone, eine perlengeschmückte Krone ist es, die uns entrissen ward,
weil wir gesündigt! Wir waren eines solchen Diadems nicht länger wert. Mosche
ging hinauf zur (Himmels-)Höhe. Herr Dr. Moses Jonas Königshöfer
ist von uns genommen worden in der Blüte seiner Jahre, auf der Höhe
seines Schaffens stehend. Ein Schrei des Schmerzes war es, der den Lippen
Aller entfuhr, als die schreckliche Nachricht von dem plötzlichen, völlig
unerwarteten Tod des teuren, edlen Mannes die Stadt durcheilte. Was
derselbe doch mehr als 25 Jahre lang in einer Weise hier tätig, dass das
Aufhören eines solch vielseitigen und segensreichen Wirkens als ein ein
herber, in seinen Folgen unberechenbarer Verlust erscheinen musste.
Als Sohn eines Frommen, eines Sohnes der Tora in Welbhausen
in Bayern geboren, ward der Knabe frühzeitig zum Torastudium angehalten
und fand später in dem ehrwürdigen Rabbiner Jona Rosenbaum – sein
Licht leuchte – in Zell (am
Main) einen trefflichen Lehrer, so dass er von hier aus die Jeschiwa
in Preßburg beziehen konnte. Insbesondere aber schöpfte er aus dem
Tora-Quell unter Leitung des Rabbiner Nete Wolff Lieser – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen -, der ihn wegen seines unermüdlichen
Fleißes, der auch die größten Schwierigkeiten und Entbehrungen nicht
scheute, und wegen seiner biederen Gottesfurcht ganz besonders ins
Herz geschlossen hatte. Ausgestattet mit einem reichen Schatz von Tora,
strebte nun der wissbegierige Jüngling auch Derech Erez, profanes
Wissen zu erwerben. Zu diesem Zwecke studierte er in Würzburg.
Gleichzeitig besuchte er den Schiur (Lehrvortrag) des berühmten Rabbi
Jizchak Dow (Seligmann Bär) Bamberger – das Andenken an den Gerechten
ist zum Segen. Zum Schluss seiner Studien begab sich der strebsame
Torajünger nach München, woselbst er promovierte und das Staatsexamen
als Rabbiner ablegte. Nachdem er einige Jahre hindurch in einem kleinen
Distrikt (sc. Hagenbach) als
Rabbiner fungiert hatte, wurde er von der Administration der Israelitischen
Waisenanstalt Fürth zum Direktor berufen. Die Anstalt gedieh unter
seiner trefflichen Leitung zu einem Institut, das wohl seinesgleichen in
Deutschland sucht. Sein freundliches, einfaches Wesen wusste der Anstalt
viele und opferwillige Freunde zu gewinnen, sodass dieselbe, die anfangs
nur verwaisten Knaben in beschränkter Zahl Unterkunft bieten konnte, später
immer ausgedehnter und leistungsfähiger wurde und ihre Tore auch den
Menschen öffnen konnte. Und wie waltete der edle Verstorbene seines Amtes
als Waisenvater! Man muss es gesehen haben, wie väterlich der treue Mann
seinen Schutzbefohlenen entgegenkam. Die Tränen, die von den armen Waisen
vergossen wurden ob des Todes ihres Waisenvaters, sagten es uns deutlicher
als alle Worte, wie Liebe Gegenliebe erzeugt. Außer seiner Tätigkeit als
Direktor der Waisenanstalt wurde die Kraft des Entschlafenen noch in
anderer Weise in Anspruch genommen. Die religiösen Institutionen der
Gemeinde waren durch Übereinkommen einer Ritualkommission unterstellt, an
deren Spitze der Verstorbene stand. Wenn schon die Leitung dieser
Angelegenheiten mit Gleichgesinnten ein schwieriges Amt ist, um wie viel
mehr erst erheischt die Führung derselben Geschick und Einsicht, wenn die
Stimme fortschrittlich gesinnter Männer gehört und geachtet werden muss!
Mit bewundernswürdigem Scharfblick wusste Herr Dr. Königshöfer –
das Andenken an den Gerechten ist zum Segen – Mittel und Wege zu
finden, um seiner Ansicht, hervorgegangen aus Gottesfurcht
und Gelehrsamkeit, zum Siege zu verhelfen. Doch nicht schroff, nein
milde war sein Verfahren, denn er war einer, der den Frieden liebt und
dem Frieden nachjagt, des echten wahren Friedens, der nur die
Größe unserer Religion kennt. Immer und immer wieder bestrebt, von
den Schülern Aharons zu sein, entsprach er so recht dem Grundsatze die
Menschen lieben und zur Tora zu führen. Wie gerne, wie hingebungsvoll
teilte er von seinem Wissen anderen mit! Der Talmudverein Schiur
Haschass verliert in ihm seinen Vorsitzenden, der es verstanden, so
schön zu 'lernen', dass innere Befriedigung jeden Teilnehmer erfüllte.
Und ein jeder, den es nach den Worten der heiligen Tora dürstete, konnte
durch ihn sich laben an diesem Quell des Heils,
Dieser teure Mann, dessen Devise ich bin ein Iwri und den Herrn, den
Gott des Himmels fürchte ich (Jona 1,9) war, musste im Alter von nur
54 Jahren seine segensreiche irdische Laufbahn beenden, seine biedere,
edle Frau - sie sei gesegnet -, die ihn in allen edlen Bestrebungen
so kräftig unterstützt, als schmerzerfüllte Witwe und seine in echt jüdischem
Sinne erzogenen Söhne und Töchter als Waisen zurücklassend.
Am Tag vor Schabbat Paraschat Schelach lecha (= Schabbat mit
der Toralesung Shelach Lecha, d.i. 4. Mose 13,1 - 15,41, das war
Schabbat, 30. Juni 1894 bzw. der Tag zuvor: Freitag, 29. Juni 1894) kurz
vor Eingang des Sabbat wurde der teure Entschlafene zur Ruhe getragen
unter überaus zahlreicher Beteiligung aller Kreise, deren Achtung und
Liebe er sich in so reichem Maße erworben hatte. Mit tief empfundenen
Worten schilderten die Herren: Rabbiner Dr. Neuburger, Direktor Dr.
Dessau, Bankier Rau und Rabbinatskandidat Ansbacher aus Nürnberg die
edlen Charaktereigenschaften und das erfolgreiche Wirken des teuren
Freundes. Doch die Nähe des Sabbat gebot Kürze. Möge der uns so jäh
Entrissene in jenen lichten Höhen, wohin seine edle Seele gestiegen, ein rechter
Fürsprecher sein, für seine schwergeprüfte Familie und für uns,
die so ernst und tief um ihn trauern und sein Andenken stets hoch halten
werden. Das Andenken an den Frommen ist zum Segen!".
|
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 6. Juli 1894: "In Fürth ist am 28. vorigen Monats der
verdienstvolle Direktor der israelitischen Waisenanstalt, Dr.
Königshöfer, gestorben." |
Unter dem Waisenhausdirektor Rabbiner Dr. Hermann Deutsch (1895 - 1929)
Anmerkung: Rabbiner Dr. Hermann Deutsch (Schimon Zvi ben
Jehuda)
stammt aus Frauenkirchen im Burgenland (bis 1920/21 ungarisch, seitdem
österreichisch). Er wurde 1886 zum Bezirksrabbiner in Burgpreppach ernannt und
blieb auf dieser Stelle fast neun Jahre, bis er als Waisenhausdirektor nach Fürth
berufen wurde (links Grabsteine für Dr. Hermann Deutsch und seine Frau Fanny im
jüdischen Friedhof Fürth).
Die Tochter Klara (geb. 1889 in Burgpreppach) heiratete den späteren
Würzburger Rabbiner Dr. Siegmund Hanover (Rabbiner 1920-1939). Nach dem Tod von
Klara im Mai 1932 in Würzburg heiratete Rabbiner Dr. Hanover eine andere
Tochter von Dr. Deutsch: Ernestine (geb. 1888 in Burgpreppach). Die beiden
konnten 1939 in die USA emigrieren.
Einweihung einer neuen Torarolle in der Synagoge der
israelitischen Waisenanstalt (1903)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März
1903: "Fürth, 1. März (1903). Am gestrigen Heiligen
Schabbat wurde in der Synagoge der israelitischen Waisenanstalt dahier
eine neue Sefer Thora geweiht. Es hat uns wohltuend berührt, dass die
Weihe unter einfach, aber dennoch eindrucksvollen Formen vor sich
gegangen, und dass der Redner des Tages hierbei Veranlassung genommen hat,
die auf religiösem Gebiete liegenden Zeitfragen zu streifen und in
begeisternden Worten die dichtgedrängte Zuhörerschaft zu unwandelbarer
Glaubenstreue und zur Vertiefung und Erweiterung in religiöser
Wissenschaft - Lernen unserer Heiligen Tora - aufzufordern. Das
'Wort zur Zeit' wird sicherlich gute Früchte tragen..."
Die nächste Mittelung bezieht sich nicht auf die
Waisenanstalt. |
Amtsjubiläum
des Lehrers an der Waisenanstalt Sigmund Mosbacher (1903)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. Juli 1903: "Fürth, 18 Juni (1903). Geräuschlos und
still und dennoch in überaus würdiger und erhebender Art und Weise wurde
gestern das Amtsjubiläum des vor 25 Jahren an die hiesige israelitische
Waisenanstalt berufenen Lehrers Sigmund Mosbacher begangen. Eine
Abordnung der Waisenhausverwaltung begab sich früh morgens in die
festlich geschmückte Wohnung des Jubilars, um diesen zu beglückwünschen
und durch sinnige Ehrengaben zu erfreuen. In innigen, von Herzen kommenden
und zu Herzen gehenden Worten pries Direktor Dr. Deutsch in einer
Ansprache das, von liebevollem und friedfertigem Wesen getragene,
erfolggesegnete Wirken des Gefeierten und versicherte, die Anstalt werde
dieser Tätigkeit allezeit mit herzlichem Danke eingedenk bleiben. Herr
Lehrer Mosbacher erwiderte bescheiden unter Betonung, dass die Arbeit im
Dienste der Waisen ihm selbst die reinste Freude und höchste Befriedigung
bereitet habe. Nachmittags vereinigte das Haus des Jubilars einen
erlesenen Kreis von Freunden und Anverwandten, die in gehobener
Festesstimmung und in Reden, welche von Worten der Tora gewürzt
waren, sich ergingen.
Mögen dem beliebten und verdienstvollen Lehrer noch recht viele Jahre
froher Amtstätigkeit beschieden sein!" |
Anzeige der Israelitischen Waisenanstalt
(1904)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. April 1904: "Bekanntmachung.
Für den Eintritt in die hiesige israelitische Waisenanstalt sind
Anmeldungen bis zum 10. Mai dieses Jahres zu betätigen. Nur in Bayern
beheimatete vater- und elternlose Waisen sind zugelassen. Den Gesuchen
sind die nötigen Ausweise beizufügen.
Fürth, den 8. April 1904. Die Verwaltung der israelitischen
Waisenanstalt." |
Soll das Gebäude der israelitischen Waisenanstalt
vergrößert oder ein Neubau erstellt werden? (1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. April
1908: "Fürth, 20. April (1908). Die nach einem hiesigen
Blatte in nr. 12 des 'Israelit' unter Nürnberg abgedruckte Notiz, den
Neubau der hiesigen israelitischen Waisenanstalt betreffend, bedarf in
mancherlei Punkten der Richtigstellung. Bekannt ist, dass die
israelitische Waisenanstalt in Fürth, die einzige in Bayern und älteste
in Deutschland, seit über hundert Jahren mit uneingeschränkter
barmherziger Liebe die in Bayern verwaisten und verlassenen israelitischen
Kinder bei sich aufnimmt und ihnen die denkbar beste geistige Ausbildung
und körperliche Pflege angedeihen lässt. Wenn nun auch die bisherigen
Räume allenfalls für den zu erreichenden Zweck genügen möchten, so war
dennoch schon seit längerer Zeit das Bedürfnis erkannt, durch Errichtung
eines Neubaues für die Kinder bessere Lebensbedingungen zu schaffen und
die Einrichtung der Anstalt befriedigender zu gestalten. Auch sollte
dadurch die Möglichkeit, eine größere Anzahl von Kindern als bisher an
den Wohltaten des Hauses teilnehmen zu lassen, geboten werden. Die
Ausführung des Planes stellte sich jedoch die Schwierigkeit in den Weg,
innerhalb des Stadtgebiets ein geeignetes Baugelände zu finden. Der
ursprüngliche Vorschlag, die Vergrößerung und Erweiterung der Anstalt
durch Erwerbung des Nachbaranwesens in die Wege zu leiten, musste
aufgegeben werden, nachdem hierbei Forderungen auftauchten, die in keinem
Verhältnis zu dem stehen, was durch deren Erfüllung erreicht würde. Das
Freiwerden eines passenden städtischen Grundstücks, das schön und frei
gelegen und doch nicht zu entfernt vom Stadtzentrum sich befindet,
eröffnete nun einerseits die Aussicht, die lang gehegte Absicht,
zeitgemäßen Anforderungen entsprechend ausführen zu können und gab
andererseits den städtischen Körperschaften Gelegenheit, das
gemeinnützige Vorhaben durch billiges Entgegenkommen wohlwollend zu unterstützen.
Letzteres ist nun auch erfolgt, indem die städtische Vertretung in
Berücksichtigung der auf das öffentliche Wohl gerichteten Zwecke der
Anstalt ihre Geneigtheit, die erbetene Baufläche zu ermäßigtem Preise
zu überlassen, der Verwaltung des Waisenhauses kundgegeben hat, und wird
nunmehr auch die Ausführung des Baues geschehen, sobald die Anstalt durch
edle Beihilfen, der sie ihre fortschreitende Entwicklung verdankt, hierzu
in den Stand gesetzt sein wird. Bei dem Rufe, dessen sie sich erfreut, und
der weitverbreiteten Anerkennung, die man ihrer Wirksamkeit zollt, wird
die Erfüllung des in Aussicht genommenen Plan sicher bald ermöglichen
lassen. Der Plan, die Anstalt von hier, wo sie über hundert Jahre
segensreich gewirkt hat und wo auch alle Voraussetzungen für eine religiös-sittliche
Erziehung der Kinder gegeben sind, zu verlegen, ist niemals Gegenstand
ernster Erwägung gewesen." |
Für einen Neubau der Waisenanstalt wurde ein
Grundstück erworben (1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Mai
1909: "Fürth in Bayern, 1. Mai (1909). Die Israelitische
Waisenanstalt in Fürth hat von der Stadtgemeinde den Platz des
Gaswerksareals käuflich erworben und wird dort ein modern ausgestattetes,
neues Waisenhaus errichten lassen." |
Unterstützung
für das israelitische Waisenhaus durch Diamantenhändler Anton Dunkles (1911)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. März 1911: "Der in London verstorbene Diamantenhändler Anton
Dunkles hat dem israelitischen Waisenhaus in Fürth 10.000 Mark
testamentarisch vermacht und die gleiche Summe der Londoner jüdischen
Gemeinde." |
Kritische Anmerkung zur Vornamensänderung des Lehrers
Aron / Arno Bick (1911)
Anmerkung: Aron Bick wurde 1910 als Lehrer angestellt.
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 7. April
1911: "Fürth. Den Bekanntmachungen der Stadt entnehmen
wir folgende Notiz: 'Vornamensänderung. Nach durchgeführtem
Verfahren wird genehmigt, dass der Lehrer an der israelitischen
Waisenanstalt Aron Bick statt des Vornamens Aron den Vornamen Arno
führen darf. Gebühr 10 Mark'. - Der Herr wird sicherlich seinen
Zöglingen jüdische Selbstachtung lehren." |
70. Geburtstag des Lehrers an der israelitischen Waisenanstalt
Sigmund Mosbacher (1911, Lehrer an der Waisenanstalt seit 1887)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November
1911: "Fürth, 5. November (1911). Der beliebte Volksschullehrer Sigmund
Mosbacher vollendete am 28. vorigen Monats seinen 70. Geburtstag. Seit
50 Jahren eifrig und unermüdlich im Lehrberuf tätig, wirkt derselbe seit
nahezu 35 Jahren an der hiesigen Israelitischen Waisenanstalt und hat sich
durch seine edle Natur, sein anspruchsloses, bescheidenes Wesen, sein
redliches und pflichteifriges Schaffen die Achtung weiter Kreise, die
Verehrung zahlreicher Schüler, den Dank des Verwaltungskörpers der
Anstalt, an der er bis zum heutigen tage unverdrossen wirkt, in reichstem
Maße erworben. Der Direktor der Waisenanstalt, Herr Dr. Deutsch, gab
diesen Empfindungen schönen und gehaltvollen Ausdruck in einer
Ansprache, mit welcher er an der Spitze einer Deputation den Jubilar an
seinem Ehrentage begrüßte. Reiche und sinnige Geschenke wurden sowohl
seitens der Verwaltung, von den Waisenkindern, Freunden und Verehrern
dargebracht. Zahlreiche Gratulanten durchwogten den ganzen Tag das Haus
des Gefeierten und legten Zeugnis von der Hochachtung ab, die ihm
allenthalben entgegengebracht wird." |
Jahresbericht der israelitischen Waisenanstalt
(1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Juli
1914: "Fürth, 17. Juli (1914). Die Israelitische Waisenanstalt
zählte im abgelaufenen Schuljahr 36 Knaben und 17 Mädchen, demnach
insgesamt 53 Zöglinge. Die in der Anstalt befindlichen Kinder haben in
ihr sorgsame Pflege, Erziehung und Ausbildung und eine größere Zahl
bereits ausgetretener weit in das Leben hineinreichende Fürsorge
genossen. Von den Knaben wurden die meisten (32) der Mittelschule
zugeführt; die Mädchen dagegen besuchten die städtische Volksschule und
nur einzelne wenige die Töchterschule (2) und höhere Handelsschule (2).
Die Mädchen von den häuslichen Berufen abzuziehen, ist, wie der
Jahresbericht hervorgebt, jetzt umso weniger Anlass gegeben, nachdem in
den letzten Jahren laut Mitteilung der Stellenvermittlungsämter der
Andrang zu Handelsgehilfinnen in ebenso großem Maße zugenommen, als die
Aufnahmefähigkeit durch schlechten Geschäftsgang und wirtschaftliche
Depression sich vermindert hat. Mit dem Ablauf dieses Schuljahres sind 150
Jahre seit Begründung der Israelitischen Waisenanstalt verflossen. Ihren
Gepflogenheiten entspricht es nicht, durch feierliche und getragene
Veranstaltungen an die Öffentlichkeit heranzutreten. In emsiger, aber
nach außen hin kaum bemerkbarer Tätigkeit hat sie auch das große Werk
vorbereitet, das einen Wendepunkt in der Geschichte der Anstalt zu bilden
bestimmt ist: die Neueinrichtung der Anstalt nach modernen, hygienischen
und sicherheitspolizeilichen Grundsätzen, zu deren Durchführung sie
alsbald schreiten wird." |
Jubiläum von Waisenhausdirektor Dr. Hermann Deutsch
(1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Februar
1920: "Fürth, 3. Februar (1920). Am 5. Februar
wurde hier das Jubiläum des Herrn Waisenhausdirektors Dr. Deutsch
gefeiert. Die Fürther Zeitung vom 3. Februar schreibt dazu unter anderem:
'Der Jubilar kann an diesem Tage auf eine an Arbeit und Erfolgen reiche
Tätigkeit zurückblicken. Seine Beamtenlaufbahn begann er als Lehrer in
Frankfurt am Main Von dort kam er als Distriktsrabbiner nach Burgpreppach,
wo er als Leiter der dort bestehenden Präparandenschule vielfach
Gelegenheit fand, sein pädagogisches Geschick und seine organisatorische
Begabung zu beweisen und sich die Anerkennung der Behörden zu erwerben.
Seine im Jahre 1893 erfolgte Wahl zum Oberrabbiner von Altona und
Schleswig-Holstein schlug er aus. Im Jahre 1895 wurde ihm das Amt
eines Waisenhausdirektors hier übertragen. Was nun Dr. Deutsch in den
seitdem verflossenen 15 Jahren in unermüdlicher Hingebung für die
Waisenanstalt geleistet hat, ist nur den vertrautesten Mitarbeitern voll
bekannt und lässt sich in wenigen Worten nicht zur Darstellung
bringen. Neben seiner eigentlichen Berufstätigkeit übt Dr. Deutsch durch
Unterrichterteilen, öffentliche Vorträge und Lernkurse, hervorragenden
Einfluss auf Alt und Jung aus und seine Geltung innerhalb der
Israelitengemeinde ist darum groß und bedeutend. Dort fördert er neben
den kulturellen Einrichtungen auch alle auf Erhaltung des konfessionellen
Friedens in der Bürgerschaft gerichteten Bestrebungen, wozu er oft schon
auch das Wort in diesen Blättern genommen hat. In weiten Kreisen der
Bürgerschaft ist er darum gekannt und geachtet'. - Die Feier fand unter
Teilnahme der Gesamtgemeinde und der wesentlichsten Vereine statt. In der
mit Blumen und Ehrengaben geschmückten Wohnung des Gefeierten erschien
Deputation auf Deputation, um in herrlichen Reden und Gegenreden Gefühle
des Dankes und der Verehrung auszusprechen. Auch auswärtige Schüler hatten
sich zu diesem Zwecke eingefunden. Das Ganze bildete eine echte
Bewahrheitung des Salomonischen Satzes (Sprüche 3,35): 'Ehre besitzen
die Weisen'." |
Zum 70. Geburtstag von Direktor Dr. Hermann Deutsch
(1926)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7.
Oktober 1926: "Fürth. Am 27. Oktober vollendet Herr Direktor
Dr. Deutsch, hier in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit sein
70. Lebensjahr und zugleich einen Zeitraum von 40 Jahren, seitdem derselbe
vom Religionsleiter in Frankfurt am Main in den bayerisch israelitischen
Gemeindedienst übergetreten ist. Von allen Seiten gewürdigt und verehrt,
ist ihm auf den mannigfachen Gebieten seiner Tätigkeit hoher Erfolg, in
trefflichen Kindern reiches Glück erblüht. Freunde und Schüler
vereinigen sich in dem Wunsche, dass es dem Jubilar noch lange vergönnt
sein möge, seinen Ämtern vorzustehen, von seinem Wissensborn alt und
jung zu lagen und seinen Einfluss, wie bisher, im Interesse des
Gemeindefriedens und der Einheit des Judentums geltend zu machen." |
Über die Geschichte der israelitischen Waisenanstalt
in Fürth - Bericht von Direktor Dr. Hermann Deutsch
(1927)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. März
1927:
"Zur Geschichte der Israelitischen Waisenanstalt in Fürth.
Von Direktor Dr. Hermann Deutsch.
Die Notwendigkeit einer Aufnahme und Unterbringung ausgesetzter Kinder,
welche die Gesetzgebung des Altertums ziemlich recht- und schutzlos
gelassen hatte, war die erste Veranlassung zur Gründung von Heimstätten
und Pflegehäuser (Findelanstalten) für verlassene Kinder in Deutschland
sowohl, wie in anderen kultivierten Ländern Europas. Hieraus haben sich
später die Waisenhäuser entwickelt. Innerhalb der Judenheit war der
Findling (in der Mischnah 'Assuri' genannt) eine so seltene Erscheinung,
dass das Bedürfnis zur Schaffung von derartigen Anstalten in gedachter
Zweckabsicht nicht gegeben war. Mildtätigkeit bewahrte vor einer Notlage,
die zur Aussetzung von Kindern hätte führen können. Aber dem Leid
hilfloser Waisen, die ihre Eltern verloren hatten, abzuhelfen, galt es zu
allen Zeiten und in allen Gemeinschaften. Mit allergrößtem Nachdruck
wird in der heiligen Schrift und in den Reden der Propheten die
weitestgehende Fürsorge für den Jossaum (Waisen) anempfohlen. Sie wird
an die Spitze aller Wohltätigkeitsübung gestellt. Eine Vernachlässigung
hierin fordert Gottes richtendes Einschreiten besonders heraus.
Aussprüche der Weisen schärfen Gewissen und Empfindung in gleicher
Richtung. Sich eines verwaisten Kindes anzunehmen und es wie das eigene
groß zu ziehen und schützend und schirmend durch das Leben zu geleiten,
wird als der Gipfel aller Guttat bezeichnet, auf welche der Psalmenvers
(106,3) hinweisen soll mit den Worten: 'Wohl dem, der Gerechtigkeit wahrt
und der Liebespflicht obliegt zu jeder Zeit ' (Ketubot 40a). In
gewissenhafter Beachtung dieser Lehrsätze und Mahnungen wurde einer
großen Anwahl verwaister Kinder die rettende Hand durch Aufnahme in
Familien geboten. Wo dies nicht der Fall war, hatte die öffentliche
Vertretung sich derselben anzunehmen und Pfleger (Ayitrophsim) für
dieselben zu bestellen. Die Wahrnehmung der sittlichen und religiösen
Gefahren, welche eine mangelnde oder leichtfertig gehandhabte Pflegschaft
für solche verlassene Kinder im Gefolge haben konnte, führte zur
Errichtung von Häusern, in welchen schutzbedürftigen Kindern unter
fachkundiger Leitung sorgfältige körperliche und geistige Pflege zuteil
werden soll. Eine der ältesten, wenn nicht die älteste in Deutschland,
ist die Israelitische Waisenanstalt in Fürth. Die Gründung reicht in das
Jahr 1763 zurück. Im Herbst dieses Jahres 5523 erging nämlich in
hebräischer Sprache ein Aufruf zwecks Bildung einer Vereins zur Erziehung
jüdischer Waisen in Fürth. In bewegenden (statt: beweglichen) Worten wird darin das
dringende Bedürfnis betont, vater- oder elternlosen Kindern die Wohltaten
einer geregelten Erziehung und ausreichenden Verpflegung angedeihen zu
lassen. Es wird auf das Beispiel anderer Gemeinden, namentlich Amsterdams
und Prags hingewiesen, in welchen der Geist der Nächstenliebe derartige
Veranstaltungen zum Segen der verwaisten jüdischen Jugend bereits
geschaffen hat. die Erstellung einer derartigen Einrichtung sei aber auch
für Fürth und die Lande nicht weniger dringend erforderlich, denn 'groß
ist die Verlassenheit im Lande ' (Jesajas 6,12). Gerührt von dem
traurigen Schicksal dieser Schutzbedürftigen - so heißt es in dem
Aufrufe weiter - habe einer der Anreger bereits 500 Gulden für den
beabsichtigten edlen Zweck gezeichnet und weitere Beträge in Aussicht
gestellt. Es ergehe darum an alle human gesinnten Männer und Frauen die
Aufforderung, sich diesem Beispiele anzuschließen und zur Verwirklichung
des menschenfreundlichen Unternehmens nach Kräften beizutragen. - Dem bei
Itzig Madges (eigentlich Itzig bar Löb, Buchbinder) gedruckten, kartographisch
schön ausgestatteten Aufruf folgt handschriftlich ein von
einem ad hoc einberufenen Komitee ausgearbeiteter Statutenentwurf,
bestehend aus 36 Paragraphen, welcher am Dienstag, den Neumondstage des
Nissan, im Jahre 5523 vollendet und von den vorläufigen Vorständen und
Begründern unterzeichnet worden ist, und zwar an der Spitze von Israel, Sohn
des Kalonimus Lichtenstadt aus Prag, der wohl als Vater des
Gedankens zu bezeichnen ist, ferner von den Herren Baruch Bendit Schulhof,
Nathan Dinkelspühl aus Fürth, Seligmann Kitzingen aus Fürth, Elias,
Sohn des Salmon Klef und Elias, Sohn des Benjamin Wolf aus Prag. Als
erster Zeichner von Beiträgen erscheint in der Liste Israel Lichtenstadt,
wohl derjenige, auf dessen Opferwilligkeit in dem Aufrufe hingewiesen
worden ist; er zeichnet sich folgendermaßen in hebräischen Lettern ein:
Ich verpflichte mich zum Grundstock des Vereines zur Erziehung jüdischer
Waisen eine erstmalige Gabe von 500 Gulden zu spenden, ferner für das
erste Jahr zu einem wöchentlichen Beitrag von einem halben Gilden
unbeschadet der allwöchentlichen geheimen Leistungen, zu welchen mein
Herz mich bestimmen wird. Diese 'geheimen Leistungen', auf welche fast ein
jeder der Zeichner eines festen Beitrags Bezug nimmt, bestanden in
Einwürfen in eine Büchse, welche der Vereinsdiener wöchentlich
herumreichte, damit die Mitglieder in dieselbe freiwillige Spenden werfen.
Elias, Sohn des Salman Klef, zeichnet sofort 100 Gulden und verspricht:
'Obwohl er getreu der Lehre im Buche Kohelet 5,4 es unterlassen wolle,
sich durch ein Gelübde zu binden, weitere Beiträge zu leisten, soweit er
hiezu in der Lage sein werde.' David Breit (Bayreuth) übergibt 1.000
Gulden, um die Anrechte der Kinder aus Bayreuth auf 4 Jahre
sicherzustellen. Die gezeichneten Wochenbeiträge variieren in
verschiedener Höhe - zwischen einem halben Gulden und 18 Kreuzern - Beiträge,
die man als überaus ansehnlich wird bezeichnen müssen, wenn man
den wirtschaftlichen Tiefstand berücksichtigt, in welchem das Gros der
Gemeindemitglieder sich damals befunden hat.
Gleich bei Begründung des Vereins ist an die Erwerbung eines eigenen
Heims für die Erfüllung der Zwecke desselben gedacht worden. § 3 des
damals entworfenen Statuts bestimmt, dass alle Sitzungen und Versammlungen
in der Wohnung des amtierenden |
Vorstandes
stattzufinden haben, 'bis Gottes Güte uns zur Erlangung eines eigenen
Heims verholfen haben wird', wo dann alle Zusammenkünfte nach diesem
Hause zu verlegen sind. Noch im gleichen Jahre hat die Verwaltung
beschlossen, das Haus des Nathan bar Baruch zu einem Preise von
2.450 Gulden käuflich zu erwerben, welchem Beschlusse eine
Mitgliederversammlung vom 4. Tischri 5524 (1764) zugestimmt hat.
Eine hierfür eingesetzte Kommission sollte bis zum Frühjahr über die
Durchführung der benötigten baulichen Veränderungen in dem neu
erworbenen Hause berichten. Es ergab sich, dass bei der Beschränktheit
der Räumlichkeiten dieselben nur für die Abhaltung der täglichen
Andachten und Erteilung des Unterrichts an die Waisenknaben zureichend
waren; die Verpflegung musste demnach weiter den Müttern der Kinder
überlassen bleiben, die aus der Waisenkasse für diesen Zweck die nötige
Unterstützung erhielten. Wenn man bedenkt, dass für diesen Unterricht
'im Sommer der ganze Tag, im Winter auch die Nacht und die Zeit des
Tagesbeginn' bestimmt war, so standen die Kinder trotzdem mehr unter
ständiger Überwachung und Aufsicht, als dies bei der jetzigen
freiheitlich gehandhabten Internatserziehung der Fall ist. Der Stundenplan
war übrigens - das sei hier nebenbei angemerkt - der damals in jüdischen
Lehranstalten herkömmliche. Dem für eine erfolgreiche Entfaltung des
Geistligen und Leiblichen notwendigen Gleichgewichte suchte man damals
weniger im Spiel und Sport, im frohen frischen Tummeln in Gottes freier
Natur, sondern in einer Bereitung und Förderung eines Seelenzustandes
gerecht zu werden, welcher die Pflichterfüllung und die heiter fromme
Beschäftigung im Lernen und in der Andachtsübung den Kleinen wie den
Großen reichlich gewährt hat.
Trotzdem erwuchsen aus diesem doppelseitigen Pflegeverhältnis mancherlei
Unzuträglichkeiten: Es beschwert sich beispielsweise Sara, die Witwe des
Jakob Rinschberg, dass sie ihren Sohn Aberl nicht zu behalten vermöge,
weil er ihr in keiner Weise gehorsam sei, und so entschloss man sich im
Jahre 1838, die Kinder ganz in ein eigenes Heim überzuführen, das in der
Geleitsgasse erworben worden ist. Dort unterstanden sie ganz der Aufsicht
und Pflege eines eigenes hierfür berufenen staatlich geprüften Lehrers
und Erziehers. Damit fügte sich auch die Funktion in den bisherigen
Organismus des Waisenhauses. Zu den Obliegenheiten des Unterweisens und
Erziehens trat auch die der Verpflegung. Es galt für Kleider und Wäsche
zu sorgen und sie in Stand zu halten, Schwächliche zu kräftigen, Kranke
zu pflegen, Gesunde satt zu machen und rein und ordnungsliegend zu
erhalten. Die Knaben - es handelte sich ja nur um solche - blieben in der
Regel bis zu ihrer Barmizwah. Doch wurde mit Weitherzigkeit Begabten, die
sich zur Fortbildung auf eine Jeschiwah begeben wollten, Reisestipendien
und sonstige Vergünstigungen zugestanden. Die Feier der Barmizwah, d.h.
das Sabbats, welcher der Erreichung des 13. Geburtstages eines Kindes am
nächsten lag, eines Lebensabschnittes, der selbst in unserer, den
religiösen Übungen abgewendeten Zeit noch allgemein den Rahmen abgibt,
zu einer mehr oder minder angemessenen synagogalen und Familienfeier,
musste satzungsgemäß den Waisenkindern würdig und gemütsfreuend
erstellt werden. 8 Gulden waren für das Mahl ausgesetzt, bei welchem der
Knabe Proben seiner geistigen Entwicklung abzulegen hatte. Große Erregung
löst innerhalb der Deputierten ein im Tamus des Jahres 1734 (? gemeint
1834?) eingebrachter Antrag des Moses Schwabach aus, bei dem völlig
unbegabten und in jeder Richtung zurückgebliebenen Abraham Böhm von
einer Barmizwahfeier absehen zu wollen; er begründet dies mit der
biblischen Redewendung - hebräisches Zitat aus 1. Mose 38,23 -, da ihm
doch nichts beizubringen ist; auch will er des tadelhaften Verhaltens des
Knaben wegen, dass ihm zu diesem Tage an Kleidern nur eine 'neue breite
Haub' zugebilligt werden, wogegen andere wegen des nachhaltigen bleibenden
Eindrucks, den dieser Tag in den Herzen und Gemütern der Kinder
zurücklässt, ihre Bedenken haben. -
In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts erwiesen sich die
Räumlichkeiten des Gebäudes in der Geleitsgasse für die inzwischen
gewachsene Zahl der Zöglinge in keiner Weise mehr als zureichend. Auch in
gesundheitlicher Beziehung blieb mancherlei zu wünschen übrig. Man
entschloss sich also zur Errichtung eines den damaligen Anforderungen
entsprechenden geräumigeren Gebäudes in der Julienstraße, welches im Jahre
1868 bezogen werden konnte. Eine Stiftung, die der Anstalt im Jahre 1884
in dem ansehnlichen Betrage von 100.000 Mark seitens der Eheleute Lazarus
und Berta Schwarz in Nürnberg zugefallen war, ermöglichte es, den Stiftungszweck
auch auf Waisenkinder weiblichen Geschlechts auszudehnen und durch einen
Anbau die hierzu erforderlichen Räumlichkeiten zu gewinnen. In diesen
Räumen, welche die Anstalt noch jetzt inne hat, haben sich den
Fortschritten und dem Entwicklungsgange der Zeit entsprechend mancherlei
Wandlungen in den Einrichtungen und in der Gestaltung des Hauses
vollzogen. Fest und unverrückt wurde nur bei dem Grundsatz, dass den
Kindern neben der körperlichen Kräftigung und geistigen Ausbildung auch
eine weitreichende, deren Gemüt und Intellekt erfassende religiöse
Unterweisung zu bieten sei, verharrt. In allem übrigen wurden der
Erziehungsweise alle diejenigen Maßnahmen angegliedert, welche die
Erfahrungen der Pädagogik, der Jugendfürsorge und die Verhältnisse des
Wirtschaftslebens als geeignet und empfehlenswert erscheinen ließen. Der
Unterricht im Hause, welcher doch nur in den Grenzen einer einklassigen
Schulgattung durchgeführt zu werden vermöchte, wurde allmählich ganz
aufgelassen und die Kinder den geeigneten öffentlichen Schulen
überwiesen. Schließt sich ja der Anstaltspflege die Fürsorge für die
spätere Berufswahl an, die ohne Beachtung der Neigungen und Begebung der
einzelnen Kinder und deren dementsprechende Ausbildung erfolgreich, oder
auch nur einigermaßen befriedigend, nicht gelöst zu werden vermögen.
Die Bewährend der Kinder in den öffentlichen Lehranstalten war eine
überaus gute. In einem Vortrage des Oberlehrers Karl Hiller, den derselbe
auf der im März 1914 stattgefundenen Generalversammlung des Allgemeinen
Jugendfürsorgeverbandes über das Thema: 'Die Unterbringung Jugendlicher
in Anstalten' gehalten hat, sprach sich derselbe hierüber folgendermaßen
aus: 'An dieser Stelle (der Redner hatte in ausführlicher eingehender
Behandlung die verschiedenen Arten der Unterbringungsmöglichkeit
Jugendlicher gewürdigt) drängt sich mir unwillkürlich das Bedürfnis
auf, im Vorbeigehen mit einem herzlichen Worte auch der Israelitischen
Waisenanstalt in Fürth Erwähnung zu tun. Sie erhält ihre Zöglinge
meist aus ländlichen Gemeinden der Frankenlande, Schwabens und der
Rheinpfalz, also aus den verschiedenartigsten Herkunftsverhältnissen.
Während die Knaben die allgemeinen öffentlichen Schulen, zumeist die
israelitische Realschule besuchen, werden die Mädchen zum überwiegenden
Teil der städtischen Volksschule zugewiesen. Hier ist nun der unter den
Kindern allenthalben wahr- |
nehmbare
Geist heiterer Gemütsart und froher Zufriedenheit mit besonderer
Genugtuung hervorzuheben. Als langjähriger Schulhausnachbar und als
Leiter zahlreicher weiblicher Zöglinge seit geraumer Zeit, stehe ich zu
der Anstalt in einem innigen, wenn auch stillen
Freundschaftsverhältnisse. Nach dieser meiner eigenen vieljährigen
Erfahrung darf angenommen werden, dass in den zuständigen Schulhäusern
kaum jemals ein israelitisches Waisenkind angetroffen wird, das dem
Klassenlehrer in disziplinärer Hinsicht auch nur die geringste
Schwierigkeit bereitet hätte. Im Gegenteil! Die Kinder geben fast ohne
Ausnahme in Bezug auf Strebsamkeit und Wohlanständigkeit der ganzen
Klasse ein leuchtendes Vorbild. Dabei möge noch erwähnt sein, dass die
Anstalt jedes Kind, auch wenn es seinem Alter nach schon früher zur
Entlassung kommen könnte, mit aller Mühe bis an das für es erreichbare
Lehrziel bringt.' Inzwischen wurde dieses Lehrziel auch für den
Durchschnitt der Mädchen weiter gesteckt und um das Band vertrauensvoller
Zusammengehörigkeit zwischen Anstalt und Zöglingen fester zu knüpfen,
einzelnen gestattet, nach Absolvierung der von ihnen besuchten
Schulgattung noch über die berufsmäßig Lehrlingszeit hinaus in der
Anstalt zu verbleiben. Es zu einer generellen Einrichtung zu gestalten,
reichten jedoch auch die derzeitigen Räume nicht aus und so wurde denn
der Plan gefasst, eine endgültige Verbesserung der Anstaltsverhältnisse
durch Errichtung eines großen, allen Anforderungen der Neuzeit
entsprechenden Neubaus herbeizuführen. Im Jahre 1904 wurde zu diesem Behufe ein völlig freies, mit der Aussicht auf das freundliche Wiesental
der Rednitz gelegenes, von dem waldigen Höhenzuge der Alten Veste
begrenztes, über 2 Morgen großes Grundstück von der Stadtgemeinde
erworben und Pläne von den städtischen Bauräten Zizler und Holzer,
hier, sowie Herrn Architekten Mayer in Nürnberg hierfür ausgearbeitet
und bereitgestellt. Die Grundsteinlegung sollte am 7. Januar 1915, dem 70.
Geburtstage des Königs, vor sich gehen.
Leider hat sich das Jahr, welches ein solch bedeutsames für die Anstalt
hätte werden sollen, zu einem überaus unglücklichen gewandelt, denn
inzwischen war der Weltkrieg ausgebrochen, welcher die Durchführung des
Planes vereitelte, indem er die Aufmerksamkeit und Anspannung aller
Kräfte nach anderer Richtung erforderlich macht. So wurde denn die
Ausführung auf das bald zu erhoffende Kriegsende verschoben. Wer konnte
damals ahnen, welch' endlose Zeit bis dahin vergehen und welch' trübe
Lage sie zurücklassen werde! Mit dem Zusammenbruch der öffentlichen
Finanzen ging das durch über 160 Jahre angesammelte Stiftungsvermögen
nahezu ganz verloren. Damit geriet das festgefügte Fundament der Anstalt
ins Wanken. An Stelle der Pläne auf ein erweitertes und
vervollkommneteres Wirkungsgebiet, trat die Sorge um Behauptung des
bestehenden. Diese wäre auch ohne opferbereite Hingebung von nah und gern
und ohne verständnisvolle Förderung seitens des Verbandes Bayerischer
Israelitischer Gemeinden nicht möglich gewesen. Mit Hilfe dieser Faktoren
darf trotz der Zeiten Not gehofft werden, das hervorragende Wohlfahrtsinstitut,
welches der vorbildliche Sinn der Ahnen geschaffen hat, und an dessen
Ausbau Generationen mitgearbeitet haben, nicht nur in der Fülle seiner
segensreichen Wirksamkeit fortzuerhalten, sondern wieder zur Höhe und
seinen letzten Zielen entgegenzuführen." |
Jahresbericht der israelitischen Waisenanstalt
(1928)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juni
1928: "Israelitische Waisenanstalt Fürth. Dem von dem
Direktor der Anstalt, Herrn Dr. Deutsch, an die Aufsichtsstelle
erstatteten Erzieher- und Wirtschaftsbericht für das Jahr 1827/28
entnehmen wir die folgenden Einzelheiten: 'Die israelitische
Waisenanstalt, seit deren Begründung 165 Jahre vorübergegangen sind, hat
wieder ein Jahr hinter sich. Das wollte früher wenig besagen im Hinblick
auf den Umfang und die Größe der Aufgaben, die sie zu erfüllen hat.
Jetzt ist dies jedoch anders. Seit dem Weltkriege und den betrüblichen
Folgen, den derselbe über Deutschland, seine Anstalten,
Wohlfahrseinrichtungen und Kulturwerke gebracht hat, kommt jeder in
positiver Richtung überwundenen Zeitspanne eine ganz andere Bedeutung und
Tragweite zu. Und so beschleicht uns denn stets ein Gefühl sieghafter Genugtuung
und Freude, so oft wir über den Fortbestand und die erfolgreiche
Behauptung, wenn auch nur eines weiteren Jahres, zu berichten in der Lage
sind. Denn schwer und mühsam ist dieser Weg geworden, welchen selbst die
für die sichtbarste und notwendigste Wohltätigkeit geschaffenen
Anstalten zu gehen haben. Durch die Inflation ihrer Stiftungs- und
Kapitalsvermögen fast vollständig beraubt, können sie ihre Aufgaben aus
Eigenem nicht mehr erfüllen. Sie sind wie am Anfang ihrer Gründung
wieder ganz in Abhängigkeit von Personen und Verhältnissen geraten,
deren Kraft und Stärke gleichfalls abgenommen haben. Nicht als ob das sittliche
Empfunden, die edle Gesinnung und die Macht der Liebe nachgelassen
hätten, aber die Not der Zeit setzt ihnen Schranken und lässt sie nicht
zur vollen Auswirkung gelangen. Die Volksschicht, welche Zuwendungen von
größerer materieller Bedeutung zu machen in der Lage ist, wird immer
geringer und die Verarmung der auch bisher in beengten Verhältnissen sich
befundenen Hilfesuchenden verbietet es, ihnen Kosten und Ver- |
gütungen
nennenswerter Art aufzuerlegen. So sind die Anstalten, insbesondere die
der Waisenpflege, gezwungen, bei geschwächter wirtschaftlicher Kraft und
mangelnder ausreichender Kapitalunterlage nach den Grundsätzen einstiger
Wohlhabenheit zu arbeiten, und es begreift sich die frohe Genugtuung, wenn
dies vertrauendem Mute wieder ein Jahr erfolgreich gelungen ist. Dieses
für das Jahr 1927/28 in wirtschaftlicher und erzieherischer Hinsicht von
unserem Hause und seinem Aufgabenkreis berichten zu können, erfüllt uns
mit wahrhafter Freude, sowohl wegen des Geleisteten und Vollbrachten als
auch weil es unsere Hoffnung auf allmählichen Wiederaufbau stärkt und
festigt. Es war auch im abgelaufenen Jahre möglich, alle sich Meldenden
aufzunehmen und die frei werdenden Plätze zu besetzen. Der Belegungsstand
war wieder 39 (35 Knaben und 14 Mädchen). Wenn trotzdem ein Viertel der
Plätze unbelegt war, so liegen die Ursachen auf dem Gebiete
soziologischer Bevölkerungspolitik, auf welche die Aufmerksamkeit der
staatlichen und religiösen Instanzen seit Jahren gerichtet ist und worauf
wir im bericht des vorigen Jahres andeutungsweise hingewiesen haben. Das
Problem als solches interessiert unsere Wohlfahrtspflege nur insofern, als
in ihm die Mahnung enthalten ist, sich auf das Bestehende zu konzentrieren
und Erweiterungen und Neugründungen von Schutzstellen solange abzulehnen,
als die bewährten alten noch über freie Plätze verfügen.
Ihre Ausbildung genossen die bei uns untergebrachten Kinder in folgender
Art: 17 besuchten die israelitische Realschule, 4 die Vorschule derselben,
7 die städtische Volkshauptschule, 1 die städtische
Berufsfortbildungsschule, 2 die städtische Frauenarbeitsschule, 2 das
städtische Mädchenlyzeum und 3 die städtische Handelsschule. 3
Zöglinge, welche bereits als Kaufmannsangestellte tätig sind und
die Möglichkeit des eigenen Unterhalts noch ermangeln, wurden weiter in
der Versorgung der Anstalt belassen. Trotz der im allgemeinen
befriedigenden Leistungen der Kinder werden wir mit Beginn des neuen
Schuljahres mancherlei Umschulungen vornehmen müssen. Die Erschwerungen
in den Prüfungsanforderungen und Aufstiegsmöglichkeiten in den neuen staatlichen
Bestimmungen verschärfen auch die Verpflichtung, in Zukunft die
erkenntnismäßige Begabung der Kinder für die höheren Lehranstalten
noch ernster zu prüfen und in dieser Zuweisung größere Zurückhaltung
zu beobachten, worauf ja auch letzten Endes die neue Schulordnung abzielt.
Freilich ist es bei fremden Kindern nicht leicht, gleich anfangs
zutreffend zu beurteilen, wohin Neigung und Begabung sich wenden und in
welcher Ausbildungsart sie zu einem Höchstmaß von Leistungen geführt zu
werden vermögen und es werden sich Übergänge niemals vermeiden lassen;
sie soviel als möglich auszuschalten und den stufenmäßigen Fortschritt
in der einmal erwählten Schulgattung nicht zu unterbrechen, muss jedoch
oberstes Ziel sein. Zu den Sorgen um eine die spätere Fortkommensmöglichkeit
fördernde geeignete Ausbildung der Kinder tritt für uns auch die um das
religiöse, seelische und sittliche Wohl derselben, worin wir von je eine
der wichtigsten Erziehungsaufgaben erkannt haben. Wenn schon eine
pflegerische Betreuung, um wirksam zu sein, keine mechanische, sondern
eine von selbstloser Hingabe getragene zu sein hat, so erst recht diese
die Persönlichkeit in ihrem höchsten Empfindungsleben gestaltende
geistige, die, um pflichtgemäßes Wollen zu zeitigen, von Überzeugung
eingegeben und von nachsichtiger Liebe unterstützt sein muss. Wir freuen
uns konstatieren zu können, dass die Gefolgschaft der Kinder hierin nicht
im Zwang, sondern im Bewusstsein des Pflichtgemäßen ihren Ursprung hat.
Bei Beobachtung der für die körperliche Gesundheit wichtigen Faktoren:
der Reinlichkeit, kräftigen Ernährung und ordnungsgemäßen Lebensweise,
war auch diese eine normale, von keiner ernsten Störung unterbrochene;
Ausspannung und Erholung im Spiele wurden den Kindern reichlich gewährt
und darauf Bedacht |
genommen,
dass der heute im Übermaß gepflegte Sport ihren Sinn nicht allzu sehr
gefangen nehme und auf Kosten des sittlichen Ernstes und der geistigen
Obliegenheiten sich auswirkte.
In den sozial-philanthropischen Bestrebungen des Verbandes Bayerischer
Israelitischer Gemeinden wird naturgemäß dem Gebiete der
Anstaltsaufgaben ein weitgehendes Interessen zugewandt. Es wird
allenthalben die Pflicht anerkannt, dass der Verband an der hier für das
ganze Land geübten Wohlfahrtssache nicht teilnahmslos vorbeigehen könne,
sondern ihr unter allen Umständen eine möglichst weitgehende
Berücksichtigung zuerkennen müsse. Das ist auch seit dem Bestehen des
Verbandes in immer steigendem Maße geschehen. Bildet auch die
Waisenpflege nur einen Ausschnitt aus seinem umfassenden
religiös-sozialen Programm, so doch immerhin einen überaus wichtigen,
dem an Größe und Bedeutung nichts anderes gleichkommt. Als eine
Schätzung und Würdigung unserer Wirksamkeit betrachten wir es, wenn der
Verband nicht nur materiell, sondern auch organisatorisch unseren
Bemühungen durch weise Ratschläge zu unterstützen sucht. Denn je mehr
derselbe gewillt ist, berechtigten und erfüllbaren Wünschen der
bestehenden Wohlfahrtseinrichtungen entgegenzukommen, umso mehr darf er
seinerseits Verständigung und Anerkennung des Führergedankens. Hieraus
die Konsequenzen zu ziehen und über den Bereich des Formen hinaus die
gegenseitigen Beziehungen zu festigen und pflichtgemäß den Geist
gemeinsamer Arbeit zu pflegen, wird unser ernstes Bestreben sein." |
Ausschreibung der Stelle des Direktors an der israelitischen
Waisenanstalt (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November
1928: "Israelitische Waisenanstalt in Fürth (Bayern).
An unserer Anstalt - ca. 50 Kinder (Knaben und Mädchen) - ist die Stelle
eines
Direktors
bis Mai 1929 zu besetzen. Streng religiöse Herren, nicht über 40 Jahre
alte, mit der nötigen pädagogischen und wissenschaftlichen Eignung
wollen sich melden. Befähigung der Frau zur Führung der Hauswirtschaft
erwünscht. Besoldung und Pensionsverhältnisse nach staatlichen Grundsätzen.
Dienstwohnung vorhanden. Gesuche mit lückenlosem Lebenslauf,
Zeugnisabschriften und Lichtbild an den Vorsitzenden, Herrn B. Zimmer,
Fürth/Bayern, Königswarterstraße 48." |
Zur Wiederbesetzung der Stelle des Direktors der israelitischen Waisenanstalt (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November
1928: "Fürth, 12. November (1929). Nachdem Herr Dr. Deutsch
demnächst Alters wegen vom Amte zurücktritt, ist die Stelle eines
Direktors an der hiesigen israelitischen Waisenanstalt bis zum Frühjahr
zu besetzen. Eingeweihte wissen, dass die Stelle unter Dr. Deutsch mehr
bedeutete als ihr Titel besagt: ihr Inhaber bezeichnete Jahrzehnte
hindurch den Mittelpunkt der konservativ gerichteten Kreise und des
religiös wissenschaftlichen Lebens in hiesiger Gemeinde. Die innerhalb
derselben in den letztverflossenen Jahren geschaffene Neuordnung gestattet
es der Waisenhausverwaltung, sich jetzt mit einer weniger universellen
Persönlichkeit zu begnügen, wenn dieselbe nur die volle Befähigung für
das eigentliche Amt nachweist. (Siehe das Ausschreiben in dieser Nummer).
Möchte ihr die glückliche Lösung der entsprechenden Wiederbesetzung
gelingen und so der Anstalt ihre Bedeutung und das gewonnene Ansehen erhalten
bleiben!" |
Zum Abschied von Direktor Dr. Deutsch (1929)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juli
1929: "Zum Abschied des Direktor Dr. Deutsch aus der
Israelitischen Waisenanstalt. Fürth, 1. Juli (1929).
Oberbürgermeister Dr. Wild widmete Direktor Dr. Deutsch, der am 1. Juli
von der Leitung der Israelitischen Waisenanstalt zurücktritt, folgenden Scheidegruß:
'Herr Direktor Dr. Deutsch tritt am 1. Juli von der Leitung der
Israelitischen Waisenanstalt zurück. Der Stadtrat hat schon vor einiger
Zeit beschlossen, dem Genannten aus diesem Anlasse öffentlichen Dank und
Anerkennung für seine langjährige und ersprießliche Tätigkeit
auszusprechen. Herr Dr. Deutsch ist im Jahre 1894, also vor 34 Jahren, an
die Spitze der Waisenanstalt berufen worden, die bestimmungsgemäß die
Aufgabe hat, in Bayern beheimatete Waisen oder Halbwaisen zu verpflegen
und zu erziehen. Nebenbei amtierte er als stellvertretender Rabbiner und
erwarb sich durch sein gediegenes Wissen und seine große Redegewandtheit
allgemeine Hochachtung. Auch als Schriftsteller machte er sich in
Gelehrtenkreisen vorteilhaft bekannt. Herr Direktor Dr. Deutsch widmete
sich seiner Lebensaufgabe mit großer Hingabe. Die äußeren Verhältnisse
der Waisenanstalt suchte er nach Kräften zu verbessern. In allen Bevölkerungsschichten
erfreute sich Direktor Dr. Deutsch stets großer Beliebtheit und auch mit
der Stadtverwaltung, der die Beaufsichtigung des Waisenhauses obliegt, war
die Zusammenarbeit stets gut und ungestört. Der Stadtrat wünscht dem
verdienten Manne bei seinem Rücktritte von seinem Amte alles Gute. Möge
die körperliche und geistige Rüstigkeit, die ihn im Alter von 72 Jahren
auszeichnet, ihm noch recht lange erhalten bleiben. Der Stadtrat nimmt von
diesem Nachruf unter Beifallsäußerungen Kenntnis." |
Abschied von Direktor Dr. Hermann Deutsch und Begrüßung der neuen
Waiseneltern, Dr. Isaak Hallemann und Frau (1929)
Dr. Isaak Hallemann ist am 18. April 1896 in Drohobicz (Drohobycz) geboren. Er
war nach Abschluss seiner Studien zunächst Lehrer an der Höheren Schule in
Leipzig. Seit 1929 war er Leiter der israelitischen Waisenanstalt in
Fürth.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. August
1929: "Fürth (Bayern), 12. August. Im festlich
geschmückten Sitzungssaale der Israelitischen Waisenanstalt nahm deren
Verwaltung in herzlichen Worten der Anerkennung des Dankes und der innigen
Verbundenheit Abschied von dem bisherigen Leiter, dem in den Ruhestand
tretenden überaus verdienstvollen Direktor, Herrn Dr. Hermann Deutsch.
Im Anschluss daran begrüßte der Vorsitzende, Herr Baruch Zimmer,
Fürth, aufs wärmste die neuen Waiseneltern, Herrn und Frau Dr. J.
Hallemann, bisher an der Höheren Schule in Leipzig. In seiner
Erwiderung dankte Herr Direktor Dr. Deutsch, sichtlich bewegt, der
Verwaltung für das ihm während seiner langjährigen Tätigkeit gewährte
Vertrauen und für die seine schwere Aufgabe erleichternde eifrige
Mitarbeit. Wehmutsvoll gedachte er der verewigten Glieder der Verwaltung
und schloss seine torareichen Ausführungen mit herzlicher Begrüßung
seines Nachfolgers, in dessen Hände er sein Amt mit dem Losungswort der
abziehenden Tempelwache legte... Tief gerührt dankte Herr Direktor Dr.
Hallemann in seinem und seiner Gattin Namen für die überaus freundlich
Begrüßung, versicherte, ganz im Geiste seines trefflichen und
erfolggesegneten Vorgängers sein Amt führen zu wollen und erbat sich das
Vertrauen und die Mitarbeit der Verwaltung. Im Auftrage des Verbandes
Bayerischer Israelitischer Gemeinden begrüßte dessen Delegierter in der
Verwaltung, Herr Leo Katzenberger, Nürnberg, den neuen
Leiter und gab dem Wunsche Ausdruck, dass auch in Zukunft Direktion und
Verband gleiche Harmonie verbinden möge, wie es unter Herr Direktor Dr.
Deutsch, dessen Scheiden gerade auch von dieser Seite aufs lebhafteste
bedauert wird, stets der Fall gewesen ist. Hierauf schloss der Vorsitzende
die würdige Feier." |
Jahresbericht der
israelitischen Waisenanstalt
(1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
April 1929: "Israelitische Waisenanstalt Fürth.
Dem von dem Direktor der Anstalt, Herrn Dr. Deutsch, an die
Aufsichtsstelle erstatteten Erzieher und Wirtschaftsbericht für das Jahr
1928/29 entnehmen wir die folgenden Einzelheiten.
Das hiesige israelitische Waisenhaus ist die älteste humanitäre Anstalt,
welche von den Israeliten Bayerns geschaffen worden ist. Im abgelaufenen
Jahre beherbergte sie 46 Schulzöglinge, deren größter Teil aus Bayern
stammt. Der Plan, dem Hause eine Lehrlings- und Kleinkinderabteilung
anzugliedern, wurde, wie der beabsichtigte Neubau, durch den Krieg und
seine Folgen zurückgedrängt. Die Anstalt in ihrem bisherigen Umfange zu
erhalten und fortzuführen machte Sorge und Mühe genug. Dennoch kann auch
von fortschreitenden Erfolgen in der Richtung des Wiederaufbaus gesprochen
werden. Wenn auch zögernd, langsam und mit unvermeidlichem Anhalten, geht
es allmählich wieder aufwärts. In den letzten Jahren war die Mitwirkung
des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden hierin von einer
gewissen entscheidenden Bedeutung. Nicht nur wegen der etwas leichteren
Gestaltung der Etatlage, sondern auch zufolge der ideellen und rechtlichen
Seite, die in dem Anteil der hervorragenden Organisation für uns gelegen
ist. In der Unterstützung durch sie - wie hoch oder niedrig dieselbe
zahlenmäßig zum Ausdruck zu kommen vermag - liegt zunächst der Anfang
für die Ausführung des Grundsatzes, dass die Obsorge für die Waisen und
Erziehungsbedürftigen der Bekenntnisgemeinschaft nicht bloß Sache
philanthropischen Empfindens und gefühlsmäßiger Einstellung einzelner,
sondern Pflichtaufgabe der Gesamtheit zu sein hat, die hierfür, wie für
alle notwendigen und unabweisbaren Gemeinschaftsinteressen, aufzukommen
und ihr Vermögen dem Zugriff der zuständigen Seite im Wege einer
angemessenen Umlage zur Verfügung zu stellen hat. Diesem Prinzip die Bahn
geebnet zu haben ist ja das wesentliche Verdienst des
Verbandszusammenschlusses. Mag freiwillige Wohltätigkeit auf mancherlei
Gebieten, die nicht zu den unerlässlichen Erfordernissen des
Gemeinschaftsbestandes gehören, sich verdienstlich betätigen; die
wesentlichen Belange der Glaubens- und Stammeszugehörigen - und dazu
gehört doch in erster Linie, soweit nicht armenrechtliche Regelung der
Ortsbehörden Platz greift, die Sorge für die Verwaisten und Verlassenen
- dürfen nicht dem Gefühl mildherzigen Erbarmens allein überlassen
bleiben, sondern müssen in der verpflichtenden Einsicht und Anerkenntnis
der zum Gesamtverbande sich Zählenden ihre Hauptstütze finden. Diese
Grundsätze für alle notwendigen Einrichtungen und Veranstaltungen der
Glaubensgemeinschaft bis in ihre letzten Konsequenzen durchzuführen war
ja dem Verbande bei der Begrenztheit der Mittel, die ihm bisher -
insbesondere für soziale Zwecke - zur Verfügung stehen, nicht möglich;
aber ein Anfang hierzu ist gemacht, der den notwendigen Anstalten, indem
sie dieselben zur Gesamtaufgabe erheben, ein gewisses Gefühl der
Sicherheit gibt und von weiteren segensreichen Folgen sein wird.
Wie bereits erwähnt, war die Zahl der im abgelaufenen Schuljahre vom
Waisenhaus betreuten Kinder 46 (30 Knaben und 16 Mädchen). Davon genossen
ihre schulische Ausbildung: 1 an der Oberrealschule, 14 an der
Israelitischen Realschule, 8 an der Vorschule derselben, 13 an der
Volkshauptschule, 3 am städtischen Mädchenlyzeum, 1 an der städtischen
Handelsschule, 2 an der städtischen Frauenarbeitsschule, 1 am
Kindergarten; 3 weitere waren als Lehrlingsgehilfen tätig. Zu dieser
erkenntnismäßigen und praktischen Ausbildung trat die Erziehung auf
religiös-sittlicher Grundlage, um die Kinder menschlich gut geformt in
den Bau der Gemeinschaft hineinzustellen und in das für sie erwählte
Arbeitsgebiet hineinwachsen zu lassen. Bei all dieser Einflussnahme fehlte
es den Kindern auch nicht an Gelegenheit zu freier Betätigung in Spiel
und Sport, selbst zur ästhetischen Geschmacksbildung, indem sie nicht
allein von den in den Schulen eingeführten gemeinsamen Wanderungen,
Besichtigungen und Vorführungen des Kostenpunktes wegen niemals
ferngehalten wurden, sondern auch sonst an allen Veranstaltungen, welche
den Gesichtskreis erweitern und die Daseinsfreude erhöhen, teilnehmen
dürften. Dem äußerlich etwas differenzierten Problem der
Anstaltserziehung im Vergleich zur Familienerziehung ist bei gereifter
Einsicht und sozial-psychologischen Verständnis leicht beizukommen
und |
zu
dem Gipfelpunkt der Anstaltspflege, den Kindern das Elternhaus zu
ersetzen, unschwer zu erheben. Gesetz und Bindung mit Freiheit und
Wohlgefühl zu vereinen - darüber kann auch die Familienerziehung nicht
hinaus, wenn sie eine erfolgreiche und fruchtbare sein soll. In diesem
Kernpunkt der Erziehung liefen auch unsere Bemühungen zusammen. Das
Zahlenverhältnis der Ausbildungsart beweist, dass wir mit dem Prinzip,
nach welchem die kaufmännische Laufbahn schlechthin der Beruf war, dem
die Kinder zugeführt worden sind, längst gebrochen haben. Abhängig von
dem Lebenskreis, dem die Kinder angehören, wird zwar dieser immer noch
bevorzugt, doch waren wir bemüht, die bildungsmäßigen und
soziologischen Voraussetzungen auch für die Wahl anderer Berufe zu
schaffen, wie wohl es an ausreichender Gelegenheit für die Zuführung zu
solchen noch sehr fehlt, solange die Pläne zu einer Berufsumschichtung
innerhalb der Gemeinschaft keine umfassenderen Ergebnisse gezeitigt haben.
Die Mädchen dieses Jahrganges wurden mit Schluss desselben fast
ausschließlich hauswirtschaftlichen Berufen, die ihrem Wesen am besten
angepasst sind, zugeführt. Es scheint dies zunächst für sie auch von
ökonomischen Gesichtspunkteen aus das
aussichtsreichere.
Der Gesundheitszustand der Kinder war trotz des ungewöhnlich harten und
strengen Winters ein recht guter. Einige Ende Oktober auftretende
Scharlachfülle, welche umso ernstere Besorgnis erweckten, als die
Unterbringungsmöglichkeit im Krankenhause der Kultusgemeinde plötzlich
verschlossen war, gingen in der Behandlung im Hause und der des
städtischen Kinderhospitals gut vorüber. Hier zeigte sich der Segen
einer allgemein guten körperlichen Pflege, die die Kinder mit einer
Widerstandskraft ausrüsten, die sie auch ernsten Anfällen gegenüber
gesundheitlich gewachsen sein lässt. Viele unserer Zöglinge konnten im
Laufe des Jahres verschiedenen Erholungsstätten zu mehrwöchentlicher
Aufenthalte überwiesen werden.
Nach vierunddreißigjähriger Tätigkeit, der eine zehnjährige erzieherische
in Unterfranken vorausgegangen war, tritt mit Ende des Sommertrimesters
der bisherige Direktor von der Leitung der Anstalt zurück. Es war eine
verantwortungsvolle, schwierige Arbeit, die in diesen letzten Jahrzehnten
zu leisten war. Arbeit im Dienste der Jugendpflege und Kindererziehung war
ja niemals leicht. Sie wurde aber erschwert durch den furchtbaren Krieg
und die wirtschaftlichen, politischen und geistigen Hemmungen aller Art,
die er im Gefolge hatte. Diese haben auch manchen Ansatz zum Besseren,
worauf jahrelange Mühen aufgewendet worden sind, wie beispielsweise die
Errichtung eines allen pädagogischen und räumlichen Anforderungen
entsprechenden Neubaues, aufgehalten und hinausgezögert. Die oben
erwähnte organische Verbindung mit dem Gesamtheitskreise und dessen
Vertretung wird auch noch dieses Ziel reifen lassen und so die
ausgestreute Saat auch hierin einer heilvollen Lösung und Verwirklichung
entgegenführen." |
Über den Direktor der Waisenanstalt Dr. Hermann Deutsch
(1929)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Juni
1929: "Fürth. Direktor Dr. Hermann Deutsch
gedenkt, wie seinem jüngst erschienenen Jahresbericht über die
israelitische Waisenanstalt zu entnehmen war, demnächst in den Ruhestand
zu treten. Er hat das mit jener schlichten Bescheidenheit ausgesprochen,
die ihn immer in der Fülle seines Wirkens, in dem Reichtum seiner Erfolge
aufgezeichnet hat. Er scheidet aus seinem Amt in hohen Jahren zwar, aber
in einer beneidenswerten jugendlichen Elastizität des Wandels und des Schaffens.
Weit über ein Menschenalter hat er seine Kraft in den Dienst eines
segensreichen Werkes, eines wundervollen Erziehungsideals gestellt. Das
Lehramt, das er einst an seinem angesehenen Sitz eines bayerischen
Distriktrabbinats mit vorbildlicher Berufsfreudigkeit ausgeübt hat, hat
er im Grunde genommen in Fürth fortgesetzt, wenn auch Aufgabe und Ziel
hier andere Gestalt gewinnen mussten. Dem großen Umfang seiner
unmittelbaren Pflichten hat er sich mit unendlicher Liebe und mit jenem
gütigen Herzen gewidmet, das ihn zu einem wirklichen 'Vater der Waisen'
berief. Er hat die ihm anvertraute Schar der heranwachsenden Jugend mit
jener inneren Anteilnahme betreut, die ebenso sehr der Entfaltung ihrer
natürlichen Gaben, wie ihrem künftigen Schicksal galt. Keine Mühe war
zu groß und zu beschwerlich, die er nicht freudig auf sich genommen
hätte. Mit besonderer Sorge hat ihn das Schicksal seiner Anstalt bewegt,
als in den Nachkriegsjahren alle Stiftungen um ihre Existenz schwer zu kämpfen
hatten. Mit rastlosem Eifer war er bemüht, alle Erschütterungen, die
damals nicht zuletzt die altbewährten jüdischen Institutionen trafen, abzuwehren.
Nun darf er sein Werk jüngeren Händen anvertrauen, nachdem der feste
Grund seines alten Gefüges aufs neue gesichert ist. Es darf erwartet
werden, dass das große Vertrauen und die herzlichen Sympathien, die er
seinem Hause zu verschaffen wusste, nun dieser wertvollen Schöpfung für
immer gesichert bleiben.
Mit ihm scheidet aber ein Gelehrter von Ruf und hohem Ansehen, eine
Persönlichkeit, die sich weithin höchster Verehrung und reichsten
Vertrauens weit über die engere Heimat hinaus erfreut, aus dem Bezirke
erfolgreichen Dienstes. Da darf ausgesprochen werden, dass nicht bloß der
Kreis zu unvergänglichem Danke bei ihm verbunden weiß, der in
langjähriger gemeinsamer Arbeit seiner Führung anvertraut war, sondern
dass weiteste Kreise der israelitischen Kultusgemeinde ihm treueste und
herzlichste Anhänglichkeit bewahren werden. Als Vorsitzender der
gemeindlichen Ritualkommission hat er seine umfassende Gelehrsamkeit und
sein überragendes Wissen jederzeit in den Dienst der Gemeindeglieder
gestallt, jederzeit war er bereit, selbst unter Mühen und Beschwerden an
ihn herantretenden Wünschen gerecht zu werden. Mit klugem Rat und
treffsicherer Erfahrung hat er vielen in Stunden sorgenvoller
Entscheidungen zu helfen gewusst, und unermüdlich war er, wenn es galt,
in kleineren und weiteren Kreisen zu lehren, zu belehren, Gegensätze
auszugleichen und zu schlichten, und in Erfüllung des vornehmsten Zuges
seines Herzens, an der Erhaltung des Friedens in der eigenen religiösen
Gemeinschaft rastlos schaffend mitzuarbeiten. Das ist ihm besonders zu
danken, und das ist ihm dank der unantastbaren Lauterkeit seines Denkens,
der Vornehmheit seines Strebens und der zielbewussten Festigkeit seines
Charakters in vollem Maße gelungen. Mit der Weisheit und der Besonnenheit
des ebenso ernsten wie erfahrenen Mannes ist er an alle Fragen des
gemeindlichen Zusammenwirkens herangetreten, und er hat sie immer in dem
befreienden Geiste des Friedens zu lösen gewusst, der jede
Ausschließlichkeit in der Bewertung des Menschen, des Glaubensbruders
weit von sich wies, vielmehr in der Beurteilung jedes Mitglieds der
Gemeinde das Verbindende, das Gemeinsame begrüßte und jede, selbst
andersgerichtete jüdische Geistesströmung und Lebensanschauung zu achten
wusste. Die Weite und Überlegenheit seines vielseitigen allgemeinen und
wissenschaftlichen Erkennens schuf somit die Weitherzigkeit des Denkens,
ohne die der neutrale Boden gemeinsamer Wirksamkeit von Menschen aus
verschiedenen Lebensgebieten nicht fruchtbar und erfolgreich erhalten
werden kann.
Unsere besten und herzlichsten Wünsche begleiten ihn auf seinem weiteren
Lebenswege, möge ihm winken ein otium cum dignitate, Freude und Glück im
Umkreis seines von seinem Geiste erfüllten trefflichen Familienkreises,
Länge der Tage, Dauer der Jahre und jenes freudige Schaffen, das in
stillen Studien, in belehrendem Wirken mit kampfgeübter Feder einem
großen Kreis das verlebendigt, was er vielen geworden ist: der
hochverehrte 'Lehrer in Israel'. Amicus." |
Zum Tod von Waisenhausdirektor Rabbiner Dr. Hermann Deutsch
(1932)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Februar 1932: "Plötzlich und
unerwartet entschlief heute unser lieber
Dr. Hermann Deutsch Direktor
der Israelitischen Waisenanstalt in Fürth im 76. Lebensjahre.
Im Namen der Hinterbliebenen: Dr. med. Joachim Deutsch.
Köln, Fulda, Würzburg, Buenos-Aires, Mannheim, 17. Februar 1932.
Die Bestattung findet Sonntag, den 21. Februar 12 Uhr in Fürth
statt." |
|
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1932: "Waisenhausdirektor
Rabbiner Dr. Hermann Deutsch – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen – Fürth in Bayern, 25.
Februar (1932).
Ganz unerwartet und plötzlich ist wiederum ein Mann von uns gegangen, von
den bei uns so hoch geschätzten, aber leider sehr selten gewordenen,
ungarischen Toragrößen. Dort in Ungarn in Frauenkirchen, am 27. Oktober
1856 geboren, wuchs Rabbi Schimon Zwi Deutsch heran. Seine talmudische
Ausbildung erfuhr er auf ungarischen Jeschiwaus. Zu Füßen des Sohnes
des Ksaw Saufer sitzend, lernte er mit großem Eifer zuletzt auf
der Pressburger Jeschiwo und brachte es, mit außergewöhnlichen
Geistesgaben ausgestattet, bald dazu, einer der hervorragendsten Talmidim
(Schüler= seines großen Meisters zu werden. So lernte er bis zu seinem
22. Lebensjahre. In den Jahren 1878 bis 1880 bekleidete er
Hauslehrerstellen in Rawicz und danach bei der bekannten Familie Markus
Lehmann in Mainz. Seine Universitätsstudien führten ihn nach Heidelberg,
Berlin und Gießen, wo er 1885 über das Thema ‚Die Sprüche Salomons
nach der Auffassung in Bibel und Midrasch’ promovierte. Im gleichen
Jahre noch nahm er eine Religionslehrerstelle an der Horowitz’schen
Religionsschule in Frankfurt an. 1887 wurde er als Leiter der
Israelitischen Präparandenschule in Burgpreppach und gleichzeitig zur
Bekleidung des dortigen Distriktsrabbinats berufen. Nach 8-jähriger sehr
erfolgreicher Tätigkeit im Interesse dieser viel Segenverbreitenden
Anstalt wurde er endlich 1895 von der Verwaltung der Israelitischen
Waisenanstalt in Fürth zum Direktor der Anstalt als Nachfolger des kurz
vorher verstorbenen unvergesslichen Rabbiners Dr. Jonas Königshöfer – das
Andenken an den Gerechten ist zum Segen – gewählt. Hier entfaltete
sich nun erst richtig die Größe dieses Mannes. Fand er ja eine Kehillo
vor, die des religiösen Führers entbehrte, welche Mangel hatte an
talmudischen Größen. Was lag da näher, als den durch seine
Gelehrsamkeit und pädagogisches Geschick bald bekannt gewordenen |
neuen
Waisenhausdirektor, für alles, wo es nötig war, zu gewinnen.
Was Dr. Deutsch den ihm anvertrauten Waisenkindern war, was er im Verein
mit seiner ebenbürtigen Gattin Frau Fanny Deutsch geb. Würzburger,
die ihm in den Tod 9 Jahre voranging, für die Israelitische Waisenanstalt
geleistet hat, davon können die Generationen von ehemaligen Zöglingen
der Anstalt berichten, denen er stets ein liebevoller Berater und wahrer
Freund gewesen ist und es auch blieb, wenn die Zöglinge längst seinem
erziehlichen Einfluss entwachsen waren. Besonders verstand er es, das
Waisenhaus auch finanziell derartig zu heben, dass er es wagen durfte,
sich mit dem Plan eines groß angelegten Neubaues zu befassen, dessen Gelände
bereits erworben wurde und dessen Pläne fertig vorliegen. Leider sah es
sich, wie so viele andere, nach der Inflationszeit ungeheuer enttäuscht.
So kam es nicht zu der Durchführung dieses Planes.
Neben dieser hauptamtlichen Tätigkeit übernahm Rabbiner Dr. Deutsch
ehrenamtlich den Vorsitz der Ritualkommission der Israelitischen
Kultusgemeinde in Fürth und fungierte unter Zurückweisung jeglicher Vergütung
als Moro Deasro neben Rabbiner Dr. Simon Rosenblüth – das Andenken
an den Gerechten ist zum Segen – und
Rabbiner Markus Faust - er möge leben - und in den letzten Jahren
Rabbiner Dr. Leo Breslauer - er möge leben -. Trotz dieser
vielseitigen Tätigkeit gab der Verewigte 18 Jahre hindurch ehrenamtlich
Religions- und Gemoro-Unterricht in der Israelitischen Realschule.
Besonders aber verdient hervorgehoben zu werden, eine der Hauptleistungen
dieses Lehrers, nämlich der Raschi-Schiur, den er allwöchentlich über
30 Jahre im Lernverein ‚Auhawe Tauroh’ in Fürth leitete und durch
welchen er sich weit über Bayerns Grenzen hinaus berühmt machte. Hatte
der vielseitig beschäftigte Lehrer Israels während der Zeit seines
rastlosen Schaffens keine Muse finden können, um die vielen Chiduschim
und wahrhaft wertvollen und tiefsinnigen Erklärungen schriftlich
niederzulegen – für ihn gab es keine Arbeitszeit und keine Urlaubszeit
– so bot sich ihm glücklicherweise eine Möglichkeit hierzu in den
Jahren des wohl verdienten Ruhestandes, in welchen er im 74. Lebensjahr
eintrat. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass es ihm gelungen ist, die
köstlichen Früchte seines genialen Geistes der Nachwelt zu erhalten und
dass dieselben recht bald der jüdischen Öffentlichkeit zugeführt
werden.
Rabbiner Dr. Deutsch hatte neben den bereits erwähnten Geistesschätzen
aber auch viele andere großartige und hervorstechende Eigenschaften, die
für seine Person und für seine Lehrmethode charakteristisch sind. Er war
ein Mann des Friedens und strebte stets danach, Gegensätze zu überbrücken,
jede Schärfe zu vermeiden und erwarb sich auf diese Weise die Liebe und
Verehrung weitester auch nichtjüdischer Kreise. Er war stets hilfsbereit,
hatte ein offenes Haus für Arme und Kranke, für Notleidende und Bedrückte.
Wer ein besonderes Anliegen hatte, konnte sich an ihn wenden und fand ein
offenes Ohr, einen weisen Rat,
eine hilfsbereite Hand und tatkräftige Unterstützung. Von unübertrefflichem
Bitochaun (Gottvertrauen) erfüllt, das sich zeigte, als er in den letzten
Jahren seines Lebens von schweren Krankheiten heimgesucht wurde, war er
stets optimistisch und von geistvollem Humor erfüllt. Dieser Humor kam
vor allem zum Ausdruck, wenn es ans Lernen ging. Kein Gemoro-Schiur, kein
Raschi-Schiur, keine Schulstunde, in welcher nicht durch scherzhafte,
sinnvolle Bemerkungen die Lernenden angeregt wurden, so gründlich auch
und so ernst auch die Materie bemeistert wurde. Es war eine ganz eigene
Methode, die mit der von Rowo wohl Ähnlichkeit hatte, die aber dennoch
anders war, eben die Methode von Rabbiner Dr. Deutsch. Viele Schüler,
viele Lehrer hat er nach seiner Methode in das jüdische Schrifttum eingeführt
und sie für das Judentum und seine Wissenschaft begeistert.
Es nimmt nicht wunder, dass ein solcher Mann nicht nur aus Fürth, aus den
Nachbargemeinden, von den städtischen und staatlichen Behörden, von sämtlichen
bayerischen jüdischen Gemeinden mit Anfragen überhäuft wurde und dass
insbesondere die schwersten talmudischen Fragen aus aller Welt, aus
Deutschland und aus dem Ausland, seiner Beurteilung unterworfen wurden.
Dementsprechend gestaltete sich auch die Klage um den
unersetzlichen Verlust eines so vortrefflichen Mannes, der am Mittwoch,
den 10. Adar, in Köln durch einen göttlichen Kuss dem irdischen Dasein
entrückt wurde, um am Sonntag in Fürth zur letzten Ruhe gebracht zu
werden, zu einer imposanten Trauerkundgebung. Im ersten der zahlreichen
Hespedim schilderte in der Neusynagoge, veranstaltet von der
traditionell-gesetzestreuen Vereinigung Schaumre Hadaß, deren Raw, Herr
Rabbiner Dr. Breslauer, die Wirksamkeit des Verstorbenen für die
Orthodoxie.
Auf dem Friedhof sprachen nacheinander Herr Dr. Behrens für das
Distriktsrabbinat, Herr Rabbiner Dr. Hannover, Würzburg, der in besonders
herzlicher Weise die Klage der Familie zum Ausdruck brachte, Herr
Kommerzialrat Bechmann als Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde,
Herr Dr. Freudenthal, Nürnberg für die bayerische Rabbinerkonferenz. In
groß angelegter Rede zeichnete sodann der derzeitige Direktor der
Israelitischen Waisenanstalt, Herr Dr. J. Hallemann, ein wahrheitsgetreues
Bild vom Leben und Wirken seines großen Vorgängers. Den Dank der
Verwaltung überbrachte der jetzige Vorsitzende, Herr Leopold König. Als
Vertreter des Stadtrates und vor allem im Auftrage des Herrn Oberbürgermeisters
Dr. Wild überbrachte Herr Stadtrat Kommerzienrat Morgenthau dem
scheidenden Bürger die letzten Grüße der |
Stadtgemeinde.
Herr Studiendirektor Dr. Fr. Prager, sprach für die Israelitische
Realschule. Herr Dr. J. Bamberger für die Israelitische Präparandenschule
Burgpreppach. Herr Diplom-Versicherungs-Mathematiker Hugo Heinemann als
Vorsitzender des Vereins Auhawe Tauroh und als Präside der Vereinigung jüdischer
Akademiker. Endlich Herr Studiendirektor Stoll für das Lehrerseminar in Würzburg.
Von prominenten Persönlichkeiten waren die Rabbiner der Nachbargemeinden,
Herr Rabbiner Dr. Klein, Nürnberg und Herr Rabbiner Dr. Manes, Schwabach,
erschienen. Außerdem war das städtische Schulamt und diverse andere Behörden
und Vereine offiziell vertreten. Nach dem Schluss aller Trauerreden
geleitete die ungeheuer große Trauergemeinde ihren Toten zur letzten
Ruhestätte, wo ein stimmungsvolles, von Herrn Kantor Gutmann,
vorgetragenen El Molei Rachamim-Gebet die Trauerfreier beschloss. Dem
Oraun (Gebet) wurde eine Seifer
Tauroh (Torarolle) vorangetragen zur Ehre des Verstorbenen. Sein Verdienst komme uns zugute." |
Links, Quellen und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur: es werden nur einzelne neuere Titel
genannt, in denen es jeweils ausführlichere Literaturverzeichnisse gibt
| Monika
Berthold-Hilpert: Synagogen in Fürth. Einladung zu einem Rundgang.
Haigerloch 2000. |
| dies.:
Orte der Verfolgung und des Gedenkens in Fürth. Einladung zu einem
Rundgang. Haigerloch 2002. |
| dies.
/ Jutta Fleckenstein: Jüdische Stiftungen in Fürth. Einladung zu
einem Rundgang. Haigerloch 2003. |
| Katrin
Bielefeldt: Geschichte der Juden in Fürth. Jahrhundertelang eine
Heimat. Reihe: Historische Spaziergänge 3. Nürnberg
2005. |
| "Mehr
als Steine..." Synagogen-Gedenkbach Bayern Band II: Mittelfranken. Bearbeitet
von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christoph Haas und
Angela Hager, unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem
Beitrag von Katrin Keßler.
Herausgegeben von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschland. Begründet und hrsg. von
Meier Schwarz, Synagogue Memorial Jerusalem.
Verlag Josef Fink, Lindenberg im Allgäu. 2010.
Zu Fürth: S. 266-349 (mit zahlreichen Literaturangaben).
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