Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia Judaica
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und bestehende) Synagogen
Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale
in der Region
Bestehende jüdische Gemeinden
in der Region
Jüdische Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur und Presseartikel
Adressliste
Digitale Postkarten
Links
| |
Zurück zur Übersicht: "Jüdische
Friedhöfe in der Region"
Zur Übersicht: Jüdische Friedhöfe in Baden-Württemberg
Heidelberg (Stadtkreis)
Bergfriedhof / Jüdischer Teil
Jewish Cemetery - Cimetière juif
Hinweis:
im Internet sind zwei Gesamtdokumentationen des israelitischen
Teiles des Bergfriedhofes
zugänglich:
1. Die Videodokumentation des Friedhofes von Michael Ohmsen -
eingestellt auf youtube.com - mit direkten
Links von dieser Seite unten.
2. Die auf der Website der jüdischen Gemeinde Heidelberg zugängliche
Dokumentation ist erreichbar über www.memoju.de
|
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in
Heidelberg (interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Nach der Schließung des Friedhofes an
der Klingenteichstraße 1876 erhielt die jüdische Gemeinde Heidelberg einen
Teil des städtischen Bergfriedhofes östlich der Rohrbacher Straße für ihre
Beisetzungen. In der NS-Zeit wurde die jüdische Gemeinde gezwungen, einen Teil
ihrer Grundstücke auf dem Bergfriedhof zu "verkaufen", das Geld wurde
aber nie ausgezahlt. In den 1950er-Jahren trat die damalige jüdische Gemeinde
einen Teil des für sie reservierten Teiles des Bergfriedhofes an die Stadt ab;
man sah damals keinen Eigenbedarf für die weitere Belegung der Fläche.
Der jüdische Teil des Bergfriedhofes wird bis zur Gegenwart belegt (Fläche 111,52 a).
Auf ihm befindet sich auch eine jüdische Friedhofshalle mit Gedenkinschrift. Da
Friedhof 2015/16 jedoch fast voll belegt war, wurde ein neuer jüdischer Friedhof
in Handschuhsheim angelegt.
Zur
Seite über den neuesten Friedhof in Handschuhsheim (ab 2016)
Aus der Geschichte des Bergfriedhofes
Fragen der Anlage des neuen Friedhofes
(1876)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Dezember
1876: "Wiesbaden, 18. Dezember (1876). Es ist richtig, dass
Herr Rabbiner Dr. Sondheimer in Heidelberg in der Frage der
hiesigen israelitischen Friedhofs-Angelegenheit ein Gutachten nicht
abgegeben hat, wohl aber hat der hiesigen Polizeibehörde dasjenige
Gutachten vorgelegen, welches der genannte Herr am 28. März 1875
anlässlich des Gesuchs der Bewohner des 'Klingenteichs' zu Heidelberg um
Verlegung des israelitischen Friedhofes an den dortigen Synagogenrat
abgegeben und das sich in einer längeren Auseinandersetzung für die
Notwendigkeit, 'der Heidelberger israelitischen Gemeinde den
erforderlichen Raum zu einer Begräbnisstätte neben (also außerhalb) dem
Friedhof der christlichen Gemeinde zu überlassen', aus religiösen
Gründen erklärte. Was aber für die Heidelberger Israeliten gilt, wird
auch für die Israeliten Wiesbadens Geltung haben, und die hiesigen
Orthodoxen legten umso höheren Wert gerade auf dieses Gutachten, als Herr
Dr. Sondheimer der liberalen Richtung im Judentum angehört. Das
Darmstädter Gutachten rührt von dem orthodoxen Rabbiner Herrn Dr. Marx
her. (Frankfurter Journal)". |
Die Zahl der jüdischen Kremationen ist relativ hoch
(1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar
1895: "Aus Baden. Berichte über die Resultate der im Jahre
1894 in Heidelberg vorgekommenen Leichenverbrennungen passen selbstverständlich
nicht in eine jüdisch-religiöse Zeitung, namentlich nicht in eine solche
von der Tendenz des Israelit. Wenn dieses aber dennoch geschieht, so soll
nur die Wahrnehmung verzeichnet werden, in welcher bedauernswerter Stärke
Juden (?) dabei beteiligt sind. Von den 79 Verbrennungen gehören 55 der
evangelischen, 16 der katholischen und acht der jüdischen Konfession an,
und bilden diese also 10 % der Verbrannten, während die Israeliten in
Deutschland nur 1 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Diese
bedauernswerten Tatsachen haben jedenfalls vorzugsweise in der irrigen
Meinung ihren Grund, diese Art der Bestattung sei eine religiös-erlaubte,
welche noch dadurch verstärkt wird, dass es Geistliche gibt, welche die
Leiche noch vorher einsegnen, - ja noch die Tahara
(Leichenwaschung) als verpflichtend hinstellen. Hier wäre, wie überall
bei Verirrungen, Belehrung notwendig. Bei keiner Konfession wählen Fromme
diese Art der Leichenbestattung, und wir Israeliten brauchen deshalb nicht
ängstlich zu sein, dass je einmal dieselbe zum Gesetze erhoben und die
Beerdigung verboten wird. Auch bei den Christen kommt das
Leichenverbrennen nur bei einer verschwindenden Minderzahl vor. Ja, wenn
bei den Juden allein die Beerdigung üblich wäre, so hätte schön
längst in der Schweiz eine Volksabstimmung aus sanitärem oder sonstigen
Grunde die Beerdigung verboten. So aber können wir ruhig zusehen, wenn
eine winzige Minorität von Menschen, aus Liebhaberei sich verbrennen
lässt. L.E." |
Lage des Bergfriedhofes
|
|
Lage der jüdischen Friedhöfe Heidelbergs (durch
Pfeile
markiert; östlicher Friedhof: alter Friedhof;
südlicher
Friedhof: neuer Bergfriedhof)
(Topographische Karte aus den 1970er-Jahren) |
Lage des jüdischen Friedhofes
im allgemeinen Bergfriedhof
Heidelberg auf dem dortigen Stadtplan: oben anklicken:
der Link führt direkt zu
"Friedhof, israelisch, Südstadt"
|
Link zu den Google-Maps
(der grüne Pfeil markiert die Lage des Friedhofes)
Größere Kartenansicht
Fotos
Fotos des jüdischen Teiles des Bergfriedhofes von 2024 siehe Fotoseiten von
Stefan Haas
https://www.blitzlichtkabinett.de/friedhöfe/friedhöfe-in-baden/
Der jüdische Teil des Bergfriedhofes im März 2009
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 29.3.2009)
|
|
|
Eingangstor mit Blick zur
Friedhofshalle |
Hinweistafel am Eingangstor |
"Davidstern" (Magen
David) |
|
|
|
|
|
|
Friedhofshalle -
vom Friedhof aus gesehen; rechts Gedenkinschrift von 1952 "Zum ewigen
Gedenken an unsere Brüder und Schwestern, die in den Jahren 1033-1945 aus
den
Landgemeinden und der Stadt Heidelberg deportiert wurden und fern der
Heimat für ihr
Judentum den Märtyrertod erlitten haben. Heidelberg
1952." |
Weg in den Friedhof -
vom Eingangstor aus gesehen |
|
|
|
|
|
|
|
Neuere Gräber -
nahe der
Friedhofshalle
|
Grabsteine im
ältesten Teil des
Friedhofes aus der Zeit in den Jahren
nach Anlage des
Friedhofes (1876) |
Hoher Grabstein
für Daniel Jakob Baer
(1816-1877) und Sophie Baer geb. Elsasser
(1837-1912) mit nach unten gerichteter,
erlöschender Fackel,
Pflanzenornamentik
und Levitenkanne; Grabstein rechts mit
Portrait für
Carl Abenheimer (1808-1877) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Drei hohe
Grabsteine in der Mitte: links für
Rosa Herrmann geb. Mayer (1861-1909)
und
Ludwig Herrmann (1858-1924), dahinter für
Sigmund Hirsch aus Weinheim
(1845-1908)
und Sophie Hirsch geb. Oppenheimer
(1844-1909), rechts für
Moses Hurwitz aus
St. Petersburg (1861-1911) |
Grabstein im Schatten links
für
Salomon Weill (1808-1888), rechts
für Carl Traumann von Schwetzingen
|
Hohe Grabsteine: links für
Lazarus Reis (1808-1890),
rechts für Albert Reis (1846-1890)
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Relativ selten auf jüdischen
Friedhöfen: Darstellung
einer Engelsfigur
|
Grabstein für
Gertrud Marx
geb. Fisch
(1899-1933)
|
Grabsteine von
links für Julie Salomon geb. Marx
(1862-1925) und Hermann Salomon
(1864-1927);
Sally Kirchheimer (1876-1927); Dr. Peter
Schliferowitsch
(1856-1929) und Pauline Schl.
geb. Fortus (1863-1931); Siegfried Jacob
(1908-1929) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Blick auf eine der
Terrassen
des Friedhofes |
Großes Grabmal für Bertha,
Siegfried und Amalie Goldscheider |
Eine der obersten Terrassen
des Friedhofes;
im Vordergrund Grabstein für die früh
verstorbene Bella
Jacob (1905-1923) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Grabstein für Adolf Held
(1873-1919) und
Nannette Held geb. Seligmann (1872-1926)
aus Mosbach;
Eltern des Kunsthistorikers
Prof. Dr. Julius Held (1905-2002) |
Grabstein für den
"Bayrischen
Hauptlehrer" Michael Wolf (1851-1931)
und Rosa Wolf
geb. Klotz aus Winnweiler
(1850-1915) |
Grabstein für Beni Wolff aus
Rohrbach
(1851-1917) und Sophie Wolff
geb. Münzesheimer (1857-1935) |
|
|
|
|
|
|
|
Grabstein für Elise Spiegel
geb.
Schwarzmann (1879-1928) und
Erinnerung an den in Köln beigesetzten
Elias Spiegel (1864-1942) |
Grabstein der Familie Kramer:
für Bernhard
Kramer (1866-1929) und Rosa Kramer geb.
Sternweiler mit
Gedenkinschriften für
Hans Bernd Oppenheimer (1921-1945)
und Leopold
Oppenheimer (1881-1943) |
Kindergräber, vorne links
Grabstein
für Rudolf Heinz Bodenheimer (1906),
darüber für Liselotte
Leiser (1915) |
|
|
|
|
|
|
|
|
Grabstein für
Maier Kahn, Hauptlehrer an der
Volksschule in Heidelberg (aus Sulzburg,
1844-1900) und Lisette Kahn geb. Müller
(aus Krautheim,
1844-1912) |
Grabstein für
Selma Lichtenthal
geb. Kugelmann (1900 in Witzenhausen -
1974 in
Heidelberg, "fern ihrer
Heimat in Israel") |
Neue Gräber
|
|
Der Friedhof im Juni 2004
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 25.6.2004)
|
|
|
Eingang in den Friedhof
mit Hinweistafel |
1952 angebrachte
Gedenkinschrift an der
Eingangshalle (Inschrift siehe oben) |
|
|
|
|
|
|
|
Familiengrab der Familie
Krämer - Oppenheimer |
Mitte: Grab von "Moses
Hurwitz
aus St. Petersburg" |
|
|
|
|
|
|
|
Großes Grabmonument
|
Grabstein für Rabbiner Dr. Hermann Pinkus
und seine Frau
Olga |
Kindergräber
|
|
|
|
|
|
|
Grabstein für Helga Levinson
geb. Heimberg (1926-1968) |
Innerhalb der älteren Teile
finden sich neuere
Gräberreihen mit liegenden Grabplatten |
Neueres Grabfeld
|
|
|
|
|
|
|
Grabsteine
russisch-jüdischer Emigranten |
Neuere Gräber (2003/04) |
Ältere Fotos
(Fotos: Hahn, entstanden Mitte der 1980er-Jahre)
|
|
|
Teilansichten des jüdischen Friedhofes im Bergfriedhof
Heidelberg |
|
|
|
|
|
Grabstein für Rabbiner Dr. Hermann Pinkus
und seine Frau
Olga |
|
|
|
|
|
|
|
|
Alter Gedenkstein für die zerstörte Synagoge Heidelberg,
jahrelang (bis 2001) im Bergfriedhof aufgestellt |
|
Video-Dokumentation des
israelitischen Teiles des Bergfriedhofes von Michael Ohmsen - eingestellt auf
youtube.com - direkte Verlinkung zu den Teilen der Dokumentation
(zu den einzelnen Teilen der Dokumentation bitte das jeweilige Bild
anklicken)
|
|
|
|
|
Teil 1 [14:46] |
Teil 2 [5:49] |
Teil 3 [7:29] |
Teil 4 [11:41] |
Teil 5 [14:25] |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Teil 6 [12:46] |
Teil 7 [12:13] |
Teil 8 [11:05] |
Teil 9 [14:35] |
Teil 10 [4:13] |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Teil 11 [7:10] |
Teil 12 [8:08] |
Teil 13 [5:22] |
Teil 14 [9:07] |
Teil 15 [8:52] |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Teil 16 [6:52] |
Teil 17 [8:55] |
Teil 18 [5:55] |
Teil 19 [8:34] |
Teil 20 [5:52] |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Teil 21 [6:22] |
Teil 22 [11:59] |
|
|
|
Weitere Berichte zum Friedhof
Januar 2016:
Führung über den Friedhof mit
Hans-Martin Mumm
Anmerkung: Hans-Martin Mumm ist ehemaliger
Kulturbürgermeister und Vorstand des Heidelberger Geschichtsvereins -
Website
https://haidelberg-start.jimdo.com/.
|
Artikel von Manfred Bechtel in der "Rhein-Neckar-Zeitung" vom
10. Januar 2017:
"Rundgang über den Jüdischen Friedhof Heidelberg: Hans-Martin Mumm
sprach über die Geschichte
Die Gräber dürfen nie angetastet werden - Was es mit einer Schale voll
Kieselsteinen und den Inschriften auf sich hat
Heidelberg-Bergheim. Der Jüdische Friedhof beim Bergfriedhof ist für
jedermann geöffnet - und er lädt das ganze Jahr über zu Spaziergängen ein.
Nur: Die Inschriften auf den meisten Grabsteinen erschließen sich dem
Besucher kaum. Viele sind zumindest teilweise hebräisch, in den vergangenen
Jahrzehnten sind auch russische hinzugekommen. Dazu haben Wind und Wetter
ihre Spuren hinterlassen. Auf großes Interesse stieß daher das Angebot zu
einer Führung über den Jüdischen Friedhof im Rahmen der Jüdischen
Kulturtage. Hans-Martin Mumm sprach über die Geschichte und weckte
Erinnerungen an jüdische Menschen, die längst vergessen schienen. Ein
eisernes Tor mit einem Davidsstern südlich des Krematoriums öffnet den
Zugang zu dem eigenständigen Friedhof. Vorbei ging es an einem Korb mit
weißen Kieseln. 'Leg' mir a Stein auf mein Grab', heißt es darauf. Die
Tradition stamme aus der Zeit, als der Leichnam zum Schutz vor wilden Tieren
mit Steinen bedeckt werden musste, so die Legende. Wie auch immer die Sitte
tatsächlich entstanden sein mag - wer einen Stein auf das Grab legt, bringt
damit zum Ausdruck, dass er den Verstorbenen nicht vergessen hat. Als die
jüdische Gemeinde im 19. Jahrhundert das Grundstück im Süden der Stadt
kaufte, lagen noch Streuobstwiesen zwischen den beiden Friedhöfen. 1876 fand
die erste Beerdigung statt. Erst im Laufe der Jahre wuchs der Bergfriedhof
um den jüdischen Friedhof herum. Die Wege sind teils steil, wegen der
Hanglage sind viele Gräber nach Westen ausgerichtet. Hier galt die
Vorschrift nicht, dass die Toten mit Blick nach Jerusalem ruhen sollten,
sonst hätten sie kopfüber liegen müssen. Zuvor waren Juden an der
Klingenteichstraße, oberhalb des
Klingentors, bestattet worden. Geht man in der Geschichte noch weiter
zurück, stößt man auf den Friedhof der mittelalterlichen Gemeinde in der
Plöck, zwischen Sandgasse und Theaterstraße, bei der heutigen Turnhalle der
Friedrich-Ebert-Grundschule.
1940 begann die Deportation der Juden nach Gurs ... 'Auf den
Grabsteinen begannen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
lateinische Schrift und deutsche Sprache das Hebräische zunächst zu
begleiten, um es bis in dieses Jahrhundert nahezu, aber nicht ganz zu
verdrängen', stellte Mumm fest. Vielfach sind die Bibelsprüche in Hebräisch,
die Namen auf Deutsch geschrieben. Daneben finden sich jüdische Symbole,
Porträts sind wegen des Bilderverbots die Ausnahme. Auch passte sich die
Grabkultur der Juden der bürgerlichen Grabkultur des 19. Jahrhunderts an,
'die meisten bürgerlichen Juden wollten sich assimilieren und in der
Gesellschaft anerkannt sein'. Ein Beispiel für gesellschaftlichen Aufstieg
ist die Familie Rothschild. 'Nicht die Bankiers', klärte Mumm auf.
'Sie hatten ursprünglich einen Laden in
Michelbach im Odenwald, der Vater war noch Hausierer gewesen, die Söhne
eröffneten 1893 das erste Kaufhaus in Heidelberg - wo jetzt Kraus ist, das
war das Kaufhaus Rothschild. 1913 entstand ein Neubau im dezenten
Jugendstil. Am 1. April 1933 wurde das Haus boykottiert, die Inhaber konnten
sich nach Amerika retten. Nach dem Krieg bekamen sie die Eigentumsrechte an
ihrem Kaufhaus zurück, soweit sie es verlangten. Das Grundstück in der
Hauptstraße ist heute noch im Grundbuch auf den Namen Rothschild
eingetragen, die Tiefgarage auch. Das Geschäft selbst wollten sie in
Deutschland nicht mehr betreiben.' Emil Hirsch war Lehrer am
Kurfürst-Friedrich-Gymnasium. 1933 wurde er zwangspensioniert, er starb
1935. Bei seiner Beerdigung, an der viele Lehrer-Kollegen teilnahmen, war
der Friedhof schon mit Stacheldraht abgesperrt. Er hat Sprüche seiner
hessischen Mutter in einem Büchlein gesammelt. Ein Beispiel: 'Ein Quentchen
Massel ist oft mehr wert als ein Pfund Verstand!' Am 22. Oktober 1940 begann
die Deportation der Heidelberger Juden ins französische Gurs im
Pyrenäen-Vorland. Am selben Tag brachte sich Ignatz Seidemann um. An
diesem Tag bricht auch die Handschrift im Beerdigungsbuch des Friedhofs ab.
'Offenbar ist derjenige, der das Begräbnisbuch geführt hat, mit deportiert
worden', folgerte Mumm. 'Seinen Namen habe ich nicht. Danach führte das Buch
ein städtischer Bediensteter weiter - mit den paar Beerdigungen, die nach
der Deportation noch stattgefunden haben. Nur ganz wenige Juden waren in
Heidelberg verblieben.' 1940 wurden freie Flächen zwangsweise an die Stadt
verkauft, aber nicht bezahlt. Im Herbst 1943 wütete nachts eine 'Nazibande'
(Mumm) mit Vorschlaghämmern, Spuren davon sind teilweise noch zu sehen. Die
Reise ins Ungewisse traten auch der 19-jährige Hans Oppenheimer und
seine Eltern Rositta und Leopold an. Vier Tage und drei Nächte dauerte die
Fahrt im Sonderzug nach Gurs in das noch unbesetzte Frankreich. Dort
arbeitete der junge Hans eine Zeit lang auf einem Bauernhof. Er hinterließ
bei dem Bauern seine Kiste mit persönlichen Unterlagen, als er nach
Auschwitz verschleppt wurde. Vor Kriegsende musste er auf den Todesmarsch
nach Buchenwald, wo er im März 1945 kurz vor der Befreiung starb. Sein Vater
wurde in Auschwitz ermordet, seine Mutter überlebte Gurs und konnte die
Dokumente in den Familienbesitz zurückbringen.
... viele fanden die letzte Ruhe wieder in Heidelberg. Ihr älterer
Sohn Max war im englischen Exil in Sicherheit gewesen. Unter dem
Autoren-Pseudonym 'Max Ludwig' veröffentlichte er das Buch 'Aus dem Tagebuch
des Hans O.' und 'stiftete einen neuen Beginn des Gedenkens an den Holocaust
in Heidelberg und Umgebung', so Mumm. Nach ihrer Rückkehr stellte sich
Rositta Oppenheimer in den Dienst der jüdischen Kultusgemeinde Heidelberg
und leitete das von ihr mitgegründete jüdische Altersheim. 'Eine schöne
Geschichte, die in Israel erzählt wurde', hielt Mumm für seine Zuhörer noch
bereit, 'ob sie 100-prozentig stimmt, kann man in Zweifel ziehen.' Sie
handelt von einem Berliner Ehepaar, das in der Hauptstadt ausgebombt wurde.
Hab und Gut waren verloren, ebenso ihre Personalausweise, die sie als Juden
auswiesen. Mit einem 'Quentchen Massel' brachten sie es fertig, sich neue,
'arische' Ausweise ausstellen zu lassen. Damit zogen sie nach Neckargemünd,
in der Hoffnung, vor den Bomben sicher zu sein. Als der Mann starb, fand er
seine vorletzte Ruhe auf dem allgemeinen Friedhof. Jedoch wollte er 'nicht
zwischen Kreuzen begraben sein': Nach Ende des Dritten Reiches wurde er auf
den Jüdischen Friedhof umgebettet. Einen weiten Weg hatte der gebürtige
Heidelberger Hugo Marx hinter sich, ehe er auf dem Jüdischen Friedhof
seiner Heimatstadt die letzte Ruhe fand, inmitten einer Landschaft, mit der
er 'tief verbunden und verwurzelt war', wie er schrieb. Der
sozialdemokratische Richter hatte Deutschland schon 1933 fluchtartig
verlassen müssen. Nach mehreren Stationen fand er mit seiner Frau in Belgien
Exil. Als aber die Wehrmacht 1940 das Land überfiel, waren sie als Juden
erneut in Lebensgefahr. Eine zweite Flucht führte nach Marseille auf ein
Schiff und von dort in einer Odyssee nach New York. Nach dem Krieg kam Hugo
Marx im Leben nur noch besuchsweise nach Heidelberg zurück. Aber es war sein
Wunsch, in der Stadt am Neckar begraben zu werden. Es wird erzählt, dass er
auch sicher sein wollte, was an seinem Grab über ihn gesagt würde. Deshalb
habe er die Rede vorsichtshalber selbst geschrieben, bei der Beerdigung sei
sie verlesen worden.
Viele sind dem Völkermord zum Opfer gefallen und haben auf dem Friedhof
keine Grabstätte gefunden. 'Zum ewigen Gedenken an unsere Brüder und
Schwestern, die in den Jahren 1933-1945 aus den Landgemeinden und der Stadt
Heidelberg deportiert wurden' ist an der Friedhofshalle auf einer steinernen
Tafel zu lesen. Auf dem Friedhof selbst verweisen einzelne Gedenksteine auf
Vertreibung, Deportation und Mord. Als Ausgleich für die damals erhaltenen
und mittlerweile belegten Flächen verpflichtete sich die Stadt, die
gärtnerische Gestaltung der Anlage zu übernehmen. In den zurückliegenden
Jahrzenten wuchs die Kultusgemeinde wieder, nur wo man freie Plätze annehmen
konnte, durfte noch beerdigt werden. Eine Wiederbelegung kommt nicht
infrage, weil nach jüdischer Tradition die Gräber nicht angetastet werden
dürfen. Es wurde eng auf dem Friedhof. Seit September dieses Jahres gibt es
einen neuen jüdischen Friedhof in Handschuhsheim."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
vorheriger Friedhof zum ersten
Friedhof nächster Friedhof
|