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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Schluchtern (Gemeinde Leingarten, Landkreis
Heilbronn)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english version)
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden
Schluchtern bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in
die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden 1657/58
(Aron von Kirchhausen in Schluchtern genannt), dann wieder seit
1680 Juden genannt (1680 Mayer und sein Vater Seeligmann als Pferdehändler
in Schluchtern genannt). 1729 waren vier jüdische Familien mit zusammen 15 Personen
ansässig. Ihre Zahl nahm erst langsam zu. 1801 waren es zehn Familien mit
insgesamt 42 Personen. 1809 werden folgende 12 Juden mit ihren neuen erblichen
Familiennamen genannt: Elias Alexander Gunzenhausen, Elias Bär Massenbach,
Moises Löb Edesheimer, Elias Samuel Weinheimer, Wolf Joseph Kirchhauser (bzw.
Kirchhausen), Marx Joseph Kirchhauser, Jacob Marx Sontheimer, Machol Samson
Edesheimer, Salomon Israel Essinger, Löb Ritterberger, David Marx Armhold
und Isaak Marx Sontheimer.
Die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde um 1885 mit
99 Personen erreicht. 1827 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat Sinsheim
zugeteilt, nach dessen Auflösung dem Bezirksrabbinat in Bretten. Die jüdischen Familien lebten überwiegend vom Viehhandel.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad sowie seit 1882 ein eigener
Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. In besonderer
Erinnerung blieb Lehrer Elias Schwarzwälder, der von 1860 bis 1907 als
Religionslehrer in Schluchtern tätig war (siehe Berichte unten). Sein Grab ist im jüdischen Friedhof
in Schluchtern.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde
Offizierstellvertreter Alexander Hanauer (geb. 23.2.1883 in Schluchtern, gest.
an Verwundung am 23.11.1918 im Reservelazarett Osnabrück) sowie Isidor
Kirchhausen (geb. 10.12.1892 in Schluchtern, als Kriegsfreiwilliger am
22.10.1914 bei Bas Maisul in Nordfrankreich gefallen). Außerdem sind
gefallen: Daniel Bauernfreund (geb. 1.2.1886 in Schluchtern, vor 1914 in
Heilbronn wohnhaft, gef. 11.8.1918), Julius Kirchhausen (geb. 19.4.1890 in Schluchtern, vor 1914
in Würzburg wohnhaft, gef. 2.8.1915), Karl Kirchhausen (geb. 1.2.1886 in Schluchtern, vor 1914
in Stuttgart wohnhaft, gef. 8.11.1914), Gustav Schwarzwälder (geb. 13.11.1874
in Schluchtern, vor 1914 in Karlsruhe wohnhaft, gef. 26.6.1917).
Hinweis: in verschiedenen Listen wird Hanauer in der Gefallenenliste als
Geburtsort von Schlüchtern
(Hessen) geführt; die Recherchen von Elisabeth Böhrer ergaben jedoch die
eindeutige Zuordnung von Hanauer zur Gemeinde Schluchtern.
Bis nach
1933 waren im Ort eine Gastwirtschaft ("Zur Traube", Inh. Josef
Wolf Kirchhausen), eine Zigarrenfabrik (Kirchhausen) und eine kleine
Seifenfabrik im Besitz jüdischer Familien. Im Viehhandel betätigten sich Willy
Bauernfreund, Josef und Siegfried Kirchhausen, Moses Oppenheimer und Ludwig
Vollweiler. Eine kleine Landwirtschaft hatte Josef Wolf Kirchhausen neben seiner
Gastwirtschaft. Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts und der
zunehmenden Repressalien verließen mehrere der jüdischen Einwohner den Ort.
Als am 22. Oktober 1940 die Juden Badens deportiert wurden, sind aus Schluchtern
noch 12 Personen abgeholt worden.
Von den in Schluchtern geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach dem Gedenkbuch Baden-Württemberg, ergänzt
durch einige Namen nach den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", siehe aber Anmerkung): Auguste
Bauernfreund geb. Erlebacher (1866), Heinrich Bauernfreund (1890), Betty (Betti)
Baumann geb. Levi (1888), Frieda Berney geb. Kirchhausen (1880),
Betty Birk geb. Rosenbaum (1876), Fanny Birk (1873), Friederike Bloch (1896), Elsa Brandt geb. Schwarzwälder (1893), Bertha Buxbaum geb. Kirchhausen (1893), Auguste Essinger
(1868), Isak Essinger (1866), Recha Frankfurter (1881), Ida Hopfer geb. Hanauer, Bertha
Kahn geb. Bauernfreund (1889), Betty Kirchhausen (1890), Cäcilie (Zilli) Kirchhausen
(1901), Fanny Kirchhausen (1886), Josef Kirchhausen (1888), Karoline Kirchhausen
geb. Oppenheimer (1852), Klara Kirchhausen (1883), Sali
Kirchhausen (1904), Siegfried Kirchhausen (1881), Sigmund Kirchhausen (1874), Therese Kirchhausen geb.
Muthert (1866), Blanda Körber geb. Kirchhausen (1898), Lina Metzger geb. Vollweiler (1883),
Isack Julius Reuter (1876), Moritz Reuter (1874), David Schwarzwälder (1865),
Isak Schwarzwälder (1869), Natalia Sigall geb. Kirchhausen (1897), Elise Vollweiler geb. Maier (1889),
Ludwig Vollweiler (1877).
Anmerkung: bei
Recherchen über Listen von Yad
Vashem, Jerusalem ergeben sich Schwierigkeiten, da bei zahlreichen
Personen keine klare Unterscheidung zwischen Schlüchtern
(Main-Kinzig-Kreis) und Schluchtern vorgenommen wird; daher sind die
ausgefüllten Blätter mit heranzuziehen. Da freilich auch im bundesdeutschen
Gedenkbuch diese Verwechslungen vorkommen (beispielsweise werden darin die
Angehörigen der Familie Kirchhausen fälschlich Schlüchtern und nicht
Schluchtern zugeschrieben, ist die Gefahr der Verwechslung sehr groß, auch
enthalten selbst manche von Angehörigen ausgefüllten Blätter diese
Verwechslung). Die in den Seiten von "Alemannia Judaica" vorgenommene
Zuordnung beruht auf einer möglichst präzisen Auswertung aller vorliegenden
Angaben, doch kann letztlich auch keine Garantie für alle genannten Personen
übernommen werden (z.B. gab es Oppenheimers sowohl in Schluchtern als auch in
Schlüchtern).
Nach 1945 kehrte als Überlebender von Theresienstadt Abraham
Kirchhausen zurück. Er war Kriegsversehrter des Ersten Weltkrieges und Träger
des Eisernen Kreuzes I. Klasse. Er starb 1949 in Schluchtern. Gleichfalls kaum
von den Ausgewanderten David Kirchhausen zurück.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Stelle des Lehrers, Vorbeters und Schächters 1907
(die Ausschreibung erfolgte nach der Zurruhesetzung von Lehrer Elias
Schwarzwälder)
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Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 17. Januar und 7. Februar 1907: "Die
Religionsschulvorsänger- und Schochetstelle in Schluchtern,
Rabbinatsbezirk Bretten, ist nach Pensionierung des seit 1860
ununterbrochen dort amtierenden Kultusbeamten baldmöglichst durch einen
Geeigneten ledigen Standes wieder zu besetzen. - Fixer Gehalt 700 Mark, ca.
150 Mark Nebeneinkünfte und freie Wohnung für einen Ledigen. Frankierte
Meldungen mit kurzer Schilderung des Lebens- und Bildungsganges, belegt
mit Zeugnisabschriften über Befähigung und religiös-sittliche Führung
sind innerhalb 3 Wochen einzureichen: an der Bezirks-Synagoge in
Bretten Schleßinger, Bezirks-Rabbiner." |
Auszeichnung für Lehrer Elias Schwarzwälder (1898)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 21. Oktober 1898:
"Nachdem aus dem Vermächtnis der Michel Weil Eheleute in Straßburg
zur Verleihung von Preisen auf 2. August dieses Jahres die Summe von 640
Mark der Behörde zur Verfügung gestellt worden ist, hat dieselbe dem
Hauptlehrer Elias Jakob in Bühl einen Preis von 200 Mark und den
Religionsschullehrern Nathan Wolf in Sennfeld,
Abraham Heimberger in Reilingen,
Elias (statt Jesaias)
Schwarzwälder in Schluchtern und Moses Lippmann in Karlsruhe
je einen Preis im Betrage von 100 Mark in Anerkennung ihrer langjährigen,
verdienstlichen Leistungen auf dem Gebiet des israelitischen
Religionsunterrichts zuerkannt. Der Restbetrag von 40 Mark wurde zum
Ankauf geeigneter Bücher, welche als Aufmunterungspreise an jüngere
strebsame Lehrer verteilt werden sollen,
bestimmt." |
Auszeichnung für den langjährigen Religionslehrer Elias Schwarzwälder
(1899)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1899:
"Eppingen, 12. Oktober (1899). In der jüngsten Zeit wurden drei
israelitische Religionslehrer von Seiner Königlichen Hoheit, dem
Großherzog von Baden goldene Verdienst-Medaillen gnädigst verliehen: Den
Herren Lehrern Brandeis in Worblingen, Schwarzwälder in Schluchtern
und Wolf in Sennfeld. Von der Übergabe an Letzteren haben Sie
ausführlichen Bericht gebracht. Auch dem Herrn Elias Schwarzwälder wurde
die Medaille von dem Herrn Oberamtmann von Böckh auf dem Rathause in Schluchtern,
in Gegenwart des Gemeinderats, des Synagogenrats, der katholischen und
protestantischen Lehrer, sowie der Angehörigen des Verliehenen
feierlichst überreicht. Herr Amtsvorstand von Böckh ließ dem Akte eine
erhebende Ansprache vorausgehen. Alsdann wurde dem Dekorierten durch den
Vorstand des Synagogenrats namens der israelitischen Gemeinde in
Anerkennung seiner langjährigen treuen Dienste ein silberner Pokal überreicht.
Für diese beiden Ehrengeschenke dankte der Gefeierte sichtlich gerührt.
In Abwesenheit des Herrn Bürgermeister Besserer brachte Herr Gemeinderat
Rickert ein Hoch auf Seine Königliche Hoheit den Großherzog aus, in
welches die Anwesenden begeistert einstimmten, ebenso in das von einem
Mitglied des Synagogenrats auf Herrn Oberamtmann von Böckh ausgebrachte
Hoch. Möge der Dekorierte noch lange sich des Ehrenschmuckes
freuen." |
50-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer und Kantor Elias Schwarzwälder
(1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. Mai 1905:
"Schluchtern (Baden). In würdiger Weise feierte gestern
unsere israelitische Gemeinde das 50-jährige Dienstjubiläum ihres
verehrten langjährigen Religionslehrers und Kantors Elias
Schwarzwälder, welcher noch in voller Rüstigkeit seines Amtes
waltet, Durch Festgottesdienst und Predigt des Herrn Bezirksrabbiner
Schlesinger von Bretten wurde dem
Jubilar in würdevoller Weise für seiner 46-jährige verdienstvolle und aufopfernde
Tätigkeit in unserer Gemeinde volle Anerkennung gezollt. Als besondere Ehrengabe
ließ die Gemeinde dem Jubilar ein silbernes Tafelgedeck und der
Großherzogliche Oberrat in Karlsruhe ein Album religiöser Kunstblätter
mit Widmung überreichen. Ganz besonders verdient erwähnt zu werden, dass
nicht allein die israelitische Gemeinde sich vollzählig an der Feier
beteiligte, sondern auch die geistlichen und weltlichen Vertreter der
beiden christlichen Konfessionen, der gesamte Gemeinderat, sowie viele
andere christliche Mitbürger zu der Feier erschienen waren; gewiss ein
schöner Beweis harmonischen Einvernehmens in unserer
Gemeinde." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Isidor Kirchhausen als Soldat im Ersten
Weltkrieg (1914)
Anmerkung: Isidor Kirchhausen war ein Sohn des Landwirtes und
Gastwirtes Josef Wolf Kirchhausen (1859 Schluchtern - 1935 Schluchtern)
und seiner Frau Sara geb. Hochherr (1869 Berwangen
- ermordet in Auschwitz 1942); das Ehepaar, das in der Entengasse 2 in
Schluchtern hatte elf Kinder, von denen eine Tochter im frühen Kindesalter
verstarb: Alfred Abraham (1891 Schluchtern - 1949 Schluchtern), Isidor
(gefallen), Berta verh. Buxbaum (1893 Schluchtern - 1943 Pau,
Südfrankreich), Ida (1895 Schluchtern, vermutlich bei Erdbeben in Chile
in den 1930er-Jahren umgekommen), Natalie verh. Sigall (1897 Schluchtern
- 1942 Bernburg an der Saale, ermordet), Max (1899 Schluchtern, 1925 -
1931 als praktischer Arzt in Sulzfeld, dann Kürnbach tätig, gest. 1986 in New
York), Cäcilie (Zilli, 1901 Schluchtern - ermordet in Auschwitz 1942), Julius
(1903 Schluchtern, emigrierte über London nach Australien), Sally (1904
Schluchtern, ermordet 1942 in Auschwitz), Karoline (1906 Schluchtern,
emigrierte über England nach New York). Informationen nach dem
Buch von Norbert Geiss s.Lit. S. 118-122.
Der Artikel aus der AZJ wurde eingestellt auf Grund eines Hinweises von Lars
Engelke vom 27.7.2014.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Dezember
1914: "Dem 'Stuttgarter Neuen Tageblatt' entnehmen wir
folgendes:
Ein Schreiben, gleichermaßen ehrend für den Schreiber, wie für den
jüdischen Landwehrmann, von dem darin die Rede ist, veröffentlicht der
'Backnanger Volksfreund':
P ..., 8.11.14. Geehrte Frau Kirchhausen!
Tiefbetrübt teile ich Ihnen mit, dass Ihr Sohn, der Gefreite d. L.
Kirchhausen (aus Schluchtern), soeben gefallen ist. Wenn ich Ihnen selbst
diese Mitteilung mache, so geschieht dies, weil Ihr Sohn, der seit länger
als einem Monat als Gefechtsordonnanz immer in meiner unmittelbaren Nähe
gewesen, von mir ganz besonders geschätzt worden ist. Er war ein Vorbild
an Tapferkeit und Todesverachtung. Nichts galt ihm die Gefahr für die
eigene Person, wenn es sich darum handelte, die Pflicht zu tun. So ist er
auch den Heldentod für unser Vaterland gestorben, als er aus freiem
Antriebe, ohne besonderen Auftrag von mir, in die Schützenlinie vorging,
um für seine Kompanie zu sorgen.
Er ist der erste im Regiment gewesen, der alt Wehrmann das Eiserne Kreuz
erhielt, nachdem er in völliger Todesverachtung heldenmütig sich an die
Spitze von schwankend gewordenen benachbarten Truppen gesetzt hatte, um
sie wieder zum Angriff vorzurücken und nachdem er persönlich zwei
englische Offiziere gefangen genommen hatte. Wir alle, die ihn näher
gekannt haben, und vor allem ich, sein Kommandeur, werden dem Gefallenen
immer in treuem, dankbarem Andenken bewahren.
Das Ehrenkreuz, die Schriftsachen sowie das Geld Ihres Sohnes werden Ihnen
baldmöglichst zugehen.
Möge Gott Sie trösten, und das Bewusstsein, dass Ihr Sohn als Held
gefallen ist, zum Ruhm und zur Ehre unseres geliebten deutschen
Vaterlandes.
Hochachtungsvoll Freiherr von Varnbüler, Major und
Bataillonskommandeur." |
Zum Tod des langjährigen Vorstandes Isak Bauernfreund (1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. August 1926:
"Schluchtern (Baden) bei Heilbronn am Neckar, 1. August (1926). Die
allgemeine Trauer in der diesjährigen Trauerzeit (gemeint die
dreiwöchige Trauerzeit vom 17. Tammus bis 10. Aw) wurden letzten Schabbat
Chason (= 17. Juli 1926, d.i. Schabbat vor Tischa beAw) in der
hiesigen Gemeinde noch vermehrt durch den Heimgang ihres langjährigen,
verdienstvollen Vorstandes Isak Bauernfreund im Alter von 68 Jahren.
Besonders am Herzen lag ihm der Religionsunterricht und das Gotteshaus, wo
er an den ernsten Tagen (gemeint im Zeitraum Rosch HaSchana und Jom
Kippur) selbst vorbetete. Am Grabe schilderten Lehrer Bravmann von
Eppingen sowie der Schwager Oberlehrer Erlebacher von Oberdorf die
hervorragenden Tugenden und Verdienste des Verstorbenen." |
Hinweise: Seine Frau Auguste geb.
Erlebacher ist in der NS-Zeit nach der Deportation umgekommen; Tochter Berta
geb. Bauernfreund war verheiratet mit Sigmund Kahn aus
Baisingen, lebte u.a. in
Böblingen und ist in der NS-Zeit
nach der Deportation in Riga umgekommen. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Bäckermeisters Joseph Wertheimer
(1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai 1890: "Ein
Bäcker im Alter von 17 Jahren, stark und kräftig, mit guten Zeugnissen,
sucht eine jüdische Stelle. Weitere Auskunft erteilt
Joseph Westheimer, Schluchtern bei Heilbronn am
Neckar." |
Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Das jüdische Wohngebiet
lag ursprünglich vor allem in der Entengasse und ihrer Umgebung.
Um 1800 war ein Betsaal in einem Nebengebäude zum Wohnhaus der Familie
des Alexander Gunzenhausen auf dem heutigen Grundstück Entengasse 4
eingerichtet. Vor seinem Tod 1822 hielt Gunzenhausen in seinem Testament
verschiedene Bestimmungen im Blick auf das Haus und den Betsaal fest, die noch
jahrzehntelang Gültigkeit haben sollten: "So lange eines meiner Kinder
lebt, darf mein Wohnhaus mit der Schule (= Betsaal) nicht in fremde Hände
gebracht werden. Sie können sich selbst darüber arrangieren, wer es bekommen
soll, will es keiner, so ist es gerichtlich anzuschlagen und unter ihnen zu
verlosen. [...] Der jeweilige Hausbesitzer hat das Recht, so wie ich bei meinen
Lebzeiten, in der Schule zu disponieren. Ist es eine Tochter, so steht dieses
Recht ihrem Mann zu. Den mosaischen Einwohnern von Schluchtern bleiben für
immer die bisher in der Schule ausgeübten Rechte und die Ordnung ihrer Stühle".
Gunzenhausen überlies dazu noch 500 Gulden, die angelegt, verzinst und deren
Erträge für den Betsaal zur Verfügung stehen sollten. Die Anordnungen dieses
Testamentes führten in der Folgezeit auch zu Auseinandersetzungen, da nicht
immer klar war, wer im Betsaal das Sagen habe. 1845 wurde auf Beschluss des
Bezirksamtes der frühere Synagogenvorsteher Joseph Kirchhausen als derjenige
anerkennt, welcher "allein berechtigt sei, über die Plätze in der
Synagoge zu disponieren". 1855 endeten diese Auseinandersetzungen. Seitdem
war die Israelitische Gemeinde Schluchtern Eigentümerin des Gebäudes mit dem
Betsaal. Sie hat es offensichtlich von den Nachkommen des Alexander Gunzenhausen
übernommen. Im Grundbuch der Gemeinde wird das auf Flurstück 346 stehende Gebäude
beschrieben als "eine Scheuer mit Stallung; im zweiten Stock dieses Gebäudes
ist das Synagogenzimmer eingerichtet", das frühere Wohnhaus von
Gunzenhausen daneben als "zweistöckiges Wohnhaus mit gewölbtem
Keller".
1914 beabsichtigte die israelitische Gemeinde, einen neuen Betsaal auf
dem Grundstück ihrer früheren, kurz vorher abgebrannten Schule in der
damaligen Storrgasse (Flurstück 110, heutiges Gebäude Brunnengasse 15)
einzurichten. Im Juli 1914 konnte man einen von Architekt Johann Auchter von
Eppingen ausgeführten Plan bei der Ortsbaukommission einreichen. Das Bezirksamt
genehmigte am 25. September 1914 den Plan. Auf dem 1,28 ar großen Grundstück
wurde eine einfache Synagoge erstellt. Ein Anbau für die sanitären Anlagen
wurde erstellt. Auf dem Grundstück war auch (angebaut an das Haus Besserer) die
bereits 1911 erbaute Remise zur Unterstellung des Leichenwagens.
In der Pogromnacht 1938 wurde die Synagoge in der Brunnengasse von auswärtigen
SA-Männern demoliert. 1939 wurde das Gebäude vom letzten Vorsteher der
israelitischen Gemeinde, Ludwig Vollweiler, an den benachbarten Schluchterner
Landwirt Hermann Besserer zum Preis von 800 RM verkauft. Der Betrag war auf ein
von den Reichsbehörden gesperrtes Konto der Badischen Bank in Karlsruhe zu überweisen.
Das Synagogengebäude wurde zunächst als Scheune des benachbarten
landwirtschaftlichen Anwesens verwendet. 1941 wurde das Synagogengrundstück
(Flurstück 110) mit dem Nachbargrundstück (Flurstück 111) vereinigt.
Nach dem Krieg ist das Synagogengrundstück zunächst beschlagnahmt und der Jüdischen
Vermögensverwaltung JRSO übertragen worden. Nach einem Vergleich vom 3. Januar
1950 kam es nach Zahlung eines Aufgeldes wieder in den Besitz von
Landwirt Besserer. Die frühere Leichenwagenremise wurde 1959 zu einer Garage
umgebaut. 1966 wurde ein neues Wohnhaus auf dem Grundstück erstellt
(Brunnengasse 15) und die früher hier vorhandenen Gebäude (Remise usw.)
abgebrochen. Die frühere Synagoge stand an Stelle der heutigen Garage und dem
linken Teil des Gebäudes Brunnengasse 15.
Fotos
Historische Pläne:
(Plan von 1911 aus dem Gemeindearchiv Leingarten-Schluchtern;
die anderen Pläne aus GLA Karlsruhe 377/Zug. 1987/1 Nr. 152 Schluchtern)
Fotos nach 1945/Gegenwart:
|
Das Gebäude Brunnengasse 15,
dessen linker Teil und die angebaute Garage
auf dem ehemaligen
Synagogengrundstück steht. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 157f. (Schluchtern hätte eigentlich im
badischen Buch von Hundsnurscher/Taddey abgehandelt werden müssen: es
handelte sich um eine von württembergischen Gebiet umschlossene badische
Exklave) |
| Wolfram Angerbauer/Hans Georg Frank: Jüdische Gemeinde in
Kreis und Stadt Heilbronn. 1986. S. 200-205. |
| Israelitischer Friedhof Leingarten (Heft) mit Auszügen aus dem Heimatbuch
der Gemeinde Leingarten zu "Juden in unserer Heimat". |
| Josef Staudinger: Art. "Im Jahr 1886 lebten 99 Juden in
Schluchtern" in: Heilbronner Stimme vom 8. August 2002. |
| Norbert
Geiss: Geschichte der Juden in Schluchtern. Ein Gedenkbuch für die
Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. Hrsg. Evangelische
Kirchengemeinde Schluchtern. Evangelische Kirchengemeinde Großgartach.
Evangelisch-methodistische Kirche Leingarten. Katholische Kirchengemeinde
Leingarten. ISBN 978-3-9812485-8-6.
Bezug über das Evangelische Pfarramt Schluchtern, Bergstraße 3, 74211
Leingarten. Tel. 07131-401302.
E-Mail -
Pfarramt.Schluchtern[et]t-online.de |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Schluchtern Baden.
The first Jewish family settled in 1722 and the community reached a peak
population of 96 in 1871. At the turn of the century half the Jews were cattle
traders. In 1933, 28 remained (total population 1,062), with Jews operating a
cigarette factory and small soap factory which they were forced to sell under
the economic boycott. During the Nazi era, eight Jews emigrated directly from
Schluchtern and others after leaving Schluchtern. Twelve were deported to the
Gurs concentration camp on 22 October 1940 and two were deported after leaving
Schluchtern; twelve perished in the camps.
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