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Unterfranken"
Hüttenheim (Gemeinde
Willanzheim, Kreis Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Hüttenheim bestand eine jüdische Gemeinde bis Ihre
Entstehung geht auf die Zeit um 1500 zurück. Erstmals gibt es in der
Dorfordnung von 1498 einen Hinweis auf Juden am Ort. Demnach hatten die
ansässigen Juden doppelt so viel Bürgergeld zu zahlen wie die Christen. 1583 erteilte der Komturatsverwalter von Mergentheim
für die drei Söhne des wegziehenden Juden Salomon zu Hüttenheim einen
Schutzbrief (StA LB B 287 Bü. 38). Damals gab es fünf jüdische Familien am
Ort. 100 Jahre später (1694) waren bereits 12 jüdische Familien in
Hüttenheim, 1720 19 Familien.
Die Blütezeit der jüdischen Gemeinde war im 19. Jahrhundert.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1809 101 Personen
(21,2 % von insgesamt 476 Einwohnern), 1812 173 (20,0 % von 864), 1867 105 (13,6
% von 771), 1890 109 (13,2 % von 827). Seit der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder durch Aus- und
Abwanderung zurück. 1900 wurden noch jüdische 69 Personen am Ort gezählt (9,5 % von
729), 1910 37 (5,5 % von 670).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Isaak Liebenstein
(geb. 1.7.1877 in Hüttenheim, gef. 14.12.1916).
Sein Name steht auf dem Denkmal für die Toten beider Weltkriege, das sich in
der Leichenhalle des Dorffriedhofes befindet (zwei Steintafeln).
An Einrichtungen waren vorhanden: eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule, ein Vorsängerhaus mit Mikwe neben der Synagoge (s.u.) sowie seit
1816/17 ein eigener Friedhof. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Religionslehrer
angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schächter tätig war.
Unter den Lehrer ist bekannt: nach 1886 bis ca. 1904 Samuel Schwarzenberger
(spätestens ab 1907 in Kleineibstadt). Die jüdische Gemeinde gehörte von 1838 bis 1880 zum Distriktsrabbinat Welbhausen,
danach zum Distriktsrabbinat Kitzingen
(zuletzt seit 1937 zum Bezirksrabbinat Würzburg). An jüdischen Vereinen bestand
insbesondere die Heilige Bruderschaft (Chewra Kadischa), die 1821 gegründet
wurde.
Um 1924, als noch 30 jüdische Personen der jüdischen
Gemeinde angehörten (4,3 % von insgesamt etwa 700 Einwohnern), war ihr Vorsteher
S. Liebenstein. Bis 1932 war die Zahl der Gemeindeglieder auf 24
zurückgegangen. Vorsteher der Gemeinde war inzwischen Jakob Freudenthal
(Bäcker in Hüttenheim, siehe unten Hochzeitsanzeige). Als
Lehrer wird ein Herr Heubert genannt. Jüdischen Religionsunterricht erhielt
damals nur noch ein Kind.
1933 lebten noch 23 jüdische Personen in Hüttenheim.
Im Herbst 1933 wurde auswärtigen Juden das Betreten von Hüttenheim nur noch
mit besonderer Genehmigung des Bürgermeisters erlaubt. Auf Grund der
zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykottes
verließen bis 1937 15 jüdische Personen den Ort.
Von den in Hüttenheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Meta Pauline Adler
geb. Liebenstein (1885), Rosa Blumenthal geb. Friedmann (1885), Adele Fränkel
geb. Hüchberger (1878), Berta Friedmann (1876), Lina (Helene) Friedmann (1876),
Rosa Friedmann (1874), Helene Haas geb. Schott (1860), Otto Hahn (1883), Rosa Hahn (1884),
Therese Kurzmann geb,. Hochheimer (1880), Karoline Lärmer geb. Liebenstein
(1884), Hermann Liebenstein (1879), Jetta
Liebenstein geb. Kahn (1884), Katharina (Kathie) Liebenstein (1888), Salomon
LIebenstein (1882), Samuel Liebenstein (1876), Sofie Liebenstein (1873), Lina
Löwenfels geb. Pappenheimer (1864), Ricka Löwenstein geb. Possenheimer (1862),
Betty Mann geb. Wolfram
(1886), Zion Mayer (1864), Fanny Popper geb. Hahn (1876), Mina Possenheimer
(1864), Johanna Weinberg geb. Liebenstein (186), Martha (Merle) Wolfrom (1874).
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1876
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" am 17. Mai 1876: "In
Hüttenheim, Königlich Bayrisches Bezirksamt Kitzingen am Main, ist
die Stelle eines israelitischen Religionslehrers und Vorsängers nebst damit
verbundener Schächterstelle zu besetzen. Lehrer-Gehalt 462 Reichsmark 86
Pfennige. Vorsänger-Gehalt 51 Reichsmark 43 Pfennige. Schächterstelle 342
Reichsmark 86 Pfennige nebst freier Wohnung. Bewerber dieser Stelle wollen sich
an den Unterzeichneten wenden. Gedalja Heidingsfelder,
Kultus-Vorstand."
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1876:
"In Hüttenheim, königliches Bezirksamt Kitzingen am Main ist die
Stelle eines israelitischen Religionslehrers und Vorsängers nebst damit
verbundener Schächterstelle zu besetzen. Lehrer- und Vorsänger-Gehalt
514 Reichsmarkt 29 Pfennig, Schächterstelle 342 Mark 86 Pfennig nebst
freier Wohnung. Bewerber wollen sich mit Prüfungs-Zeugnis vom Seminar
versehen an den Unterzeichneten wenden.
G. Heidingsfelder, Vorstand." |
Berichte aus dem
jüdischen Gemeindeleben
Der katholische Lehrer Georg Schmitt wird wegen
Sittlichkeitsvergehen an elf jüdischen Mädchen verurteilt (1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 24. Dezember 1897: "Wegen fortgesetzter Verbrechen wider die
Sittlichkeit, begangen an zehn israelitischen Mädchen unter 14 Jahren und
einer israelitischen Sonntagsschülerin von 16 Jahren, wurde der
katholische Lehrer Georg Schmitt von Hüttenheim vom Landgericht Würzburg
zu einem Jahre sechs Monaten Gefängnis
verurteilt." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Hochzeitsanzeige von Jakob Freudenthal und Terese geb.
Schmid (1925)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1925: Statt
Karten
Jakob Freudenthal - Terese Freudenthal geb. Schmidt
Vermählte.
Hüttenheim - Fischach.
Trauung: Hotel Pauli, Würzburg, 1 Uhr." |
Anmerkung: Jakob Freudenthal (geb.
13.7.1871 in Theilheim; von Beruf
Bäcker [Gemeindevorsteher in Hüttenheim]; im Dezember 1938 mit Frau nach
Würzburg verzogen, siehe Strätz Biographisches Handbuch Würzburger
Juden I,176) und Terese (Therese) geb. Schmid (geb. 29. November 1885 in Fischach)
sind im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden.
Hier ist Jakob Freudental am 24. Februar 1944 umgekommen. Terese wurde von
dort im Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz verbracht, wo sie
ermordet wurde. |
Zur Geschichte der Synagoge
1565/70 wird erstmals eine "Judenschule"/Synagoge
genannt. 1662 wurde das heute noch erhaltene Vorsängerhaus mit einem rituellen
Bad erbaut. 1754 wurde hinter dem Vorsängerhaus eine neue Synagoge
erbaut. Es handelte sich um einen charakteristischen Mansarddachbau.
Beim Novemberpogrom 1938 kam eine Gruppe von SS-Leuten aus Kitzingen nach
Hüttenheim. In Anwesenheit zahlreicher Dorfbewohner drangen sie in die Synagoge
ein und zerschlugen die Inneneinrichtung und die Ritualien. Das Gebäude blieb
jedoch erhalten.
Nach 1945 zogen zunächst Flüchtlingsfamilien in das Synagogengebäude
ein. 1950 fand vor dem Landgericht Würzburg ein Prozess gegen
fünf der an den Ausschreitungen beim Novemberpogrom 1938 Beteiligten statt.
Einer erhielt sieben Monate Gefängnis, die anderen wurden freigesprochen. 1953/54
kaufte die örtliche Raiffeisengenossenschaft das Gebäude einschließlich des
Vorsängerhauses. Bis 1996 wurde das Gebäude als Lager und Abstellraum für
Traktoren und landwirtschaftliche Geräte verwendet. 1996 ging das
Gebäude dann in den Privatbesitz einer Familie über, die die ehemalige
Synagoge und das Vorsängerhaus umfassend restaurierte und seitdem für
Wohnzwecke benutzt.
Adresse/Standort der Synagoge: Haus Nr. 23
Fotos
(Fotos: die historische Aufnahme des Tora-Schildes von Th.
Harburger um 1927/30, veröffentlicht in ders.:
Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern Bd. 2 S.
301; die Aufnahme des Hochzeitssteines in Pinkas HaKehillot s. Lit. S. 460;
neuere Fotos von Hahn, Aufnahmedatum 12.5.2006; die mit *) bezeichneten Fotos
sind von Jürgen Hanke, Kronach)
Historische Aufnahmen |
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Tora-Schild im Besitz der
ehemaligen jüdischen Gemeinde |
Der Hochzeitsstein an der
ehemaligen Synagoge |
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Die ehemalige Synagoge
nach
1945 |
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Die ehemalige Synagoge
vor der
Restaurierung |
Die ehemalige Synagoge
nach
der Restaurierung* |
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Hinweisschild zur
ehemaligen
Synagoge |
Blick auf das
Synagogengebäude
von Südwesten |
Eingang zur
ehemaligen
Synagoge |
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Das ehemalige
"Vorsänger-Haus", erbaut 1662 mit rituellem Bad, Foto links* |
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Der zerstörte Hochzeitsstein;
die Strahlen
der Sonne (siehe historisches Foto oben)
sind noch erkennbar. |
Hinweistafel zur
Geschichte
der Synagoge |
Das ehemalige
jüdische
Schulhaus |
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Gedenktafel im
Rathaus
der Gemeinde
(erhalten Sept./Okt. 2011
vom Bürgermeisteramt Markt Willanzheim;
Fotos: Ingrid Reifenscheid-Eckert) |
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Auch im Rathaus des Marktes
Willanzheim befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde
mit dem Text: "In Hüttenheim bestand eine jüdische Kultusgemeinde,
deren Synagoge in der Pogrom-Nacht 1938 verwüstet wurde. Der Markt
Willanzheim gedenkt seiner ehemaligen jüdischen Mitbürger. Zur
Erinnerung und Mahnung." |
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September
2009: Bayerischer
Denkmalpreis für
Hüttenheimer
Ehepaar und die ehemalige Synagoge
in Hüttenheim
(Quelle der Fotos: Bayerisches Kunstministerium) |
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Die ehemalige
Synagoge in Hüttenheim
ist ein zweigeschossiger Massivbau mit
einem
zeittypischen Mansarddach.
Die Sanierung des Gebäudes ist mit
der
Denkmalschutzmedaille 2009
ausgezeichnet worden |
Andrea Kalbhenn-Link und
Günter Link
sind von Kunstminister Wolfgang Heubisch
(rechts) mit der
Denkmalschutzmedaille
ausgezeichnet worden
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Presseartikel zur Nutzung der ehemaligen Synagoge in Hüttenheim
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September 2009:
Auszeichnung für vorbildlichen
Denkmalschutz im Blick auf die ehemalige Synagoge
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Artikel in der "Main-Post" vom
14. September 2009: HÜTTENHEIM - Medaille für ehemalige Synagoge
Hüttenheimer Ehepaar für vorbildlichen Denkmalschutz ausgezeichnet
(gina) Für das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst ist die 1754 erbaute Synagoge in Hüttenheim
'ein eindrucksvolles Beispiel einer barocken Landsynagoge in
Unterfranken'. Andrea Kalbhenn-Link und Günter Link können sich über das Urteil freuen.
Bei der bayerischen Auftaktveranstaltung zum 'Tag des offenen Denkmals' in Dinkelsbühl sind die beiden von Kunstminister Wolfgang Heubisch für die Sanierung der ehemaligen Synagoge mit der Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet worden. Die Ehre ist unterm Strich 26 Persönlichkeiten und Institutionen aus ganz Bayern zuteil geworden. Mit der Medaille werden private Denkmaleigentümer, gemeinnützige Initiativen, ehrenamtliche Helfer und Vereine sowie Stiftungen gewürdigt.
'Die vorbildliche, denkmalgerechte Instandsetzung ist dabei nur eine Seite der Medaille – der große gesellschaftliche Wert dieser Leistung die
andere', würdigte Heubisch das Engagement der Geehrten.
Der zweigeschossige Massivbau hat ein zeittypisches Mansarddach. Der erhaltene Hochzeitsstein und das so genannte Misrachfenster zeichnen das Bauwerk auch heute noch als ehemalige Synagoge aus. Westlich an das Gotteshaus grenzt das bereits 1662 errichtete Fachwerk-Vorsängerhaus an: eingeschossig und mit Satteldach. Darunter befand sich eine Mikwe (Ritualbad), so dass auf engstem Raum – abgesehen vom Friedhof – alle rituellen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde anschaulich überliefert sind. Wie fast alle jüdischen Versammlungshäuser schändeten die Nationalsozialisten auch die Hüttenheimer Synagoge in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. In den Nachkriegsjahren wurde das Gebäude landwirtschaftlich genutzt und verfiel zusehends. Notsicherungsmaßnahmen bewahrten die Synagoge und das Vorsängerhaus vorm Verfall.
Eine langfristige Perspektive eröffnete sich für das Ensemble erst 1995/96, als das Ehepaar Andrea Kalbhenn-Link und Günter Link die Gebäudegruppe kaufte. Das Lob des Ministeriums:
'Im Bewusstsein um die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Zentrums jüdischen Gemeindelebens planten sie eine vorbildliche Instandsetzung und Umnutzung zum
Wohnhaus.' |
Februar 2020:
Über das Leben in einer ehemaligen
Synagoge |
Beitrag von Gerhard Krämer in der
"Main-Post" vom 27. Februar 2020: "Wiesenbronn.
Filmreife Sanierung: Neues Leben in zwei alten Synagogen
In Wiesenbronn und Hüttenheim
haben Familien die früheren Gotteshäuser zu Wohnhäusern saniert. Wie dies
gelang und was die Bewohner damit verbinden, zeigt ein Fernsehfilm. Etliche
Menschen wohnen in Denkmälern, seien es alte Häuser oder gar Türme. Wenige
leben aber in einer ehemaligen Synagoge – wie die Familien Hüßner in
Wiesenbronn oder Link in
Hüttenheim. Andernorts dagegen dienen die ehemaligen Gotteshäuser als
Lagerraum. All das sind Synagogengeschichten, die Sybille Krafft für die
Fernseh-Reihe 'Leben mit einem Denkmal' aufgespürt hat. Nicht mehr oft kommt
es vor, dass es eine Preview gibt. Die Redaktion der Sendung 'Unter unserem
Himmel' des Bayerischen Rundfunks (BR) hatte dazu in die ehemalige Synagoge
in Wiesenbronn zur Familie Michaela
und Reinhard Hüßner eingeladen. Im ehemaligen Betsaal, jetzt das Wohnzimmer
der Familie, durften Akteure der Dokumentation und Fördermitglieder den Film
vorab sehen. Kinofeeling einmal anders, nicht mit Popcorn und Cola, sondern
mit Bratwürsten und Wein. 'Es war eine wunderschöne Zeit während der
Dreharbeiten', schwärmt Reinhard Hüßner, der sich mit seiner Frau Michaela
freute, Gastgeber sein zu dürfen. Für Sybille Krafft hätte es keinen
kongenialeren Ort für das Preview geben können. 'Es ist notwendiger denn je,
dass wir auf dieses kulturelle Erbe aufmerksam machen', sagt sie mit Blick
auf aktuelle Geschehnisse. 'Diesen Schatz einfach zu bewahren und sorgsam
damit umzugehen in der derzeitigen Situation, ist da das Beste.'
Nach dem Kauf des Gebäudes ging es ans Ausräumen. Im April 2005 hat
Reinhard Hüßner das Plakat 'Zu verkaufen' an der ehemaligen Synagoge
gesehen. 'Da haben wir zugeschlagen', erzählt er. Das Gebäude war im Prinzip
bezugsfertig, doch sofort eingezogen ist Familie Hüßner nicht. 'Wir haben
erst einmal ausgeräumt.'
'Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren.'
Michaela Hüßner über die Sanierung der früheren Synagoge in
Wiesenbronn
Denkmalpfleger, Archäologen, Restauratoren, Geologen, Historiker und
Volkskundler waren dann neben Architekten und Handwerkern die Begleiter für
die folgenden Jahre. Interessantes kam zum Vorschein. Fast lückenlos konnte
die Bau- und Renovierungsgeschichte rekonstruiert werden. An einer Decke im
Erdgeschoss fand der Restaurator zum Beispiel 63 Farbanstriche, verteilt auf
130 Jahre. Das rituelle Reinigungsbad, die Mikwe, wurde freigelegt, der
Betsaal im Obergeschoss mit Mansarddach ist ja mit seiner letzten Ausmalung
weitestgehend erhalten geblieben und wurde sorgfältig rekonstruiert und
konserviert. Jetzt verbringen die Hüßners Abende im Wohnzimmer unterm
Sternenhimmel. 'Wir haben all das selber gemacht, wozu man nicht unbedingt
Fachleute brauchte', erzählt Michaela Hüßner. Außen klopften sie Putz ab und
sie hatte sich sogar Zahnarztwerkzeug beschafft, um den Zement aus den Fugen
zu kratzen. 'Wir haben versucht, das Ursprüngliche zu rekonstruieren.' Jede
freie Minute habe man mit dem Gebäude verbracht. Wie viel Zeit das insgesamt
war, das weiß sie nicht. 'Man rechnet da nicht nach', meint sie. Zehn Jahre
lang sanierten die beiden nach allen Regeln der Denkmalkunst das Gebäude.
Eine Zeit, in der auch das Gebäude selbst mit den Bauherren etwas gemacht
hat: 'Man fühlt sich daheim. Zehn Jahre haben wir mit dem Haus gearbeitet,
da fühlt man sich angekommen', erklärt Michaela Hüßner. Ihr Mann Reinhard
fühlt sich in dem historischen Gebäude ebenfalls wohl. Es habe Geschichte
und irgendwie eine Aura. Das Spannende sei auch die Einbindung in die
Dorfgeschichte. Bei diesem Gebäude habe man nicht nur normale Jahreszahlen
oder Wände, 'man kann auch die Menschen spüren, die dort gelebt und
gearbeitet haben, gelitten und gefeiert haben'. Das ist 'das Fleisch
eigentlich, was die Geschichte ausmacht'.
Ähnlich geht es der Familie von Andrea und Günter Link aus Hüttenheim.
Günter Link, selbst Schreiner, hat auch zu den Hüßners eine Beziehung, denn
er fertigte das Holzgeländer auf der Frauenempore des Betsaals. Als die
Links die ehemalige Synagoge mit Vorsängerhaus gekauft haben, war das lange
leerstehende Gebäude eigentlich eine Bauruine. Mit viel eigener Arbeit haben
sie es saniert. Die Umwandlung von einem ehemaligen Gotteshaus in ein
Wohnhaus sei anfangs schon etwas holprig gewesen. Doch nachdem die
Israelitische Kultusgemeinde grünes Licht gegeben hatte, zog auch das
Denkmalschutzamt mit, mit dem sie, wie die Hüßners in
Wiesenbronn, auch beste Erfahrungen
gemacht hätten.
Nachfahren jüdischer Bürger kommen zu Besuch. Und sie genießen das
Wohnen in dem Gebäude mit einem sehr hohen Raum. 'Dem Ort seine Würde lassen
und mit ihm leben', beschreibt es Günter Link. Es lebe sich hier anders als
in einem Haus, in dem noch nie Menschen gelebt haben. Man habe auch Respekt
davor, ergänzt Andrea Link. Besuch bekomme man von Nachfahren ehemaliger
jüdischer Bürger in Hüttenheim. Das gebe einen ganz anderen Austausch
mit Religion. Es sei sehr spannend, in einem geschichtsträchtigen Haus zu
wohnen.
Sendetermin. Am Sonntag, 1. März, läuft um 19.15 Uhr im Bayerischen
Fernsehen in der Reihe 'Unter unserem Himmel' die Sendung mit dem Titel
'Leben im Denkmal: Synagogengeschichten'.
Es werden sechs Beispiele vorgestellt, wie ehemalige Synagogen in Franken
heute genutzt werden, darunter neben
Wiesenbronn und Hüttenheim zwei weitere, wo Menschen gerade dabei
sind, eine Sanierung zu planen, die älteste noch genutzte Synagoge in
Bayreuth und die ehemalige Synagoge in
Uehlfeld, die ein Taxifahrer als Lager
für Flipper-Automaten nutzt, die nach seinen Angaben überwiegend aus
jüdischen Firmen stammen."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 325-326. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 69-70. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 459-461. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Huettenheim Lower
Franconia. The Jews maintained a continuous settlement from the late 16th
century, growing to 173 in 1812 (total 864) and thereafter dropping to 105 in
1867 and 24 in 1933. The Jewish cemetry, which served for other communities as
well, was desecrated in 1935. Fifteen Jews left Huettenheim in 1933-1937,
another four (to the United States in 1939), and the last five were deported to
Izbica in the Lublin district (Poland) and to the Theresienstadt ghetto in 1942.
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