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Geschichte / Geschichte der Synagogen
in Karlsruhe
Karlsruhe (Stadtkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt im 19./20. Jahrhundert
Hier: Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben im 19./20.
Jahrhundert (bis 1938)
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Karlsruhe wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Die Abschrift der Texte und die Ergänzung von Anmerkungen hat dankenswerter
Weise Susanne Reber besorgt.
Übersicht:
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Antijüdische Vorfälle (1843)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. September
1843: "Karlsruhe, 18. September (Privatmitteilung). Die
betrübenden Vorgänge allhier sind durch die öffentlichen Blätter zu viel
besprochen worden, um noch in diesen genauer detailliert zu werden.
Erbittern müssen sie ob ihrer vielfachen Schändlichkeit sehr. Ein Katholik,
der früher Jude war, hat einen Ehrenhandel, in welchem ein Badenscher
Offizier bleibt. Und in Folge dessen beschimpft man die achtbarsten
Israeliten, stört ihre Ruhe, greift ihr Eigentum an, und die Behörde - sieht
ruhig zu, Braucht es einen weitläufigen Kommentar hierzu? Wo soll man das
rechte Verderbnis hier suchen?" |
Gedenkstunde in der Synagoge für die beim Theaterbrand
verunglückten Menschen (1847)
Anmerkung: beim Brand des Karlsruher Hoftheaters am 28. Februar
1847 starben 63 Theaterbesucher. Der 27-jährige (jüdische) Moritz Reutlinger
hat bei dem Brand 36 Menschen das Leben gerettet. Die 63 Umgekommen wurden -
ohne Ansehnung der christlichen oder der jüdischen Religion - in acht Särgen
gemeinsam beigesetzt. Sowohl in den christlichen Kirchen, als auch in der
Synagoge fanden Gedenkgottesdienste statt.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. März
1847: "Karlsruhe. 13. März. Auch die hiesige Synagoge hat den
durch den Theaterbrand Verunglückten ein Traueramt gewidmet. Das Ganze war
eine aufrichtige Kundgebung der Trauer um die Verunglückten, unter denen
sechs mosaischen Bekenntnisses gezählt wurden. Die Synagoge war schwarz
behangen und angefüllt von gegen 2.000 Personen jeden Standes und Glaubens.
Die höchsten Zivilbehörden, sowie die ganze Geistlichkeit war zugegen." |
|
Artikel in der Zeitschrift "Sulamith"
Jahrgang 1848 S. 258: "Bekanntlich hatten bei dem unglücklichen
Theaterbrande im März 1847 in Karlsruhe auch mehrere Israeliten ihr
Leben verloren - bei welchem Brande, beiläufig auch hier erwähnt, zwei
Israeliten, Herr Reutlinger und Herr Hirsch, durch ihre große,
mit Lebensgefahr verbundene Anstrengung zur Lebensrettung der Verunglückten,
sich auszeichneten, und weshalb nachher 38 Personen dem Herrn Moritz
Reutlinger für die ihnen durch denselben zuteilgewordene Rettung ihres
Lebens ihren innigen Dank öffentlich abstatteten.
Die dortige Synagoge hatte nun bald nach dem Theaterbrande den dabei
verunglückten ein Traueramt gewidmet. Das Ganze war eine aufrichtige
Kundgebung der Trauer um die Verunglückten, unter denen sechs mosaischen
Bekenntnisses gezählt wurden. Die Synagoge war schwarz behangen und
angefüllt mit 2.000 Personen jeden Standes und Glaubens. Die höchsten
Zivilbehörden, sowie die ganze Geistlichkeit waren zugegen.
Anmerkungen: -
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0660
-
https://www.geni.com/people/Moses-Reutlinger/6000000075904070909
-
https://digital.blb-karlsruhe.de/blbihd/Drucke/content/pageview/1059212. |
Über die Rettungstat von Moritz Reutlinger beim Theaterbrand
(1847)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. April
1847: "Karlsruhe, 16. März. Das Gefühl, eines Menschen Leben
gerettet zu haben, ist ein beglückendes, das Gefühl, sechsunddreißig
Menschen dem Tode entrissen zu haben, ist ein zu erhebendes, als dass es
nicht als das einzige erscheine, welches unbedingt beneidenswert ist.
Vereinigt sich nun mit einer solchen Tat die edelste Einfachheit, die
rührendste Unschuld, so ist die um so mehr hervorzuheben, je seltener es
anzutreffen. Daher seien hier noch folgende Zeilen mitgeteilt, welche die
Didaskalia vom 15. aus Karlsruhe enthielt.
'Jetzt, nachdem die schmerzlichsten Jammertöne, die gerechten Wehklagen über
den unheilvollen Karlsruher Theaterbrand zu verstummen beginnen, sei
es uns vergönnt, eines Mannes zu gedenken, durch dessen kühne
Entschlossenheit und Geistesgegenwart, die eigne Lebensgefahr nicht achtend,
eine Anzahl Menschen dem schrecklichen Untergang entrissen wurden. Nachdem
es demselben durch große Körperkraft gelungen war, eine verschlossene Türe
aufzusprengen, rettete er die von Todesangst erstarrten und vom Rauch schon
fast erstickten Menschen, indem er sie nacheinander teils hinausschleppte,
teils zur schleunigsten Flucht antrieb. Einem derselben, dem Hautboisten
Günther, rettete er zweimal das Leben und dieser richtet an den wackern Mann
eine Danksagung für sich und 35 mit ihm Geretteten, welche hier unten folgt.
Herr Reutlinger ist ein unbemittelter Mann mosaischer Konfession;
vielfache Geldbelohnungen waren ihm geboten worden, die er aber alle
standhaft ausgeschlagen. Selbst das Geschenk eines neuen Kleides nahm er nur
unter der Bedingung an, dass er den Betrag dafür binnen sechs Monaten zahlen
dürfe.
Danksagung an Herrn Moritz Reutlinger dahier. Als bei dem
schrecklichen Brande im Hoftheater die Zuschauer auf der dritten Galerie von
den Flammen umringt und vom fürchterlichen Rauche fast erstickt, der
gewöhnlichen Ausgangstüre der dritten Galerie zuströmten, da waren Sie es,
Herr Reutlinger, der durch den Schrecken und die Todesangst hervorgerufenen
Erstarrung durch den Hoffnungsruf: 'Hier ist noch eine andere Türe!'
entrissen. Sie waren es, welcher die Tat den Worten folgen ließen, diese
Türe sprengten und uns 36 unterzeichnete und wohl noch viele andere, dem
Tode entrissen, dem so viele unserer Brüder und Schwestern an jenem Abend
unterlagen. Mir, dem mitunterzeichneten Hautboisten Günther, haben
Sie zweimal das Leben gerettet. Nachdem ich durch die von Ihnen erbrochene
Türe entkommen war, fiel ich auf der Treppe besinnungslos nieder und wäre
verloren gewesen, hätten Sie mich nicht auf ihren Schultern aus dem
brennenden Hause getragen. Erlauben Sie, Herr Reutlinger, dass wir
öffentlich unserm tiefgefühlten, innigen Dank hiermit aussprechen, und
glauben Sie unserer Versicherung, dass unsre Dankbarkeit nur mit unserm
Leben aufhören wird. (Folgen 36 Unterschriften.)'"
Anmerkungen: - Didaskalia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Didaskalia
- Theaterbrand:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ereig-0234
https://was-mit-geschichte.de/2016/04/20/der-karlsruher-theaterbrand-von-1847/
http://www.fw-chronik.de/PDF-Rundbrief/FC-2017-03.pdf
Hautboist: Oboist
https://de.wikipedia.org/wiki/Hautboist |
Auch
sechs jüdische Personen starben beim Theaterbrand im Februar 1847
(1847)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 13. April 1847:
"Karlsruhe. Unter den 61 Opfern der unglücklichen
Brand-Katastrophe befanden sich bekanntlich 6 Juden, nämlich: ein
Schriftsetzer von hier, ein Commis, aus Mainz gebürtig, ein Schneider und
drei Fremde aus Altleiningen, Landleute, die auf einige Tage in
Geschäften hierherkamen und von denen besonders Einer, der Vater einer
zahlreichen Familie, der seine Frau bei sich hatte, und diese an jenem
verhängnisvollen Abend bat, ihn zu begleiten, was sie aber durchaus
abschlug, die allgemeinste Teilnahme erregt hat. Außer der allgemeinen
Feierlichkeit auf dem Friedhofe ward in der hiesigen Synagoge noch ein
besonderer Trauergottesdienst für die verunglückten Glaubensbrüder
abgehalten, bei welcher Gelegenheit die Synagoge mehr als überfüllt war,
und die allgemeinste Teilnahme und Rührung sich während der ganzen Dauer
der Feierlichkeit kundgab. Das mutvolle, gefahrverachtende Benehmen vieler
hiesiger Israeliten während der Katastrophe ist in anderen Blättern
bereits erwähnt, ebenso der Dank, den 36 Gerettete ihrem Retter, einem
Israeliten öffentlich darbringen und hat es sich vom Neuen bewährt, dass
Menschen und Bürgertugenden in uns und unserem Glaubensbrüdern so wach,
so vorherrschend sind, wie unter andern Glaubensgenossen, dass der Jude
darnach strebt, an Liebe und Mut den Edelsten, den Besten im Volke
nachzueifern." |
Antijüdische Unruhen im Revolutionsjahr
(1848)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. April
1848: "Karlsruhe, 22. März. Gestern Abend zwischen 8 und
9 Uhr bildete sich vor dem Hause eines hiesigen israelitischen Kaufmanns
unversehens eine Zusammenrottung, welche die Fenster einwarf und die Läden
des unteren Stockwerks teilweise zertrümmerte. Die rasch herbeigeeilte
Bürgerwehr verhinderte eine weitere Ausdehnung des Exzesses (Karlsruher
Ztg.)
In
Mannheim, wie wir aus einem Privatbriefe erfahren, durfte sich eine Zeit
lang kein Jude auf der Straße sehen lassen, ohne insultiert zu werden. Doch
geht dieser Zustand, dieses Fieber, jetzt zu Ende."
Anmerkung: zum Revolutionsjahr 1848 vgl.
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/vormaerz-und-revolution/revolution-1848.html
und
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Revolution_1848/1849
|
Der Großherzog übernimmt das Protektorat über den
israelitischen Chorverein (1861)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. April
1861: "Karlsruhe, 5. April. Seine Königliche Hoheit der
Großherzog haben in diesen Tagen auf eine an Allerhöchst diesselben
gerichtete untertänigste Bitte sich gnädigst bewogen gefunden, das hohe
Protektorat über den hiesigen israelitischen Chorverein, den hauptsächlich
zum Zwecke der Hebung des israelitischen Kultus dahier gegründet wurde,
huldvollst anzunehmen. (B. Lz.)"
Anmerkung: zu Großherzog Friedrich I. von Baden
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
|
Rechenschaftsbericht des Israelitischen Frauenvereins
(1868)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 26. Februar 1868: "Aus Karlsruhe.
Das jüdische Vereinswesen erfreut sich hier einer sorgsamen Pflege und
beabsichtige ich Ihnen über die verschiedenen Zweige desselben nähere
Mitteilungen zu machen, aber auch Wünsche daran zu knüpfen, die hier und da
laut werden und als berechtigt erscheinen. Für heute einige Notizen über den
Frauen-Verein, der seinen Rechenschaftsbericht dieser Tage veröffentlichte.
Zweck dieses Vereines ist Unterstützung erkrankter Frauen und der
Wöchnerinnen. Er zählt gegenwärtig 229 Mitglieder und wird von einem
Vorstande, bestehend aus 7 Frauen und 3 Herren, geleitet.
Die Einnahmen im Jahre 1867 betragen:
1) An monatlichen und jährlichen Beiträgen 672 fl. 27 kr. 2) An Zinsen
aus Aktiv-Kapitalien 443 fl. 15 kr. 3) An diversen Schenkungen 921 fl.
3 kr.
Summe (der Einnahmen): 1207 fl. 45 kr.
Verausgabt wurden:
1) An Kranke und Wöchnerinnen 604 fl. 55 kr. 2) Für Medikamente
139 fl. 4 kr. 3) Für wundärztliche Behandlung 20 fl. 11 kr.
4) Für Krankenwärterinnen 30 fl. 35 kr. 5) Für Bäder 183 fl. 45 kr.
6) Für Gehälter und verschiedene Ausgaben 148 fl. 26 kr.
Summe (der Ausgaben):
1126 fl. 56 kr.
Möchte sich auch ferner diesem Vereine eine rege Teilnahme der
israelitischen Bevölkerung zuwenden, der eine so vielseitige und äußerst
wohltuende Wirksamkeit entfaltet." |
Gedenkstunde für den verstorbenen Rabbiner Samson Raphael
Hirsch (1889)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1889: "Karlsruhe
(Unlieb verspätet.) Auch hier hielt am 6. dieses Monats unser geliebter
Rabbiner, Herr Dr. Schiffer - seine Licht leuchte -, im
feierlich beleuchteten Gotteshause, bei sehr zahlreich versammelter Gemeinde
nach vollendetem Minchah-Gebet eine dem Andenken des verstorbenen Rabbiners
Samson Raphael Hirsch - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen - gewidmete Gedächtnisrede. Tief gerührt von dem Schmerze, den
jede Gemeinde empfindet, wohin die Kunde von dem Ableben des trefflichen,
mustergültigen Seelenhirten dringt, hob der Redner die Verdienste dieses
obgleich so hochbetagten, doch noch immer zu früh dem Judentum entrissenen
Mannes warm hervor.
Die rege, allgemeine Teilnahme seitens der ganzen Gemeinde und so vieler
anderer Gemeinden sind ein beredtes Zeichen, das sich der Verblichene -
seine Ruhe sei Wonne (= im Garten Eden) - ein ewiges Denkmal in jedem
fürs Judentum warm schlagenden Herzen errichtet, ein Denkmal, von dem noch
die späten Nachkommen mit Stolz reden werden, ein Denkmal, wie es sich in
diesem Jahrhundert so leicht kein zweiter Rabbiner errichtet. M."
Anmerkungen: Rabbiner Dr. Schiffer: Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer:https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0617
Minchah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mincha
Rabb. S.R. Hirsch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Samson_Raphael_Hirsch
http://www.judengasse.de/dhtml/P134.htm
https://www.deutsche-biographie.de/pnd118774522.html
Siehe auch:
http://www.alemannia-judaica.de/frankfurt_synagoge_friedb.htm
|
Vortrag von Rabbiner Dr. Mannheimer über Religionsphilosophie (1889)
Anmerkung: es handelt sich um Rabbiner Dr. David Mannheimer, geb. 1863 in
König, gest. 1919 in
Bad Kissingen. Weitere Informationen
siehe Seite zu Bad König und den
Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/David_Mannheimer.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Dezember
1889: "Karlsruhe. Am verflossenen Schabbat hielt
Herr Rabbiner Dr. Mannheimer im Chinuch Neorim-Verein (Verein für
Jugendunterricht, auch Chewrat Chinuch Nearim) einen Vortrag über
'Religionsphilosophie'. Herr Dr. Mannheimer, der in wenigen Tagen
unsere Stadt verlässt, um sein Amt als Rabbiner in Lauenburg anzutreten, hat
sich in der kurzen Zeit seiner Wirksamkeit an hiesigem Orte sehr große
Verdienste um die Hebung des religiösen Sinnes bei der Jugend und auch
allgemeine Sympathien erwache, so führte er denn auch in seinem Vortrage vor
einer zahlreichen Zuhörerschaft die Bedeutung der jüdischen
Religionsphilosophie und ihre Entstehung in höchst populärer, verständlicher
Weise aus und wies in letzteren Punkte besonders darauf hin, dass es eine
irrige Auffassung ist, wenn man die beiden großen Epochen der jüdischen
Religionsphilosophie und ihre Entstehung in höchst populärer, verständlicher
Weise aus und wies im letzten Punkte besonders darauf hin, dass es eine
irrige Auffassung sei, wenn man die beiden großen Epochen der jüdischen
Religionsphilosophie als ineinandergreifend, die jüdisch-arabische Periode
als eine Fortsetzung oder Wiederaufnahmen der jüdisch-alexandrinischen
Periode betrachten wollte. Hier sei es die Liebe zur Philosophie, dort die
Furcht vor der Philosophie gewesen, die zum philosophischen Streben
entfachte, darum seien beide Perioden völlig zu trennen.
Wir zweifeln nicht daran, dass es einem solch gewandten Redner wie Herrn
Rabb. Dr. Mannheimer gelingen wird, auch auf dem Felde seiner neuen
Tätigkeit fruchtbar und erfolgreich zu wirken; mögen aber dort so allgemeine
Sympathien ihm erblühen, wie in unserer Stadt und besonders in den Herzen
der Jugend er sie erworben. L.
Anmerkung: Lauenburg/Pommern:
https://de.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Lauenburg_i._Pom und
https://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/k-l/1164-lauenburg-hinterpommern
. |
Vortrag
von Dr. Löwenfeld aus Berlin im "Verein für jüdische Geschichte und
Literatur" in Karlsruhe (1890)
Die
badischen Nationalliberalen sprechen sich bei einem Parteitag in Karlsruhe gegen
den Antisemitismus aus (1890)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. November
1890: "Karlsruhe, 9. November (1890). Hier fand gestern ein Parteitag
der badischen Nationalliberalen statt. Das wichtigste Moment der
Versammlung besteht in der Erklärung, dass die badische nationalliberale
Partei die Bekämpfung der Stöcker'schen Konservativen als eine
Ehrensache ansehen müsse. Nicht einer von den 120 Delegierten sprach sich
für ein weiteres Zusammengehen mit den Konservativen aus. Thorbeke
(Mannheim) erklärte es für die Pflicht jeder liberalen Partei,
gegen den Antisemitismus Front zu machen und forderte alle
nationalliberalen Bezirksvereine auf, in Partei-Flugblättern die
ländlichen Wähler vor den antisemitischen Agitatoren zu warnen, wie das
bereits von Mannheim aus geschehen ist."
|
Die
badischen Nationalliberalen sprechen sich bei einem Parteitag in Karlsruhe
gegen den Antisemitismus aus (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai
1892: "Karlsruhe in Baden. War auch nicht die ganze Synagoge,
sondern nur der Toraschrein (Aron Hakodesch) der hiesigen
israelitischen Religionsgesellschaft nach Angabe des großherzoglichen
Oberrats dekoriert und wurden auch nicht drei Torarollen ausgehoben,
so teilte dennoch die ganze Gemeinde die frohe, dankerfüllte Stimmung des
ganzen Landes, denn von unserm Großherzog darf man mit Bestimmtheit im Sinne
seiner sämtlichen Untertanen behaupten: 'Er darf unbesorgt sein Haupt jedem
seiner Untertanen in den Schoß legen.'
Diesem allgemeinen Dankgefühle gab unser hochverehrter Rabbiner Herr Dr.
Schiffer, nachdem in gehobener, andachtsvoller Stimmung, die für den
großherzoglichen und kaiserlichen Geburtstag, bestimmten Psalmen von
Gemeinde und Vorbeter feierlichst vorgetragen waren, in einer von
Begeisterung für das großherzogliche Haus tief durchdrungenen und die ganze
Gemeinde mit sich reißenden Rede vollen Ausdruck. Er wies darin nach, wie
unser vielgeliebter, hochverehrter Großherzog mit Seiner Ihm ebenbürtig zur
Seite stehenden Gemahlin, als würdige Enkelin der Königin Louise von
Preußen, deren Namen sie auch mit Recht trägt, als Familien- wie als
Landesoberhaupt und als Bundesfürst des deutschen Reiches gleich groß,
gleich liebenswürdig dasteht. - Mit einem dieser Rede voll entsprechenden
tiefsinnigen Gebete um das fernere Wohlergehen des Großherzoglichen Hauses
schloss die Synagogenfeier. In gehobener Festesstimmung begab sich die
Gemeinde über den überaus herrlich geschmückten Marktplatz durch die überall
reichlich beflaggte Stadt nach Hause.
Aber wie nahe grenzen Freude und Schmerz! Noch durchzuckt alle Stadt- und
Landbewohner das Gefühl des innigsten Dankes gegen die Vorsehung, die uns
die Gnade erwiesen, einen so musterhaften Landesfürsten schon 40 Jahre zu
besitzen und welche Gott im öffentlichen wie im Privatgebete bitten,
Hochdenselben uns und der ganzen Menschheit noch recht, recht lange zu
erhalten – mitten in diesem frohen, wohltuenden Empfindungen, mitten in die
festlich geschmückten Straßen ging die Schreckenskunde für unsere, man darf
getrost sagen, für die ganze Gemeinde. Der Stiftsrabbiner Nathaniel Weill
ist nicht mehr, ein plötzlicher Tod hat nach kurzem Unwohlsein seinem
tatenreichen Leben ein Ende gemacht! - Wenn er auch, wie Herr Dr. Schiffer
in tief empfundender Rede bemerkte, eines sanften, schmerzlosen Todes nach
einem göttlich vollbrachten Leben, geschmückt mit der Krone der Tora und
mit der Krone eines guten Namens von der Erde geschieden, um vereint mit
seiner ihm um einige Jahre vorangegangenen Gattin dort die Ernte seiner
göttlichen Aussaat zu genießen haben wird, so haben wir ihn dennoch zu früh
verloren. Er war eben durch seine gewissenhafte Pflichterfüllung und sein
leutseliges, gewinnendes Benehmen, durch seine Liebenswürdigkeit gegen
Jedermann, durch seine gemütlichen allsabbatlichen Vorträge zu eng mit
seiner Gemeinde verbunden, als das nicht jeder die Trennung von ihm
besonders schmerzlich fühlt und empfindet. Sein ganzes Leben entsprach
seiner Abstammung von großen Ahnen.
Auch Herr Dr. Löwenstein, Rabbiner zu
Mosbach,ein vieljähriger Schüler des Verblichenen, verlieh unter Tränen
mit tiefempfundenen Worten seinem Schmerze Ausdruck und nannte ihn wie
Elisa den Elia: 'Mein Vater, mein Vater, du Wagen Israels und
sein Gespann' (2. Könige 2,12) und bedauerte am Schluss, wie
unausfüllbar die durch den Tod dieses sanften, liebevollen Lehrers
entstandene Lücke ist.
Am Schlusse des fast dreistündigen, ungemein zahlreichen
Leichenbegräbnisses, an welchem sich die ganze Gemeinde, Christen nicht
ausgeschlossen, beteiligte, sprach Herr Dr. Marx, Rabbiner in
Darmstadt, im Trauerhause in gleichem Sinne. Schüler des Verstorbenen
sind per Schnellzüge herbeigeeilt, um ihrem hochverehrten Lehrer das letzte
Geleite zu geben. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."
Anmerkungen: Großherzog Friedrich I. von Baden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog)
Vorbeter = Kantor:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chasan_(Kantor)
Louise von Preußen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_von_Mecklenburg-Strelitz
Rabbiner Dr. Löwenstein = Rabbiner Dr. Leopold Löwenstein
https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Löwenstein
Rabbiner Dr. Schiffer = Rabbiner Dr. Sinai Schiffer
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer und
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0617.
|
Antisemitische
Versammlung in Karlsruhe mit Liebermann von Sonnenberg (1892)
Anmerkung: zu Liebermann von Sonnenberg siehe Wikipedia-Artikel
"Max Liebermann von Sonnenberg"
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. Mai 1892: "Karlsruhe, 13. Mai (1892). Herr
Liebermann von Sonnenberg hielt vorgestern in Bruchsal und gestern hier
eine antisemitische Versammlung. Er suchte nachzuweisen, dass das deutsche
Nationalgefühl durch die 'jüdische Nation' geschädigt würde, sprach
gegen die Vermischung von Juden und Deutschen und behauptete, die Juden
hätten alle Nationen, unter denen sie wohnen, zu Grunde gerichtet. Da nur
Gesinnungsgenossen gegen Karten zugelassen waren, hatte der Redner mit
seinen schlechten Witzen die Lacher auf seiner Seite.
Die schon oft angeregte Frage der geordneten und sicheren Anstellung
der israelitischen Religionsschullehrer und Vorsänger Badens, die bis
jetzt zu keinem Ergebnis geführt hat, tritt durch das neue
Volksschulgesetz in ein mehr Erfolg versprechendes Stadium. Es hat sich
infolge dessen, wie der Neckarzeitung mitgeteilt wird, ein Komitee
israelitischer Lehrer gebildet, das in Bezug auf die Gehaltsfrage und die
Alterszulagen Vorschläge macht, über die in einer auf den 22. dieses
Monats nach Karlsruhe einberufenen Hauptversammlung beraten und
beschlossen werden soll." |
Trauerfeier in Erinnerung an den Theaterbrand 1847
(1897)
(vgl. Berichte oben von 1847)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. März 1897: "Aus Baden. Der schreckliche Theaterbrand
in Karlsruhe am 28. Februar 1847 wurde durch eine Trauerfeier auf dem
alten Friedhofe in Erinnerung
gebracht. Sehr interessant ist eine Nummer des Karlsruher Tageblatt vom 7.
März 1847, aus welchem in einer Danksagung der Mut eines Israeliten aus
Karlsruhe gezeichnet ist.
Danksagung - Herrn Moritz Reutlinger dahier.
'Als bei dem schrecklichen Brande im Hoftheater die Zuschauer auf der
dritten Galerie von den Flammen umringt und vom fürchterlichen Rauche fast
erstickt, der gewöhnlichen Ausgangstüre der dritten Galerie zuströmten, da
waren Sie es, Herr Reutlinger, der durch den Schrecken und die Todesangst
hervorgerufenen Erstarrung durch den Hoffnungsruf: 'Hier ist noch eine
andere Türe!' entrissen. Sie waren es, welcher die Tat den Worten folgen
ließen, diese Türe sprengten und uns 36 Unterzeichnete und wohl noch viele
andere, dem Tode entrissen, dem so viele unserer Brüder und Schwestern an
jenem Abend unterlagen. Mir, dem mitunterzeichneten Hauboisten (https://de.wikipedia.org/wiki/Hautboist)
Günther, haben Sie zweimal das Leben gerettet. Nachdem ich durch die von
Ihnen erbrochene Türe entkommen war, fiel ich auf der Treppe besinnungslos
nieder und wäre verloren gewesen, hätten Sie mich nicht auf ihren Schultern
aus dem brennenden Hause getragen. Erlauben Sie, Herr Reutlinger, dass wir
öffentlich unserm tiefgefühlten, innigen Dank hiermit aussprechen, und
glauben Sie unserer Versicherung, dass unsre Dankbarkeit nur mit unserm
Leben aufhören wird. (Folgen 36 Unterschriften.)'
Herr Reutlinger, Vater des jetzigen Möbelhändlers Reutlinger, ist noch am
Leben, er wurde damals allgemein mit dem Ehrennamen 'Menschenretter'
bezeichnet. Seine Tat wurde neuerdings vom Großherzog durch Verleihung eines
Ordens anerkannt. Solche Taten verdienen im Gedächtnis der Nachwelt
aufgefrischt zu werden. W." |
Der
antisemitische Redakteur Reuther wird in Karlsruhe von einem jüdischen
Viehhändler tätlich angegriffen (1897)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8.
Januar 1897: "Ein jüdischer Viehhändler, namens Davidsohn,
begegnete dem antisemitischen Redakteur Reuther in Karlsruhe auf
der Straße und griff, gereizt durch den Anblick des bekannten Wühlers,
ihn tätlich an. Hierfür wurde Davidsohn vom Schöffengericht in
Karlsruhe unter Zubilligung mildernder Umstände zu 20 Mark Geldstrafe
verurteilt. Dem Gerichtshof erschienen 'mildernde Umstände' gegenüber
der fortgesetzten antisemitischen Hetzerei des Herrn Reuther am
Platz." |
25-jähriges Bestehen des Vereins Chinuch Neorim
(1902)
Hinweis: es sind noch nicht alle hebräischen Wendungen/Zitate übersetzt.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
16. Januar 1902: "Leitender Artikel. Ein Vereinsjubiläum in Karlsruhe*)
Vor nunmehr 25 Jahren wurde dahier von jungen, zum Teil sehr jungen Leuten,
ein Verein ins Leben gerufen, der sich zur Aufgabe stellte, Tora zu lernen.
Als erstes Buch wurde das von Rabbi Simcho Bamberger seligen
Angedenkens verfasste Chinuch Neorim gelernt, und danach wurde der
Verein auch benannt 'Chinuch neorim'. Aus bescheidenen Anfängen
hervorgegangen, entwickelte sich der Verein zu herzerfreuender Blüte, so
dass er heute die stattliche Anzahl von 110 Mitgliedern hat (desto mehr
vermehrte es sich...nach 2. Mose 1,12). Den Aufgaben des Vereins würdig
war auch das in diesen Tagen begangene Vereinsjubiläum. Am ersten
Chanukkaabend wurde eine vom Verein mit Beiträgen von auswärtigen
Mitgliedern für den Verein gestiftetes Sefer Tora (Torarolle) seiner
Bestimmung übergeben, d.h. es wurde an diesem Abend das neue Sefer
(Torarolle) feierlichst zu Ende geschrieben. Der eigentlich Chinuch Sefer
Sauro (Einweihung der Torarolle) fand am Schabbes (Schabbat) statt. Aus der
in einem Reschot mit der Synagoge befindlichen Schule der
Religionsgesellscvhaft wurde das neue Sefer, mit einem herrlichen Mäntelchen
bekleidet - Geschenk des derzeitigen Vorsitzenden, Herrn Jakob Ettlinger,
zur Erinnerung an seinen seligen Vater, Herrn Maier A. Ettlinger – von 10
Torarollen abgeholt und durch Herrn Rabbiner Dr. Schiffer in die
Synagoge gebracht, wobei die am Simchat Tora üblichen Umgänge
vollzogen wurden. Herr Rabbiner Dr. Schiffer sprach, als er aufgerufen
wurde, den Segensspruch (['Gelobt bist Du Ewiger unser G’tt, König der
Welt,] der Güte ist und Gutes tut'). Nach dem Einheben hielt der Herr
Rabbiner eine begeisterte und begeisternde Rede, worin er dem Vereine,
insbesondere seiner Leitung, den Herren Jakob Ettlinger und Leopold Schwarz,
reichliche Anerkennung zuteil werden ließ.
Der zweite Teil der Feier vollzog sich am Sonntagabend in den Sälen des
Hotels 'Monopol', wo ein Sium über Masechat Megilla gemacht wurde.
Herr Dr. Schiffer trug den letzten Abschnitt vor, uns dabei durch die sich
daran schließenden Bemerkungen Gelegenheit gebend, sein gründliches
(Hebräisch) zu bewundern. Hierauf sprach der beim Sium anwesende Herr Rabb.
Dr. Bamberger aus Schildberg über eine Stelle in Megilla, wo die Schüler des
Rabbi Nechemja an ihn die Frage richten, wodurch ihnen erwidert, das niemals
abfällige Bemerkungen anderer ihn in seinem Streben nach dem Rechten beirrt
hätten, dass er niemals durch die von anderen begangenen Fehler seine
eigenen Vorzüge hervortreten ließ, dass er endlich mit seinem Vermögen
freigiebig war. Wenn man dem Verein die Frage vorlege, wodurch es ihm
geglückt sei, sich so herrlich zu entfalten und zu gestalten, so sei zu
antworten mit den Worten jenes alten Rabbi, dass die geistig höher stehenden
Vereinsmitglieder, die an Wissen Ärmeren niemals ihre geistige Überlegenheit
hätten fühlen lassen, dass endlich der Verein jenen Mitgliedern, die nicht
in der Lage waren, sich Lehrmittel zu beschaffen, diese bereitwilligst zur
Verfügung zu stellen. Dies seien allerdings nur die äußeren Gründe. Was ist
aber das Motiv hierzu, was ist die treibende Kraft, fragt Redner weiter.
Nun, es ist das Streben, jene Leiter zu erklimmen, die, auf der Erde
stehend, gen Himmel raget, an der nach der Auslegung des Midrasch je zwei
Engel auf- und niedersteigen. Diese Engel sind nach einer Erklärung des
Altonaer Raw die vier Dinge, die erforderlich sind, Vollkommenheit in der
Tauro zu erreichen, zwei davon liegen im Menschen selbst, (Hebräisch) der
Glaube an die Göttlichkeit der Tauro, (Hebräisch) der Wille, nach dieser
Tauro zu leben.
Das sind die zwei Engel, die im Menschen sind, die nach oben steigen, den
himmlischen Beistand ihm sichern (Hebräisch) und die beiden Engel
(Hebräisch) die Tatkraft zur Erfüllung der Tauro und (Hebräisch) klares
Verständnis für dieselbe, zu ihm herabgeleiten. Der Verein hat bewiesen,
dass er (Hebräisch) und (Hebräisch) besitze, darum – so schloss Herr Rabb.
Dr. Bamberger- möge auch (Hebräisch) und (Hebräisch) in hohem Maße den
Verein und seine Vereinsmitglieder beglücken.
Nach diesen beifällig aufgenommenen Worten dankte das Vereinsmitglied Herr
Beermann Herrn Rabbiner Dr. Schiffer für die umsichtige Leitung des Schiur
und hat, dass der Herr Rabbiner auch fernerhin dem Verein sein Wohlwollen
erhalte.
Man setzte sich hierauf zu Tisch, um die (Hebräisch) zu halten, welche durch
reichliche (Hebräisch) sehr gehoben ward. Der Vorsitzende des Vereins, Herr
Jakob Ettlinger, begrüßte die Erschienenen, insbesondere die auswärtigen
Herren, mit einem herzlichen (Hebräisch), verbreitete sich dann über die
Ziele des Vereins, welche in der Pflege der drei Säulen des Weltgebäudes
bestehen, durch die Art und Weise, in der der Verein sein Jubiläum feiert,
Sefertauroh—Einweihung und Sium zeige er deutlich, dass die Vereinsleitung
ihre Aufgabe richtig erfasse. Er richte aber gerade an die Vereinsmitglieder
den Appell, dass sie noch eifriger wie bisher die Aufgaben des Vereins
pflegen sollten, es ist (Hebräisch) und deshalb habe sie auch Bestand.
Tosender Beifall lohnte den Redner. Nach dieser Begrüßungsrede erhob sich
Herr Dr. Schiffer, um zu einem Hoch auf das Wohlergehen des greisen
Herrschers auf dem Throne Badens aufzufordern, weil es für uns Juden
religiöse Pflicht sei, |
für
das Wohl der Regierung und des Staatsoberhauptes zu beten. Die Juden in
Baden tun dies um so lieber, als ja der edle Großherzog von Baden allen
seinen Untertanen ohne Ausnahme die Wohltaten seiner Milde, Gerechtigkeit
und Toleranz zugute kommen lasse. Herr Dr. Schiffer hielt nun die
eigentliche Festrede. Er führte aus (Hebräisch) der Verein habe durch die
beiden Akte, mit denen er die Feier seines Jubiläums begehe, bewiesen, dass
er die Verbindlichkeit von (Hebräisch) und (Hebräisch) richtig erkenne, die
eine ohne die andere sei unverständlich, führe dahin, wohin die Karäer
gelangt sind, dass, wie es am Ende der Megilla heißt, (Hebräisch) man auch
nicht eine einzige Mizwe erfüllen kann, wenn man sie nach dem nackten
Wortlaut der Schrift üben will; wer z. B. das Tephillingebot erfüllt, in dem
er die Tephilin 'auf die Hand' legt oder auf die Stirn 'zwischen den Augen'
hat das Tephillingebot nie erfüllt. Redner führte aus, dass er sich
das segensreiche Wirken des Vereins zu beobachten vorgenommen, aber das
Chanuka-Fest, das wir eben feiern, ruft uns zu, dass es Pflicht sein
(hebräisch und deutsch:), die Lichtflamme immer höher steigen zu lassen,
mit dem Anzünden allein (Hebräisch) sei noch nicht genügend geleistet. Er
wünschte dem Verein weiteres Gedeihen zum Segen des Judentums und schloss
mit einem Hoch auf die derzeitige Vereinsleitung.
Hierauf ergriff Herr Stiftsrabbiner Blumgrund das Wort, um auch seinerseits
seine Freude über das Gedeihen des Vereins zum Ausdruck zu bringen. Das
gegenwärtige Fest führt uns die Heldengestalt Mattijahus vor, der in
gefahrvoller Zeit für den Glauben eintrat, und der aus dieser schweren Zeit
ein kleines Krüglein reinen Öls rettete, einen kleine Fonds glaubenstreuer
Männer sicherte. Der Ruf 'Jeder, der sich für das Gesetz ereifert und den
Bund aufrechterhält, folge mir!', 1. Makkabäer 2,27) den er seinen
Brüdern zurief bewirkte solches Wunder! Und als der alte Priester aus
Hasmonais Familie starb, traute er die Pflege und Warte diese eben
geretteten Kleinodes der Jugend an. Man dürfe das Wirken des Vereins Chinuch
Neorim nicht unterschätzen, seien es auch zum größten Teile junge Männer,
die den Verein bilden, so seien dennoch jene Liebe und jenes Verständnis für
unsere Ideale vorhanden, so dass man beruhigt ihnen die Pflege derselben
anvertrauen dürfe. Der Name des gegenwärtigen Festes stamme von (Hebräisch)
'rüsten, weihen, erziehen'. 'Erziehen Sie, rüsten und weisen Sie sich, auch
fernerhin für die heiligen Aufgaben des Judentums, pflanzen Sie dieselben
ein in Ihr Heim, wenn Sie mit Gottes Hilfe ein solches gründen; rief der
Herr Rabbiner den jungen Leuten zu. Endlich erinnerte er noch daran, dass
Aron zugerufen wurde (Hebräisch) auch der Verein sich sagen müsse, dass
seine Erfolge, die er erzielt,zum größten Teil demjenigen gelte, der die
Lichtquelle der Torakenntnis ihnen zeige und deshalb bitte er, einzustimmen
in einen Hochruf auf das Wohlergehen des Herrn Rabbiner Dr. Schiffer,
welchem Wunsche von allen Teilnehmern gern entsprochen ward.
Namens der Israelitischen Religionsgesellschaft brachte der Vorstand
derselben, Herr Samuel Strauß, Grüße und Glückwünsche. Er sprach die
Hoffnung aus, dass diese Vereinigung von jungen Männern, welche zum großen
Teil den künftigen Bestand der Religionsgesellschaft bilden, mit Gottes
Hilfe an sich erfüllt sehe, die Segnungen der Chanuka hatora, worin das
Wirken des Vereins angedeutet sei in den Worten (Hebräisch), wenn wir das
Wörtchen (Hebräisch) auflösen als die Anfangsbuchstaben der Worte
(Hebräisch). Des Redners geist- und humorvolle Ausführungen fanden lebhaften
Beifall. Den Höhepunkt erreichte die Freude jedoch als Herr Reallehrer Dr.
Fink aus
Frankfurt a. M. das Wort ergriff und in launiger, sinnreicher Rede ein
Gleichnis mitteilte und von einem Maurermeister sprach, der im Arbeitskittel
von den König gerufen wird, es aber ablehnt, zu erscheinen, das er nicht in
salonfähiger Kostümierung sei. Erst auf den dringenden Befehl des Königs
kommt er, weil der König, der heute ein Fest feiert, alle jene beisammen
sehen will, die bei der Ausführung seines Palastes vor vielen Jahren
mitgewirkt haben. Er – Redner – habe zu den Gründen des Vereins gehört und
habe auch fünf Jahre in demselben gewirkt. Heute aber sei ein solch
herrlicher Palast entstanden, als dessen Mitarbeiter er sich gar nicht mehr
betrachtet habe, und nur auf die wiederholte, dringende Einladung des
Vorstandes sei er gekommen, und er freue sich, dass er gekommen sei, um zu
sehen, wie die bescheidenen Saatkörner, die er streuen half, solche
herrliche Früchte gezeitigt haben. Sein Hoch galt Herrn Samuel Strauß, der
den Verein seit seinem Bestehen jederzeit gefördert habe, insbesondere auch
dadurch, dass er seit nunmehr 25 Jahren dem Verein zur Abhaltung der
Schiurim eine Wohnung zur Verfügung stellt.
Nachdem die eingelaufenen Begrüßungstelegramme verlesen waren, wurde das
Tischgebet für 53 Mk. Versteigert und Herrn Dr. Schiffer übertragen. Nach
dem Benschen wurden noch verschiedene musikalische und theatralische
Vorträge aufgeführt. Erst in später Stunde verließen die Teilnehmer den
Festakt mit dem Bewusstsein, einem wahren Freudenfest über die religiösen
Gebote angewohnt zu haben.
Anmerkungen: Jakob Ettlinger:
https://www.geni.com/people/Jakob-Ettlinger/6000000040619589886
Chinuch: Religiöse Erziehung
Sefer Tora: Torarolle
Sefer: Hebräisch für 'Buch'
Rabbiner Dr. Schiffer: Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
Leopold Schwarz:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3850.html
Rabbiner Dr. Bamberger:
http://www.steinheim-institut.de:50580/cgi-bin/bhr?id=1985
Megilla:
https://de.wikipedia.org/wiki/Megilla
Midrasch:
https://de.wikipedia.org/wiki/Midrasch
Altonaer Raw:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_Ettlinger
Schiur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schi'ur
Sefertauroh: Torarolle
Großherzog von Baden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog )
Karäer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Karäer
Mizwe: Gebot
Tephillin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tefillin
Stiftsrabbiner Blumgrund: Rabbiner Dr. phil. Bernhard Naftali Blumgrund,
siehe S. 123
http://www.steinheim-institut.de/edocs/books/Biographisches_Handbuch_der_Rabbiner_Teil_2.pdf
Mattijahu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mattatias
Hasmonai:
https://www.genealogieonline.nl/de/stamboom-homs/I6000000002187597738.php
Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
Benschen:
https://www.jewiki.net/wiki/Benschen |
50-jähriges Regierungs-Jubiläum des Großherzogs
(1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. April 1902: "Das 50jährige Regierungs-Jubiläum des Großherzogs
von Baden
Von Rabb. Dr. M. L. Bamberger, Karlsruhe.
Unsere herrliche Stadt hat sich in ein festliches Gewand gehüllt, um die
Feier des Regierungsjubiläums des geliebten und geehrten Landesfürsten
würdig zu begehen. Wahrhaft märchenhafter Zauber zeigt sich dem Beobachter
auf den Straßen und an den Häusern, überall Zeichen der Liebe und Treue,
alles wetteifert, um das Herz des Landesvaters zu erfreuen. Nicht zuletzt
sind die Israeliten der Hauptstadt wie jene des ganzen Badener Landes
geschäftig, um dem Fürsten zu huldigen, der es sich zur Aufgabe gestellt
hat, 'ein freies Staatsleben im Innern, ruhend auf der sicheren Grundlage
geistiger Bildung und sittlich religiösen Ernstes' zu schaffen, der an sein
Volk die Mahnung richtete, 'alle Trennungen zu vergessen, welche die jüngste
Zeit (1860) hervorgerufen hat, damit unter den verschiedenen Konfessionen
und ihren Angehörigen Eintracht und Duldung herrsche.' Dem Fürsten, der
ebenso wie sein unvergesslicher Schwager, der höchstselige Kaiser Friedrich,
es deutlich aussprach, was er von der 'Schmach des Jahrhunderts' denke und
wie sehr er diese verurteile. Badens Großherzog bat, seitdem er mit
kräftiger Hand und mildem Sinn die Zügel der Regierung führt, alle seine
Untertanen zu glücklichen, zufriedenen Staatsbürgern zu machen sich
bestrebt; für das Wohl wie für das Weh aller seiner Landeskinder; ohne
Unterschied des Glaubens und des Standes hat er Interesse bekundet und
bekundet dies bis auf den heutigen Tag. Es ist deshalb auch nicht zu
verwundern, dass das ganze Badener Volk mit treuer Liebe zu seinem Fürsten
steht, dass alle Einwohner des Großherzogtums in diesen Tagen des Jubiläums
aufrichtige Gebete zum himmlischen Allvater senden, dass Er ihren geliebten
Landesvater noch viele Jahre in Gesundheit und Frische erhalten möge.
Über die verschiedenen Festlichkeiten, welche in Karlsruhe veranstaltet
wurden, brauche ich nicht weiter zu berichten, da ihre verehrten Leser dies
bereits aus den Tageszeitungen erfahren. Nur über das, was von jüdischer
Seite geschehen, sollen diese Zeilen Ihnen Einsicht geben.
Um auch für späteste Zeiten eine Erinnerung an das fünfzigjährige
Regierungsjubiläum Großherzog Friedrichs zu schaffen, ist von den badischen
Israeliten eine Landesstiftung ins Dasein gerufen worden, welche den Zweck
haben wird, für jüdische Lehrlinge ein Heim zu gründen, in welchem die
Lehrlinge nicht allein körperliche Verpflegung, sondern auch
sittlich-moralische Festigung und Stärkung geboten werden soll, ein Heim, in
welchem dieselben als Ersatz für in der Fremde ihnen fehlende religiöse
Erziehung des Elternhauses geeigneten Ersatz finden.
Selbstredend haben unsere Glaubensgenossen auch an der dem Großherzog zu
überreichenden Jubiläumsspende mit reichen Beiträgen sich beteiligt.
In sämtlichen Synagogen des Landes wurden am Sonntag, den 27. dieses) Monats
Festgottesdienste abgehalten. Das Programm war vom Oberrat der Israeliten
sämtlichen Gemeinden des Landes zugeschickt, jene Gemeinden, die keinen
Rabbinatssitz bilden, erhielten von den betreffenden Bezirksrabbinern eine
Festpredigt, welche bei der Feier verlesen wurde.
Hier in Karlsruhe fanden in beiden Synagogen gleichfalls am Sonntagvormittag
Festgottesdienste statt, bei welchem sehr zahlreiche Andächtige und
Vertreter der Presse sich einfanden. In der Religionsgesellschaft sprach
Herr Rabbiner Dr. Schiffer über den Text Micha 6,8: 'Er hat dir verkündet,
Mensch, was gut ist und was der Ewige von dir fordert, dass du Gerechtigkeit
übest, Milde liebest und demütig wandelst mit deinem Gotte.' In glänzender
Weise führte Redner aus, dass es nicht die Aufgabe einer religiösen
Belehrung gewidmeten Vortrages sein könne, die Herrschertugenden des
geliebten Fürsten zu schildern; seine sittliche Größe und
Charakterfestigkeit müsse vielmehr zur Nacheiferung vorgeführt werden, in
ihm könne man eine ideale Gestalt erblicken, welche die Forderungen des
Propheten Micha im Leben verwirklichen gestrebt. Ein ergreifendes Gebet
schloss sich beim geöffneten Toraschreine der Predigt an.
In der Synagoge der anderen Gemeinde hat – wie wir hören – gleichfalls mit
großer Wärme und Begeisterung Herr Rabbiner Dr. Appel über den Vers Psalm
21,7 gesprochen ausführend, dass die segensreiche Tätigkeit des Fürsten für
das Großherzogtums Wohlfahrt eine dauernde sei, daran die Bitte knüpfend,
dass der Himmel auch fernerhin den Großherzog mit des Segens Fülle beglücken
möge.
Beide Synagogen sind innen und außen mit frischem Grün und duftenden Blumen
sowie mit Fahnen in den Landes- und Reichsfarben reich geschmückt. Ebenso
erstrahlten, sie auch während der Rundfahrt des Fürsten durch die Stadt in
feenhaftem Lichtscheine.
Am Montag empfing Seine Königliche Hoheit der Großherzog eine Deputation der
Israeliten Badens bestehend aus den Herren Geheimer Regierungsrat Dr. Meyer
hier, Rabbiner Dr. Steckelmacher –
Mannheim
und Professor Dr. Kohn -
Freiburg,
welche eine Adresse |
überreichten.
Seitens der israelitischen Religionsgesellschaft überreichte der Vorstand
derselben, Herr Samuel Strauß und Herr Bankier Meier Strauß, gleichfalls
eine Adresse.
Wie Sie sehen, sind alle badischen Israeliten einig, wenn es gilt, ihrem
Großherzog zu huldigen und ihn zu erfreuen. Wenn auch sonst, in Folge der
hierzulande bestehenden religiösen Neuerungen leider eine Trennung der
Israeliten besteht, sind sie doch vereinigt in der Liebe zum Großherzog, in
der Treue zum Herrscherhaus und dem Wunsche, dass der edle Fürst noch viele
Jahre zum Heile Badens und ganz Deutschlands wirken möge. Amen."
Anmerkungen: Großherzog von Baden:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Baden,_Großherzog
Kaiser Friedrich:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_III._(Deutsches_Reich)
'Schmach des Jahrhunderts':
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmach_für_Deutschland
Oberrat der Israeliten:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oberrat_der_Israeliten_Badens
Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
Rabbiner Dr. Schiffer = Rabbiner Dr. phil. Sinai Schiffer
https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
Rabbiner Appel = Rabbiner Dr. phil Meier Appel
https://de.wikipedia.org/wiki/Meier_Appel
Rabbiner Dr. Steckelmacher:
https://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_Steckelmacher |
Jahresbericht des Israelitischen Frauenvereins für 1903
(1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 28. Januar 1904: "Karlsruhe, 26. Januar. Der aus 438
Mitgliedern bestehende hiesige israelitische Frauenverein hatte nach dem
soeben erschienenen gedruckten Jahresberichte für das Jahr 1903 eine
Gesamteinnahme von 9.324, 63 Mark, darunter an monatlichen und jährlichen
Beiträgen 2.524,62 Mk. Zinsen aus dem jährlichen Vereinsvermögen und der
Regine Nathan Levi’schen Stiftung 1.629, 20 Mk, Geschenke und Legate
1.746,50 Mk. Verausgabt wurden für Wochengelder an Kranke 607 Mk.
Wöchnerinnen 336 Mk. , Rekonvaleszenten 314,12 Mk., für Bäder und Badereisen
(Badekuren) 1.109,34 Mk., Medikamente 1.640, 14 Mk. Verpflegungen 55 Mk.
Verpflichtungen an Todestagen 131,10 Mark etc. Das Vereinsvermögen besteht
an Kapitalien aus 41.385, 72 Mk., ferner aus der Regine Levi-Stiftung im
Betrage von 5.142,85 Mk. Der Vorstand besteht aus den Frauen Bertha Gutmann,
Jenny Wormser, Therese Ettlinger, Dr. Appel, Justine Levinger, Medizinalrat
Seligmann und den Herren Stadtrat Fritz Homburger, Rudolf Hermann und prakt.
Arzt Dr. Richard Seeligmann. Der Verein enthält Mitglieder der
isr.(aelitischen) Gemeinde und der israelitischen Religionsgesellschaft." |
Rechenschaftsbericht
des Naphtalie Eppstein-Vereins (1904)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juni
1904: "Karlsruhe, 8. Juni (1904). Der Rechenschaftsbericht des
Naphtalie Eppstein-Vereins zur Unterstützung hilfsbedürftiger
israelitischer Lehrer und Lehrer-Witwen für das Jahr 1903 bedauert in
seinem Vorworte das Fehlen eines Mannes, der uns allen lieb und teuer war
in der Liste der Vorstandsmitglieder, des Herrn Bankier Samuel Straus,
der sich als Rechner des Vereins lange Jahre hindurch betätigt hat.
Derselbe ist dem Verein durch einen plötzlichen Tod entrissen worden. Dem
selbstlosen, edlen Manne wird ein treues Gedenken bewahrt werden. An seine
Stelle ist als neuer Rechner, Herr Bankier Siegfried Stern,
getreten. Es konnten an Unterstützungen 1.460 Mark gegeben werden. Das
Vereinsvermögen besteht aus 26.680,99 Mark und hat sich seit vorigem
Jahre um 1.087,52 Mark vermehrt." |
100-jähriges Bestehen des Vereins "Malbisch Arumim"
(1909)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 17. Dezember 1909: "Karlsruhe. Am 26. des Monats feiert
der Verein 'Malbisch Arumin' sein 100jähriges Bestehen.
Der Verein, der mit 13 Mitgliedern gegründet wurde, besteht heute aus 53
Mitgliedern, von denen das Vorstandsmitglied J. Weinheimer ihm bereits seit
40 Jahren angehört. Der Zweck, den der Verein verfolgt, ist, arme Familien
durch Kleidungsstücke und Barmittel zu unterstützen und bei Todesfällen die
üblichen Gebetsverrichtungen zu vollziehen.
Zur Feier des 100jährigen Bestehens sind größere Einladungen ergangen. Auch
ist eine Stammtafel angefertigt worden, in der die Mitglieder, die dem
Verein schon beim 100jährigen Stiftungsfeste angehört haben, bezeichnet
sind." |
Vortrag
von Oberregierungsrat Dr. Mayer (1919)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 14. März 1919: "Karlsruhe in Baden, 28. Februar. Der vom hiesigen
Verein für jüdische Geschichte und Literatur vor kurzem im 'Friedrichshof'
veranstaltete Vortrag von Geheimem Oberregierungsrat Dr. Mayer über das
Thema 'Die Judenheit als Volk und als Religionsgemeinschaft' hatte einen
sehr zahlreichen Zuhörerkreis zusammengeführt. Der Vortrag war geeignet, im
Anschluss an die ihm in der letzten Zeit hier vorausgegangenen, das Bild der
durch den Weltkrieg auch für das Judentum gezeitigten, äußeren politischen
und inneren seelischen Wandlungen noch zu vertiefen. Im Hinblick auf die
namentlich im Gefolge der zionistischen Bewegung entstandenen Trennungen und
inneren Kämpfe ließ der Redner seinen Ausführungen die Mahnung zur Wahrung
einer einheitlichen Front vorangehen und warnte vor Vergeudung der geistigen
Kräfte in so ernster Zeit. Im Verhältnis zu den sie umgebenden Staaten der
antiken Welt habe die jüdische Nation schon im frühen Altertum einzigartige
und kulturell hochstehende Gesetze geschaffen, so namentlich auf dem Gebiete
des Sklaven- und Fremdenrechts. Der Sklave war im jüdischen Staat
durch Gesetz vor jeder Gewalttätigkeit geschützt. Der Fremde sollte sogar
wie der Einheimische behandelt werden: 'Du sollst ihn lieben wie dich
selbst', heißt es in der Bibel. Beides hatte seine Grundlage in der Lehre
des Judentums von der Gotteskindschaft aller Menschen. Schon vor dem
Untergang des jüdischen Staates fand – wohl aus wirtschaftlichen Gründen –
eine starke Auswanderung, namentlich nach den Ländern des Mittelmeeres,
statt. Abgesehen hiervon würde der jüdische Staat wahrscheinlich auch ohne
die 70 n. Chr. erfolgte Zerstörung durch die Römer infolge der
Völkerwanderung und späteren Ereignisse verschwunden sein. Das jüdische Volk
wollte jedoch nicht untergehen und hat sich deshalb, trotz der
Zerstreuung über alle Länder, erhalten. Auch gab es die Hoffnung auf die
Wiedererstehung des palästinensischen Staates nicht auf, jedoch bestand sie
bis in die neuere Zeit nur als religiöser Glaube, nicht als politisches
Ziel. Dann kam, vor einem Jahrhundert, die Emanzipation, das
Heraustreten aus dem Ghetto des Mittelalters. Sei fiel, nicht zum Vorteil
einer allmählichen Entwicklung in eine Zeit |
des
geistigen und wirtschaftlichen Sturmes und Dranges, der Aufhebung auch
sonstiger zahlreicher Beschränkungen des Kultur- und Geisteslebens und des
Beginnes gewaltiger Wandlungen auf allen Gebieten. Alsbald entstanden im
Anschluss an diese in der Umwelt sich vollziehenden Neuerungen
gottesdienstliche Reformbestrebungen im Judentum; der alten orthodoxen
begann eine neuere Richtung sich gegenüberzustellen, wobei auf die Pflege
der hebräischen Sprache geringerer Wert gelegt wurde. Weiterhin wurde von
vielen, namentlich in höhere äußere Lebensstellung Gelangten, das Erbteil
des Judentums als eine drückende und hemmende Last empfunden. Ende der
siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts setzte als Folgewirkung der
Gründerzeit die antisemitische Bewegung ein, gegen die zunächst eine äußere
Abwehrorganisation geschaffen wurde. Zwei Jahrzehnte später setzte aber auch
eine Eigenbewegung im Judentum ein, der von dem Österreicher Theodor Herzl
ins Leben gerufener Zionismus, der den Gedanken des palästinensischen
Staates als jüdische Heimstätte erneuerte. Er fand gleichen Widerstand
sowohl bei der orthodoxen wie der reformierten Richtung, namentlich in
Deutschland, bis nunmehr der Weltkrieg nach der Besetzung von Palästina
durch die Engländer die Verwirklichung des Gedankens in greifbare Nähe
rückte. Es würde jedoch – wie der Vortragende auch kürzlich in der Zeit des
Wahlkampfes den Deutschnationalen hier zugerufen hatte – einen Verlust für
Deutschland bedeuten, wenn im Anschluss an die Begründung des
palästinensischen Staates ein großer Teil der deutschen Juden abwandern
würde. Wenn übrigens der neue Staat auch nicht so bald ein jüdisches
Kulturzentrum würde, könnte er schon als Agrikulturzentrum der Juden
vortreffliche Dienste leisten.
Im Übrigen anerkennt der Vortragende, dass für das jüdische Leben und Denken
die Erfüllung der zionistischen Idee eine seelische Bereicherung bedeutet.
Darin liege für den deutschen Juden kein Dualismus. Der Primat, der für den
Juden - ebenso wie für den Katholiken und den Protestanten –
selbstverständlich immer auf der Seite der Religion liegt, komme in
politischer Beziehung nach wie vor dem deutschen Vaterlande zu. Glaube und
Religionsfreiheit müssten immer und überall obenan stehen, wie dies z. B.
Bei den französischen Hugenotten der Fall war, die ihre Heimat nach der
Aufhebung des Edikts von Nantes durch Ludwig XIV. verließen und in dem
toleranteren Preußen und den Niederlanden eine neue gesicherte Heimstätte
fanden. Dem Gedanken eines jüdischen Kongresses in Deutschland im Rahmen
eines Weltkongresses steht der Vortragende freundlich gegenüber. Zu welcher
der heutigen Richtungen im Judentum der einzelne sich aber auch bekenne,
stets möge er dessen gedenk bleiben, dass er auf heiligem Boden stehe, wo
Zank und Streit Sünde sei. Das gemeinsame Ziel bleibe die Wohlfahrt des
gesamten Judentums als Volk wie als Religionsgemeinschaft. - Die in
schlichter Sachlichkeit und aus warmer Überzeugung zur Versöhnung mahnenden
Ausführungen von Geheimrat Dr. Mayer fanden starken und dankbaren Widerhall.
In einem kurzen Schlusswort erwähnte er noch die innerhalb der jetzigen
allgemeinen staatsrechtlichen Umbildungen entstandene Absicht der Umwandlung
der Religionsgemeinden in Volksgemeinden. Gegen eine solche Politisierung
der bisherigen Kultusgemeinden seien ernste Bedenken zu erheben, da das
Ausscheiden aus einer religiösen Gemeinschaft vor allem Gewissenssache sei
und bleiben müsse, während die Loslösung von einer politischen Gemeinschaft
ohne weiteres erfolgen könne. Wohl aber sei zu wünschen, dass die religiösen
Gemeinden wieder mehr als bisher wahrhaft volkstümliche Gemeinden würden, in
denen unter Anteilnahme, vor allem auch der Frauen und der Jugend das
religiöse Leben einer neuen Blüte entgegen geführt werden könne.
Anmerkungen: Emanzipation:
http://www.alemannia-judaica.de/giessen_synagoge.htm
Reformbestrebungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liberales_Judentum
Antisemitismus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitenliga
Zionismus:
https://wikipedia.org/wiki/Zionismus
Theodor Herzl:
https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Herzl
Deutschnationale:
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschnationale_Volkspartei
Edikt von Nantes:
https://de.wikipedia.org/wiki/Edikt_von_Nantes |
Jüdische
Häuser und die Synagoge werden durch Nationalsozialisten beschmiert (1926)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 19. Februar 1926: "Karlsruhe. (Völkische Bubenstreiche)
In einer der letzten Nächte wurde in der Mittelstadt von Völkischen ein
systematischer Besudelungsfeldzug vorgenommen. An zahlreichen Häuserfassaden
wurden große Hakenkreuze mit Teerfarbe angebracht und in der Kronenstraße
überstiegen die Täter das fast zwei Meter hohe Eisengitter der Synagoge und
besudelten die Vorhalle, die Wände und den Boden und verschonten auch nicht
das Ehrenmal für die im Felde Gefallenen. Sämtliche Blätter, auch die
rechtseingestellten, verurteilen diesen groben Unfug scharf und geben ihrer
Verwunderung darüber Ausdruck, dass der Polizeibericht bisher
auffallenderweise nicht mit einem Worte von diesem nächtlichen Treiben der
Völkischen Notiz nimmt."
Anmerkung: Völkische:
https://de.wikipedia.org/wiki/Völkische_Bewegung |
Über
die religiöse Sonntagsfeier in der Synagoge (1929)
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 4. Januar 1929: "Nach München – Karlsruhe! - Religiöse
Sonntagsfeier in der Synagoge
Erst kürzlich – in unserer Nr. 49 vom 7. September 1928 – berichteten wir
über synagogale Sonntagsfeiern in München und heute sind wir in der
Lage, einen ähnlichen Bericht aus einer anderen süddeutschen Hauptstadt, aus
Karlsruhe, zu veröffentlichen. Das 'Israelitische Gemeindeblatt für
Baden', Abteilung Karlsruhe bringt in seiner Januar-Nummer den nachstehend
abgedruckten Bericht. Haben wir neulich hier gefragt, warum in München
möglich ist, was in Berlin 'nicht geht', so stellen wir heute die
weitere Frage, ob die Juden Berlins es sich leisten können, bei der
Ausgestaltung ihres religiösen Lebens so hinter andern großen Gemeinden
zurückzubleiben und ob sie nicht eine gewisse Beschämung ob ihres
Nachzüglertums empfinden. In allen andern Angelegenheiten hat man ja sonst
gerade in Berlin den Wunsch zur Befriedigung vorhandener Bedürfnisse alle
Mittel anzuwenden und darin nach Möglichkeit der sogenannten 'Provinz'
voranzugehen. Die Schriftleitung.
Vor einigen Monaten konnte man in der jüdischen Presse lesen, dass in der
Repräsentantenversammlung der Berliner Gemeinde ein erbitterter Streit
entbrannt war, der wieder einmal die Leidenschaft der innerjüdischen
Parteien aufwühlte und das traurige Bild der Zerrissenheit und feindlichen
Spaltung innerhalb des deutschen Judentums in betrüblicher Weise
beleuchtete. Es war von Seiten der liberalen Fraktion angeregt worden, man
möge durch Einführung von synagogalen Feierstunden, für deren Abhaltung der
Sonntag gewählt werden sollte, den Versuch einer neuen Befruchtung des
religiösen Lebens unternehmen Diese Anregung rief die Vertreter aller
Parteien auf den Plan, und nachdem sich die Gemüter ob dieses unerhörten
Eingriffes gewaltig erhitzt hatten, verfiel der Antrag schließlich mit
knapper Mehrheit der Ablehnung. - |
Die
Berliner können von unserem badischen 'Musterländle' wieder einmal lernen:
Ohne jede Aufregung ohne irgendeine Debatte haben wir den Versuch gewagt,
der der Reichshauptstadt so erhebliches Kopfzerbrechen verursachte, und das
Wagnis, wenn man überhaupt von einem solchen sprechen will, wurde ein großer
und unumstrittener Erfolg.
Schon bald nach dem Herr Stadtrabbiner Dr. Schiff seine Tätigkeit
hier aufgenommen hatte, erschien ihm neben der Abhaltung von Vorträgen und
Vortragsreden die Einführung besonderer Veranstaltungen in der Synagoge als
ein erwünschtes und geeignetes Mittel, die Gemeindemitglieder zu erhöhter
Teilnahme am religiösen Leben heranzuziehen. In Form einer 'Geistigen
Stunde' wurde wiederholt der Versuch unternommen, außerhalb des
eigentlichen Gottesdienstes, dessen Besuch ja wohl nicht nur hier im Argen
liegt, einen großen Teil der Gemeinde zur Erbauung und Belehrung im
Gotteshause zu vereinen. Der Erfolg dieser Neuerung ermutigte zu einem
weiteren Schritt: Zum ersten Male wurde ein jüdisches Fest, unser
unvergänglich schönes Chanukah, zum Anlass und Inhalt einer
abendlichen Feierstunde in der Synagoge ausersehen, zu welcher
Synagogenrat und Stadtrabbinat auf Sonntag, den 9. Dezember, einluden.
Wer mit skeptischen Zweifeln solchen Unterfangen gegenüberstand, wurde schon
beim Betreten der Synagoge eines Besseren belehrt. Der Besuch übertraf alle
Erwartungen, und das Gotteshaus bot ganz das Bild, wie wir es sonst leider
nur an unseren höchsten Feiertagen sehen. Es war aber nicht nur eine große
Schar, die sich da zusammengefunden hatte, es war auch eine im wahrsten
Sinne andächtige Menge, welche diese Feier vereinte. Manchem Gottesdienste
möchte man hier die Würde und mustergültige Ruhe wünschen, die sich hier
ganz von selbst einstellte. Damit ist aber eigentlich zugleich auch der
Erfolg dieser Feierstunde gekennzeichnet: Sie nahm den Besucher schon mit
den ersten Orgelklängen in ihren Bann und vertiefte den nachhaltigen
Eindruck in ihrem ganzen Ablauf. Den Mittelpunkt bildete eine dem Charakter
des Tages angepasste Ansprache des Herrn Stadtrabbiners Dr. Schiff, welcher
zuvor durch eine Vorlesung aus dem Werke des jüdischen Historikers Flavius
Josephus die Erschienenen mit der geschichtlichen Grundlage des
Chanukah-Festes vertraut gemacht hatte. In knappen, aber darum umso
wirkungsvolleren Umrissen legte der Redner, aus der geschichtlichen
Vergangenheit schöpfend den Sinn durch dieses Festes unserer Gegenwart sowie
seine Bedeutung für die Zukunft unserer Gegenwart sowie seine Bedeutung für
die Zukunft unserer Gemeinschaft dar und verstand es, damit der Feier die
geistige Weihe zu geben. Diese Weihestimmung wurde gehoben durch den Vortrag
zweier Sprechchöre, eines hebräischen der Mädchen (Jesaja 40) und eines
deutschen Sprechchores der Knaben (aus dem 1. Makkabäerbuch). Auch damit
ging man bewusst neue Wege; wenigstens glaube ich nicht, dass bisher schon
versucht worden war, den Sprechchor, ein Erzeugnis unserer modernen
Jugendbewegung, auch für die Synagoge nutzbar zu machen. Das Experiment
ermutigt durchaus zu weiteren Versuchen, denn, wenn auch bei diesem ersten
Schritte keine vollendete Leistung erwartet werden konnte, so zeigte sich
doch, dass diese Sprechchöre auch im Gotteshause ihre eindringliche Wirkung
nicht verfehlen.
Wirkungsvoll, wie immer, gestaltete sich auch das Entzünden der
Chanukah-Lichter, bei welchem Herr Oberkantor Metzger neue Proben
seiner vollendeten Gesangskunst gab und dem sich als Gemeindegesang die
uralte und doch ewig junge Weise des 'Mos Zur' anschloss. Der
geschmackvoll ausgewählte musikalische Teil der Feier brachte noch das
Arioso von Händel, von Herrn Rudi Mayer mit klangschöner Stimme und edlem
Vortrag gesungen, sowie Orgelvorträge unseres langjährigen verdienten
Organisten, Herrn Dirigenten Munz. (Improvisation über 'Mos Zur' und 'Aus
Judas Maccabäus' von Händel).
Mit aufrichtiger Befriedigung können die Veranstalter dieser Feier und vor
allem ihr geistiger Urheber, Herr Stadtrabbiner Dr. Schiff, auf den Verlauf
des Abends zurückblicken. Sie dürfen für sich das Verdienst in Anspruch
nehmen, mit neuen Mitteln und auf neuen Wegen der Gemeinde eine Stunde
ungetrübter Weihe und Erbauung geschenkt zu haben. Wer aber etwa meinen
sollte, dass durch derartige 'moderne' Neuerungen vielleicht die Gefühle
irgendeines religiös eingestellten Menschen verletzt werden könnten, dem sei
zum Schluss noch das Urteil eines Besuchers verraten, der ganz auf dem Boden
des gesetzestreuen Judentums steht und der gegenüber dem Schreiber dieser
Zeilen die Meinung aussprach: Eine schönere und würdigere Chanukah-Feier
könne er sich gar nicht denken. - Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag! H.
St., Karlsruhe."
Anmerkungen: - Stadtrabbiner Dr. Schiff: Dr. phil. Hugo Schiff
https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Schiff_(Rabbiner)
- Flavius Josephus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Flavius_Josephus
- Oberkantor Metzger: Oberkantor Simon Metzger
https://www.karlsruhe.de/b1/stadtgeschichte/blick_geschichte/blick114/metzger.de
- Chanukah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Chanukka
- Mos Zur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Maos_Zur
- Arioso: 'Dank sei Dir, Herr' aus Cantata con stromenti
- Dirigent Munz: Theodor Munz
https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/135286956/Munz+Theodor |
Purim-Feier des Vereins Chinuch Neorim
(1929)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
21. März 1929: "Karlsruhe, 18. März. Am Sonntag, den 17. des
Monats, hatte der Chinuch Neorim seine Mitglieder und Gönner zu einer
wohlgelungenen Purim-Feier in das Künstlerhaus eingeladen. Das bewährte
Vorstandsmitgliedglied, Herr Ludwig Pfeuffer, hatte ein ganz besonders
anziehendes Programm zusammengestellt, was überaus großen Andrang bewies.
Ein gutes Jugendorchester erfreute die Besucher durch lustige Musik und
lösten sich alsdann in bunter Folge humoristische Tanzgruppen von Bachurim
mit Gesängen und Parodien ab. Hervorzuheben ist ein Reigen der Kleine. Als
Ansager wirkte Herr Hermann Brand vom Landestheater in bekannt bewährter
Weise und studierte derselbe auch den Jungen ein von ihm selbst verfasstes,
neuzeitliches Purim-Theaterstück ein, das von vornherein einen
Hauptanziehungspunkt bildete. Die Besucher belohnten die Mitwirkenden daher
auch mit nicht endenwollendem Beifall und wurden die Gäste zum Schlusse noch
durch die Gewinne einer reichhaltigen Tombola erfreut.
Anmerkungen: - Purim-Feier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Purim
- Bachurim: unverheiratet jüdischer junger Mann, meistens ein Studierender
der Tora
- Hermann Brand:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0364
- Landestheater:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0364
|
Generalversammlung des Verbandes der Ostjuden
(1931)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember
1931: "Karlsruhe in Baden, 7. Dezember. Am 31. Dezember fand im
Saale des Hotels Grüner Hof zu Karlsruhe die ordentliche Generalversammlung
des Verbandes der Ostjuden, Ortsgruppe Karlsruhe, statt. - Herr A.
Herschlikowitz eröffnete die sehr gut besuchte Versammlung und
erstattete Bericht über die bisher geleitete Arbeit der Karlsruher
Ortsgruppe. Alsdann gab er das Wort Herrn J. Lupolianski zu einem
Referat über: 'Jüdische Wohltätigkeit in der Vergangenheit und Gegenwart'.
Redner wies nach, wie selbst bei den klassischen Völkern, den Griechen und
Römern, das Unterstützen von Armen nicht nur nicht geübt, sondern sogar
verachtet und geringgeschätzt wurde. Ganz anders aber denkt das Judentum
über den Armen und Bedürftigen, was das (Hebräisch)-Gesetz beweist.
Im Mittelalter, da durch die vielen Verfolgungen und Bedrückungen eine große
Anzahl Juden mittellos wandernd umherzogen, fanden sie, wohin sie auch
kamen, bei ihren Brüdern ein offenes Haus und eine geöffnete Hand. Viele
spanische Juden, deren Tisch immer gedeckt war, für jeden, der hungrig und
durstig zu ihnen kam, ließen ihren Sarg aus den Brettern eben dieses Tisches
zimmern, um anzudeuten, dass der Mensch nach dem Tode nichts als seine guten
Taten mitnehme. So zeigt sich, führte der Redner aus, dass in allen Zeiten
und Ländern Wohltätigkeit-Üben des Juden vornehmste Pflicht war. Er richtete
dann den warmen Appell an alle Versammelten, in der jetzt herrschenden Not
dieser Pflicht eingedenk zu sein und alle Kräfte aufzubieten, und die
Wohltätigkeitsarbeit zu fördern und zu stützen. Die schönen und warmen Worte
des Redners wurden mit großem Beifall aufgenommen. Es wurden folgende Herren
in den Vorstan gewählt: H. Leiner, J. Lupolianski, S. Horowitz, A. Bock, J.
Herzig, Majer Weiß, J. Psisucha, A. Herschlikowitz und E. Groß. - Herr Groß
dankte dem scheidenden Vorstand für seine bisher geleistete Arbeit und
schloss die Versammlung."
Anmerkungen: - Grüner Hof:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/B64EELSP4GJC5PIAGW3SRBNHZ6R3IHLF
- H. Leiner: Wahrscheinlich
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/2402/suche/L.html
- J. Lupolianski: Jakob und Josef Lupolianski
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/2602/seite/3/suche/L.html
- S. Horowitz: Samuel Horowitz
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1833/suche/H.html
- Majer Weiß:http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/4607/suche/W.html
- J. Psisucha: Wahrscheinlich Josef Przysucha
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/3396/suche/P.html
- A. Herschlikowitz:
http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/1600/suche/H.html |
Purimfeier des Esra-Vereins
(1934)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März
1934: "Karlsruhe, 11. März. Am 3. März dieses Jahres
veranstaltete der 'Esra' Karlsruhe im Munz’schen Konservatorium eine
gelungene Purimfeier. Obgleich der 'Esra' hier zum ersten Male mit einer
großangelegten Veranstaltung vor die Öffentlichkeit trat, war der Saal
vollständig überfüllt Nach einigen einleitenden Worten, die vor allem die
Wichtigkeit der Arbeit für Talmud Tauroh Limmud-Amt des Esra und Keren
Hajischuw, denen auch der reichliche Reinerlös zufloss, hervorgehoben, nahm
das etwa 3 ½stündige, abwechslungsreiche Programm seinen Anfang. Einige
nette Theaterstücke, dazwischen Musik, Tanz der Kleinen, Couplets,
hebräische und jiddische Lieder, letztere gesungen von Herrn Kantor
Glußmann, dessen klangvoller Bariton besonders gut gefiel, ernteten
begeisterten Beifall. Mit einem technisch schwierigen Stück, das der kleine
Geigenkünstler Jacubowitz sehr schön spielte, endete der erste Teil
der Veranstaltung. In der Pause wurde der Tombola, deren Erträge ebenfalls
oben genannten Institutionen zufloss, eifrig zugesprochen. Dann folgten noch
ein satirisches Stückchen: 'Handarbeitsabend bei Frau Kohn', das einige
örtliche Verhältnisse unter die Lupe nahm, sowie ein sehr feines Purimstück,
von einigen kleinen Jungen gespielt, das besonders mit Beifall bedacht
wurde, sodass das zahlreich erschienene Publikum mit dem befriedigenden
Bewusstsein nach Hause ging, einige vergnügte Stunden erlebt und dazu ein
gutes Werk unterstützt zu haben."
Anmerkungen: - Purimfeier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Purim
https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/474612/jewish/Was-ist-Purim.htm
- Munz’sches Konservatorium:
https://ka.stadtwiki.net/Munz%27sches_Konservatorium. |
Eine Gruppe der Agudas Jisroel Karlsruhe weiht ein neues
Vereinszimmer ein (1937)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. März 1937: "Esra Pirche Agudas Jisroel Karlsruhe
Am Schabbat Hagadol hat die hiesige Gruppe der Esra Pirche Agudas
Jisroel , die von ihr in den Räumen der Israelitischen Religionsgesellschaft
neu hergerichteten Vereinszimmer eingeweiht. Die Namen, die die Jugend
diesen Räumen gegeben, lassen den Ernst ihres Strebens erkennen. Das
Hauptzimmer nannten sie 'Rabb. Dr. Sinai-Schiffer-Zimmer', in pietätvoller
Erinnerung an den früheren langjährigen Rabbiner der Israelitischen
Religionsgesellschaft. Ein weiteres erhielt den Namen 'Chofez-Chajim-Zimmer'
als Zeichen der inneren Verbundenheit mit diesem Großen - das Gedenken an
den Gerechten ist zum Segen - in dem seinen Namen tragenden Kibbuz der
Agudas Jisroel (siehe
https://de.wikipedia.org/wiki/Chafetz_Chaim_(Kibbuz). Ein weiteres
verewigt in seinem Namen das Andenken an die Gründer der Beth-Jakow-Bewegung
'Leo Deutschländer und Sara Schenirer-Zimmer'. Das vierte nannten sie 'Erez-Israel-Zimmer'.
Nach eigenen Entwürfen hat die Jugend diesen mit Zeichnungen und Bildern
geschmückt. Besonders eindrucksvoll sind zwei Wandbänder. Sie tragen die
Inschriften ('Einer dem andern stehen sie bei, und zum Bruder spricht
jeder: sei stark!' Jesaja 41,6 - 'Das Land Israel ohne Tora ist
wie ein Körper ohne Seele'). Bei der Einweihungsfeier, die von jüdischen
Gesängen umrahmt war, wies Herr Rabbiner Dr. Michalski darauf hin, dass
diese Wandsprüche die Namen der Zimmer eine hohe moralische Verpflichtung
für die Jugend enthielten. Es sei eine ernste Mahnung, wie sie auch aus den
Schlussworten der (Hebräisch) über die Einweihungstage des Stiftzeltes, zu
Israel sprach, Herr Lehrer Rabinowitz knüpfte an diese Anführungen an. Der
Führer, Meier Ettlinger, dankte allen, die sich um die Herrichtung der Räume
gemüht. Im Auftrage des Vorstandes der Israelitischen Religionsgesellschaft
übergab Herr Schwarz der Jugend das Benutzungsrecht der Räume und verband
damit den Wunsch einer würdigen, der Tora und Gottesfurcht
geweihten Bestimmung."
Anmerkungen: - Schabbat Hagagol
https://de.wikipedia.org/wiki/Schabbat_ha-Gadol
- Rabbiner Dr. Sinai Schiffer:https://de.wikipedia.org/wiki/Sinai_Schiffer
- Chofez Chajim: https://de.wikipedia.org/wiki/Israel_Meir_Kagan
- Leo Deutschländer: 1888 in Berlin – 1935 in Wien, Pädagoge, der sich vor
dem 1. Weltkrieg, um die jüdische Bildung in Litauen verdient gemacht hat
https://www.encyclopedia.com/religion/encyclopedias-almanacs-transcripts-and-maps/deutschlaender-leo
- Sara Schenirer: Polnische Pädagogin, die sich für die Bildung von Mädchen
einsetzte:
https://en.wikipedia.org/wiki/Sarah_Schenirer
- Lehrer Rabinowitz: Isaak Rabinowitz, Religionslehrer und Buchhändler,
Karl-Friedrich-Straße 16 Israelitische Religionsgesellschaft:
https://de.wikipedia.org/wiki/Israelitische_Religionsgesellschaft_(Karlsruhe)
|
Berichte zu besonderen jüdischen Einrichtungen in Karlsruhe
Das israelitische Landesstift
Über das Israelitische Landesstift (Internat für jüdische
Seminaristen am Lehrerseminar) (1886)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. November
1886: "Bei diesem Anlasse möchte ich auch noch auf eine in den
jüngsten Tagen ins Leben gerufene, neue, höchst zweckmäßige Anstalt hier
hinweisen, nämlich die Errichtung eines Internats für israelitische Zöglinge
des Lehrerseminars, in welchem dieselben eine anständige Verpflegung,
Wohnung und Überwachung finden sollen und so insbesondere mehr wie bisher
auf den zeitraubenden, ihr Ehrgefühl verletzenden, sogenannten Wandertisch
angewiesen sein werden. Über die vorbereitenden Schritte zum Zwecke der
Anstaltsgründung und über die stattgehabte Eröffnung der Anstalt können Sie
das Nähere aus der hier folgenden Veröffentlichung erleben. Karlsruhe,
4. Nov.
(Israelitisches Landesstift) Seit alter Zeit waren die israelitischen
Zöglinge des hiesigen Lehrerseminars, da sie das mit diesem verbundene
Internat nicht benützen konnten, genötigt, für Beschaffung von Wohnung und
Beköstigung selbst Sorge zu tragen. Von Hause aus meist unbemittelt, mussten
sie möglichst billige, wenn auch teilweise recht ungeeignete Zimmer zu
mieten und den nötigen Unterhalt im Wege der Mildtätigkeit - mittels des
sogenannten Wandertisches – zu erlangen suchen. Vor zwei Jahren nun stellte
ein in England lebender Badener, welcher sich zurzeit an dem hiesigen
Seminar für das Lehrfach ausgebildet und das Demütigende und Beschämende des
'Herumessens' an sich selbst bitter empfunden hatte, dem Großherzoglichen
Oberrat der Israeliten die Summe von 2.000 M. als erste Grundlage für einen
weiteren Fonds zur Gewährung freier Beköstigung an minderbemittelte
israelitische Seminaristen zur Verfügung. Im vorigen Jahre ließ er weitere
2.000 M. folgen und ein anderer in England lebender Badener, welcher hiervon
Kunde erhalten, sandte sofort ebenfalls 2.000 M. Nachdem so in kurzer Zeit
ein Grundstock von 6.000 M. angesammelt war, wandte sich der Großherzogliche
Oberrat unter Hinweis auf die edlen Vorbilder an die israelitischen
Gemeinden des Landes, indem er dieselben mit Genehmigung der zuständigen
Ministerien zur Sammlung freiwilliger Beiträge für den gleichen Zweck
aufforderte.
Das Ergebnis war ein recht günstiges, indem auf diese Weise die Summe von
15.000 M. aufgebracht wurde, wovon die Israeliten der Residenz allein über
5.000, diejenigen in
Mannheim
gegen 3.000 spendeten. Im Besitz dieser Mittel bemühte sich der
Großherzogliche Oberrat, da es bisher auch an einer geeigneten Überwachung
der in der Stadt zerstreut wohnenden israelitischen Seminaristen gefehlt
hatte, ein vollständiges Internat für dieselben einzurichten, und es gelang
auch hierfür bald eine passende Wohnung in günstiger Lage hiesiger Stadt
(Zirkel Nr. 14) mietweise zu erwerben. Als Leiter der neu errichtenden
Anstalt wurde Rabbiner Dr. Treitel, hier der bisherige Religionslehrer der
israelitischen Seminarzöglinge, gewonnen.
Mit dem heutigen Tage ist nunmehr dieses Internat unter dem Namen
'Israelitisches Landesstift' ins Leben getreten, nachdem gestern Abend eine
einfache, aber würdige und erhebende Einweihungsfeier stattgefunden hatte.
An derselben beteiligten sich Mitglieder des Oberrats und des hiesigen
Synagogenrats, der Großherzogliche Seminardirektor Leutz, Bezirksrabbiner
Dr. Sondheimer von
Heidelberg, Stadt- und Konferenzrabbiner Dr. Schwarz von hier und eine
größere Anzahl sonstiger geladener Personen. Nach Vortrag eines Psalms durch
den Chor der Zöglinge, hielt Oberrat Willstätter in markigen und von
jugendlichem Feuer durchglühten Worten die Eröffnungsrede an deren Schlusse
er die neue Anstalt ihrem Vorstande überantwortete und die Mitglieder des
für dieselbe bestellten Verwaltungsrates in ihr Amt einführte. Direktor Dr.
Treitel verbreitete sich hierauf in lichtvoller Ausführung über die
Grundsätze, nach welchen er die ihm unterstellte Anstalt zu leiten gedenke
und über die Aufgabe dieser letzteren als eines sich enge an die staatliche
Lehrerbildungsanstalt anlehnenden Unternehmens. Nach Beendigung des
eigentlichen Festaktes wurde ein Rundgang durch die Räume des Internats
unternommen, deren Einteilung und innere Einrichtung allgemein befriedigte.
Die ganze Wohnung besteht aus acht Zimmern, von welchen vier für die Familie
des Direktors vorbehalten sind, eines als Konferenzzimmer dient und drei
(zwei Schlafsäle, ein Ess- und Arbeitszimmer) zur Unterbringung der Zöglinge
verwendet werden. Die Verköstigung wird von dem Direktor gegeben, die
Internatsordnung enthält im Wesentlichen die für das Großherzogliche
Lehrerseminar I. hier geltenden Bestimmungen.
Möge die neue Anstalt, welche einem längst gefühlten Bedürfnisse entspricht,
indem sie die israelitischen Seminarzöglinge der zeitraubenden und ihr
Ehrgefühl verletzenden Inanspruchnahme der Privatwohltätigkeit enthebt,
allezeit zum Segen wirken!
Anmerkungen: - Rabbiner Dr. Treitel: Rabbiner Dr. phil Leopold Treitel
https://en.wikipedia.org/wiki/Leopold_Treitel
- Oberrat Willstätter:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- Konferenzrabbiner Dr. Schwarz: Rabbiner Dr. phil Adolf Schwarz
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0340
- Lehrerbildungsanstalt:
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:ins-1557 |
Bericht über das "Israelitische Landesstift" - zwei
Jahre nach Eröffnung der Einrichtung (1888)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Oktober
1888: "Karlsruhe, 26. Sept. (Privatmitteilung)
Das 'Israelitische Landesstift' hat seinen Verwaltungsbericht über die
ersten beiden Jahre seines Bestehens ausgegeben. Die Geschichte dieser neuen
Veranstaltung ist interessant genug, um uns zu veranlassen, die betreffenden
Stellen des Berichtes hier wiederzugeben.
Seit alter Zeit waren die israelitischen Zöglinge des allgemeinen
Lehrerseminars zu Karlsruhe, da sie das mit diesem verbundene Internat nicht
benützen konnten, genötigt, für Beschaffung von Wohnung und Beköstigung
selbst Sorge zu tragen. Von Hause aus meist unbemittelt, mussten sie
möglichst billige, wenn auch teilweise recht ungeeignete Zimmer mieten und
den nötigen Unterhalt im Wege der Mildtätigkeit – mittelst de sogenannten
Wandertisches – zu erlangen suchten. Vor zwei Jahren nun stellte ein in
England lebender Badenser, welcher sich seiner Zeit an dem hiesigen Seminar
für das Lehrfach ausgebildet und das Demütigende und Beschämende des 'Herumessens'
an sich selbst bitter empfunden hatte, dem Großherzoglichen Oberrate der
Israeliten die Summe von 2.000 Mark als erste Grundlage für einen Fonds zur
Gewährung freier Verköstigung an minderbemittelte israelitische Seminaristen
zur Verfügung. Im vorigen Jahre ließ er weitere 2.000 Mark folgen und ein
anderer in England wohnender Badenser, welcher hiervon Kunde erhalten,
sandte sofort ebenfalls 2.000 Mark. Nachdem so in kurzer Zeit ein Grundstock
von 6.000 Mark angesammelt, wandte sich der Großherzogliche Oberrat unter
Hinweis auf diese edlen Vorbilder an die israelitischen Gemeinden des
Landes, indem er dieselben mit Genehmigung der zuständigen Ministerien zur
Sammlung freiwilliger Beiträge für den gleichen Zweck aufforderte. Das
Ergebnis war im Ganzen ein günstiges, indem auf diese Weise die Summe von
15.000 M. aufgebracht wurde, wovon die Israeliten der Residenz, obgleich sie
bisher die Last des Wandertisches der israelitischen Seminaristen
ausschließlich zu tragen hatten, allein über 5.000, diejenigen in
Mannheim
gegen 3.000, diejenigen in
Heidelberg über 1.100 Mark spendeten. Im Besitze dieser Mittel bemühte
sich der Großherzogliche Oberrat, da es bisher auch an einer geeigneten
Überwachung der in der Stadt zerstreut wohnenden Seminaristen gefehlt hatte,
ein vollständiges Internat für dieselben einzurichten, und es gelang auch,
hierfür bald eine passende Wohnung in günstiger Lage hiesiger Stadt (Zirkel
Nr. 14) mietweise zu erwerben. Als Leiter der neu zu errichtenden Anstalt
wurde Rabbiner Dr. Treitel hier, der bisherige Religionslehrer der
israelitischen Seminarzöglinge gewonnen.
Mit dem 1. November 1886 ist nunmehr dieses Internat unter dem Namen
'Israelitisches Landesstift' ins Leben getreten, nachdem am Abend vorher
eine einfache, aber würdige und erhebende Einweihungsfeier stattgefunden
hatte, bei welcher Herr Oberrat Willstätter eine sehr beredte Ansprache
hielt. - Das Internat befasst jetzt acht Zöglinge und würde eine größere
Anzahl aufgenommen werden, wenn die bis jetzt vorhandenen Geldmittel dazu
ausreichten.
Da Herr Treitel anderweitig zu sehr in Anspruch genommen war, wurde eine
eigene Lehrkraft für das Amt des Internatsvorstandes und Religionslehrers am
Seminar in der Person des Lehrers und Predigers Daniel Einstein angestellt.
Den Unterricht in den Religionsfächern erhalten die |
Zöglinge
in 6 Stunden wöchentlich. Derselbe erstreckt sich auf Übersetzen und
Erklären des Pentateuchs und ausgewählter Psalmen, sowie geeigneter Stellen
des Raschikommentars zum Pentateuch, ferner auf hebräische Sprachlehre,
biblische und nachbiblische Geschichte und systematische Religionslehre.
Außerdem erteilte Herr Stiftsrabbiner Weil hier in wöchentlich 2 Stunden
Unterricht in der Mischnah und im Schulchan-Aruch.
In der Versehung des Kantorats erforderlichen Kenntnissen und praktischen
Fertigkeiten unterrichteten Herr Oberkantor Rubin 1 Stunde und Herr Kantor
Reichenberger 2 Stunden wöchentlich.
Die Einnahmen betrugen 28.974 M., die Ausgaben 5.000 M., sodass am 1. Januar
1888 ein Restvermögen von 23.693 M. Verblieb. Zur Deckung der Ausgaben
musste ein Teil der gesammelten Kapitalien in Anspruch genommen werden und
um so nachdrücklicher wendet sich der Verwaltungsrat an alle Israeliten
Badens, für diese wohltätige Anstalt, durch welche ein tüchtiger Lehrerstand
ermöglicht wird, mit gewohnter Opferwilligkeit beizutragen. Wir hoffen, dass
dieser Aufruf seine Wirkung nicht verfehlen wird und dass besonders die
Gemeinden einen regelmäßigen Beitrag auf ihren Etat nehmen werden."
Anmerkungen: - Oberrat Willstätter: Rabbiner Benjamin Willstätter
https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0652
- Rabbiner Dr. Treitel: Rabbiner Dr. phil. Leopold Treitel
https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/1012367827/Treitel+Leopold+Jakob+Jehuda
- Daniel Einstein:
http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/carl-einstein/DE-2086/lido/57c6a294205994.38066637
- Pentateuch: Fünf Bücher Mose
https://de.wikipedia.org/wiki/Tora
- Raschi:
https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/64590/
- Mischnah:https://de.wikipedia.org/wiki/Mischna
- Schulchan-Aruch:https://de.wikipedia.org/wiki/Schulchan_Aruch
- Oberkantor Rubin: Oberkantor Samuel Rubin (1846 .1909) war ein Schüler von
Kantor Salomon Sulzer
https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Sulzer |
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