In Bad Kissingen lebten Juden vermutlich bereits im Mittelalter. Der Name
der Stadt (Nennung als oppidum - Stadt erstmals 1279) wird in den Gedenkbüchern
für die Opfer der Judenverfolgung durch "Ritter" Rintfleisch 1298
aufgeführt. Die Erwähnung Kissingens ist jedoch nicht unumstritten, da es
sonst keinerlei Hinweis für Juden in der mittelalterlichen Stadt gibt und eine
(allerdings weniger wahrscheinliche) Verwechslung mit Kitzingen vorliegen könnte.
Im Zeitraum zwischen 1500 und 1750 ließen sich jüdische Personen wieder
in der Stadt nieder. So konnten sich unter dem Schutz der Herren von Erthal im
ehemaligen "Judenhof" in der heutigen Bachstraße (Gebäude Nr. 3-9)
einige "Schutzjuden"-Familien niederlassen (vgl. Fotos unten). Sie waren nicht von der
Vertreibung durch den Würzburger Bischof Ende des 16. Jahrhunderts betroffen. 1644
waren 163 "Schutzjuden" in der Stadt. Ein Teil von ihnen lebte wohl in
der heutigen Grabengasse, der ehemaligen "Alten Judengasse". Seit
Anfang des 17. Jahrhunderts gab es auch die ersten jüdischen Kurgäste in der
Stadt (1603/04 wird als Kurgast des "Juden Gump Frau aus Oberthulba"
genannt.
1817 wurden für Bad Kissingen 45 Judenmatrikeln festgesetzt. Es
handelte sich (nach Annahme der festen Familiennamen) um die folgenden jüdischen
Haushaltungen beziehungsweise Familien (mit jeweiligem Gewerbe): Simon Löwenthal
(Viehhandel und Schlachten), Witwe Judith Wohnberg (Viehhandel), Koppel Schwed (Judentraiteur),
Benedict Rosenbaum (Privatlehrer), Witwe Jendle Rosenau (Viehhandel), Jaidel
Heilner (Schmusen), Jacob Bergfeld (Schmusen), Laemlein Hofmann (Viehhandel),
Itzig Straus (Viehschlachten), Löw Leuthold (Schnitthandel), Haium Oberzimmer
(Viehhandel), Witwe Sara Rosenstock (Handarbeiten), Schloma Mainzer
(Viehhandel), Schloma Eisenburg (Viehhandel), Isaac Kraus (Schmusen) Moses
Poppermann (Handel mit Vieh und kurzen Waren), Aron Wittekind (Handel mit
Schnittwaren) Salomon Hamburger (Viehschlachten), Koppel Freytag (Schmusen)
Oscher Sternfeld (Viehhandlung und Schacher), Joseph Gutmann (Viehhandel), Hess
Ullmann (Viehhandel), Laemlein Ehrlich (Viehhandel), Itzig Losmann (Viehhandel),
Michael Goldstein (Vieh- und Schnittwarenhandel), Maier Willig (Tuch- und
Schnittwarenhandel), Maier Schönburger (Vieh- und Wangenhandel, später Vorgänger),
Faibel Kugelmann (Vieh- und Warenhandel), Löser Mann (Viehschlachten und
Kramhandel), David Stahl (Viehhandel) Löw Friedländer (ohne Erwerb), Israel
Hartmann (Viehschlachten), Joseph Löwenau (Schmusen), Joseph Löwenthal (Haut-
und Viehhandel), Kaufmann Eisenburg (Wollen- und Viehhandel).
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 181 jüdische Einwohner (17,0 % von insgesamt 1.064 Einwohnern,
siehe die obigen 45 Familien), 1837 210 (13,1 % von 1.600), 1867 314 (12,1 % von
2.591), 1880 356 (9,2 % von 3.873), 1900 333 (7,0 % von 4.757), 1910 307 (5,3 %
von 5.831).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde insbesondere eine Synagoge,
eine Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der teilweise zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Zeitweise gab es für diese Aufgaben auch mehrere Angestellte der Gemeinde. 1817
wird (in der Matrikelliste ohne Nr.) als Lehrer Moses Berg aus Thalmässing
genannt, der seit 1800 Lehrer der jüdischen Gemeinde war. Besonders zu nennen
ist unter den jüdischen Lehrern Ludwig Steinberger (aus Schonungen), der von
1896 an Kantor und Lehrer in Bad Kissingen war.
1839 wurde Bad Kissingen Sitz eines Bezirksrabbinates, zu dem etwa
2.500 jüdische Gemeindeglieder in zahlreichen umliegenden Gemeinden gehörten
(1933 noch 28 Gemeinden). Die Rabbiner waren Lazarus Adler (1839-1852),
Gabriel Lippmann (1853-64) und Moshe Aryeh Leib Bamberger (1865-1902).
Unter den zahlreichen Kurgästen der Stadt gehörten auch viele jüdische
Personen, die teilweise aus dem Ausland (England, Frankreich, Russland, Ungarn,
USA) in die Stadt kamen. Manche starben während ihrer Kurzeit in Bad Kissingen
(vgl. Textseite - wird derzeit erstellt).
Verschiedene HotelsPensionen und Sanatorien waren im
Besitz jüdischer Familien. Mehrere jüdische Ärzte waren in der Stadt
und den Kureinrichtungen tätig.
Die bekanntesten Hotels waren:
- Hotel Ehrenreich in der Kurhausstraße/Ecke Lindesmühlpromenade, später
in der Theresienstraße; die Geschichte des Hotels begann in den 1870er-Jahren
mit einem "Privatkosttisch" des Lehrers Eliezer Lazarus Ehrenreich;
seine Tochter Rifka führte mit ihrem Mann Emil Jeidel das Hotel weiter.
Unter den Sanatorien ist das Diätkurhaus von Dr. Edgar Apolant zu nennen
(Menzelstraße 8/9) sowie die Kurhäuser von Nathan Bretzfelder ("Villa
Holländer", Bismarckstraße 12), Dr. Philipp Münz (Theresienstaße 7),
Ida Neuburger (Hartmannstraße 5), Bella Regensburger, Klara Rosenau
(Bismarckstraße 15);
- Hotel Herzfeld; Hotel Schwed; Hotel Geschwister Seelig.
1905 wurde auf Grund der Initiative von Isaak Seckel Bamberger
(Bezirksrabbiner von 1902-32) die "Israelitische Kinderheilstätte"
eröffnet (Salinenstraße 34). Sie bot kranken Kindern minderbemittelter
Familien aus allen Teilen Deutschlands nahezu unentgeltliche ärztliche Hilfe
(68 Plätze). Es bestand seit 1927 auch das "Israelitische Kurhospiz".
Ein Verein hierzu war bereits 1905 gegründet worden, doch konnte das "Ziel
der Errichtung eines Hospizes für Kurbedürftige des Armen- und
Mittelstandes" auf Grund des Ersten Weltkrieges und der Inflationszeit erst
1927 verwirklicht werden ("Villa Bavaria", Altenberg 2; mit 39 Plätzen;
zu den Einrichtungen siehe besondere Textseite - wird derzeit erstellt).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Benzion Bamberger
(geb. 30.5.1874 in Kissingen, gef. 29.5.1918), Arthur Baumblatt (geb. 12.6.1896
in Kissingen, gef. 15.1.1917), Paul Ehrlich (geb. 26.7.1886 in Kissingen, gef.
9.1.1917), Martin Frank (geb. 25.1.1898 in Kissingen, gef. 16.12.1916), Gustav
Heilner (geb. 13.5.1889 in Kissingen, gef. 16.10.1914), Gefreiter Curt (Kurt)
Hofmann (geb. 17.3.1895 in Barchfeld, gef. 3.10.1918), Erich Loewynsky (geb.
15.2.1885 in Berlin, gef. 30.3.1918) und Jakob Seelig (geb. 1.6.1882 in
Kissingen, gef. 27.9.1915). Ihre Namen stehen auf einer vor einigen Jahren in
der rechten Seite der Vorhalle des Tahara-Hauses auf dem jüdischen Friedhof
angebrachten Gedenktafel. Sechs der genannten Namen stehen auch auf den Tafeln
der kommunalen Gedenkstätte für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges an der
Westmauer des Kapellenfriedhofes am Kapellenpfad.
Mitte der 1920er-Jahre, als der Gemeinde die Höchstzahl von 504 Personen
angehörten (1925), gehörten dem Synagogenvorstand der jüdischen Gemeinde die
Herren S. Hofmann, Nathan Bretzfelder, Louis Liebmann, Albert Kissinger,
Leuthold, Lazarus Frank und Louis Hofmann an. Als Lehrer und Kantor wirkte
Ludwig Steinberger, als Kultusbeamter (zweiter Lehrer, Hilfskantor und Schochet) Gustav Neustädter. An jüdischen Vereinen
gab es unter anderem einen Israelitischen Wohltätigkeitsverein (Chevra,
gegr. 1860, 1924/32 unter Leitung von Nathan Bretzfelder; 1932 70 Mitglieder;
Zweck und Arbeitsgebiete: Krankenpflege, Unterstützung Hilfsbedürftiger,
Bestattungswesen) und einen IsraelitischenFrauenverein (gegründet
1860, 1924/32 unter Leitung von Sara Hofmann, 1932 88 Mitglieder; Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger) und eine Wanderarmenkasse(1924
unter Leitung von Rabbiner Dr. Bamberger) und weitere Vereine.
1933 lebten 344 jüdische Einwohner in Bad Kissingen. Bis um 1935 konnten
sich noch 15 jüdische Einrichtungen (Hotels, Kureinrichtungen und Gaststätten)
mit Plätzen für 600 Kurgäste halten.
Beim Novemberpogrom 1938, der in Bad Kissingen am 10. November 1938 stattgefunden hat, wurden die prächtige neue Synagoge der Stadt, jüdische Geschäfte, Häuser und Wohnungen, jüdische Hotels, Kureinrichtungen und Gewerbebetriebe von Männern des Bad Kissinger SA-Sturms unter Anführung des SA-Obersturmbannführers Emil Otto Walter in barbarischer Weise beschädigt und zerstört. Auch SS und auswärtige Männer des NSKK Hammelburg, die mit dem Motorrad angefahren kamen, waren im Tagesverlauf des 10. November am Pogrom in Bad Kissingen beteiligt. Bis in die späten Abendstunden hinein dauerten die Verhaftungen jüdischer Pogromopfer an, sodass das Bad Kissinger Amtsgerichtsgefängnis am 11. November 1938 mit 29 jüdischen Häftlingen (28 Männer und eine Frau) überfüllt war. 14 der Inhaftierten wurden wenige Tage später in das KZ Dachau eingewiesen, darunter befand sich auch die am Pogromtag verhaftete Sally Mayer. Quellennachweis: Strafprozessakte des Bad Kissinger SA-Obersturmbannführers Emil Otto Walter, Staatsarchiv Würzburg; Namensverzeichnis der ermordeten Juden Bad Kissingens, Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs
www.bundesarchiv.de/gedenkbuch;
www.infranken.de, 08.11.2013, Bad Kissingen gedenkt seiner jüdischen Geschichte. Viele der jüdischen
Einwohner verließen nun die Stadt. Von den 1942 noch verbliebenen 43 jüdischen
Einwohnern wurden die meisten deportiert und ermordet. Am 29. Mai 1942 konnte
die Saale-Zeitung die makabre Mitteilung bringen: "Bad Kissingen judenfrei.
Wie vom Bürgermeister der Stadt mitgeteilt wird, hat am 20. Mai 1942 der letzte
Jude Bad Kissingen verlassen."
Von den in Bad Kissingen geborenen und / oder längere Zeit in der Stadt
lebenden jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Liste nach
der Zusammenstellung von C. Binder / M. Mence s.Lit. S. 169-174): Feiga Abkin
(1900), Edith Adler (1899), Israel Adler (1875), Jeanette Adler (1873), Suse
Adler (1920), Therese Adler geb. Rosenthal (1887), Ella Apolant (1871), Irene
Appel geb. Löwenthal (1904), Kehla Bamberger (1893), Nanette Bamberger geb.
Bamberger (1870), Babette Bauer geb. Schloss (1884), Hermann Baumblatt (1864),
Sara Baumblatt geb. Neuburger (1867), Heinrich Benedick (1885), Fanny Bloemendal
geb. Neustadt (1879), Josef Bloemendal (1912), Manfred Bloemendal (1907),
Siegfried Bloemendal (1880), Hermann Blum (1892), Selma Blum (1892), Sara
Blumberg (1864), Berta Dispecker geb. Freitag (1858), Klara Dreifuss geb.
Schloss (1868), Wolff Ehrenreich (1880), Berta Elias geb. Frank (1871), Jetty
Felsberg geb. Zarnowietzky (1903), Betty Frank (1901), Julius Frank (1873),
Salomon Frank (1903). Margarete Friedmann geb. Dammann (1886), Hermine
Goldschmidt geb. Weil (1890), Otto Goldstein (1933), Siegmund Grünebaum (1872),
Erna Gutmann geb. Haas (1890), Felix Gutmann (1876), Hedwig Haas geb. Löwenthal
(1887), Louis Hahn (1901), Lina Hamburger geb. Reich (1865), Theo David Hartmann
(1843), Selma Hartmann geb. Stern (1876), Irma Heilner (1894), Herta Herz geb.
Lustig (1896), Adele Heymann geb. Baum (1866), Solms Heymann (1858), Nanni Holländer
geb. Stern (1873), Selma Horwitz geb. Heilner (1885), Leopold Jakob (1883),
Fritz Jordan (1903), Paula Jordan geb. Frank (1889), Albert Kahnlein (1908),
Siegfried Kahnlein (1912), Daniel Kissinger (1877), Else Kissinger geb.
Kissinger (1879), Emma Kissinger (1875), Ludwig Kissinger (1887), Siegfried
Kissinger (1876), Olga Legat geb. Mork (1878), Salomon Leuthold (1862), Anna
(Gustl) Liebmann geb. Kaufmann (1885), Daniel Liebmann (1876), Suse Lind (1920),
Hedwig Löbenthal geb. Rosenau (1869), Isidor Löwenstein (1896), Flora Löwenthal
geb. Grünebaum (1905), Hannchen Löwenthal geb. Lion (1885), Hannchen Löwenthal
geb. Oberzimmer (1855), Ludwig Löwenthal (1898), Max Löwenthal (1872), Max Löwenthal
(1896), Max Löwenthal (1900), Selma Löwenthal (1889), Willi Löwenthal (1928),
Else Löwinsky (1883), Hertha Losmann (1893), Josef Losmann (1891), Irma Lustig
geb. Löwenthal (1891), Amalie Mann (1867), Lucie Mann (1907), Sabine Mann
(1870), Sofie Mann (1869), Irmgard Mantheim (1908), Helene Mayer geb. Lisberg
(1875), Irma Mayer geb. Bretzfelder (1895), Julia Mayer geb. Mainzer (1862), Dr.
Sally Mayer (1889), Camilla Michels geb. Löwenthal (1890), Franz Mosesmann
(1893), Irene Müller geb. Hofmann (1898), Leopold F. Müller (1889), Dr. Alfred
Münz (1897), Pinkus Münz (1865), Ida Neuburger geb. Löwenthal (1889), Carl
Neumann (1860), Julius Neumann (1894), Ernst David Neustädter (1926), Gustav
Neustädter (1892), Paula Neustädter geb. Bacharach (1896), Nathan Oberzimmer
(1884), Flora Pappenheimer geb. Kugelmann (1880), Karl Pappenheimer (1875),
Selma Regensteiner (1897), Brigitte Rheinstein geb. Frank (1883), Hermann S.
Rosenau (1894), Paula Rosenau geb. Feuchtwanger (1878), Simon H. Rosenau (1861),
Alfred Rosenfeld (1903), Blanka Rosenfeld geb. Strauß (1908), Karoline
Rosenfelder geb. Löwenthal (1867), Hugo Rosenthal (1885), Martha Rossner geb.
Dannheimer (1873), Dr. Paula Sally geb. Born(1888), Klara Scher (1894), Benedikt
Schloss (1875), Thekla Schloss (1902), Adolf Schönwiesner (1883), Hedwig Seelig
(1878), Rosa Seelig (1880), Martha Spier geb. Löwenthal (1891), Amanda Steinam
geb. Hamburger (1881), Anna Stern (1924), Thekla Stern geb. Heymann (1891),
Berta Sterzitz (1906), Julius Strauss (1896), Dr. Siegfried Wahle (1869),
Therese Wittekind (1864), Selma Wolff geb. Kissinger (1877).
Zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit werden in Bad Kissingen seit Frühjahr 2009 "Stolpersteine"
verlegt (vgl. Presse-Artikel unten). Bis 2020 wurden insgesamt 74 dieser
Gedenksteine in der Stadt verlegt (vgl. Berichte unten).
1945 entstand in Bad Kissingen eine
jüdische DP-Gemeinde, bestehend aus Displaced Persons ("Jewish Committee [AJDC] Bad
Kissingen", vgl. die "Essen-Karte" unten). Im November 1945
wurden 30 jüdische Einwohner in Bad Kissingen gezählt. Im Januar 1946 waren es
125 Personen, im Juli 1946 144 Personen. Nach Gründung des Staates Israel sind
viele von ihnen ausgewandert.
Zur Neugründung einer
selbstständigen jüdischen Gemeinde in der Stadt kam es jedoch auf Grund der zu geringen
Zahl am Ort lebender jüdischer Personen nicht (1961: 9 jüdische
Einwohner). Immerhin besteht in Bad Kissingen mit dem Kurheim Eden-Park die
einzige jüdische Kureinrichtung in Deutschland mit koscherer Küche. Im Rahmen
von 2-wöchtigen Bildungsaufenthalten haben hier Senioren aus jüdischen Gemeinden
in ganz Deutschland die Möglichkeit, sich in einem familiären Rahmen
weiterzubilden und neue Kontakt zu knüpfen.
Links:
Dokument aus der Zeit von 1945/48: Essenkarte des "Jewish Committee
AJDC Bad Kissingen" für die damals in der Stadt untergebrachten
Displaced Persons.
Rechts das Kurhotel
"Eden Park"
ab 1.April 2020: "Kurheim Beni Bloch" vgl. Website http://www.kurheim-edenpark.de
(Fotos: Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Artikel von Tobias Kühn über das Kurhotel
"Eden-Park" in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 3. April 2017: "'Eden
Park'. Nächstes Jahr in Jerusalem..."
Link zum Artikel
Januar 2020: Das Kurhotel
"Eden-Park" wird umbenannt. Nach einem Beschluss des Vorstandes
der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e.V. (ZWST) wird das
Kurheim nach dem am 06. April 2019 verstorbenen Beni Bloch sel. A.
umbenannt. Der in Jerusalem geborene Beni Bloch führte den Verband als
Direktor von 1987 bis Juni 2018. In den 30 Jahren als Direktor der ZWST
leistete Beni Bloch Unglaubliches für die jüdische Gemeinschaft in
Deutschland. Die Eröffnung des Kurheims Eden-Park im Jahr 1993 war ein
Meilenstein seines vielfältigen Einsatzes für Senioren. Das Kurhotel heißt
ab 1. April 2020 "Kurheim Beni Bloch". Quelle:
Pressemitteilung der ZWST vom Januar 2020 (pdf-Datei).
1705 wurde eine erste Synagoge unweit des
"Judenhofes" der Erthaler Schutzjuden erstellt (Grundstück
Bachstraße 2). Ende der 1840er-Jahre plante die jüdische Gemeinde den Neubau
einer Synagoge. Da die finanziellen Mittel der Gemeinde angesichts einer für den
Neubau veranschlagten Summe von 6500 fl. nicht ausreichten, wurde bei der
Regierung die Durchführung einer Kollekte in den jüdischen Gemeinden des Landes
beantragt. Diese Sammlung wurde von der Regierung im Januar 1849 genehmigt:
Kollekte zum Bau einer Synagoge (1849)
Artikel
im "Intelligenzblatt von Unterfranken und Aschaffenburg des Königreichs
Bayern 20. Januar 1849: "17. Januar 1849. An sämtliche
Distrikts-Polizeibehörden von Unterfranken und Aschaffenburg. (Die Erbauung einer Synagoge zu Kissingen
betreffend.
Im Namen Seiner Majestät des Königs. Seine Majestät der König haben
Behufs der teilweisen Aufbringung der auf 6500 fl. veranschlagten Kosten für
den Neubau einer Synagoge zu Kissingen die Veranstaltung einer Kollekte in
den sämtlichen Synagogen des Königreichs allergnädigst zu genehmigen geruht.
In Folge höchsten Ministerial-Reskripts vom 5. laufenden Monats werden die
Distrikts-Polizeibehörden hiervon mit dem Auftrage in Kenntnis gesetzt, zu
diesem Ende unverzüglich eine Kollekte in den Synagogen ihres Amtsbezirkes
zu veranlassen und den erzielten Gesamtertrag derselben binnen 4 Wochen an
das Expeditionsamt der unterfertigten Stelle einzusenden..
Würzburg, den 11. Januar 1849. Königliche Regierung von Unterfranken und
Aschaffenburg, Kammer des Innern. Graf Fugger.
Hübner."
Mit Hilfe des Kollektenertrages konnte die neue Synagoge 1851/52 erstellt
werden. Diese neue Synagoge war jedoch auf Grund
der schnell wachsenden Zahl der jüdischen Gemeindeglieder alsbald zu klein.
In den 1880er-Jahren bemühte man sich um den Erwerb eines geeigneten
Grundstücks
Eine neue Synagoge
wurde 1900/02 an der Max-Straße (früher Promenadenstraße 1) erbaut und am 14.
Juni 1902 eingeweiht. Architekt Carl Krampf hatte in seinen Plänen von 1894
eine Synagoge in neoromanischem Stil vorgeschlagen. Es entstand nach diesen
Plänen ein (siehe nachfolgender Abschnitt) "dem Badeorte würdiger
Tempel". Der Bau hatte eine Länge von 33 Meter, eine Breite von 18 Meter
und mit der Kuppel eine stattliche Höhe vom 33 Metern. Der Männerraum hatte
200 Sitzplätze, für die Frauen gab es 120 Plätze auf der
Empore.
Ein Grundstück für den Synagogenneubau wurde
erworben (1889)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. September 1889: "Bad Kissingen. Der israelitischen
Kultusverwaltung dahier ist es nach reichlichen Bemühungen gelungen,
heute einen Platz für den projektierten Synagogenneubau zu erwerben; es
ist dies das hiesige Theresienspital mit anstoßenden Gärten und dürfte
infolge seiner günstigen Lage Gelegenheit geben, einem dem Badeorte
würdigen Tempel erbauen zu können. Die notarielle Beurkundung hat heute
in Gegenwart des Herrn Stadtpfarrer Krug als Vorstand der
Theresienhospitalstiftung und der Herren Kultusvorstand Holländer, Stiftungskassier
Rosenau und Gemeindekassier A. Löwenthal jun., als Vertreter der Gemeinde
stattgefunden.
Vergabe der Bauarbeiten für den Synagogenneubau
(1899)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. Oktober 1899: "Bad Kissingen, 8. Oktober 1899. Der
lange Zeit verbreitete (vorbereitete?) und von den
Gemeindemitgliedern und vielen Kurgästen ersehnte Projekt-Neubau einer
Synagoge dahier ist nunmehr der Ausführung nahe. In der Sitzung der
Verwaltung und des Bau-Ausschusses vom 5. dieses Monats wurde der Bau an
den hiesigen Baumeister Renninger vergeben, indes die Bauleitung dem
Architekten Krampf übertragen wurde; mit den Arbeiten wird sofort
begonnen. - Am Schluss der Sitzung beglückwünschte der Kassier der
Gemeinde - Herr Bankier Löwenthal die Verwaltung zur Erreichung dieses
Zieles und zur Tatsache, dass die insbesondere durch Herrn
Distriktsrabbiner Bamberger - verfochtene Bestimmung, dass an
israelitischen Feiertagen jede Bautätigkeit untersagt sein soll, - im
Deckungsabschluss berücksichtigt
wurde."
Anmerkung: Bei dem genannten
"Architekten Krampf" handelte es sich um den Kissinger
Architekten Carl Krampf.
Die Einweihung der Synagoge (1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juni 1902: "Bad
Kissingen, 17. Juni (1902) (Einweihung der neuen Synagoge). Die
Feierlichkeiten der Einweihung nahmen einen würdigen, alle Festteilnehmer
hoch befriedigenden Verlauf. Am Freitag, 13. Juni, nachmittags um 4 1/2
Uhr, nach dem Gottesdienste, wurden unter feierlichen Gesängen die vier
Torarollen mit ihren mehrfach prachtvollen Paramenten (eine derselben war
von Frauen der Gemeinde zu diesem Feste in opferwilliger Weise gestiftet),
aus dem heiligen Schrein in der alten Synagoge entnommen und in ruhigem
Zuge in den Betsaal im neuen Schulhause verbracht, woselbst sie
provisorisch niedergelegt wurden. Samstag, 14. Juni, Morgens 7 Uhr, fand
im Anschluss an den Morgengottesdienst die Abschiedspredigt in der alten
Synagoge statt und vormittags 9 1/2 Uhr begann sodann die Einweihung des
neuen Gotteshauses. Auf der Terrasse der Synagoge, deren weiter Vorplatz
mit deutschen und bayerischen Fahnen geschmückt war, hatte ein
Sängerchor Aufstellung genommen, welcher im Augenblick, wo die Torarollen
das Schulhaus verließen, den Chor 'Gott, Du Allmächtiger' anstimmte.
Während der Absingung desselben bewegte sich der Zug unter Vorantritt
dreier Ehrenjungfrauen (Frl. Ehrlich, Frl. Mainzer, Frl. Rosenau) um das
mittlere Bosquet nach der Terrasse, woselbst Herr Regierungsrat Baron
Bechtolsheim, sowie die Herren Offiziere und sämtliche Staatsbehörden,
Vertreter der Geistlichkeit beider christlicher Konfessionen, sowie
zahlreiche Mitglieder beider städtischer Kollegien Aufstellung genommen hatten.
Nachdem der Chor verklungen, sprach Fr. Irma Rosenau folgenden Prolog
(Anmerkung: Der Prolog ist verfasst von Leopold Anfänger, Lehrer in Memmelsdorf): Drei Jahrtausende sind nun vorüber, Da stieg der Herr, wie uns die
Bibel kündet, Auf Horeb's Höh', und mit Posaunentönen und
Donnerdröhnen, letztem Blitzeszucken, Erscholl Sein Wort, gab Er dem
Sterblichen Gesetz und Recht, es treulich auszuüben.
Das Gotteswort, es soll ja einigen Die Menschen all' in heil'gem
Gottesdienste! Nicht trennen soll's, in Liebe soll's verbinden! Die Herzen
Aller wie ein Schlüssel öffnen, Auf dass darin die Liebe Einzug
halte Zu Gott, zur Menschheit, wie der Herr
geboten.
Und dieses Haus, geweiht dem Ewigen, Der Andacht Stätte durch Gebet
und Lehre, Das ehrfurchtsvoll, die Gottesnähe fühlend. Voll
heil'gen Schauers wir betreten werden, Es mög' uns stets
vergegenwärtigen: Lieb' deinen Gott, lieb' deinen
Nebenmenschen!
Die Pforten auf; den Schluss reich ich dar; So mögen auch sich alle
Herzen öffnen Dem Glaubenswort, dem Wort der ew'gen Wahrheit, Das
fortan hier zum Gottesthron sich schwinget Und mächtig wirkt,
einpflanzend Tugenden, Zur Menschenlieb' und Menschlichkeit die Menschen
einend.
Damit überreichte das Fräulein den auf seidenen Kissen getragenen,
kunstvoll gearbeiteten Schlüssel Herrn Bezirksamtmann, Regierungsrat
Baron Bechtolsheim, welcher denselben in Empfang nahm und folgende
herzliche Ansprache an die Festversammlung hielt: 'Mit Freude und Dank
nahm ich soeben aus so liebenswürdiger Hand den Schlüssel in Empfang,
mit welchem nach Eröffnung der Pforten der neu gebauten Synagoge der
Einzug der israelitischen Kultusgemeinde dahier in dieselbe ermöglicht
werden soll. Die israelitische Kultus-
gemeinde
Bad Kissingen steht hiermit am Ende eines großen, für sie hochwichtigen
Unternehmens, welches in den letzten Jahren viel Zeit, viel Mühe und
beträchtliche Geldsummen gekostet hat. Dass aber die hiesige
israelitische Kultusgemeinde keine Mühe und keine Opfer gescheut hat, das
schon seit Jahren gesetzte Ziel zu erreichen, das gereicht derselben zur
besonderen Ehre und verdient hier und in diesem Momente lobend
hervorgehoben zu werden, und dies umso mehr, als sie auch in
uneigennütziger Weise bei anerkennenswertester Opferwilligkeit sich das
Ziel gesetzt hat, welches nunmehr in schönster Weise erreicht dasteht.
Denn die neu gebaute Synagoge fasst nun auch den nötigen Raum in ihrem
Innern, um den jährlich zur Saisonzeit zur Stärkung und Befestigung
ihrer Gesundheit das hiesige Weltbad aufsuchenden auswärtigen
israelitischen Glaubensgenossen Gelegenheit zu bieten, in mehr
entsprechender und bequemerer Weise ihren religiösen Pflichten Genüge
leisten zu können. Insofern hat denn auch die israelitische
Kultusgemeinde dahier, insbesondere deren Verwaltungsmitglieder, zur
Hebung des hiesigen Weltbades und zur Förderung der Badeinteressen
wesentlich beigetragen, was gleichfalls lobend hervorgehoben zu werden
verdient und wofür alle Anerkennung hiermit ausgesprochen wird. Ich
beglückwünsche hiermit die hiesige israelitische Kultusgemeinde für ihr
in jeder Hinsicht gelungenes Unternehmen, für welches derselben
unzweifelhaft der Dank auch künftiger israelitischer Generationen gezollt
werden wird. Sicherlich werden von nun an in diesem neuen Synagogentempel
fromme und heiße Gebete der denselben besuchenden Israeliten zu Gott dem
Allmächtigen emporsteigen und wird es sich bei ergebender Gelegenheit
auch an frommen Wünschen nicht fehlen, für das Wohlergehen unseres
angestammten, allerhöchsten bayerischen Herrscherhauses, welcher Gedanke
mich hiermit bestimmt, die verehrte Festversammlung vor dem Einzug der
israelitischen Kultusgemeinde in ihre neue Synagoge aufzufordern, ihre
Blicke hinauf zu richten zum derzeitigen Träger des bayerischen
Regentenhauses, unserem allverehrten Prinzregenten, von welchem wir ja
alle wissen, wie treubesorgt Allerhöchstderselbe sich stets zeigt für
das Wohl und zum Nutzen aller bayerischen Untertanen und bitte ich deshalb
die hier anwesende Festversammlung, mit mir einzustimmen in den Ruf: Seine
Königliche Hoheit unser allergnädigster Prinzregent Luitpold, des
Königsreichs Bayern Verweser, er lebe hoch! hoch!
hoch!'
Hierauf erschloss Redner das eiserne Tor und lud die Gemeinde ein, das
Gotteshaus zu betreten. An der Spitze die Träger der Torarollen, bewegte
sich die zahlreiche Menschenmenge in das Innere der Synagoge. Die
Torarollen wurden bis zum Beginne der Feier in einen Vorraum gebracht.
Nachdem Behörden, Gemeinde und alle Gäste den für sie bestimmten Platz
eingenommen hatten, wurden vier Torarollen in Begleitung des
Festausschusses hereingetragen und vom Synagogenchor mit dem Chor 'Boruch
habboh' (Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn) begrüßt. Im
Wechselgesang zwischen Kantor und Chor bewegte sich der Zug auf die
Vorbeter-Estrade. Hier stimme der Kantor 'Ma towu' an (Wie schön sind
deine Zelte Jakob). Das Allerheiligste wurde geöffnet, die Torarollen
eingesetzt.
Hieran schloss sich die fast einstündige Festpredigt, welche, wie alle
Funktionen des Rabbiners für die Tage der Einweihung, in liebenswürdiger
Weise von Herrn Distriktsrabbiner Dr. Adolph Eckstein - Bamberg
übernommen wurde.
Der Ehrwürdige Herr verbreitete sich nach einem einleitenden Gebet über
die Entstehung der neuen Synagoge, gedachte dabei des verstorbenen
Rabbiners M. L. Bamberger, der das Werk gefördert und beginnen sah, dem
es aber nicht vergönnt sein sollte, seine Vollendung zu schauen. Der
dritte Teil der Predigt verbreitete sich über die Bedeutung der Synagoge
und über die Wirkung, welche von derselben ausgehen solle. Er führte
aus, dass neben dem positiv Mosaischen die wahre Menschenliebe gelehrt,
Vaterlandsliebe gepflegt wird, sodass uns nur die Mauern des Gotteshauses
von der Mitwelt trennen.
Nach der Festpredigt wurden unter Wechselgesang zwischen Kantor und Chor 'Vaihi
binsoa hooron' (Und als die Lade sich erhob), die Torarollen aus der
heiligen Lade genommen, daran schloss sich ein dreimaliger Umzug um die
obere Estrade, ein Gebet für alle in der Synagoge Anwesenden, für alle
Gläubigen und Menschen und für das königliche Haus und die königliche
Familie.
Unter dem Schlussgesang zwischen Vorbeter und Chor Uvnucho (Und da sie
ruhte) wurden drei Thorarollen in die heilige Lade gebracht, eine blieb
zurück für
den
folgenden Gottesdienst, welche auf den Vorbetertisch gelegt wurde. Damit
schloss der Weihegottesdienst.
Am selben Abend fand im Hotel Herzfeld zur Feier der Synagogeneinweihung
ein Bankett statt, welchem außer den hiesigen Gemeindemitgliedern sehr
viele israelitische Kurgäste beiwohnten und welches höchst
'unkurgemäß' sich bis 2 Uhr morgens erstreckte, ein Zeichen dafür, wie
gemütlich und fidel das Zusammensein war.
Das gestrige Festdiner im Hotel Ehrenreich, zu dem sich eine große Zahl
Teilnehmer, darunter auch viele Kurgäste eingefunden hatten, verlief in
animiertester Stimmung. Aus der großen Anzahl der Reden, welche während
des Mahles gehalten wurden und die alle die herzliche Freude und
Genugtuung über den schönen Verlauf des Festes am vorhergehenden Tage
und die Zufriedenheit, dass das Bauwerk nunmehr als vollendetes Ganzes
dasteht, widerspiegelten, möchten wir besonders die Rede des Herrn
Bankier A. Löwenthal junior erwähnen, welcher zunächst einen Rückblick
über die Geschichte der hiesigen Gemeinde gab, welch letztere während
der langen Zeit ihres Bestehens sich stets des fürsorglichen Schutzes
unseres Herrscherhauses in reichstem Maße zu erfreuen hatte. Das Hoch
galt daher dem Prinz-Regenten. Ferner stattete Redner den Dank der israelitischen
Gemeinde ab an alle diejenigen, welche den Bau fördern halfen, sowie
selbst zu dem Gelingen des Baues beitrugen, sei es durch wohlwollendes
Entgegenkommen, so bei Erwerbung des Bauplatzes, oder durch direkte
Unterstützung.
Es toastete noch Herr Felix Ehrlich auf die anwesenden Kurgäste und auf
Herrn Lehrer und Kantor Steinberger, Herr Lehrer Steinberger auf Herrn
Rabbiner Dr. Eckstein, Herr Dr. Eckstein auf die hiesige Kultusverwaltung,
Herr F.A. Bömmel brachte den Dank der Geschäftsleute, welche an dem Bau
mitwirkten, zum Ausdruck und ließ die Kultusverwaltung hochleben, ebenso
Herr Hofkonditor Messerschmitt, welcher seine Landsmannschaft mit Herrn
Rabbiner Dr. Eckstein entdeckte. Ein fremder Herr brachte den Dank der
Kurgäste zum Ausdruck. Auch der übliche Toast auf das schöne
Geschlecht, insbesondere die drei Ehrenjungfrauen, fehlte nicht. Bei dem
Festmahle wurde auch ein am Samstag eingelaufenes Glückwunschschreiben
des Bürgermeisters Herrn Hofrat Fuchs verlesen, in welchem derselbe
bedauerte, den Festlichkeiten nicht anwohnen zu können, da ihn die
wichtigen Landtagsverhandlungen in München zurückhielten; er bedauere
es, dass es dem früheren Rabbiner, Herrn M.L. Bamberger, nicht vergönnt
sei, diesen Ehrentag mitzufreiern, er wünsche der Gemeinde Glücke.
Küche und Keller der Geschwister Ehrenreich waren
vorzüglich."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27. Juni 1902:
"Kissingen, 18. Juni. Endlich ist nach langen Vorbereitungen und Verhandlungen unsere
neue Synagoge eingeweiht worden. Am 14. d.M. begann in der üblichen Weise die
Weihe des neuen Gotteshauses mit dem Gesang des Liedes "Gott du
Allmächtiger". Der Zug mit den Torarollen wurde von drei Ehrenjungfrauen
nach der Terrasse geführt, wo der Bezirksamtmann Regierungsrat Baron
Bechtolsheim, sowie Offiziere und sämtliche Staatsbehörden, Vertreter der
Geistlichkeit beider christlicher Konfessionen und zahlreiche Mitglieder beider
städtischer Kollegien Aufstellung genommen hatten. Nachdem der Chor verklungen,
sprach Frau Irma Rosenau einen hübschen Prolog, den Lehrer Anfänger - Memmelsdorf verfasst hatte. Dann überreichte die junge Dame den auf seidenen
Kissen getragenen, kunstvoll gearbeiteten Schlüssel dem Bezirksamtmann, welcher
denselben in Empfang nahm und eine wahrhaft herzliche Ansprache an die
Festversammlung hielt. Die Festpredigt hielt Rabbiner Dr. Eckstein - Bamberg;
dieselbe machte auf die gesamte Festversammlung einen tiefen und nachhaltigen
Eindruck. An die Feier der Synagogeneinweihung schloss sich ein Bankett im Hotel
Herzfeld und gestern ein Festessen im Hotel Ehrenreich, bei dem es an ernsten
und heiteren Trinksprüchen nicht fehlte. Im Namen der fremden Kurgäste sprach
Herr Willibald Löwenthal - Berlin. Möchte mit der neuen Synagoge auch endlich
der Friede in unserer Gemeinde einkehren, dessen sie so sehr bedarf. Für
Kissingen ist die neue Synagoge ein großes Bedürfnis, schon um der vielen
jüdischen Kurgäste willen, die alljährlich zu den heilkräftigen Quellen hierher pilgern."
1904 wurde die alte Synagoge der Gemeinde an die
Stadtverwaltung verkauft, die das Gebäude 1927/28 abbrechen ließ. An
Stelle der alten Synagoge wurde das "Haus Saalehof" erbaut (vgl. Fotos
unten; Bachstraße 2).
Verkauf der alten Synagoge (1904)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
30. Dezember 1904: "Kissingen. Verkauf der Synagoge.
Die alte Synagoge ist aus dem Besitze der israelitischen Kultusgemeinde um
16.000 Mark an die Stadtgemeinde übergegangen."
Die neue Synagoge blieb nur 36 Jahre Zentrum des jüdischen
Gemeindelebens der jüdischen Gemeinde. Über einzelne besondere Höhepunkte im
jüdischen Gemeindeleben liegen Berichte vor wie beispielsweise die Einweihung
einer neuen Torarolle 1909 oder die Feier des 25-jährigen Bestehens der
Synagoge 1927:
Einweihung einer Torarolle (1909)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. September 1909: "Bad Kissingen, 1. September (1909). Eine
erhebende Feier war es, die am vorletzten Schabbat uns Kurgästen einen
geistigen Genuss verschaffte. Eine neue Torarolle wurde ihrer heiligen
Bestimmung übergeben und zur Würdigung derselben ein schöner,
stimmungsvoller Gottesdienst abgehalten. Die Torarolle wurde von den Herrn
M. und Is. Löwenthal - Kissingen zum Andenken an ihren seligen Vater,
früheren Vorsteher dem Gemeinde, gestiftet. Nachdem die Torarolle von den
Spendern in die Synagoge gebracht worden war und mit allen Torarollen ein
feierlicher Umzug gehalten wurde, sprach Herr Rabbiner Dr. Bamberger den
edlen Spendern seinen Dank namens der Gemeinde aus. Mit dem Rezitieren
einiger Psalmen endigte die würdige Feier."
25-jähriges Bestehen der Synagoge (1927)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom
24. August 1927: "Bad Kissingen. Die Kultusgemeinde Bad
Kissingen beging am 1. Schebuoth das 25-jährige Bestehen ihrer
Synagoge durch einen feierlichen Festgottesdienst. Das Gotteshaus, das
würdig mit Blattpflanzen geschmückt war und zum ersten Male im Glanze
des neu eingerichteten elektrischen Lichtes erstrahlte, war von einer
zahlreichen Schar hiesiger und zur Kur hier weilender Glaubensgenossen
gefüllt. Eingeleitet wurde der Festgottesdienst durch Chorgesang und
Vortrag eines Psalms durch den Kantor, Herrn Lehrer Steinberger. Herr
Rabbiner Dr. Bamberger hielt die Festpredigt und gedachte in
eindrucksvollen Worten der Bedeutung des Tages. Die Grüße und Wünsche
des Präsidiums des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden
überbrachte Herr Justizrat Dr. Haas (Würzburg). Für die Verwaltung
sprach Herr Stadtrat Bretzfelder, er dankte den Rednern für ihre guten
Wünsche und den Beamten und der Verwaltung für ihre treuen Dienste,
besonders lobend die Tätigkeit des ersten Vorstandes, des Herrn Samuel
Hofmann, und das langjährige Wirken des Herrn Lehrer Steinberger
hervorhebend. Der erste Bürgermeister der Stadt, Herr Dr. Pollwein, hatte
ein warm gehaltenes Glückwunschschreiben übersandt.
Am 25. Juni dieses Jahres wurde die Gemeinde durch den Besuch des
Präsidenten des Verbandes Bayerischer Israelitischer Gemeinden, des
Herrn Oberlandesgerichtsrat Dr. A. Neumeyer beehrt. Der Herr Präsident
wohnte dem Gottesdienst in der Synagoge bei, besichtigte die hiesigen
jüdischen Wohlfahrtsanstalten, das israelitische Kurhospiz und die
Kinderheilstätte und äußerte sich sehr lobenswert über beide
mustergültigen Einrichtungen. Abends folgte er der Einladung des Herrn
Bretzfelder zu einem zwanglosen Beisammensein im Kreise der Mitglieder der
Kultusverwaltung und der Beamten der
Gemeinde."
Ausstellung eines Tora-Vorhanges aus Bad Kissingen in
München (1935)
Artikel in der "Bayerischen israelitischen Gemeindezeitung"
vom 15. September 1935: "Ausstellung eines Tora-Vorhanges. Ein
besonders schöner, der Kultusgemeinde Bad Kissingen gehöriger
Tora-Vorhang ist, nachdem er infolge seines Alters schwere Beschädigungen
aufwies, von Künstlerhand in trefflicher Weise repariert worden. Die
Wiederherstellungskosten wurden von der Israelitischen Kultusgemeinde
Kissingen und dem Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden, welcher
der Betreuung des jüdischen Kunstgutes seine besondere Sorge zuwendet,
gemeinsam getragen. Bevor der interessante Kultgegenstand wieder nach
Kissinger verbracht wird, kann er in der Zeit vom 25. September bis 10.
Oktober 1935 im Vorstandszimmer der Israelitischen Kultusgemeinde München
besichtigt werden."
Die Synagoge wurde beim Novemberpogrom 1938 durch Brandstiftung schwer beschädigt. Um 1 Uhr in der Nacht des 10. November 1938 brach der Bad Kissinger SA-Obersturmbannführer Emil Otto Walter zusammen mit anderen SA-Männern und Pogromtätern seines Ortes in den Innenraum der Synagoge ein. Die Brandstifter stapelten die Sitzbänke der Synagoge übereinander und rollten die Teppichläufer ein. Dann übergossen die Täter den aufgetürmten Stapel aus Teppichen und Sitzbänken mit Petroleum und entfachten so das Feuer. Die Synagoge brannte nun stundenlang im Inneren bis in die frühen Morgenstunden. Die Hitzeentwicklung des Feuers war so stark, dass die Fenster der Synagoge barsten. Die am Tatort anwesende Feuerwehr löschte den Brand nicht, sondern achtete nur darauf, dass das Feuer nicht auf benachbarte Grundstücke übergriff; in unmittelbarer Nähe der Synagoge befand sich eine Tankstelle. Die Einwohner Bad Kissingens fanden am frühen Morgen des 10. November 1938 die prächtige Synagoge ihrer Stadt im Innern vollständig ausgebrannt vor. Am 17. März 1939 beschloss der Bad Kissinger NS-Stadtrat auf Betreiben des 2. Nazi-Bürgermeisters Willy Messerschmidt den Abriss der Kissinger Synagoge wegen angeblicher Baufälligkeit. Laut Brandversicherung wäre eine Reparatur der Schäden möglich gewesen. Quellennachweis: Strafprozessakte des Bad Kissinger SA-Obersturmbannführers Emil Otto Walter (Staatsarchiv Würzburg). Am 21.12.1949 wurde Walter vom Landgericht Schweinfurt wegen Anstiftung zu schwerer Brandstiftung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. 13 weitere Angeklagte wurden wegen Mangels an Beweisen freigesprochen, darunter der ehemalige NSDAP-Kreisleiter Bad Kissingens, Willy Heimbach, und der ehemalige 2. NS-Bürgermeister der Stadt, Willy Messerschmidt.
Am
Synagogenstandort findet sich seit 1967 eine Gedenktafel mit der Darstellung der
ehemaligen Synagoge. Eine neues Denkmal wurde 2002 (100 Jahre nach
Einweihung der Synagoge) am Synagogengrundstück aufgestellt.
Hinweis: Ein Toravorhang aus Bad Kissingen befindet sich heute in der
Synagoge Ezra Ha'bonim (The Niles Township Jewish Center) im Chicagoer Stadtteil Skokie. Der Toravorhang stammt aus dem Jahr 1745. Er wurde von dem Kissinger Juden Jehuda Mosche, dem Sohn des Josef, und dessen Frau Ester gestiftet. In der Mitte des wertvollen Thoravorhangs halten zwei Greife eine Krone, Symbol der Tora, rechts und links davon sind zwei Säulen mit Blumenvasen zu sehen. Auf dem Kaporet, der Schabracke des Toravorhangs, erkennt man von rechts nach links einen goldenen Leuchter, ein Wassergefäß, die Bundeslade mit Lade, Räucheraltar und Schaubroten, darüber zwei Flügel mit einer Krone.
Nach 1945: 1956 wurde im früheren jüdischen Gemeindehaus wieder ein Betsaal
eingerichtet (Promenadestraße 2). In ihm finden wieder regelmäßige
Gottesdienste - gewöhnlich für jüdische Kurgäste während der Sommermonate -
statt. 1996 wurde dieser Betsaal als "Josef-Weissler-Betsaal"
umfassend renoviert und wiederum eingeweiht. Das Bethaus ist nach dem Kantor Josef Weissler
benannt, der von 1947 bis 1989 in Bad Kissingen lebte. Er richtete den Betsaal
in den 50er Jahren ein und beschaffte hierfür auch zwei Torarollen.
Der "Judenhof"
(Fotos: Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries; Aufnahmen vom September 2016
und J. Hahn*, Aufnahmen vom April 2017)
*
*
Eingangstor
in den "Judenhof" mit einer Hinweistafel: "Judenhof. Hier
lebten bis zur Judenemanzipation 1813 die Schutzjuden der Herren von
Erthal". Rechts Blick vom Durchgang in den früheren
"Judenhof"
*
*
*
*
Blick vom
"Judenhof" zum Eingangstor
Im
"Judenhof"
Eingangstor zu
einem der Häuser im "Judenhof"
Gedenktafel
am Haus Saalehof für die
Synagogen von 1705 und 1851/52 (Fotos: Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries;
Aufnahmen vom September 2016 und
Hahn*; Aufnahme vom April 2017)
*
Hinweistafel
am "Haus Saalehof - erbaut 1928 - übernommen und umgestaltet durch
Sparkasse Bad Kissingen 1988. Hier stand vorher das 1705 errichtete
jüdische Bet- und Schulhaus, das 1851/52 durch die alte Synagoge ersetzt
wurde, (abgebrochen 1927/28)."
Die alte Synagoge
(erbaut 1851/52 - abgebrochen 1927/28)
Historische
Karten mit der Alten Synagoge (rechts aus der Sammlung Hahn)
Karten
rechts aus der Sammlung
von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Weingasse
mit der "Bierhalle Grom"
und der alten Synagoge
Foto vom
Hochwasser 1909; Enge Hasse mit der "Alten Synagoge" und "Wahler Bräu"
Die neue Synagoge (1902-1938) (Karte links aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries,
zweite Reihe Sammlung Hahn)
Karte oben -
in hoher Auflösung eingestellt
Historische
Ansichtskarten
Gesamtansichten von Bad
Kissingen
mit Kirchen und Synagoge (aus der Sammlung von
Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Es handelt sich um
eine Wiro-Künstler-Karte (vermutlich zwischen 1902 und 1910 hergestellt),
auf der rechts neben der "Herz-Jesu-Kirche" die Kuppel der
Synagoge zu sehen ist
(rechts Ausschnittvergrößerung)
Die
Karte oben wurde am 28. Juli 1905 nach Versailles in Frankreich
verschickt. Empfängerin
war eine Madame Rossignol in Versailles. Zu sehen ist eine Gesamtansicht
von Bad Kissingen
sowie in der Ausschnittvergrößerung die Synagoge.
Mehrbildkarte
von Bad Kissingen
mit der Synagoge (aus der Sammlung von
Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
.Die
Mehrbildkarte von Bad Kissingen mit Maxstrasse und Synagoge wurde am 24.
Juli 1905 versandt
(vermutlich nach Frankreich in einem Brief verschickt mit Datum auf der
Bildseite)
Denkmal am
Synagogenplatz (Fotos: Elisabeth Böhrer, September 2008)
Grundstück der
ehemaligen Synagoge mit Gedenktafel (von 2002) und Inschrift: "Hier
stand die 'Neue Synagoge'. Sie wurde am 14. Juni 1902 eingeweiht. In der
Reichspogromnacht - 9./10. November 1938 - wurde von SA- und SS-Leuten
verwüstet und in Brand gesteckt. Ihr Abriss erfolgte im April 1939 auf
Beschluss des Stadtrates. Die Synagoge war Ausdruck der gelungenen
Integration, der Heimatverbundenheit und des Glaubens der Kissinger Juden.
Ihre Zerstörung markiert den Untergang einer jahrhundertealten jüdischen
Gemeinde. Die Stadt Bad Kissingen gedenkt ihrer jüdischen Bürger, die
Opfer von Verfolgung und Deportation wurden. 14. Juni 2002."
Obige Fotos vom Grundstück der ehemaligen Synagoge und der Gedenktafel
von 2002 sowie der Gedenktafel für die aus Bad Kissingen in der NS-Zeit
deportierten Juden vom Mai 1995 wurden im April 2017 erstellt (Fotos:
Hahn)
Ein Toravorhang
(Parochet)
aus Bad Kissingen (Informationen von Hans-Jürgen Beck,
Bad Kissingen)
Ein
Toravorhang aus Bad Kissingen befindet sich heute in der Synagoge Ezra Ha'bonim
(The Niles Township Jewish Center) im Chicagoer Stadtteil Skokie
befindet. Der Toravorhang stammt aus dem Jahr 1745. Er wurde von dem Kissinger Juden Jehuda Mosche, dem Sohn des Josef, und dessen Frau
Ester gestiftet. In der Mitte des wertvollen Thoravorhangs halten zwei Greife eine Krone, Symbol der
Tora, rechts und links davon sind zwei Säulen mit Blumenvasen zu sehen. Auf dem
Kaporet, der Schabracke des Toravorhangs, erkennt man von rechts nach links einen goldenen Leuchter, ein Wassergefäß, die Bundeslade mit Lade, Räucheraltar und Schaubroten, darüber zwei Flügel mit einer Krone.
Beim Novemberpogrom 1938 konnte Hugo Albert, der Hausmeister der Synagoge, den wertvollen historischen Vorhang vor der Zerstörungswut der örtlichen SA- und SS-Männer retten. Nach dem Krieg übergab er den Parochet einem amerikanisch-jüdischen Soldaten, der den Vorhang zur Familie Reis nach Chicago brachte. Diese schenkte ihn dann der Ezra Ha'bonim Synagogue in Chicago.
"Stolpersteine"
für Angehörige der Familie Bloemendal
vor dem Haus Theresienstraße 10
"Stolpersteine"
für Daniel Liebmann (1876) und Anna Liebmann geb. Kaufmann (1885)
vor dem Haus Untere Marktstraße 1
"Stolpersteine"
für Louis Hofmann (1871) und Lina Hofmann geb. Thalheimer (1880)
vor dem Haus Untere Markstraße 2
Museum/Führungen: Die Dauerausstellung "Jüdisches
Leben in Bad Kissingen", eine Dauerausstellung
über Anfänge, Integration, Ausgrenzung und systematische Vernichtung, ist
geöffnet an jedem Mittwoch von 15 bis 17 Uhr: Jüdisches
Gemeindehaus, Promenadestraße 2, 97688 Bad Kissingen. Information
bei www.rhoenline.de.
Ein Prospekt "Jüdisches Leben in Bad Kissingen"
(kostenlos) und ein Buch zur Ausstellung Jüdisches Leben in
Bad Kissingen (11 €) kann beim Stadtarchiv Bad Kissingen E-Mail
bestellt werden. Führungen (auch Sonderführungen) können über Frau Walter
unter Tel. 0971-64752 vereinbart werden.
Juni
2009 - ErsteVerlegung
von "Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Artikel vom 19. Juni 2009 in der
"Mainpost": BAD KISSINGEN - Verbeugung vor Opfern des Terrors - Gunter Demnig verlegt erste Stolpersteine in Bad Kissingen
Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten zu verlegen, findet Peter Jordan, sei ein guter Gedanke. Über die Steine zu stolpern, erinnere daran,
"was damals passiert ist". Jetzt gibt es diesen Ansatz, Erinnerung wach zu halten, auch im Trottoir der Maxstraße und am Marktplatz, in der Erhardstraße und am Rathausplatz. Jordans Großeltern Clara und Lazarus Frank gehören zu den ersten Kissinger Opfern der Nazis, derer mit Stolpersteinen gedacht wird.
Peter Jordan lebt in Manchester. Früher, erzählt er, sei es für ihn schwer gewesen, nach Deutschland zurückzukehren. Dass es ihm nun leichter fällt, schreibt er auch Gunter Demnig und den Initiatoren der Aktion Bad Kissinger Stolpersteine zu.
Demnig ist der Ursprung und die Gegenwart der Aktion. Der Kölner Künstler kam am Freitag in die Kurstadt, um hier seine ersten sieben Kissinger Stolpersteine zu setzen.
Trotz der großen Verbreitung in Deutschland und Europa sind Demnigs Stolpersteine nicht unumstritten. Peter Jordan und die weiteren Mitglieder seiner Familie, die nach Kissingen kamen, bieten dafür das beste Beispiel. Seine Eltern, seien jene Nazi-Opfer gewesen, berichtet Jordan, denen man vor fünf Jahren in München zwei Stolpersteine setzte,
"die sechs Wochen später wieder entfernt wurden, weil sie dort nicht erlaubt
sind". Dass er jetzt beim Gedenken an seine Großeltern dabei sein konnte, freue ihn deshalb sehr.
Erinnert wird seit Freitag an den früheren Stadtrat Otto Goldstein, den Kaufmann Hermann Holländer, den Händler Lazarus Frank und seine Frau Clara sowie deren Hausangestellte Betti Bauer und an den Kaufmann Solms Heymann mit seiner Frau Adele. Ihre Stolpersteine, das sind Pflastersteine mit Inschriften auf vorgesetzten Messingplatten, setzte Demnig am Rathausplatz 1, vor der Maxstraße 24, in der Erhardstraße 21 und am Marktplatz 2.
Die Bad Kissinger Stolpersteine, das unterstrich OB Kay Blankenburg, sind kein Projekt des Stadtrats. Der Rat der Stadt identifiziere sich zwar damit, doch die Verlegungsaktion sei Ergebnis eines Konzepts, das die Bürgerinitiative Bad Kissinger Stolpersteine um Sigismund von Dobschütz und Peter Weidisch erarbeitet habe.
Dennoch erläuterte Blankenburg, wozu die Kissinger Stolpersteine gut sind.
"Es geht um Entmassung eines gigantischen Verbrechens", sagte er, "der Verfolgung und Entrechtung von Menschen, die nicht in die rassischen, religiösen, politischen, sozialen und gesellschaftlichen Vorstellungen der nationalsozialistischen Machthaber
passten". Außerdem gehe es um Personalisierung: "Die Stolpersteine wollen namenlosen Opfern ihre Identität zurückgeben."
Demnig würdigte die "überraschend große Beteiligung" an der ersten Kissinger Verlegungsaktion. Die Zahl von sechs Millionen oder mehr Opfern der Verfolgung durch den Nationalsozialismus, sagte er, bleibe immer etwas Abstraktes. Ein Stolperstein dagegen ruft einen Menschen ins Gedächtnis,
"so bleibt's eher sitzen". Die Aussage von Kritikern, durch die Stolpersteine werde erneut auf den Opfern herumgetrampelt, wies er zurück. Es sei eher so:
"Wenn du lesen willst, musst du automatisch eine Verbeugung machen."
Fotos von der Verlegung der
"Stolpersteine"
(Fotos: Elisabeth Böhrer)
Musikalische
Umrahmung durch Schülerinnen
und Schüler des Jack-Steinberger Gymnasiums
Gunther Demnig
beim Verlegen der Steine
Steine für Lazarus und Clara
Frank sowie Betti Bauer
"Stolperstein" für
den früheren Stadtrat Otto Goldstein
Film zur
"Stolperstein"-Verlegung im Juni 2009 bei YouTube:
Januar
2010: Zweite Verlegung von
"Stolpersteinen"
Bericht in
tvtouring.de vom 22. Januar 2010 (Bericht):
"Stolpersteine verlegt
Zum zweiten Mal wurden jetzt in Bad Kissingen Stolpersteine verlegt. Mit ihnen soll an ehemalige Bürger der Stadt erinnert werden, die einst Opfer des Nazi-Terrors wurden.
Insgesamt wurden in Bad Kissingen jetzt schon 20 Stolpersteine verlegt. Sie sollen dafür sorgen, dass frühere jüdische Einwohner der Stadt, die von den
Nationalsozialisten verschleppt und ermordet wurden, nicht in Vergessenheit geraten.
Initiator der Stolpersteine ist der Kölner Künstler Gunter Demnig. Er hat in über 530 europäischen Städten und Gemeinden schon 22.000 Steine verlegt. Seine Erfahrungen damit sind größtenteils positiv. Immer wieder kommt er mit Schulklassen, Angehörigen und Zeitzeugen in Kontakt. Er spricht von seinem Werk deshalb von einer "sozialen Skulptur", an der er weiter arbeiten will.
Dass auch Bad Kissingen dazu seinen Beitrag leistet, ist Stadtrat Sigismund von Dobschütz zu verdanken. Der ehemalige Kurdirektor war bei einem Besuch in Nürnberg erstmals auf die kleinen Quader "gestolpert" und wollte das Projekt daraufhin auch in Bad Kissingen umsetzen. Die Stadt hatte früher eine der größten jüdischen Gemeinden in ganz Bayern. Heute kommen vor allem in den Sommermonaten wieder Juden hierher - auch um im jüdischen Gemeindehaus, dass die Zeiten überdauert hat, zu beten."
Bericht in der "Main-Post" vom 22. Januar 2010 (Artikel):
"BAD KISSINGEN. Die Opfer in die Stadt zurückholen. Gunter Demnig verlegte am Freitag 13 weitere Stolpersteine in Bad Kissingen.
'Sie waren hier zuhause, gerade so, wie wir es heute sind.' Bad Kissingen hat am Freitag einen weiteren Schritt im Gedenken an ehemalige Mitbürger getan, die durch die Terrorherrschaft der Nationalsozialisten ihr Leben verloren. 13 neue Stolpersteine verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig. Insgesamt fordern in Bad Kissingen nun bereits 20 dieser kleinen, in den Boden vor dem letzten freiwilligen Wohnsitz von Nazi-Opfern eingelassenen Gedenktafeln, zum Nachdenken über die deutsche Geschichte auf.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg, von dem der eingangs zitierte Satz stammt, schlug zum Auftakt von Demnigs zweiter Verlegeaktion die Brücke zum sicheren und bequemen bürgerlichen Leben der Kissinger unserer Tage. Menschen wie Gustav, Paula und Ernst David Neustädter, wie Irene und Leopold Müller, Karl und Julius Neumann, Thekla und Anni Stern, Josef und Herta Losmann, Martha Rosner oder Ella Apolant hätten
'hier in Bad Kissingen' ihren Lebensmittelpunkt gehabt. Sie hätten sich gesellschaftlich und politisch ins städtische Leben eingebracht. Und doch war ihnen schließlich durch die Nationalsozialisten hier ein Leben nicht mehr möglich:
'Sie wurden in den Tod getrieben, mussten aus unserer Stadt fliehen oder wurden deportiert und
ermordet.'
Das Bürgerprojekt der Kissinger Stolpersteine hole die Opfer des Nationalsozialismus symbolisch
'in unsere Stadt zurück', sagte Blankenburg. Ein Stolperstein lasse diese Menschen
'wieder ein wenig unter uns sein'. Diese Form des Gedenkens gebe ihnen 'wieder Namen und
Gesicht'.
Demnig berichtete von inzwischen mehr als 22 000 Stolpersteinen in vielen Ländern Europas. Für alle gelte:
'Wer sie lesen will, muss automatisch eine Verbeugung machen.' Zudem – das habe ihm ein Schüler mal gesagt – falle man mit seinen kleinen Denkmalen ja nicht hin. Vielmehr stolpere man
'mit dem Kopf und mit dem Herzen'. Weil es bei den Stolpersteinen unter anderem darum geht, wie die Gräueltaten der Nazis im Land der Dichter und Denker passieren konnte und, weil so etwas nie wieder geschehen dürfe, zeigte Demnig sich sehr zufrieden damit, dass auch zur Kissinger Verlegeaktion am Freitag Schüler beitrugen.
Dass die Aktion nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stoßen würde, sei ihm von Anfang an klar gewesen, ergänzte
Demnig. 'Aber nur drei Morddrohungen in zehn Jahren', scherzte er, 'damit kann man
leben'. Biografien der Opfer. Die Initiative Bad Kissinger Stolpersteine mit ihren Sprechern Sigismund von Dobschütz und Peter Weidisch führte die Gruppe am Freitag nicht nur von Verlegeort zu Verlegeort. Sie hielt auch ein Heftchen mit Informationen und Bildern zu den diesmal gewürdigten Kissinger Naziopfern bereit. An jeder der insgesamt sieben Stationen verlas die Kissinger Initiative zudem, was sie an Informationen über die Biografien der Opfer herausgefunden hat.
Neue Stolpersteine liegen seit Freitag vor den Anwesen Promenadestraße 2, das ist das Jüdische Gemeindehaus, Untere Marktstraße 3, Ludwigstraße 9, Hemmerichstraße 4 und 12, Erhardstraße 18 und Menzelstraße 8."
Mai
2010: Weitere Verlegungen von
"Stolpersteinen" im September 2010 sowie im Mai und November
2011 geplant
Artikel in der
"Main-Post" vom Mai 2010 (Artikel):
"BAD KISSINGEN - Zwölf neue Stolpersteine in Bad Kissingen
Dritte Verlegungsaktion mit Gunter Demnig am 22. September.
(svd) Zwölf neue Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des Nazi-Regimes werden am 22. September vom Kölner Künstler Gunter Demnig vor deren letztem frei gewählten Wohnsitz an sechs Standorten ins Straßenpflaster eingelassen. Dies hat die Bürger-Initiative
'Bad Kissinger Stolpersteine' am Donnerstag in ihrer öffentlichen Plenumssitzung beschlossen.
Vor 20 Teilnehmern berichteten die für die Gesamtorganisation verantwortlichen Sprecher – Stadtrat Sigismund von Dobschütz und der städtische Kulturreferent Peter Weidisch – über die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft und kommende Aktionen.
Mit der Ehrung für Sanitätsrat Sally Mayer (1889-1944), der von 1927 bis zu seinem Arbeitsverbot im Jahr 1938 in Bad Kissingen als praktischer Arzt wirkte und 1944 in Auschwitz zu Tode kam, wird die dritte Stolperstein-Verlegung in der Kurhausstraße beginnen. Nach vier weiteren Stationen in der Innenstadt wird der zwölfte Stolperstein zum Gedenken an Nanette Bamberger (1870-??), die Witwe des vorletzten Distriktrabbiners Seckel Bamberger, in der Promenadestraße verlegt.
Initiator von Dobschütz bedauerte, dass auf ein Rundschreiben an 35 Schulleiter im Landkreis keine Rückmeldung erfolgt sei. Darin hatten die Organisatoren die Einbeziehung der Stolpersteine in den Unterricht vorgeschlagen und eigene Vorträge zur Vorstellung Aktion angeboten.
Realschullehrer Andreas Reuter versicherte, dass man Jugendliche durchaus für dieses Thema begeistern könne, und berichtete über seinen neuen Geschichtsarbeitskreis mit 20 Sechst- bis Zehntklässlern. Diese würden einmal wöchentlich außerhalb des Regelunterrichts sehr engagiert und fachübergreifend das jüdische Leben in Bad Kissingens Geschichte erforschen. Auch bei der kommenden Stolperstein-Verlegung werde sich sein Arbeitskreis wieder einbringen. Über ähnlich positive Erfahrungen an der Berufsschule berichtete Klaus Werner.
Der aktuelle Kassenbestand wurde mit 2350 Euro angegeben. Nach Abzug von 1750 Euro für die kommende Verlegungsaktion bleibt ein Restbestand von 600 Euro.
Kassenprüfer Hjalmar Franke beurteilte die Kassenführung als vorbildlich und plant, die bereits verlegten Gedenksteine in das Stadtsuchspiel der Sommerferienaktion einzubeziehen.
Termine für zwei weitere Stolpersteinverlegungen sind für Mai und November 2011 vorgemerkt.
Kontakt: Sigismund von Dobschütz, Tel. (09 71) 785 25 30. Infos unter www.badkissinger-stolpersteine.de
und www.badkissingen.mainpost.de."
Juni
2010: Viertklässler reinigen
die Bad Kissinger "Stolpersteine"
Artikel
von Angelika Luga-Braun in der "Main-Post" vom 9. Juni 2010 (Artikel)
: "Lebendiges Erinnern durch aktives Tun. Warum Viertklässler mit
großem Engagement die Stolpersteine in Bad Kissingen geputzt haben. Bad
Kissingen. Da sage einer den Schülern heutiger Zeit nach, kein
Geschichtsinteresse- oder -bewusststein zu entwickeln. In Bad Kissingen
jedenfalls konnte man gestern Viertklässler der Sinnberg-Grundschule
erleben, die sich mit viel Engagement und erstaunlichem Wissen auf die
Spuren der Geschichte begaben - und dabei noch etwas sehr Verdienstvolles
getan haben. Sie haben fast alle 20 in Bad Kissingen verlegten
Stolpersteine blitzblank geputzt..." Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken.
Juni
2010: Nobelpreisträger und
Ehrenbürger der Stadt Bad Kissingen Jack
Steinberger besucht seine Geburtsstadt
Artikel in der "Main-Post" vom 17. Juni 2010 (Artikel):
"BAD KISSINGEN. Nobelpreisträger Jack Steinberger ist da - Nobelpreisträger ganz privat in der Stadt.
(rp) Jack Steinberger, Nobelpreisträger und Namensgeber des hiesigen Gymnasiums, weilt derzeit in seiner Geburtsstadt Bad Kissingen. Am Montag reiste der 89-jährige Physiker an und quartierte sich bei einer befreundeten Familie in Bad Kissingen ein – begleitet von seinem Sohn Ned und dessen Frau sowie seiner Tochter Julia und zwei Enkeln.
Steinberger, der am 25. Mai 1921 als des jüdischen Kantors und Religionslehrers in Bad Kissingen geboren wurde, flüchtete als 13-Jähriger vor den Nationalsozialisten in die USA. Den Nobelpreis erhielt er 1988.
Der Besuch in seiner Heimat ist rein privat. Am Mittwoch weilte die Familie in Schonungen, wo sein Vater Ludwig als Sohn eines kleinen Viehhändlers geboren worden war. Als sich Jack Steinberger dort ins Goldene Buch der Gemeinde eintrug, wiederholte er in der von ihm bekannten bescheidenen Art auch, was er in Bad Kissingen schon einmal gesagt hatte: Sein Sohn, Ned Steinberger, sei doch viel berühmter als er.
Ned Steinberger gründete 1979 in den USA eine Firma, die E-Bässe und E-Gitarren herstellte. Er erfand das Design eines E-Bass-Modells, das keine Kopfplatte aufwies, an dem unter anderem John Entwistle
('The Who') und Mike Rutherford (Genesis) Gefallen fanden.
Von einem offiziellen Termin Steinbergers in der Kurstadt, deren Ehrenbürger er seit 2006 ist, ist bislang nichts bekannt."
Hinweis: ein
weiterer Bericht zu diesem Besuch findet sich bei den Texten unter
"Erinnerungsarbeit vor Ort" auf der Seite zu Schonungen
Sommer
2010: Der Geschichtskreis der
Realschule erforscht das Schicksal der Bankiersfamilie Loewenthal
Artikel in der "Main-Post" vom 4. August 2010 (Artikel):
" BAD KISSINGEN. Ein Schicksal wie das der Anne Frank.
Realschul-Geschichtskreis erforschte das Schicksal der Bankiersfamilie Loewenthal.
(rp) Zwei von insgesamt 13 Stolpersteinen wird der Kölner Künstler Gunter Demnig am 22. September vor dem Boxberger-Haus (Ludwigstraße 5), dem früheren Bankhaus Loewenthal, in den Bürgersteig setzen. Damit will die Bürger-Initiative
'Bad Kissinger Stolpersteine' im Rahmen ihrer dritten Verlegungsaktion an die jüdische Bankiersfamilie erinnern.
Die Schüler des neuen Arbeitskreises Geschichte an der Staatlichen Realschule erforschten deshalb in den letzten Wochen des vergangenen Schuljahres unter Anleitung ihres Lehrers Andreas Reuter das Leben und tragische Schicksal der Loewenthals. Vater Ludwig (45) und sein 15-jähriger Sohn Willy kamen beide im Konzentrationslager zu Tode.
Seit 1922 hatte Ludwig Loewenthal im Wohn- und Geschäftshaus Ludwigstraße 5 sein florierendes Bankhaus betrieben. Bereits während der Weimarer Republik hatte sich der Bankier in der Deutschen Demokratischen Partei und im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold gegen den aufkommenden Nationalsozialismus engagiert, weshalb er unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten von diesen verfolgt wurde.
Laut Reuter war die Erforschung des weiteren Schicksals der Familie Loewenthal für seine Schüler deshalb besonders interessant, weil es Parallelen zum Leidensweg der Familie von Anne Frank gab. Auch die Loewenthals verließen ihre deutsche Heimat nach Hitlers Machtübernahme, um sich wie die Familie Frank in Amsterdam eine scheinbar sichere Existenz aufzubauen. Willy Loewenthal war genauso alt wie Anne Frank.
Es sei durchaus möglich gewesen, vermuten die jungen Forscher der Realschule, dass sich beide gekannt haben. Denn alle jüdischen Schüler in Amsterdam mussten nach der Einnahme Hollands durch die deutsche Wehrmacht das jüdische Lyzeum besuchen. Und beide, Willy Loewenthal und Anne Frank, starben im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Zu Beginn ihrer Arbeit besuchten die 20 Sechst- bis Neuntklässler des Arbeitskreises die Dauerausstellung
'Jüdisches Leben in Bad Kissingen'. Schon hier fanden sie erste Informationen: eine Anzeige des Bankhauses und den Auszug einer Ansprache Ludwig Loewenthals aus dem Jahr 1924 anlässlich der Gründung der Kissinger Sektion des Reichsbanners.
Eine Arbeitsgruppe beschäftigte sich dann mit den Forschungsergebnissen des Kissinger Gymnasiallehrers Hans-Jürgen Beck, der seine Untersuchungen zur Verfügung gestellt hatte. Andere Schüler durchforsteten das Internet nach Informationen. Gestapo-Akten studiert. Die älteren Schüler beschäftigten sich mit den Gestapo-Akten Ludwig Loewenthals aus dem Staatsarchiv Würzburg.
'Eine spannende Informationsquelle waren auch holländische Archive, die einen großen Teil ihres Aktenbestandes im Internet digitalisiert verfügbar
halten', heißt es in der Pressemitteilung. Schließlich präsentierten die Gruppen sich gegenseitig ihre Ergebnisse und verfassten daraus gemeinsam die Biografien von Ludwig und Willy Loewenthal. Die Texte werden sie bei der Stolperstein-Verlegung am 22. September selbst vortragen und in einer Begleitbroschüre veröffentlichen.
Reuter zieht ein positives Fazit: 'Die geschichtsinteressierten Schüler erhielten einen ausgezeichneten Einblick in wissenschaftliches
Arbeiten.' Die Schüler hätten konkret Kontakt mit unterschiedlichstem Aktenmaterial gehabt, was im Geschichtsunterricht der Realschule unüblich sei. Positiv sei auch die Förderung der Empathiefähigkeit gewesen. Durch die intensive Beschäftigung mit der Biografie des etwa gleichaltrigen Willy Loewenthal hätten sie sich gut in dessen Lebenssituation
hineinversetzen können. Außerdem sei ein nachhaltiges Interesse für lokalgeschichtliche Themen geweckt worden. Reuter:
'Geschichte wird mit der Stolperstein-Aktion wieder lebendig. Sie wird durch die individuellen Lebensgeschichten konkret
erfahrbar.'"
September
2010: Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Artikel von in der "Main-Post" vom September 2010 (Artikel):
"BAD KISSINGEN: Gunter Demnig setzt 13 weitere Stolpersteine gegen das Vergessen
Gunter Demnigs Stolpersteine sind kleine Denkmale mit großer Kraft. Ins Trottoir eingelassen gemahnen sie zur Erinnerung an das Schicksal jener Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet wurden.
Am Montag setzte der Kölner Künstler in Zusammenarbeit mit der Initiative Bad Kissinger Stolpersteine um ihren Sprecher Sigismund von Dobschütz 13 neue Stolpersteine in der Stadt. Insgesamt liegen nun in Straßen und Gehsteigen 33 solcher kleiner Mahnmale.
Für Oberbürgermeister Kay Blankenburg ist die Verlegung der Stolpersteine zunächst der Versuch,
'den Opfern des Nationalsozialismus ihre Identität zurückzugeben'.
Die Aufgabe dieser Boden-Denkmäler erschöpft sich für ihn aber nicht nur darin, ergreifende Schicksale in Erinnerung zu rufen, die jedes für sich immer wieder aufs Neue sprachlos machen. Dass an der inzwischen dritten Kissinger Verlegeaktion mit Demnig wieder Schüler teilnahmen, führte er als Beleg für die Eignung der Stolpersteine an, Jugendliche für die Auseinandersetzung mit den Schrecken der deutschen Geschichte zu interessieren.
Aus den Lebens- und Leidensgeschichten der Verfolgten des Nationalsozialismus zieht Blankenburg zudem Lehren für die Gegenwart: Die Stolpersteine seien
'eine Erinnerung daran, was passieren kann, wenn man zu lange wegsieht.' Die Main-Post dokumentiert die Biografien der Bad Kissinger Opfer in der Zeitung und im Internet mit einer
Serie."
November
2010: Über den Sinn der
"Stolpersteine"-
vierte Verlegung für Ende Juni 2011 geplant
Artikel in der
"Main-Post" vom 8. November 2010 (Artikel): "BAD KISSINGEN.
Brite kam wegen Stolperstein
(tk) Vor knapp 20 Zuschauern führte die Projektgruppe 'Stolpersteine' den gleichnamigen Film von Dörte Franke im Bad Kissinger Rathaussaal vor. Die Veranstaltung fand im Rahmen der jüdischen Kulturtage statt. In dem Film wird der Kölner Konzeptkünstler Gunter Demnig porträtiert, der seit 1992 europaweit die Mahnmale für die Opfer des Holocaust verlegt.
Für die Kissinger Zuschauer besonders interessant ist die Tatsache, dass der Film mehr über den Briten Peter Jordan verrät, der in Konflikt mit dem Münchner Oberbürgermeister Ude geriet. Denn die bayerische Landeshauptstadt ließ den Stolperstein für Peter Jordans Vater wieder abbauen.
Doch Jordan hat sogar einen direkten Bezug zur Kurstadt, da seine Vorfahren aus der Region kommen. Seine Mutter war die Tochter des Viehhändlers Lazarus Frank aus
Steinach. Die Franks lebten später in Kissingen. Zur Verlegung der Stolpersteine für die Familie war Jordan in Kissingen persönlich anwesend. Bezugspunkt für Trauer. Nach der Vorführung des Filmes thematisierte Sigismund von Dobschütz, Sprecher der Kissinger Bürgerinitiative, noch einmal die Pro und Kontras zum Projekt Stolpersteine. Gerade das Beispiel Jordan zeige den Sinn des Unterfangens, so von Dobschütz. Denn Jordan habe nun einen Bezugspunkt für seine Trauer und für das Andenken an seine Eltern.
Diese Sichtweise unterstützt auch im Film eine Roma-Familie, deren Großvater aus Österreich deportiert wurde. Auch sie hatten bisher weder Halt- noch Erinnerungspunkte an den Vorfahren. Eindrucksvoll zeigt der Film, wie diese Menschen mit
'ihren' Stolpersteinen umgehen. Immer wieder umrunden sie nach der Verlegung den Stein und betrachten ihn aus verschiedenen Blickwinkeln.
Das sind die Geschichten, die von Dobschütz an die Bedeutung des Projektes glauben lassen. Für die Stolpersteine in Kissingen werden immer wieder neue Paten und Sponsoren gesucht. Die nächste, vierte Verlegung von Stolpersteinen in Bad Kissingen ist für Ende Juni 2011
geplant."
Dezember
2010: Weitere Steinpaten für die im Juni
2011 zu verlegenden "Stolpersteine" gesucht
Artikel in der
"Main-Post" vom Dezember 2010 (Artikel):
"BAD KISSINGEN, Weitere Stolpersteine geplant
Initiative sucht Paten - Fortsetzung folgt: Auch 2011 werden in Bad Kissingen Stolpersteine verlegt werden.
Bereits 33 Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus wurden seit Gründung der Initiative im Februar 2009 im Stadtgebiet verlegt. Finanziert wurde dies ausschließlich mit privatem Geld durch Spenden und Übernahme von Patenschaften. Auch künftige Spendengelder werden vollständig und ausschließlich zur Verlegung neuer Stolpersteine in Bad Kissingen verwendet, heißt es in einer Mitteilung der Verantwortlichen. Die zur Stolperstein-Verlegung notwendige Vorarbeit wird von den Arbeitsgruppen-Mitgliedern ehrenamtlich erbracht.
Die nächste Verlegungsaktion mit dem Ideengeber, dem Kölner Künstler Gunter Demnig, ist schon jetzt für Juni 2011 fest eingeplant. Für einige Stolpersteine hofft die Initiative auf Paten zur Deckung der Kosten. Nach Überweisung von mindestens 95 Euro pro Stolperstein wird der Spender zunächst in die Liste der Patenschaftsanwärter aufgenommen. Nach Entscheidung der Initiative, welcher Nazi-Opfer man im Juni 2011 durch neue Stolpersteine gedenken will, wird dann mit jedem Spender abgestimmt, für welches Opfer er die Patenschaft übernehmen will. Hierzu kann der Spender Vorschläge der Arbeitsgruppe akzeptieren, aber gern auch selbst eine Person vorschlagen.
Auch zur Mitarbeit in der Recherche-Arbeitsgruppe, die für die Erforschung der einzelnen Opfer-Biografien verantwortlich ist, werden historisch interessierte Helfer gesucht. Spendenkonto: Konto 91 der Stadt Bad Kissingen, Sparkasse Bad Kissingen (BLZ 793 510 10), Verwendungszweck:
'Stolpersteine'. Weitere Informationen: Stadtrat Sigismund von Dobschütz, Tel. (09 71) 785 25 30,
E-Mail".
Februar
2011: Im Juni 2011 werden weitere
"Stolpersteine" verlegt.
Artikel in der
"Main-Post" vom 11. Februar 2010 (Artikel):
"Bad Kissingen. Zehn neue Stolpersteine im Juni - Vierte Auflage der Aktion von Künstler Gunter Demnig und Kissinger Initiative
Im Juni wird der Kölner Aktionskünstler Gunter Demnig in einer vierten Verlegungsaktion zehn neue Stolpersteine an fünf Standorten vor Bad Kissinger Wohnhäusern in den Gehsteig einsetzen. Dies beschloss die Bürger-Initiative
'Bad Kissinger Stolpersteine' nach eigenen Angaben auf ihrer Sitzung am Donnerstag. Der genaue Verlegungstermin sei allerdings noch nicht bekannt, teilte die Initiative mit.
Die Patenschaften für die neuen Stolpersteine wurden von Spendern aus Hamburg, Frankfurt, Nürnberg, Berlin, Mellrichstadt, Nüdlingen und Bad Kissingen übernommen.
Die 20 Sitzungsteilnehmer diskutierten auch über die notwendige Pflege der bereits verlegten 33 Stolpersteine, deren Messingplatte inzwischen Patina angesetzt hat. Realschullehrer Andreas Reuter erklärte sich spontan bereit, mit Schülern seiner Geschichts-AG diese Aufgabe teilweise zu übernehmen. Schulen helfen. Auch Christine Steigmeier will mit ihrer vierten Klasse der Sinnberg-Grundschule wieder eine Putzaktion im Rahmen ihres Unterrichts durchführen. Außerdem wurde angeregt, das Jugendkulturzentrum (JuKuz) und die Mitglieder des Kommunalen Integrationsprojekts (KIP) um Hilfe zu bitten. Unabhängig davon appellierte das Plenum an alle Paten oder Hausbewohner,
'aus freiem Antrieb' gelegentlich 'ihre' Stolpersteine zu putzen.
Ziel der 'Stolpersteine' sei nicht die Vergangenheitsbewältigung im herkömmlichen Sinn, betonte Stadtrat Sigismund von Dobschütz als Initiator dieser Bad Kissinger Aktion ein weiteres Mal. Sinn sei es vielmehr,
'in die Zukunft schauend' besonders Kindern und Jugendlichen mit diesen Gedenksteinen ein Kapitel deutscher Geschichte
'greifbar' verständlich zu machen. Deshalb sei die bisherige Mitarbeit der Kissinger Schulen besonders erfreulich.
Nicht nur in der Realschule, in der bald ein Lageplan bereits verlegter Stolpersteine ausgearbeitet werden soll, sowie in der Sinnberg-Grundschule seien die Stolpersteine regelmäßig ein Unterrichtsthema. So habe die ehemalige Pädagogin Liselotte Paul die Stolpersteine zum Anlass genommen, mehrmals in Grundschulklassen über ihre Kindheit in Berlin zur Zeit des Nazi-Regimes zu berichten. Jetzt plane sie ähnliche Vorträge in der Kliegl-Mittelschule. Außerdem wurde berichtet, dass Referendar Tobias Schlör im Jack-Steinberger-Gymnasium von seiner zehnten Klasse einen Stadtrundgang
'Jüdisches Leben in Bad Kissingen' erarbeiten lasse. Spende gleicht Minus aus
In seinem Kassenbericht stellte Peter Weidisch ein Guthaben von knapp 1200 Euro fest. Dies sei
'aber nur die halbe Wahrheit', ergänzte von Dobschütz, da bereits 15 Stolpersteine für die beiden kommenden Verlegungsaktionen im Juni und November von privaten Spendern bezahlt seien. Die jeweils 95 Euro pro Stein seien zweckgebunden. So ergebe sich tatsächlich ein Minus von 238 Euro. Zusätzliche Spenden seien deshalb dringend erwünscht, machten Weidisch und von Dobschütz deutlich. Stadtrat Otto Funck, Mitglied in der Bürger-Initiative, erklärte sich spontan bereit, mit einer Spende wenigstens das aktuelle Minus auszugleichen.
Mit den Stolpersteinen im Juni soll an folgende jüdische Mitbürger erinnert werden, die Opfer der Nazi-Diktatur wurden: Sanitätsrat Dr. Siegfried Wahle (Ludwigstraße 9), Kaufmann Hirsch Adler mit Ehefrau Therese und Schwester Jeanette (Hartmannstraße 5), Kaufmann Benedikt Schloß mit Ehefrau Emilie und Tochter Thekla (Maxstraße 31), Nanette Holländer, Ehefrau des Kaufmanns Hermann Holländer (Maxstraße 24), sowie Bäckermeister Hermann Baumblatt und Ehefrau Sara (Badgasse 4). Emilie Schloß überlebte als Einzige das Konzentrationslager und emigrierte nach einem Zwischenstopp in der Schweiz im Jahr 1947 nach Israel. Die
'Bad Kissinger Stolpersteine' sind auch beim sozialen Netzwerk Facebook vertreten."
März/Mai
2011: Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" am 15. Mai 2012
Artikel in der
"Saale-Zeitung" vom 11. März 2012: "Stolperstein-Biographen
brauchen Infos..." Link
zum Artikel
Artikel von
Angelika Luga-Braun in der "Saale-Zeitung" vom 16. Mai 2012:
"Was im Land der Dichter und Denker geschah..." Link
zum Artikel
September 2014:
Siebte Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Anmerkung: nach dieser Verlegung gibt es 61 "Stolpersteine" in Bad Kissingen
Artikel von Ralf
Ruppert in der "Main-Post" vom 26. September 2014: "Bad Kissingen. Siebte
Stolperstein-Verlegung in Bad Kissingen
Künstler Gunter Demnig hat in Bad Kissingen erneut Stolpersteine verlegt.
Nachgeahmt wurde die Aktion im Landkreis bisher nur in
Maßbach. Nachfahre Ernst O. Krakenberger
kehrte für die Verlegung zurück zu den Wurzeln seiner Familie und dankte für
das Gedenken an seine Vorfahren.
Mehr als 48 000 Stolpersteine hat Gunter Demnig bereits verlegt. Trotzdem:
'Jeder Stein, jedes Schicksal ist neu', erzählte der Kölner Künstler bei
seiner jüngsten Aktion in Bad Kissingen. Vor dem Haus Hemmerichstraße 8
erinnern vier kleine quadratische Bronzetafeln im Boden an die Geschwister
Emma, Siegfried und Else Kissinger sowie Carola Manasse. Damit gibt es 61
Stolpersteine im Stadtgebiet. Im Landkreis kommen noch 13 in
Maßbach dazu, in allen anderen Gemeinden
gab es bislang entweder keine entsprechenden Initiativen oder Vorbehalte
gegen die Erinnerungsaktion. [...]. Spender für Poppenlauer gesucht.
Initiiert hat die Verlegung von Stolpersteinen in Bad Kissingen der
frühere Kurdirektor Sigismund von Dobschütz. Er selbst sei in Nürnberg 2008
über die kleinen Gedenktafeln im Boden gestolpert. 'Das ist ein gutes
Medium, um gerade den Jungen zu zeigen, wie man auch mit Geschichte umgehen
kann.' Das dachte sich auch Klaus Bub, der Leiter des
Maßbacher Heimatmuseums: 2012
organisierte er die Verlegung von 13 Stolpersteinen für die 13 deportierten
Juden aus Maßbach. 'Ich hatte damals auf
Anhieb genügend Spenden', erinnert er sich. Und: 'Die Reaktionen waren
insgesamt sehr positiv, auch wenn es die ein oder andere kritische Stimme
gab.' 'Ich beschäftige mich seit Jahren mit der jüdischen Geschichte',
erzählt Klaus Bub. Obwohl ihn die Gemeinde damals so gut unterstützte, habe
er bislang 'nicht den Mut gehabt', dem neuen Gemeinderat und dem neuen
Bürgermeister sein nächstes Projekt vorzustellen: Aus
Poppenlauer wurden sogar 24 jüdische
Mitbürger deportiert. Auch für dort hofft Bub noch auf Stolpersteine und
Spender.
Anders als in Maßbach lehnte der Bad
Brückenauer Stadtrat die Verlegung von Stolpersteinen vor einigen Jahren
ab. Dabei hatte auch Bad Brückenau
eine große jüdische Kultusgemeinde, wie der verstorbene Pfarrer Ulrich
Debler dokumentiert hat. 'Wir gedenken unserer jüdischen Mitbürger in
anderer Form', verweist Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks (CSU) auf
zahlreiche Gedenktafeln in der Stadt, unter anderem an der ehemaligen
Synagoge und am Jüdischen Friedhof. Zudem komme Josef Schuster, der
Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern,
regelmäßig in die Heimatstadt seiner Vorfahren. Neue Tafel am Seelhaus-Platz. In
Hammelburg gab es 2010 einen Antrag auf Stolpersteine. 'Das wurde damals
abgelehnt, auch ich habe mich dagegen ausgesprochen', sagt Bürgermeister
Armin Warmuth (CSU). Aus seiner Fraktion gab es nun einen erneuten Vorstoß.
'Ich werde keine Initiative ergreifen', stellt Warmuth jedoch klar. Vielmehr
setze er auf andere Formen: 'Wir haben schon sehr viel gemacht, um die
Erinnerung an die jüdischen Mitbürger aufrecht zu erhalten.' Zudem werde
demnächst der Seelhaus-Platz neu gestaltet und im November eine Tafel
angebracht mit den Namen aller Juden, die deportiert wurden. 'In
Untererthal und
Westheim haben wir das ja bereits.'
Kein Thema sind Stolpersteine in anderen Gemeinden mit jüdischer
Vergangenheit: Weder der Gerodaer
Bürgermeister Alexander Schneider, noch sein Amtskollege Wilhelm Friedrich
aus Zeitlofs hatten bislang Anfragen.
'Wir haben ja unsere Gedenktafel an der Alten Schule', verweist Friedrich
darauf, dass die Erinnerung trotzdem wach gehalten werde. Die
Lebensgeschichte von Ernst O. Krakenberger ist eng verknüpft mit dem
dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte: 'Meine Eltern flohen 1939 in die
Niederlande, ich wurde dort im Dezember 1940 geboren.' Während die Eltern
zweieinhalb Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern überlebten, war ihr
Sohn bei einer deutsch-niederländischen Familie untergebracht: 'Wie die
allseits bekannte Anne Frank, nur mit dem Unterschied, dass ich überlebte',
berichtete der 73-Jährige bei der mittlerweile siebten
Stolperstein-Verlegung in Bad Kissingen. Ernst Krakenberger ist ein
Nachfahre der vier Geschwister Kissinger, denen die jüngsten Stolpersteine
gewidmet sind. 'Meine Mutter war eine geborene Kissinger', berichtete er.
'Die Stolpersteine sollen aber nicht nur die Erinnerung wach halten, sie
sollen auch, gerade in dieser Zeit, in der Antisemitismus wieder salonfähig
wird, eine dauerhafte Mahnung für die Zukunft sein', sagte Ernst O.
Krakenberger und plädierte für die Verständigung der Religionen und der
Völker. Gerechte unter den Völkern. Die Familie Stockmann, die ihn damals
rettete, wurde von Yad Vashem als 'Gerechte unter den Völkern' ernannt. Zur
deutschen Geschichte zitierte Krakenberger seinen Vater: 'Ich habe vieles
wenig Schönes erlebt, bin aber der Ansicht, dass das Deutsche Volk einer
Krankheit erlegen ist, für welche die meisten schon genug direkt oder
indirekt bestraft worden sind.' Vor zehn Jahren trafen sich rund 65
Mitglieder aus sieben Ländern der Familie Kissinger in Bad Kissingen. 'Die
Stadt Bad Kissingen hat unser Treffen nach Kräften unterstützt und alle, die
dabei waren, denken mit Vergnügen und Freude an diese Tage', berichtet der
73-Jährige, der heute in Schwaig bei Nürnberg wohnt. 'Es war ein erstes
Zeichen, dass die Verbindung Kissinger-Bad Kissingen wieder aufgenommen
wurde.' Deshalb sei es um so erfreulicher, dass zum Andenken an die vier
Mitglieder der Kissinger Familie die Stolpersteine vor einem der Häuser, in
dem die Familie damals wohnte, gelegt werden. 'Ausgelöschte Menschenleben'. 'Es soll jeder, der hier vorbeikommt
durch diese Stolpersteine daran erinnert werden, dass alle Menschen gleich
sind, dass es keine rassistischen Vorurteile geben darf und dass nur so das
Zusammenleben in Bad Kissingen eine gute Zukunft haben wird', wünschte sich
Krakenberger, der im Gespräch mit der Saale-Zeitung auch ankündigte, noch
öfter nach Bad Kissingen kommen zu wollen. 'Sie zeigen uns hier in Bad
Kissingen Ihren Großmut', dankte Bürgermeister Anton Schick (DBK)
Krakenberger für seinen Besuch. Die 61 Stolpersteine im Bad Kissinger
Stadtgebiet seien 'Sinnbild für 61 barbarisch ausgelöschte Menschenleben'.
Über die Geschwister Kissinger sagte Schick: 'Im Dritten Reich war ihnen ein
Leben hier nicht mehr möglich, sie wurden in den Tod getrieben.' Marlies
Walter, Barbara Thiele und Sigismund von Dobschütz haben in Archiven die
Lebensgeschichte der vier Geschwister Kissinger recherchiert. Initiator von
Dobschütz verwies darauf, dass die Stolpersteine für alle Opfer des
Nazi-Regimes verlegt werden. Unter den 61 Stolpersteinen sei einer in Garitz
auch einem Zeugen Jehova gewidmet. Nach der Verlegung kam es noch zu einem
Gespräch über die Beziehung der Geschwister Kissinger zum US-Politiker Henry
Kissinger: Gemeinsame Vorfahren seien Halbbrüder gewesen, berichtete
Krakenberger. 'Aber Kissinger war nie in Bad Kissingen, das wurde er bereits
gefragt', berichtete Sigismund von Dobschütz. Geboren wurde der berühmteste
Träger des Namens Kissinger in Fürth, in seiner Kindheit sei er aber auch
oft in Leutershausen gewesen.
Sigismund von Dobschütz hofft, dass es noch weitere Stolpersteine in Bad
Kissingen gibt, Spenden in Höhe von 120 Euro für einen Stein seien
jedenfalls willkommen. Vorfahren: Ernst O. Krakenbergers Ur-Ur-Großvater hieß Loeb
Kissinger, er hatte unter anderem die beiden Söhne Meyer und Koppel (Karl)
Kissinger. Meyer Kissinger (1870 bis 1935) hatte drei Kinder, der Älteste
war Isidor Kissinger, der Großvater Krakenbergers. Koppel (Karl) Kissinger
hatte die vier Kinder Emma, Siegfried, Else und Carola. Großeltern:
'Für meine Mutter Martha war Else Kissinger Tante und Stiefmutter',
berichtet Krakenberger über die Beziehung seiner Großeltern: Isidor
Kissinger heiratete in zweiter Ehe seine Cousine Else Kissinger. Aus der
ersten Ehe stammten acht Kinder, als Nummer drei Tochter Martha,
verheiratete Krakenberger. Ernst Krakenberger ist der einzige Sohn. Familie Die Familie Kissinger war eine eingesessene jüdische Familie
Bad Kissingens. Der Kaufmann Karl/Koppel Kissinger wohnte mit seiner
Ehefrau Jeanette, geborene May aus
Walldorf bei Meiningen, zunächst
in der Kirchgasse und zog 1883 in die heutige Hemmerichstraße 8, lange
'Villa Kissinger' genannt, um. 1938 wurde das Gebäude für 36 000 Reichsmark
an den Kolonialwarenhändler Georg Pabst rechtmäßig verkauft. Emma
Kissinger wurde am 12. Juni 1875 als ältestes Kind in Bad Kissingen
geboren. Ab den 1920er Jahren lebte Emma allein im Elternhaus, nachdem ihre
Geschwister inzwischen aus Bad Kissingen weggezogen waren. Sie vermietete
Zimmer an Gäste. Später zog sie zu ihrem Bruder Siegfried nach Nürnberg.
Siegfried Kissinger wurde am 21. Dezember 1876 in Bad Kissingen geboren.
Während des Ersten Weltkriegs wurde er im August 1915 mit fast 39 Jahren
eingezogen. Bis zu seiner Entlassung als Gefreiter im Dezember 1918 diente
er in verschiedenen Regimentern in Würzburg, Offenbach und Landau. Laut
Militärakte war Siegfried Kissinger etwa 1,60 Meter groß, untersetzt und
trug eine Brille. Im März 1923 zog er nach Nürnberg und arbeitet im
jüdischen Kaufhaus Tietz. Am 10. September 1942 wurden Emma Kissinger und
ihr Bruder Siegfried nach Theresienstadt deportiert. Wenige Tage später, am
29. September, wurden beide mit 2000 anderen Juden in das Vernichtungslager
Treblinka gebracht und ermordet. Der genaue Todestag ist nicht bekannt.
Else Kissinger wurde am 17. Juni 1879 in Bad Kissingen geboren. 1918
heiratete sie ihren verwitweten Cousin Isidor Kissinger und zog zu ihm nach
Nürnberg. Die Ehe diente vor allem dazu, die acht Kinder Isidors im Alter
von 12 bis 19 Jahren zu versorgen, Else und Isidor Kissinger hatten keine
gemeinsamen Kinder. Den Familienunterhalt verdiente Isidor Kissinger als
Mitinhaber der Firma 'Zentner und Kissinger Bürsten- und Lederfabrikation',
er starb 1935. Am 27. Februar 1942 wurde Else Kissinger verhaftet und ins
Polizeigefängnis Nürnberg gebracht. Am 24. März 1942 wurde sie nach Izbica
deportiert. Nach dreitägiger Fahrt kam der Transport dort am 27. März an.
Hier verlieren sich Else Kissingers Spuren. Carola Kissinger wurde am
4. Mai 1883 geboren. Sie heiratete um 1910 Sally Manasse, Justizrat
in Berlin. Er starb 1941. Am 25. Januar 1942 ließ die Geheime Staatspolizei
Carola Manasse nach Riga deportieren. Wegen der Kälte erfroren viele der
mehr als 1000 Deportierten bereits während des mehrtägigen Transports, nur
13 Menschen überlebten. Das Schicksal der damals 58-jährigen Carola Manasse
ist unbekannt."
Link zum Artikel
Februar
2015: Stolpersteine-Projekt geht
weiter - derzeit fehlen Spender
Artikel in der
"Main-Post" vom 24. Februar 2015: "BAD KISSINGEN. Stolpersteine: Projekt geht weiter.
Pause bei der Verlegung– Zurzeit mangelt es an Stiftern
Als der Finanzausschuss des Kissinger Stadtrats vor zwei Wochen erstmals öffentlich über den städtischen Haushalt für das laufende Jahr beriet, tat sich ziemlich überraschend ein Fragezeichen hinter dem Projekt der Bad Kissinger Stolpersteine auf. Seite 78 im Entwurf des Ergebnishaushalts weist für die Initiative von diesem Jahr an keinerlei Ansätze mehr aus. Die Verwaltung begründete das mit dem Hinweis, das Projekt laufe aus. Dem ist aber nicht so.
Wie Sigismund von Dobschütz, Stadtrat der Freien Wähler, Initiator des Projekts und Sprecher der Bad Kissinger Initiative dazu auf Anfrage bestätigte, werden zurzeit lediglich keine Stolpersteine gesetzt. Das komme davon, dass es aktuell nicht genug Paten (und damit Sponsoren) für weitere Verlegungen von Stolpersteinen in Bad Kissingen gebe..." Link
zum Artikel
November
2016: Weitere
"Stolpersteine" werden verlegt
Artikel von Werner
Vogel in "inFranken.de" vom 6. November 2016: "Bad
Kissingen. Holocaust. Grabdenkmäler ohne Gräber. Die Bad Kissinger Bürger-initiative lud Gunter Demnig ein, weitere Stolpersteine als Erinnerung an Opfer des Naziregimes zu verlegen.
Goldglänzend stechen sie aus dem Grau des Gehsteigs hervor, quadratische Betonsteine mit einem Kopf aus Messing: "Stolpersteine" die an fast vergessene Opfer des Naziterrors erinnern. Sie machen Passanten darauf aufmerksam, dass in diesem Haus einmal jemand gewohnt hat, der in den Gräueln des Dritten Reiches verschleppt und umgebracht wurde. "Will man die darin eingravierten Namen lesen, muss man den Kopf senken", macht der Kölner Künstler Gunter Demnig auf einen Aspekt der Aktion aufmerksam und fügt hinzu: "Über diese Steine stolpert nicht der Fuß, sondern der Kopf". 60 000 solcher Würfel in 21 Ländern, hat Demnig bereits gesetzt.
Der große graue Hut, die angejahrte Handwerkskleidung mit Weste, Cordhose und Knieschoner sind sein Markenzeichen, der "Stolperstein" ist sein Leben. Bedächtig kniend setzt er Stein für Stein mit den Lebensdaten des Opfers in die kleine Grube die Michael Rüttinger vom Servicebetrieb der Stadt vorher in den Asphalt gefräst hat, füllt trockenen Zement in die Fugen, gießt ihn an, kehrt die Namen frei und wischt mit einem Tuch die Oberfläche des Steins sorgfältig sauber. Ein demütiges Ritual. Biografie gegen das Vergessen. Die Geste bewegt die kleine Gemeinde von Freunden und Unterstützern der Bürgerinitiative. Auch Rudolf und Inge Dotzauer, die Paten des Steins für den Schlosser Isidor Löwenstein sind gekommen, der vor dessen letzter Wohnung in der Hemmerichstraße 12 verlegt wird. Am 24. April 1942 wurde Löwenstein gemeinsam mit 22 anderen Kissinger Juden nach Würzburg transportiert, tags darauf nach Krasnystaw/Polen verbracht und vermutlich in einem der benachbarten Todeslager ermordet, erfahren die Teilnehmer der Exkursion von Marlies Walter, die die Biographie zum Schicksal Löwensteins zusammengestellt hat und sie während der Verlegung verliest. Schon 67 Steine in Bad Kissingen. In Bad Kissingen wurden seit Aktionsbeginn im Frühjahr 2009 an sieben Terminen 61 Stolpersteine zur Erinnerung an Nazi-Opfer vor deren letztem Wohnsitz in den Gehsteig eingelassen, berichtet Sigismund von Dobschütz, der Sprecher der Bürgerinitiative, sechs neue sechs neue sind jetzt dazugekommen. Der Stadtrat erklärt, dass die Steine, wie alle anderen zuvor, von privaten Spendern aus ganz Deutschland und dem Ausland finanziert werden.
Oberbürgermeister Kay Blankenburg weist auf die Absurdität der Ereignisse hin: "Es sind ganz normale Menschen, die ermordet wurden", beschreibt er die Schicksale derer, "die einfach nur zur falschen Zeit gelebt haben." Weil ihnen kein Sterbeort und kein Datum zugeordnet werden kann, "verankern wir mit der dauerhaften Nennung des Namens ein Stück deutscher Geschichte." Der Oberbürgermeister dankt Gunter Demnig, Kulturreferent Peter Weidisch und seinen Mitarbeiterinnen vom Stadtarchiv, dem Servicebetrieb und vor allem der Bürgerinitiative und ihrem Sprecher Sigismund von Dobschütz für ihr Engagement. Ergreifende Schicksale. In der Hartmannstraße 5 wohnte die gebürtige Kissingerin Hedwig Haas. Auch für sie begann, ebenso wie für das Ehepaar Theo und Selma Hartmann aus der Maxstraße 24, an jenem 24.April1942 das Martyrium. Auch ihre Spuren verlieren sich in Krasnystaw im Bezirk Lubin. Die Lebensgeschichte von Hedwig Haas erforschte Marlies Walter, die der Hartmanns Sigismund von Dobschütz. Gründliche, oft mühsame Recherche geht dem Stolperstein voraus.
Barbara Thiele kennt die Geschichte der Bankiersgattin Selma Löwenthal, hat herausgefunden, dass in der kleinen Privatbank auch Tickets für das Saale- Dampferle verkauft wurden. In der Ludwigstraße, wo sie über der damaligen Bank wohnte (heute Drogeriemarkt Müller) erinnert jetzt ein Stolperstein an ihr Schicksal, das sich in Auschwitz vollendete. Todesursache verschwiegen. Eine "Todesfallanzeige" ist in der Broschüre der Bürgerinitiative zur 8. Stolperstein-Verlegung abgedruckt. Als Sterbetag der Hotelbesitzerin Else Löwinsky ist darin der 12.10.42, als Todesursache "Herzfehler" angegeben. Sigismund von Dobschütz schreibt in der Broschüre, dass die wahre Todesursache eine andere ist: Evakuierung nach Würzburg, erzwungener Verkauf ihres Eigentums, Transport ins Ghetto Theresienstadt. In einem Brief der Kissingerin Emilie Schloss, die das Grauen des KZ in Böhmen überlebt hat, heißt es: "Fräulein Löwinsky entleibte sich selbst".
Vor dem Eingang zum Bankhaus Schilling erinnert nun ein Stolperstein auch an diese Tragödie.
Die Teilnehmer gehen nachdenklich auseinander. Bürgermeister Thomas Leiner, selbst Stolperstein-Pate, erinnert im Gespräch an eine alte jüdische Weisheit: "Der Mensch ist erst vergessen, wenn seinen Namen keiner mehr kennt". Weitere Stolpersteine sind geplant. Link
zum Artikel
2017:
Jüdische Kulturtage in Bad Kissingen
Auch in 2017 werden "Jüdische Kulturtage" mit einem reichen
Programm durchgeführt:
Aus dem Vorwort für das Programm: "Die Jüdischen Kulturtage wollen an die jahrhundertealte
große Tradition jüdischen Lebens in Stadt und Landkreis Bad Kissingen erinnern, die durch das NS-Regime brutal
zerstört wurde, aber in den letzten Jahren auf vielfältige Weise, unter anderem durch das Hotel Eden-Park, wiederbelebt
wurde.
Im Mittelpunkt der Jüdischen Kulturtage 2017 steht die Deportation jüdischer Frauen, Männer und Kinder aus unserer
Region nach Polen und Theresienstadt vor 75 Jahren.
Einen zweiten thematischen Schwerpunkt bildet die zwanzigjährige Partnerschaft des Landkreises Bad Kissingen mit
dem Landkreis Tamar am Toten Meer. Zudem sollen die letzten verbliebenen Zeugnisse jüdischen Lebens in Stadt
und Landkreis Bad Kissingen durch Vorträge, Führungen, Ausstellungen und Exkursionen möglichst breiten Kreisen
erschlossen und die Vielfalt jüdischen Lebens, jüdischer Kultur und Religion in Geschichte und Gegenwart anschaulich
vermittelt werden. Das Lutherjahr 2017 ist schließlich Anlass, sich ausgehend von Martin Luthers
Haltung zum Judentum mit dem christlich motivierten Antijudaismus und seinen Folgen näher zu beschäftigen.. Programm
der Jüdischen Kulturtage in Bad Kissingen 2017 (eingestellt als
pdf-Datei)
2016/17:
Hinweis zur Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Für die weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Kissingen werden Spender gesucht, die
die Kosten für die Verlegung eines oder mehrerer Stolpersteine
übernehmen
Informationen bei Stadtrat Sigismund von Dobschütz, Tel. (09 71) 785 25
30 oder (0173) 317 68 06,
E-Mail.
Pressebericht vom 14. Februar 2016:
"Bad Kissingen - Neue Stolpersteine geplant..."
Februar 2018:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Bad Kissingen
Artikel in "inFranken.de" vom 16. Februar
2018: "Geschichte. Weitere Stolpersteine. Die Bürgerinitiative 'Bad
Kissinger Stolpersteine' lädt am Freitag, 23. Februar, zur nächsten
Stolpersteinaktion. Treffpunkt ist um 9.30 Uhr am Marktplatz 1.
Die Bürgerinitiative 'Bad Kissinger Stolpersteine' lädt am Freitag, 23.
Februar, zur nächsten Stolpersteinaktion. Treffpunkt ist um 9.30 Uhr am
Marktplatz 17. Wie bei allen vorigen Verlegungen wird der Kölner Künstler
und Initiator dieser längst internationalen Stolperstein-Aktion, Gunter
Demnig, insgesamt sieben Stolpersteine zur Erinnerung an Opfer des
Nazi-Regimes vor dem jeweils letzten Bad Kissinger Wohnsitz in den
Bürgersteig verlegen: Für die Hausfrau Selma Wolff, geborene Kissinger
(1877-1942), und den Kaufmann Ludwig Kissinger (1887-1942) werden
Stolpersteine vor deren früherem Wohnhaus Marktplatz 17 verlegt. An
Ernestine Mannheimer, geborene Kissinger (1872-1944), soll künftig ein
Gedenkstein in der Kirchgasse 11 und an Cäcilie Rosenbaum, geb. Kissinger
(1873-1943), vor dem Haus Spargasse 9 erinnern. Wegen dieser vier Mitglieder
der Kissinger-Familie werden ein Dutzend der heute in den USA, Europa und
Deutschland lebenden Angehörigen an dieser Verlegungsaktion teilnehmen und
auch Texte vorlesen. Mit drei zusätzlichen Stolpersteinen will die
Bürger-Initiative vor dem Wohnhaus Hartmannstraße 5 weiterer Mitglieder der
Familie Löwenthal gedenken.
Mit diesen sieben neuen Gedenksteinen wird es ab 23. Februar insgesamt 74
Stolpersteine in Bad Kissingen geben. sek."
Link zum Artikel
November 2018:
Vortrag von Hans-Jürgen Beck zum
80. Jahrestag der Pogromnacht 1938 über die Synagoge in Bad Kissingen und
ihre Zerstörung
Artikel von Thomas Ahnert in der "Saale-Zeitung"
vom November 2018: "Die Nacht, als auch in Bad Kissingen die Synagoge
brannte
In der Reichspogromnacht vor 80 Jahren ließen sich auch Bad Kissinger Bürger
dazu hinreißen, mitzumachen, wie Hans-Jürgen Beck schilderte. Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war kein
Ereignis, das aus dem Nichts über die jüdischen Gemeinden in Deutschland
hereinbrach. Wie Hans-Jürgen Beck in seinem Vortrag 'Die Nacht, als die
Synagogen brannten' zum 80. Jahrestag der Pogromnacht erläuterte, gab es
bereits vorher signifikante Hinweise, dass man in Kreisen der NSDAP bereits
Mitte Oktober 1938 an eine größere antisemitische Aktion gedacht haben muss.
Wenige Wochen zuvor waren die Hauptsynagogen von
München und
Nürnberg zerstört worden. Aber auch in
der Nähe schlug der braune Mob zu: Am 30. September zerschlugen und
verbrannten etwa 50 Eindringlinge die gesamte Inneneinrichtung der
Mellrichstädter Synagoge. Dann
zogen sie plündernd durch die Straßen und schlug die Scheiben jüdischer
Geschäfte und Wohnungen ein. Der Schreckenszug, den Reichspropagandaminister
Joseph Goebbels als kollektive Vergeltung für das Attentat des 17-jährigen
Herschel Grynszpan auf den deutschen Legationsrat Ernst vom Rath in Paris in
Bewegung gesetzt hatte, hatte die Region erreicht. Auch in Bad Kissingen
gab es Vorzeichen. Beck: "Mitte Oktober 1938 betrat der
NSDAP-Kreisleiter Willy Heimbach zusammen mit zwei Parteimitgliedern die
Neue Synagoge in Bad Kissingen. Als der christliche Hausmeister Hugo Albert
nach dem Grund für den Besuch fragte, erhielt er zur Antwort, dass 'die
Existenz der Synagoge nur eine Frage der Zeit' sei. Offenbar wollte er eine
Bestandsaufnahme dessen machen, was man später zerstören wollte. Nathan
Bretzfelder, Vorsitzender der Kissinger Kultusverwaltung fragte daraufhin
beim Verband Bayerischer Israelitischer Gemeinden in München an, was zu tun
sei. Eine Antwort ist nicht bekannt. Am 9. November erfuhr die NSDAP-Spitze
in München vom Tod von Ernst vom Rath. Das war der willkommene Anlass, um
die Aktion in Gang zu setzen. Die Anordnung, loszuschlagen erreichte Bad
Kissingen kurz nach Mitternacht. Allerdings hatte es bereits am Morgen des
9. Novembers auf dem Markt Auseinandersetzungen gegeben. Gegen 0.30 Uhr
wurde SA-Obersturmbannführer Emil Otto Walter in der Gaststätte 'Saalehof'
ans Telefon gerufen. Er solle Gewaltmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung
in Bad Kissingen veranlassen. Insbesondere solle er Wohnungseinrichtungen
zerstören und die Synagoge in Brand setzen lassen, jedoch so, dass die
Ausführenden nicht als Angehörige der SA erkannt würden. Das tat er mit
detaillierten Anweisungen. Kurz darauf ging die Halle des Autovermieters
Hermann Holländer in der Maxstraße in Flammen auf, die Israelitische
Kinderheilstätte in der Salinenstraße wurde verwüstet, die Synagoge wurde
gestürmt und die Einrichtung mit Hilfe mitgebrachter Strohballen verbrannt.
Die Feuerwehr rückte zwar aus, durfte aber erst löschen, als nichts mehr zu
retten war. Die Brandstifter zogen weiter durch die Stadt und zerschlugen
die Fenster sämtlicher jüdischer Wohnungen und Geschäfte und zerstörten die
Einrichtung. Zu 'Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Plünderungen', so der
Polizeibericht am nächsten Tag, sei es nicht gekommen. Zwischen 3 und 5 Uhr
morgens ließ Stadt- und Badkommissar Dr. Conrath auf Grund der nächtlichen
Fernschreiben 28 Kissinger Juden festnehmen und ins Amtsgerichtsgefängnis
bringen, unter ihnen die beiden Rabbiner Dr. Moses und Dr. Simon Bamberger.
Acht von ihnen kamen aufgrund eines Antrags des Gesundheitsamtes wieder
frei. Andere wurden aneinander gekettet und in einem Zug, den die Kissinger
am Straßenrand mit antijüdischen Schmährufen begleiteten, zum
Jüdischen Friedhof geführt, um dort
'belastendes Material' auszugraben - tatsächlich waren es nach orthodoxem
Ritus beigesetzte Ritualien. Am 12. November wurden 14 der Männer vom
Amtsarzt als 'lagerfähig' erklärt und von der Gestapo ins KZ Dachau
deportiert. Fünf galten als 'nicht lagerfähig' und mussten noch bleiben.
Kela Bamberger wurde entlassen, und Hermann Holländer starb nach einem
Zusammenbruch. Den materiellen Schaden dieser Nacht bezifferte die Polizei
mit 55 000 Reichsmark.
'Das Schicksal der Ritualien in der Synagoge und im Betsaal im jüdischen
Gemeindehaus war sehr unterschiedlich', sagte Hans-Jürgen Beck. So manches
konnte durch den Einsatz des - christlichen - Hausmeisters Hugo Albert
gerettet werden - etwa die wertvollen Thorarollen durch den Austausch gegen
unbrauchbar gewordene Rollen. Ein Teil der Kultgegenstände landete 1941 im
Würzburger Luitpoldmuseum (https://wuerzburgwiki.de/wiki/Fränkisches_Luitpoldmuseum),
ein Teil wurde versteigert, der Rest verstreute sich in alle Welt. Der
wertvolle Thoravorhang hängt heute in der Ezra Habonim Synagogue in Chicago
(https://www.ehnt.org/). Die Thorarolle
von 1700 gelangte ebenfalls in die USA in den Besitz von Rabbiner Michael A.
Oppenheimer, der sie 2003 für 50 Jahre für den jüdischen Beetsaal an Bord
des Flugzeugträgers USS Ronald Reagan (https://de.wikipedia.org/wiki/USS_Ronald_Reagan_(CVN-76)),
dem größten Schiff der Welt, zur Verfügung gestellt hat. Für 8900 RM hätte
man die Synagoge wieder herstellen können, aber vor allem 2. Bürgermeister,
Kreisamtsleiter und SA-Hauptsturmführer Willy Messerschmidt, drängte auf
Abbruch. Ihm ging es um die Beseitigung eines Symbols. So kaufte die Stadt
am 26. April 1939 das gesamte Anwesen mit Synagoge und Gemeindehaus für
16500 RM - ein Bruchteil seines Wertes. Bereits am nächsten Tag begann der
Abriss der Synagoge. Das Gemeindehaus blieb erhalten, laut Polizeibericht
'für städt. Zwecke'. Der Großteil des Abbruchmaterials wurde 1939 zum Bau
des Bürgermeister- und des Kreisleiterhauses am Staffels verwendet. Wie die
Bevölkerung auf die Pogromnacht reagiert hat, lässt sich nicht genau
erfassen. Anfang 1949 wurde vor dem Landgericht Schweinfurt der Prozess
gegen 14 Männer eröffnet, die beschuldigt wurden, an den Ausschreitungen in
Bad Kissingen beteiligt gewesen zu sein. Die Angeklagten gehörten den
verschiedensten sozialen Schichten an, vom Hilfsarbeiter bis zum
Justizsekretär. Zehn Angeklagte stammten aus Bad Kissingen, je einer aus
Lohr, Stadtsteinach, Hilpoltstein und Buxtehude. Am 21. Dezember 1949
verkündete das Gericht das Urteil: Der Hauptangeklagte Emil Otto Walter
wurde wegen Anstiftung zur Brandstiftung lediglich zu einer Gefängnisstrafe
von zweieinhalb Jahren und wegen seiner 'niedrigen Gesinnung' zu zwei Jahren
Ehrenrechtsverlust verurteilt, wobei auf die Strafe noch ein Jahr seiner
zwanzigmonatigen Internierungshaft angerechnet wurde. Zwölf Angeklagte -
unter ihnen der ehemalige Kreisleiter, der Kreispropagandaleiter sowie der
2. Bürgermeister der Stadt Bad Kissingen - wurden 'mangels Schuld' oder
'mangels Beweises' freigesprochen, das Verfahren gegen einen Angeklagten
wurde ganz eingestellt."
Link zum Artikel
Januar 2020:
Vorschau auf die Jüdischen
Kulturtage 2020
Artikel von Thomas Ahnert in der "Main-Post"
vom 22. Januar 2020: "Bad Kissingen. Die Erinnerung wach halten.
Die Jüdischen Kulturtage Bad Kissingen, veranstaltet von der Stadt und dem
Landkreis Bad Kissingen mit zahlreichen Kooperationspartnern, haben sich
seit ihrer Einführung 2002 zu einem wichtigen und weit über die Region
hinausstrahlenden Schwerpunkt im Veranstaltungsprogramm der Stadt und des
Landkreises entwickelt. Anlass für die Etablierung war die 100-Jahr-Feier
der neuen Synagoge an der Maxstraße, die am 16. Juni 1902 unter großer
Anteilnahme der Bevölkerung, nicht nur der jüdischen Gemeinde eingeweiht
worden war. Aus kleinen, aber ambitionierten Anfängen hat sich jetzt, in der
siebenten Auflage, eine über das ganze Jahr reichende Veranstaltungsreihe
mit über 50 Vorträgen, Führungen, Konzerten, Lesungen, Ausstellung und
anderem mehr entwickelt.
Stadt und Landkreis sehen sich da in der Pflicht: 'Die Region Bad Kissingen
war bis ins Dritte Reich stark jüdisch geprägt', sagte Oberbürgermeister Kay
Blankenburg ( SPD ) bei der Vorstellung des Programms. Das jüdische Leben
sei 'ein integraler Bestandteil des öffentlichen Lebens gewesen und ein
wichtiger Teil der Geschichte, der nicht immer nur dann thematisiert werden
dürfe, wenn Religions- und Meinungsfreiheit bedroht werden.' Landrat Thomas
Bold ( CSU ) betonte den kollektiven Aspekt der Kulturtage: 'Mir ist es
wichtig, dass sich seit 18 Jahren eine große und wichtige Tradition in Stadt
und Landkreis gebildet hat, das Bewusstsein für das Geschehene und die
gemeinsame Verpflichtung daraus zu bewahren.' Er verwies auf das, was in
dieser Hinsicht bereits geschehen ist, betonte dabei auch die Bedeutung der
Partnerschaft mit dem Landkreis Tamar in Israel. 'Durchaus positiv ist die
Vermittlung des 'jüdische Lebens', welches in Form von Tradition, Religion
und Geschichte in den kommenden Veranstaltungen vermittelt wird, aufrecht zu
erhalten. Denn gerade in der heutigen Zeit, wenn antisemitische Parolen
lauter werden oder Tragödien wie in Halle geschehen, ist es wichtig das
Bewusstsein zu schärfen und nicht wegzusehen.'
25 Synagogen und jüdische Beträume gab es bis zum 9. November 1938 allein im
Gebiet des heutigen Landkreises Bad Kissingen , von denen die meisten
allerdings nicht mehr erhalten sind. Es sei, so Bold, 'die Verpflichtung
unter guten Demokraten, diesen Teil der Geschichte nicht auszublenden.'
Kulturreferent Peter Weidisch würdigte die 'beachtliche Quantität und
Qualität' der Veranstaltungsreihe: 'Da brauchen wir uns nicht zu verstecken.
Hochrangige Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen und Vorträge sollen den
überragenden Beitrag jüdischer Künstler, Politiker und Wissenschaftler zur
deutschen und europäischen Kultur und Gesellschaft hervorheben.' Wie prägend
das jüdische Leben bis 1933 in der Region tatsächlich war, zeigt der
Umstand, dass sich die Veranstaltungen keineswegs auf Bad Kissingen
konzentrieren, sondern dass alle Gemeinden im Landkreis mitmachen, in denen
der jüdische Glaube auch wirklich gelebt wurde. Dieses Mal sind es neben Bad
Kissingen als Schwer- und Mittelpunkt
Münnerstadt,
Hammelburg,
Bad Bocklet,
Maßbach,
Bad Brückenau,
Kleinbardorf,
Westheim,
Steinach und
Pfaffenhausen. Neues Online-Gedenkbuch. Eigentlich haben die Jüdischen Kulturtage
2020 bereits im letzten Jahre begonnen: mit einem Vortrag von Prof.
Hans-Jürgen Schrader (Genf) über den Dichter Paul Celan am 25. November im
Sparkassen-Pavillon. Der offizielle Start ist am Donnerstag, 23. Januar, um
18 Uhr im Rossini-Saal. Dort wird ein Online-Gedenkbuch freigeschaltet, das
Rudolf Walter in langjährigen Recherchen erarbeitet hat. Es widmet sich dem
Schicksal der Kissinger Juden während der NS-Zeit, deren Entrechtung,
Vertreibung, Deportation und Ermordung und es rekonstruiert Lebensläufe und
Schicksale. (Am 29. April gibt es zu diesem Thema auch einen Vortrag.)
Letzter Termin des Jahres ist am 1. Oktober 2020: Der Germanist Dieter
Borchmeyer (München) kommt zu einer Lesung in das Jack-Steinberger-Gymnasium.
Thema: 'Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst'. Viele Vorträge. Dazwischen gibt es eine ganze Reihe von
hochinteressanten Vorträgen auch über Themen, die ein wenig im Schatten der
Beachtung sind wie etwa über 28 Camps in Franken, in denen rund 16 000
jüdische Menschen auf eine Ausreisemöglichkeit nach Palästina warteten, über
die Darstellung des Juden Jesus in der bildenden Kunst, einen Vortrag über
neue Erkenntnisse über Synagogen im Landkreis Bad Kissingen oder über den
1919 ermordeten bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner. Es gibt
Führungen durch die jüdischen Friedhöfe von
Bad Kissingen,
Kleinbardorf,
Maßbach,
Steinach und Pfaffenhausen und
einiges an weiterer Spurensuche. Ein wichtiger Aspekt ist natürlich die
Musik, die in vielen Konzerten zu hören ist - sei es bei den
Klezmer-Ensembles 'Mesinke' oder 'Schmitts Katze', sei es in Liederabenden
mit Werken jüdischer Komponisten oder bei 'Verbotene Musik' mit dem Quatuor
Arnaga aus Frankreich. Oder 'Rocking Blues & Boogie Woogie' in Bismarck
Basement mit Hubert Hofherr und Abi Wallenstein (sein Urgroßvater war
übrigens Kantor in Bad Kissingen ). Es gibt Filmvorführungen, einen
Tanzabend, einen Stadtspaziergang auf jüdischen Spuren durch Bad Kissingen
und vieles mehr. Die nächsten Jüdischen Kulturtage finden übrigens bereits
in zwei Jahren statt. Da kann die Veranstaltungsreihe ihren 20. Geburtstag
feiern. Programm Zu den Jüdischen Kulturtagen 2020 ist ein 28-seitiger Flyer
mit sämtlichen Terminen, Referenten, Regularien und Themenerläuterungen
erschienen. Er liegt im Rathaus, in der Tourist-Information im Arkadenbau
und weiteren öffentlichen Einrichtungen sowie bei den Kooperationspartnern
aus. Im Internet ist das ausführliche Programm zu finden unter:
www.badkissingen.de/juedische-kulturtage/."
Link zum Artikel
Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern.
Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988. S. 38-40.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S.
419-425.
Michael Trüger: Der jüdische Friedhof Bad Kissingen. In: Der
Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 8. Jg. Nr. 58
vom Mai 1993 S. 20.
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 262-267.
Die Judenmatrikeln 1817: Dirk Rosenstock
(Bearbeiter): Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817.
Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Bd. 13. 2008 S.
174-175.
Hans-Jürgen Beck/Walter Rudolf: Jüdisches Leben in
Bad Kissingen. Bad Kissingen 1990.
Cornelia Binder und Michael (Mike) Mence: Last Traces /
Letzte Spuren von Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen.
Schweinfurt 1992.
dieselben: Nachbarn der Vergangenheit / Spuren von
Deutschen jüdischen Glaubens im Landkreis Bad Kissingen mit dem Brennpunkt
1800 bis 1945 / Yesteryear's Neighbours. Traces of German Jews in the administrative district of Bad Kissingen focusing on the period
1800-1945. Erschienen 2004. ISBN 3-00-014792. Zu beziehen bei den
Autoren/obtainable from: E-Mail.
Info-Blatt
zu dieser Publikation (pdf-Datei).
Frank
Bajohr: "Unser Hotel ist judenfrei". Bäderantisemitismus
im 19. und 20. Jahrhundert. Fischer Taschenbuch. Frankfurt 2003. In dieser Publikation finden sich S. 94-94 Angaben zu Bad Kissingen.
Bad Kissingen
Lower Franconia. Jews were victims of the Rindfleisch massacres of 1298. In 1705
a synagogue was dedicated and in 1801 a cemetery. Bad Kissingen served as the
seat of the regional rabbinate from 1839, embracing 2,500 Jews in numerous
communities. Among the chief rabbis were Lazarus Adler (1839-52), Gabriel
Lippmann (1853-64), and Moshe Aryed Leib Bamberger (1865-1902). A new synagogue
was built in 1902 as the Jewish population grew from 210 in 1827 to a peak of
504 in 1925 (total 9,517). Bad Kissingen was famous for its mineral baths,
attracting thousands of visitors each year, including many Jews, and providing
employment for 90 % of the Jewish community. Jews owned hotels and restaurants
and worked as doctors at the health facilities. A Jewish children's clinic
founded in 1905 on the initiative of the chief rabbi, Yitzhak Seckel Bamberger (serving
38 communities in 1902-32), accomodated as many as 400 children.
In 1933, 344 Jews remained in Bad Kissingen. The economic boycott under the Nazi
regime struck hard at their tourist-based livelihoods as severe persecution
ensued. Nonetheless, 15 Jewish boarding houses were still open in 1935 with 600
guests. On Kristallnacht (9-10 November 1938), Jewish homes and stores
were destroyed along with a Jewish hotel and Jewish health facilities. All
Jewish men under 70 were sent to the Dachau concentration camp. Emigration,
which had commenced in 1933 with an exodus of younger Jews, reached a total of
121 through 1939, including 64 to the U.S. Another 143 left for other German
cities, including 31 to Frankfurt and 29 to Berlin. Of the 43 Jews remaining in
1842, 23 were deported to Izbica in the Lublin district of Poland via Wuerzburg
on 24 April and others were later sent to the Theresienstadt ghettos.
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