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Karlstadt (Main-Spessart-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Karlstadt bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/40.
Bereits im Mittelalter gab es eine jüdische
Gemeinde in der um 1200 durch den Würzburger Bischof Konrad von Querfurt gegründeten
Stadt. Die Blütezeit der mittelalterlichen Gemeinde war vermutlich im 13.
Jahrhundert, doch aus dieser Zeit noch keine schriftlichen Quellen vor.
Auf Grund einer intensiven Beschäftigung zur Anlage der mittelalterlichen
Stadt Karlstadt und einer bei der Gründung zugrunde gelegten Stadtabsteckung für
die Anlegung der Baublöcke und die zentralen Gebäude und Plätze kommt Hans
Leopold Müller (s. Lit. S. 57) - ausgehend vom Standort der mittelalterlichen
Synagoge - zum Ergebnis: "Die ersten Einwohner Karlstadts waren Juden, und
sie waren bereits beim Gründungsvorgang zur Stelle. Man geht sicher nicht fehl,
in ihnen auch die Kapitalgeber des Bischofs für seine Stadtgründung zu sehen.
Dafür erhielten sie Aufenthalts- und Wohnrecht, wurden mit Grundbesitz und
Lehen ausgestattet. Ihre geschäftliche Tätigkeit war es dann, die die Stadt
zum raschen Aufschwung brachte, den Zuzug förderte, die Wurzeln zum frühen
Wohlstand legte und schon um 1219 den Beginn des Mauerbaus ermöglichte".
Das Ende der ersten jüdischen Gemeinde kam bereits 1298, als bei der
"Rintfleisch-Verfolgung" die Juden der Stadt ermordet. Die ermordeten
Juden sind zwar namentlich bekannt, da sie jedoch in einer gemeinsamen Liste mit
den aus Grünsfeld, Lauda und Weinsberg ermordeten Juden aufgeführt werden,
kann nicht gesagt werden, welche der Personen aus Karlstadt stammten. Erst im Januar
1330 wird in Karlstadt wieder ein Jude namens Frumelin genannt, der auf
einen Zehnten von einem Weinberg am Neuberg bei Karlstadt verzichtete, worauf
ein Karlstadter Bürger mit diesem belehnt wurde. Es ist jedoch nicht bekannt,
ob Frumelin in Karlstadt lebte. Während der Pestzeit Mitte des 14.
Jahrhunderts gab es eine erneute Judenverfolgung.
Trotz der fehlenden beziehungsweise der nur wenigen schriftlichen Nachweise über
jüdische Einwohner im Mittelalter ist davon auszugehen, dass in der Stadt
zumindest vor der Judenverfolgung 1298 eine jüdische Gemeinde von gewisser Größe
bestand. Das Gebäude der Synagoge wird allerdings auch erst 1453 genannt
("dicta Jüdenschule", Hauptstraße 28 siehe unten), als in ihm
bereits über 150 Jahre keine Synagoge mehr war.
Erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts
konnten sich Juden in der Stadt wieder niederlassen. 1876 gab es erstmals wieder
einen jüdischen Hausbesitzer in der Stadt. Seit 1870 entwickelte sich die Zahl
der jüdischen Einwohner wie folgt: 1871 1 jüdischer Einwohner, 1880
12 (0,5 % von insgesamt 2.440 Einwohnern), 1890 41 (1,6 % von 2.525), 1900 37
(1,3 % von 2.886), 1910 72 (2,2 % von 3.225). Eine jüdische Gemeinde wurde um
1885 gegründet (seitdem wurde ein Gemeindeprotokollbuch geführt).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde einen Betsaal (s.u.) und
ein Zimmer für den Religionsunterricht der Kinder. Die Toten der Gemeinde
wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Laudenbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde
war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig
war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde der Gefreite Max Fränkel
(geb. 8. 1.1891 in Karlstadt, gef. 28.10.1917). Sein Name findet sich auf
der Gedenktafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges im nördlichen
Querschiff der Pfarrkirche St. Andreas.
Um 1924, als noch 38 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (1,3
% von insgesamt etwa 3.000 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde
Wolf Fränkel, Simon Adler und Emil Worms. Die jüdische Gemeinde war dem
Distriktsrabbinat in Würzburg zugeteilt. 1932 waren die Vorsteher
Simon Adler, Willi Hüster und Emil Worms. Die Lehrer- und Schochet-Stelle war
im Schuljahr 1931/32 vakant, wurde jedoch wenig später mit Julius Bravmann
wieder besetzt.
1933 wurden 35 jüdische Einwohner gezählt (1,0 % von insgesamt 3.353
Einwohnern). In den folgenden Jahren (bis 1940) sind die meisten von ihnen auf
Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykottes, der zunehmenden Entrechtung und
der Repressalien von Karlstadt verzogen (vor allem nach Frankfurt und Würzburg)
oder emigriert. Vier verstarben noch in der Stadt (darunter im Mai 1939 die Frau
von Israel Rosenbaum, der von 1899 bis März 1938 in Karlstadt ein Trödler-,
dann Schuhwarengeschäft geführt hatte). Unter den 12 in die USA Ausgewanderten
waren im Sommer 1938 Alfons Süßer und seine Frau Recha (siehe Bericht unten).
Fünf sind nach Palästina ausgewandert, drei nach Brasilien. 1937 waren viele
der Gemeindemitglieder unterstützungsbedürftig. Anfang November 1938 wurden
noch 16 jüdische Einwohner gezählt. Beim Novemberpogrom 1938, der für
den Landkreis in Karlstadt, dem Sitz des NSDAP-Kreisleitung geplant wurde, wurde
der Betsaal geschändet (s.u.) und die jüdischen Wohnhäuser von SA- und
SS-Leuten sowie Angehörigen der Hitlerjugend und weiteren Ortsbewohnern überfallen.
Die Einrichtungen der Wohnungen wurden zertrümmert, Kleider, Bücher und Waren
auf den Marktplatz geschleppt, vor dem Rathaus aufgehäuft, zum Teil geplündert
oder zugunsten der NSDAP beschlagnahmt; der Rest wurde verbrannt. Viele der jüdischen
Einwohner wurden bei den Ausschreitungen brutal geschlagen. Am 17. Mai 1939
wurden noch sechs jüdische Einwohner gezählt. Am 17. Oktober 1939 konnten
Julius und Dorchen Bravmann noch nach Palästina emigrieren. Im Mai 1943 gab es
noch zwei jüdische Frauen in Karlstadt, die mit nichtjüdischen Männern
verheiratet waren.
Von den in Karlstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Siegfried Bamberger
(1896), Meta Bamberger geb. Strauß (1906), Paula Bermann geb. Siegel (1890),
Siegfried Fränkel (1887), Ida (Ettel) Freudenberger geb. Hoebel (1881),
Karolina Glückmann geb. Stein (1893), Sali Krieger geb. Fränkel (1894), Frieda
Lehmann geb. Bernei (1890), Israel Rosenbaum (1873), Moses Strauß (1868),
Bertha (Babette) Strauß geb. Silbermann (1872).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Beiträge
Antisemitismus in Karlstadt (1866)
Hinweis: der Vorfall stand in Zusammenhang mit antisemitischen
Ausschreibungen im benachbarten Laudenbach
und anderen Orten. Artikel aus der Sammlung von Leonhard Scherg.
Artikel
im "Lohrer Anzeiger" vom 14. Juni 1866: "Bekanntmachung.
In der Nacht vom 29./30. Mai laufenden Jahres wurden an verschiedenen
Plätzen zu Karlstadt Zettel angeklebt, in welchen zur Verfolgung der
Israeliten aufgefordert ist.
Anhaltspunkte zur Ermittlung des Urhebers sind mir zur Kenntnis zu
bringen.
Lohr, den 11. Juni 1866. Der Untersuchungsrichter am königlichen
Bezirksgericht. Vollert." |
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1889 /
1891 / 1901 / 1904
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
18. November 1889: "Die Kultusgemeinde Karlstadt sucht
einen jungen, ledigen Religionslehrer und Schochet. Fixer Gehalt 400 Mark
sowie freie Wohnung. Anmeldungen nimmt entgegen
Der Vorstand Leopold Baum." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
25. Juni 1891: "Lehrer-Gesuch.
Die hiesige Stelle eines Lehrers und Vorbeters ist bald möglichst zu
besetzen. Gehalt bis zu 400 Mark. Nebenverdienste extra. Reflektanten
wollen ihre Offerten richten
an A. Stein, Karlstadt am Main." |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25.
Juli 1901: "Die Religionslehrer-, Vorbeter- und
Schächterstelle in Karlstadt am Main mit einem festen Gehalt von 600
Mark und Nebeneinkommen von 2 bis 300 Mark ist per 1. September zu
besetzen. Gesuche lediger Bewerber unter Zeugnisvorlage nimmt
entgegen
H. Schmidt. |
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
11. Juli 1904: "Vorbeter-, Schächter- und
Schulunterrichtstelle in Karlstadt am Main 700 Mark Gehalt, freie
Wohnung, ca. 400 Mark Nebeneinnahmen. Meldungen an Nathan Süsser,
Kultusvorstand."
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Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Juli 1904: "Karlstadt am Main. Unterfranken.
Die Vorbeter-, Schächter- und Schulunterrichtstelle ist bei 700
Mark Fixum-Gehalt, freier Wohnung und ca. 400 Mark Nebeneinkünften sofort
zu vergeben. Bewerber wollen sich gefälligst wenden an
Nathan Süsser, Kultusvorstand." |
Zum 70. Geburtstag von Lehrer Julius Bravmann (1936)
Anmerkung: mehr zu Julius Bravmann auf der Seite zu Gaukönigshofen,
wo er bis um 1930 als Lehrer tätig war.
Meldung des Bayerischen Israelitischen Lehrervereins in der
"Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Februar
1936: "Am 22. Februar feiert unser Vereinsmitglied Bravmann -
Karlstadt (früher Lehrer in Gaukönigshofen)
seinen 70. Geburtstag. Wir gratulieren dem Jubilar aufs
herzlichste". |
Aus dem jüdischen
Gemeindeleben
Spendenaufruf für eine in Himmelstadt in schwere Not geratene Familie (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1892:
"Aufruf! Wenn je eine traurige Notlage das Mitgefühl und die
regste Teilnahme eines warmen Menschenherzens zu erwecken imstande ist, so
dürfte dies sicher bei der Familie G. Mannheimer in Himmelstadt bei
Karlstadt a.M. der Fall sein, welche vor 14 Tagen in unerwarteter Weise
von einem schrecklichen Unglücke leider heimgesucht wurde.
Herr G. Mannheimer, ein redlicher und fleißiger Familienvater von Frau
und sieben unerwachsenen Kindern, musste leider vor 14 Tagen infolge einer
plötzlich eingetretenen Geistesstörung in die Kreis-Irrenanstalt Werneck
verbracht werden, wo ihn am 5. dieses Monats der Tod von seinen Qualen
erlöste und er seine Familie in den kümmerlichsten Verhältnissen
zurückließ. Sieben kleine Kinder, wovon das älteste ein Knabe von 11
Jahren ist, strecken weinend die Hände zu ihrer trostlosen und sich im
Schmerze windenden Mutter um Brot verlangend empor. Bedarf es nun der
Worte noch mehr, um die schreckliche Not und das Jammergeschrei dieser so
schwer und hart geprüften Familie zu schildern? O! die Feder sträubt
sich, das Elend derselben in seinem ganzen Umfange zu bezeichnen und ein
vollkommenes Bild des unendlichen Jammers zu entwerfen. Und was noch
wesentlich zur traurigen Lage dieser Familie beiträgt, ist der
bedauerliche Umstand, dass dieselbe die einzige jüdische Familie in
diesem fast 1 Stunde von hier entfernten Orte und daher vom Umgang
teilnehmender Glaubensgenossen abgeschlossen ist. Hier ist sicher die
schleunigste Hilfe, sowie anhaltende Unterstützung am Platze und jede
Zögerung in dieser Weise dürfte gewiss die größte Verantwortung und
schlimmste Folge nach sich ziehen. Daher helfet, wer helfen kann, und
reichliche Belohnung wird den edlen Spendern vom Vater der Witwen und
Waisen zuteil werden.
Laudenbach, bei Karlstadt a.M., den 6. November 1892.
Die israelitische Kultusverwaltung Sandel Frank. Moses Adler, Lehrer L.
Blumenthal.
Die vorbezeichneten Verhältnisse sind der Wahrheit gemäß geschildert
und wird die Angelegenheit dem Wohltätigkeitssinn der Glaubensgenossen
aufs wärmste empfohlen.
Würzburg, den 9. November 1892. Der Distrikts-Rabbiner Nathan
Bamberger.
Spenden wollen an die genannte Kultusverwaltung gesandt werden.
Auch die Expedition ist gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiter
zu befördern." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Isak Baumann (1889)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1890:
"Karlstadt, im Januar (1890). Eine traurige Veranlassung ist
es heute, die mich bitten lässt, die Spalten Ihrer geschätzten Zeitung
zu benützen. Israel ist leider wieder um eine Person vermindert worden,
wie sie immer seltener werden. Der im 68. Lebensjahr in der Nacht zum
Heiligen Schabbat Wajigasch (Schabbat mit der Toralesung Wajigasch
= 1. Mose 44,18 - 47,27; das war Samstag, 28. Dezember 1889)
plötzlich verschiedene Isak Baumann von Gemünden am Main ist es,
der sich durch seinen gottgefälligen Lebenswandel verdient macht, dass
man seine edlen Handlungen öffentlich rühme und ihm als Richtschnur und
als leuchtendes Muster vorführe.
In Dittlofsroda bei Hammelburg geboren, wählte er sich die Buchbinderei
als Beruf und gelang es ihm durch den göttlichen Beistand, durch Fleiß
und Ausdauer seine Familie in ehrlicher und redlicher Weise zu ernähren.
Seiner dem Tode vorangegangenen Frau war der tugendhafte Verblichene ein
treuer Gatte und seinen Kindern war er ein liebreicher Vater. Eine seltene
Liebe hegte er als Großvater zu seinen Enkeln. Um das Wohl der Gemeinde
Gemünden machte sich der edle Verstorbene hoch verdient; indem die
Gemeinde noch nicht im Stande ist einen Kultusbeamten zu unterhalten und
der fromme Heimgegangene die Funktion als Vorbeter ausübte; ebenso erwarb
er sich als Vorsteher große Verdienste. Handelte es sich um Ausübung
einer Mizwa, so war ihm kein Opfer zu groß. In Gerechtigkeit und
Wohltätigkeit zeichnete sich der teuere Dahingeschiedene besonders
aus und verlieren an ihm die Armen einen großen Wohltäter. Durch sein
segenreiches und frommes Wirken ist es demselben gelungen, sich die
allseitige Liebe, Verehrung und Hochachtung zu erringen.
Nun wird er die Früchte für seine ruhmvollen Taten zu genießen
haben.
Er hinterlässt 5 trauernde Kinder.
Sein Andenken sei gesegnet. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Wahl des Kultusvorstandes Nathan Süßer (1904)
Mitteilung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 29. Juli 1904:
"Karlstadt bei Würzburg, 19. Juli (1904). Als Kultusvorstand
der Gemeinde dahier wurde der Kaufmann Nathan Süßer
gewählt." |
Zum Tod von Hermann Schmidt und Leopold Herz (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Oktober 1925: "Gelnhausen,
7. Oktober (1925). Am zweiten Tag des Neujahrsfestes (= 20.
September 1925), kurz nach Beginn des Schacharit-Gebetes wurde
unser allbeliebtes Mitglied Hermann Schmidt von einem Unwohlsein
befallen, welches ihn zum Verlassen des Gotteshauses zwang, das wieder zu
betreten ihm nicht vergönnt war. Nach kurzem Krankenlager, im Alter von
72 Jahren, stattete er seine reine Seele am Erew Schabbat Teschuba
(Freitag, 25. September 1925) dem himmlischen Vater zurück. Vor etwa 12
Jahren nach dem Ableben seiner Gattin kam der Verstorbene aus Karlstadt
bei Würzburg hierher, um im Kreise seiner Kinder und Geschwister seinen
Lebensabend in Ruhe und Behaglichkeit zu verbringen. Der Weltkrieg brach
aus und forderte von ihm seinen einzigen Sohn zum Opfer. Schwer traf ihn
dieser Schlag; doch noch inniger als zuvor, schloss er sich seinem Gotte
an. Morgens und abends konnte man ihn bei Tefilloh bezibur
(öffentliches Gebet in der Synagoge) antreffen, mit jugendlicher Behändigkeit
eilte er zur Erfüllung von Mizwaus (religiösen Vorschriften), wo sich
ihm Gelegenheit bot; um Worte der Tora zu hören, versäumte er keinen
Schiur (Lehrvortrag). Seinem Leben, glich sein Sterben. Bei vollem
Bewusstsein sagte er wenige Minuten vor seinem Verscheiden mit laut
vernehmbarer Stimme Widuj und... Am Tag vor Jom Kippur (Sonntag,
27. September 1925) trugen wir in in stummer Wehmut zur letzten
Ruhestätte."
|
Zum Tod von Kultusvorstand Wolf Fränkel (1926)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 8. Juni
1926: "Karlstadt. Am Sonntag, dem 2. Mai dieses Jahres hat man
das Tagungsmitglied, Herrn Kultusvorstand Wolf Fränkel, unter
ungewöhnlich großer Beteiligung zum Grabe getragen. Der Lehrer der
Gemeinde konnte wegen des Halbfeiertages nur in aller Kürze im Auftrage
der Kultusgemeinde Karlstadt, der Distriktsfriedhofverwaltung Laudenbach
und des Verbandes der Bayerischen Israelitischen Gemeinde die Bedeutung
des Mannes und den Verlust für alle schildern. Herr Fränkel hinterlässt
für das Judentum seines Kreises eine klaffende Lücke. Eine vornehme
Natur, verbunden mit Einfachheit, war er der natürliche Führer seiner
Gemeinde und des Distrikts. So stand auch sein Name als Geschäftsmann auf
gleicher Höhe. Mit Vorliege betrieb er mit Verständnis und Geschick
seine landwirtschaftlichen Anlagen in Garten, Feld und Weinberg. Seine
Aussaat, in den gutjüdischen Boden seiner Familie gestreut, hat gleiche
Früchte gezeitigt. Sein Andenken wird nie erlöschen!" |
Alfons und Recha Süßer emigrieren in die USA (1938)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. November 1938:
"Karlstadt am Main, 24. Oktober (1938). In diesen Tagen verließ Herr
Alfons Süßer und seine Ehefrau Recha unsere Gemeinde, um sich in USA
eine neue Heimat zu suchen. Unsere kleine Kehila (Gemeinde)
verliert damit eines seiner treuesten und wertvollsten Mitglieder, dessen
Scheiden eine tiefe Lücke zurücklässt. Nicht nur, dass Herr Alfons
Süßer ein großer Gottesfürchtiger ist, der seine Liebe zur Tora täglich
durch Tora-Lernen in die Tat umsetzte, widmete er seine Kraft als
ehrenamtliche Vorbeter, als Baal Kore und als Baal Tokea
(Schofarbläser) in uneigennütziger, meisterhafter Weise unserer Kehila
(Gemeinde). So begleiten ihn unsere herzlichsten Segenswünsche." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Konfektions- und Manufakturwarengeschäftes Nathan Süßer
(1890)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1890: "Suche
für mein Konfektions- und Manufakturwaren-Geschäft einen Volontär
und einen Lehrling zum sofortigen oder doch baldigen Eintritt. Kost
und Logis bei Vereinbarung im Hause.
Nathan Süßer, Karlstadt am Main." |
Anzeige der Wochenbett-Wärterin Witwe H. Epstein
(1891)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. August 1891: "Als
Wochenbett-Wärterin empfiehlt sich angelegentlichst Witwe H.
Epstein, Karlstadt am Main." |
Anzeigen des Schuhwarengeschäftes W. Fränkel (1901 /
1906)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März
1901:
"Für mein Schuhwaren-Geschäft, Engros und Detail, welches Samstags
und Feiertage streng geschlossen, suche einen
Lehrling
mit guter
Schulbildung. Kost und Logis im Hause, und einen angehenden Commis,
welcher in Schuhbranche gelernt.
W. Fränkel, Karlstadt am
Main." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1906:
"Für mein Schuhwarengeschäft en gros und en detail, welches
am Samstag und Feiertage geschlossen ist, suche zum baldigen Eintritt
einen
Lehrling. Kost und Logis im Hause.
W. Fränkel, Karlstadt am Main." |
Anzeige der Weingroßhandlung A. Blumenthal
(1906)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juni 1906: "Lehrling.
Ich suche per sofort einen Lehrling aus guter Familie mit guter
Schulbildung und schöner Handschrift zu den günstigsten
Bedingungen.
A. Blumenthal, Weingroßhandlung, Karlstadt am Main." |
Hochzeitsanzeige von Willy Süsser und Martha geb.
Bravmann (1924)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Mai 1924: "Gott
sei gepriesen! Willy Süsser - Martha Süsser geb. Bravmann.
Vermählte.
Karlstadt am Main - Gaukönigshofen. 28. April 1924 - 24.
Nissan 5684." |
Verlobungsanzeige von Meta Mayer und Josef Strauß (1929)
Aus
den "Familiennachrichten" in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 16. Mai 1929:
"Verlobte: Meta Mayer, Goßmannsdorf, Josef Strauß,
Karlstadt am Main, Verlobte." |
Verlobungsanzeige für Recha Levy und Alfons Süsser (1931)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. September 1931: "Recha
Levy - Alfons Süsser.
Verlobte. Külsheim (Baden) -
Frankfurt am Main - Karlstadt am Main.
August 1931 - Elul 5691." |
Sonstige Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries; weitere Angaben auf
Grund der Recherchen von P.K. Müller)
Postkarte
von S. Katz (Eisenach) an die
Malzfabrik Karlstadt (Josef Ullmann) (1928) |
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Die Postkarte wurde von
S. Katz, Eisenach, Kleesaaten, Getreide, Mühlenfabrikate versandt am
4. Oktober 1928 an die Malzfabrik Karlstadt, Inhaber Josef Ullmann.
Josef Ullmann (geb. 23. Juni 1854 in Ickelheim,
gest. 27. Februar 1923 in Würzburg) war verheiratet mit Helene geb. Heßdörfer
(geb. 30. November 1859 in Ottensoos,
gest. 19. September 1939 in Würzburg). Das Ehepaar hatte zwei Söhne (Kurt,
geb. 1882, und Franz, geb. 1886).
Josef Ullmann war ab 1895 in Würzburg ansässig und zuerst als Prokurist in der Mohr'schen Malzfabrik tätig. Seine Schwester
Johanna Ullmann war mit Leon Mohr verheiratet, der zusammen mit seinem Schwager Lazarus Adler die Malzfabrik seines Vaters
Moritz Mohr übernommen hatte. 1898/1899 machte sich Josef Ullmann als Malzgroßhändler selbstständig und war danach
Inhaber (Teilhaber) der Malzfabrik Karlstadt Ullmann.
Quellen: https://www.yumpu.com/de/document/view/10173509/dunkel-war-ueber-deutschland-im-westen-war-ein-letzter-/105
(Geschichte der Familie Mohr); http://adressbuecher.genealogy.net/entry/book/415?max=25&sort=firstname&order=asc&start=S |
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Zur Geschichte der Synagoge
Bereits im Mittelalter gab
es eine Synagoge ("Judenschul"). Über die Geschichte des
Hauses liest man auf einer Hinweistafel am Gebäude Hauptstraße 28:
"Nach Gründung der Stadt Karlstadt war dieses Haus jüdische Kultstätte,
die Judenschul.
Nach Ausrottung der Juden Mitte des 14. Jahrhunderts wurde das Haus Herberge,
behielt aber den Namen Judenschule.
1563 Testamentarische Verfügung und 1590 Fürstbischöflicher Entscheid, dass
die 'Judenschul in Ewigkeit ein Gasthof und Wirtshaus sein und bleiben
soll'.
1593 Eintrag im Salbach: Die Judenschule ist die einzige erbliche Herberge in
Karlstadt.
1607 Umbau durch Hans Bergmüller.
1631 Der schwedische Kundschafter Bastian von For und der schwedische
Feldhauptmann Mathias von Thurn wohnten im Haus.
1634 Der schwedische Reichskanzler Ochsenstern wohnt in der Judenschul.
1638-1750 wechselten die Besitzer 10 mal.
19. Jahrhundert Namensänderung Wittelsbacher Hof, etwa ab 1885
Posthalterei.
20. Jahrhundert Hotel Post."
Außen am Gebäude ist eine Bauinschrift vom Umbau 1602 zu lesen:
"Anno Domini 1602 den 30. Nov. hab ich Hanß Berckmüler Angefangen diesen
bau Auff zu richten. Dieses Hauß steht in Gottes Handt und ist zu der
Jüdenschuel genandt". 1646 wird Joannes Meinhardt, der in der früheren
Judenschule eine Gaststätte betritt, als "caupo Synagogae Judaicae"
bezeichnet.
Der Standort der mittelalterlichen Synagoge belegt nach Hans Leopold Müller (s.
Lit. S. 26) "die Anwesenheit jüdischer Ansiedler bereits zum Zeitpunkt der
Stadtgründung. Denn nur dort, wo die Juden am Anfang der Stadtentwicklung zur
Stelle waren, konnten sie naturgemäß am Ausgangspunkt der Bebauung Platz
finden". Das Gebäude wurde gegenüber einer Gassenöffnung nach Osten
angelegt - der Blick nach Osten (Gebetsrichtung nach Jerusalem) blieb
frei.
Die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder
entstandene jüdische Gemeinde konnte Anfang des 20. Jahrhunderts unweit der mittelalterlichen
"Judenschule" im Hauptstraße 24 einen Betsaal einrichten. 1905
hatte der damalige Vorsteher der jüdischen Gemeinde Nathan Süsser per
Zeitungsanzeige nach einem geeigneten Raum zur Einrichtung eines Betsaales
gesucht, nachdem die Bemühungen um städtische Hilfe fehlgeschlagen waren.
Wenig später konnte im genannten Haus Hauptstraße 24 der Betsaal eingerichtet
werden. In
ihm wurden bis 1938 Gottesdienste abgehalten. Im Betsaal befanden sich am
Toraschrein zwei Steintafeln, die aus der jüdischen Gemeinde von Unterleinach
nach Karlstadt gebracht worden waren. Im Mai 1938 konnte nach Wegzug mehrerer
Familien kein Minjan mehr gebildet werden. Die Gottesdienste wurden nun
gemeinsam mit den Juden aus Laudenbach abgehalten.
Beim Novemberpogrom 1938 drangen SS- und SA-Leute, Mitglieder der
Hitlerjugend und zahlreiche Ortsbewohner (darunter Kinder und Jugendliche) in
den Betsaal ein und zerstörten das Inventar einschließlich der
Ritualien.
Das Gebäude, in dem sich der Betsaal befand, überstand, teilweise beschädigt,
die Kriegszeit und ist bis heute als Wohn- und Geschäftshaus
erhalten.
1949 fand vor dem Landgericht Würzburg ein Prozess gegen 15 der am
Novemberpogrom von 1938 in Karlstadt Beteiligten statt. Von ihnen erhielten 10
Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu einem Jahr und zwei
Monaten.
Adresse/Standort der Synagoge: mittelalterliche
"Judenschule" in der Hauptstraße 28; Betsaal des 19./20. Jahrhunderts
im Haus Hauptstraße 24.
Fotos
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 1.10.2006)
Erinnerung an die
mittelalterliche
jüdische Gemeinde |
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Auf der
Publikation von Hans Leopold Müller ist ein Teil einer Torarolle zu
sehen
(Text aus 4. Mose 33), der als Verstärkung des Einbandes für das Salbuch
von 1593
zweckentfremdet wurde (Stadtarchiv Karlstadt) |
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Mittelalterliche "Judenschul"
(links)
und Haus des Betsaals im
19./20. Jahrhundert rechts) |
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Auffallend
ist beim Gebäude Hauptstraße 28 (links, mittelalterliche
"Judenschule"), dass es die Baulinie erheblich überschreitet.
Dies geht auf den Umbau 1602 zurück. Für die Überschreitung der
Baulinie waren in der Folgezeit jährlich durch die Hausbesitzer fünf
Pfund Gelds zu bezahlen. |
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Äußerlich ist vom
mittelalterlichen Bau
nichts mehr zu erkennen |
Inschrift vom Umbau 1602
durch
Hans Bergmüller (Berckmüller) |
Tafel zur Geschichte
des Hauses |
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Haus des Betsaals
bis 1938 |
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Haus mit dem
Betsaal des 19./20. Jahrhunderts (Betsaal war im Erdgeschoss) mit der
Hinweistafel (zwischen den Fenstern des Erdgeschosses): "In diesem
Hause befand sich bis zum 9. Nov. 1938 die Synagoge der ehem. Karlstadter
Judengemeinde". |
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Fotos von Anfang 2020
(Fotos: Hahn, Aufnahmen vom 6.1.2020) |
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Der Gebäudekomplex
Hauptstraße 28 / 26 / 24 |
Das Haus Nr. 28 (siehe
oben) |
Inschrift vom Umbau 1602
(siehe oben) |
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Hinweistafel Haus Nr.
28 |
"Stolpersteine" von 2009
(s.u.) vor Haus Nr. 26 |
Hinweistafel am Haus Nr.
24 |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
März 2009: "Stolpersteine"-Verlegung
in Karlstadt, Laudenbach und Wiesenfeld |
Bericht aus der "Mainpost" vom 10. März 2009 (Artikel):
"KARLSTADT. Stolpersteine: Zeichen für eine offene Stadt. Gunter Demnig verlegt die ersten 17 Stolpersteine in Karlstadt und Laudenbach
17 Stolpersteine wird der Künstler Gunter Demnig an je vier Standorten in Karlstadt und in
Laudenbach am Mittwoch, 18. März, ab 14.30 Uhr verlegen. Insgesamt sollen 51 Steine in Karlstadt,
Laudenbach und
Wiesenfeld an die ehemaligen jüdischen Bürger erinnern.
Wie berichtet, wird mit der Aktion der Menschen gedacht, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet oder in den Freitod getrieben wurden. Die ersten vier Steine werden in
Karlstadt in der Hauptstraße 26 zum Gedenken an Moses Strauss, Bertha Strauss, Siegfried Bamberger und Meta Bamberger verlegt. An diesem ersten Standort wird die Musikschule Karlstadt die Verlegung musikalisch begleiten.
Wie an allen weiteren Stellen auch wird der jeweilige Pate des Opfers die biografischen Daten vortragen. Am
Kirchplatz 7 wird ein Stein an Israel Rosenbaum erinnern, in der Ringstraße 18
an Jda Freudenberger, im Laudenbacher Weg 22 an Paula Bermann.
In Laudenbach im Brunngrabenweg 8
werden Steine für Isaak Adler und Jeanette Adler liegen. Im Brunngrabenweg 4
wohnten Lothar Frank, Rosa Frank, Wolf Frank und Karl Frank. Die Steine an der
Mühlecke 5 erinnern an Julius Berney und Hannchen Berney. In der Rathausstraße 10 liegen die Steine zum
Gedenken an Jakob Hirschenberger und Lina Hirschenberger. Der städtische Bauhof übernimmt die vorbereitenden Arbeiten an den Standorten, damit der Künstler seine Steine einlassen kann – vor der letzten frei gewählten Wohnung des Opfers. Gunter Demnig fertigt einen Würfel, der mit einer Messingplatte abschließt. Darauf steht in der Regel der Schriftzug
'Hier wohnte', Name, Geburtsjahr, meist das Datum der Deportation oder des Todes. Der Pate wird nicht vermerkt. Finanziert werden die
'Stolpersteine' durch Patenschaften. Ein Stein kostet 95 Euro. 'Die Aktion hat eine sehr positive Resonanz
gefunden', sagt Anna Elisabeth Hennrichs, Leiterin der Karlstadter Volkshochschule.
'Für über 40 Steine sind schon Patenschaften angemeldet.' Unter dem Dach der Vhs hat sich, wie berichtet, der
'Arbeitskreis Stolpersteine' formiert, der die Aktion für Karlstadt initiierte. Der Stadtrat sprach sich einstimmig dafür aus.
Besonders beeindruckt und erfreut zeigt sie sich darüber, dass einige heutige Hausbesitzer von sich aus auf den Arbeitskreis zugegangen sind und Patenschaften übernommen haben.
'Das ist der Idealfall.' Obwohl die Steine in öffentlichem Grund liegen, wollte man nicht gegen den Willen der Hausbesitzer agieren. Aber in Karlstadt und Laudenbach verlaufe die Aktion
'völlig unproblematisch'. Durch die Steine werde öffentlich und sichtbar der jüdischen Opfer gedacht, sagt Georg Schnabel, Mitglied des Arbeitskreises und Betreuer des Judenfriedhofs in Laudenbach.
'Die Stadt steht zu ihrer jüdischen Geschichte.' Die Steine transportierten Karlstadt als eine offene, eine weltoffene Stadt. Er wird bei der Verlegung der Steine jeweils das
'Gebet für die Opfer des Holocausts' sprechen. 'Das Judentum bereicherte unsere Gesellschaft, machte sie leuchtend wie die
Steine', ergänzt Anna Elisabeth Hennrichs. Mit dieser Aktion stehe die Stadt Karlstadt dazu, dass es jüdische Opfer gab. Sie verdränge die Erinnerung nicht, sondern, im Gegenteil, sie pflege sie.
Im Herbst 2009 soll die Aktion abgeschlossen werden und alle Steine für die jüdischen Bürger in Karlstadt, Laudenbach und Wiesenfeld sollen verlegt sein. Aber auch in Karlstadt habe es Euthanasie-Opfer gegeben, sagt
Hennrichs. 'Das ist Fakt, aber da müssen noch die Details recherchiert
werden.' Und noch wisse man nichts über andere Opfer wie Deserteure oder Homosexuelle.
Begleitend zur ersten Stolperstein-Verlegung in Karlstadt führt die Theatergruppe des Johann-Schöner-Gymnasiums im Theater in der Gerbergasse
'Die Karlstadter Juden unter dem Hakenkreuz' auf. Die Szenenfolge wird am Donnerstag, 12. März, und am Sonntag, 15. März, jeweils um 19.30 Uhr gezeigt." |
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Artikel von Michaela Moldenhauer in der "Mainpost" vom
19.3.2009:
KARLSTADT. Das Grauen begann vor der Haustür - Stolpersteine als Bekenntnis zu dunklem Kapitel in der Karlstadter Geschichte
Nicht erst in Treblinka oder Ausschwitz, sondern bereits vor der eigenen Haustür, im eigenen Haus, begann das unvergleichliche Grauen der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten. 17 Stolpersteine erinnern nun vor den Türen der letzten freigewählten Wohnungen an die jüdischen Opfer in Karlstadt und in Laudenbach. Der Künstler Gunter Demnig ließ die Steine an acht Verlegeorten in den Boden ein.
Anna Elisabeth Hennrichs, Leiterin der Karlstadter Volkshochschule, unter deren Dach der Arbeitskreis Stolpersteine agiert, eröffnete am ersten Verlegeort in der Hauptstraße 26 den feierlichen Akt, zu dem sich etliche Teilnehmer eingefunden hatten. 1910 habe es noch 72 jüdische Bürger in der Karlstadter Kernstadt gegeben, 1939 waren es sechs, und seit 1941 gibt es keine mehr. Sie passten nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten und wurden, wie Homosexuelle, Wehrdienstverweigerer, Deserteure und viele andere, deportiert und umgebracht.
Mit der Aktion Stolperstein wolle der Künstler Gunter Demnig verhindern, dass die Opfer vergessen werden, so
Hennrichs. Über die Steine solle der Betrachter nicht mit den Füßen, sondern mit den Augen stolpern, wenn sie messing-glänzend aus dem grauen Straßenbelag hervorleuchten. Mit der Verlegung bekenne sich die Stadt Karlstadt zu einem der dunkelsten Kapitel ihrer über 800-jährigen Geschichte.
"Die Stadt als solche steht hinter der Aktion", sagte Karlstadts Bürgermeister Paul Kruck. Die Verlegung werde von vielen begleitet. Die Stadt blende dieses dunkle Kapitel nicht aus.
"Auch das gehört zur Aufarbeitung der Geschichte." Nachdem Gunter Demnig die Steine in die vom Karlstadter Bauhof vorbereiteten Löcher eingelassen hatte, verlasen die Paten der Stolpersteine in kurzen Worten die biografischen Daten der Opfer. Die ersten vier Steine in der Hauptstraße 26 wurden zum Gedenken an Moses Strauß, Bertha Strauß, Siegfried Bamberger und Meta Bamberger verlegt. Axel von Erffa hat mit seiner Frau Susanne die Patenschaften für die Familie Bamberger übernommen:
"Siegfried Bamberger wurde am 22. Mai 1896 in Wiesenfeld geboren. Er war mit Meta Strauß, geboren am 11. Februar 1909 in Rieneck, der Tochter von Moses und Bertha Strauß, verheiratet. Als er am 30. August 1937 in dies Haus seiner Schwiegereltern einzog, gab er als Beruf Privatier an. Nachdem sie das Haus nach dem November-Pogrom 1938 verkauft hatten, zogen Siegfried und Meta Bamberger nach Würzburg. Von dort wurden sie nach Riga deportiert und am 27. November 1941
ermordet." Georg Schnabel, im Arbeitskreis und Betreuer des jüdischen Friedhofs in Laudenbach, sprach das
"Gebet für die Opfer der Shoa, der Massenvernichtung. Nach jüdischem Brauch legte er als Zeichen der Ehrerbietung je einen kleinen Stein auf die im Pflaster liegenden Mahnmale. Teilnehmer schmückten die Steine mit Blumen. Alexander Streib, Leiter der Karlstadter Musikschule, und Tochter Franziska untermalten an Klavier und Klarinette mit Klezmer-Klängen den Auftakt der Verlegung in der Hauptstraße.
Am Kirchplatz 7 erinnert nun ein Stein an Israel Rosenbaum, in der Ringstraße 18 an Jda Freudenberger, im Laudenbacher Weg 22 an Paula Bermann.
In Laudenbach wurde die Verlegung ebenfalls mit der kleinen Ansprache von Anna Elisabeth Hennrichs und musikalischer Begleitung von Karlheinz Haase auf der Geige eingeleitet. Auch hier nahmen etliche Bürger teil. In Laudenbach gab der Künstler Demnig einen kleinen Abriss über sein Leben und Werk. Er sprach von der Zustimmung, auf die er mit seiner Aktion stößt, aber auch von Ablehnung, die bislang in drei Morddrohungen gipfelte.
Im Brunngrabenweg 8 liegen nun Steine für Isaak Adler und Jeanette Adler. Im Brunngrabenweg 4 wohnten Lothar Frank, Rosa Frank, Wolf Frank und Karl Frank. Die Steine an der Mühlecke 5 erinnern an Julius Berney und Hannchen Berney. In der Rathausstraße 10 liegen die Steine zum Gedenken an Jakob Hirschenberger und Lina
Hirschenberger. Die Paten sind: katholische Kirche St. Andreas, evangelische Kirche St. Johannis, Axel von Erffa, Susanne von Erffa, der Historische Verein, Gustav Eichler, das Furnierwerk Kohl, Dagmar Kretzinger, Peter Kretzinger, Karl-Heinz Stumpf, Marliese Stumpf, die Laienspielgruppe Laudenbach, die Theatergruppe des Johann-Schöner-Gymnasiums, Georg Schnabel und Marlene Schnabel.
Im Herbst sollen weitere Steine verlegt werden. |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 387-388. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 328-329. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 80. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 543-545. |
| Andrea Gehring / Manfred Schneider: Die
Karlstadter Juden unter dem Hakenkreuz, Analyse einer antisemitischen
Politik - "auf Ansuchten bestätigt, dass er Nichtarier ist!"
Jüdische Familien und Personen in Karlstadt 1901-1939. Schriftenreihe des
Stadtarchivs Karlstadt. Bd. 1. Karlstadt 2003.
Zu beziehen beim Stadtarchiv Karlstadt Zum Helfenstein 2 97753
Karlstadt
Tel. 09353 - 7902-64 Fax 09353 - 7902-99 archiv[et]karlstadt.de
9,50 € ink. Porto und Verpackung |
| Leonhard Scherg: Jüdisches
Leben im Main-Spessart-Kreis. Reihe: Orte, Schauplätze, Spuren. Verlag
Medien und Dialog. Haigerloch 2000 (mit weiterer Literatur). |
| Hans
Leopold Müller: Mit jüdischem Eckstein. Die Gründung der Stadt
Karlstadt. Karlstadt 2011. ISBN 978-3-9812392-8-7. Verlag Gerhard Kralik
Karlstadt.
Die Publikation ist beim Historischen Verein Karlstadt erhältlich
(Hauptstraße 9-11, 97753 Karlstadt, Tel. 09353-3536, E-Mail),
vgl. www.historischer-verein-karlstadt.de |
| Gustav Eichler / Manfred Schneider. Jüdische
Spuren in der Altstadt. Erschien im Karlstadter Jahrbuch 2008/2009 im Verlag
Gerhard Kralik, Karlstadt 2008.
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| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Teilband
III: Unterfranken, Teil 1.
Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger. Hg.
von Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid und Gury Schneider-Ludorff
in Verbindung mit Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern. 1. Auflage 2015. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu (mit umfassenden Quellen- und
Literaturangaben)
ISBN 978-3-89870-449-6.
Hinweis: die Forschungsergebnisse dieser Publikation wurden in dieser Seite
von "Alemannia Judaica" noch nicht eingearbeitet.
Abschnitt zu Karlstadt mit Karlburg S. 225-233.
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Karlstadt Lower Franconia. Jews
were victims of the Rindfleisch massacres of 1298. The modern settlement
commenced in the late 19th century, numbering 72 in 1910 (total 3.225) and 35 in
1933. On Kristallnacht (9-10 November 1938), SS and SA troops together
with Hitler Youth vandalized the community's prayer hall and Jewish homes.
Thirty-one Jews left Karlstadt in 1936-1940; 12 are known to have reached the
United States.
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