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Mühlfeld (Stadt
Mellrichstadt, Kreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Mühlfeld (ehemals Patrimonialgericht der Freiherren von
Seefried) bestand eine jüdische Gemeinde bis um
1910. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts
zurück. 1720 erteilt Reichshofrat Christof von Wolzogen als erster Schutzherr
jüdischen Familien Niederlassungsrecht in Mühlfeld. Die Familien wurden in
vier, offensichtlich wüst stehenden Güterhofstätten nahe des 1525 zerstörten
Schlosses angesiedelt. Außerhalb des Ortskernes gelegen, wurde dieser Standort
seit der Ansiedlung der jüdischen Familien "Judenbau" genannt.
Eine der ältesten jüdischen Familien in Mühlfeld waren die Vorfahren des um
1750 geborenen Liebmann Simson. Er verließ als 15-Jähriger Mühlfeld,
um in Suhl als Knecht und Viehtreiber zu arbeiten. 1774 konnte er sich in
Schwarza bei Suhl niederlassen. Seine Enkel Löb und Moses Simson waren
1856 die Gründer des Weltunternehmens Simons & Co. in Suhl. Siehe Wikipedia-Artikel
Simson (Suhl).
Mitte des 18. Jahrhunderts waren von den 331 jüdischen Einwohner 76 Mitglieder
der jüdischen Gemeinde.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Mühlfeld auf
insgesamt 17 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen, Erwerbszweig und Familienverhältnissen,
wobei gewöhnlich nicht die Frau, aber die Kinder genannt werden): Moses
Liebmann (geb. 1771, Handel mit Schnitt- und Spezereiwaren und Wolle; zwei
Söhne, eine Tochter), Hohna Liebmann (geb. 1775, Handel mit Schnitt- und
Spezereiwaren und Wolle, zwei Söhne und vier Töchter), Isaak Liebmann (geb.
1781, Handel mit Schnitt- und Spezereiwaren und Wolle, mit Frau, aber ohne
Kinder), Abraham Levi Frank (geb. 1764, Viehschlachten, mit zwei Söhnen und
drei Töchtern), Aron Feibel Katz (Schmuserei (geb. 1746, eine Tochter), Jacob
Löw Neuberger (geb. 1753, Handel mit Schnittwaren, ein Sohn und eine Tochter),
Löw Aron Katz (geb. 1776, Handel mit Lumpen, drei Töchter), Moses Aron Katz
(geb. 1778, Handel mit Schnittwaren, ein Sohn, zwei Töchter), Männlein Samuel
Oberländer (geb. 1777, Handel mit Band- und anderen Waren, mit Frau, aber ohne
Kinder), Daniel Gump Rosenthal (geb. 1786, Handel mit Band- und anderen Waren,
ein Sohn, eine Tochter), Jonas Samuel Oberländer (Schmuserei (geb. 1773, zwei
Söhne, eine Tochter), Moses Löw Goldschmitt (geb. 1757, Handel mit Schnitt-
und anderen Waren, vier Söhne, eine Tochter), Salomon Jacob Silbermann (geb.
1757, Handel mit Vieh, vier Söhne, zwei Töchter), Löw Moses Goldschmitt (geb.
1781, Handel mit verschiedenen Waren, ein Sohn, eine Tochter), Gump Moses
Rosenthal (geb. 1734, wegen seines Alters ohne Gewerbe, ein Sohn und eine
Tochter), Blümel Blum, Witwe des Jacob Jonas (geb. 1748, Handel mit
Schnittwaren, vier Söhne und eine Tochter), Raphael Jacob Neuberger (Handel mit
Schnittwaren).
Seitdem nach der Aufhebung des "Matrikelparagraphen" 1861 eine
weitere Ansiedlung jüdischer Familien in Mellrichstadt
möglich war, sind mehrere Familien dorthin oder in andere Städte gezogen. Die
Zahl der jüdischen Einwohner in Mühlfeld ging schnell. Bei der Einweihung
einer neuen Synagoge in Mühlfeld 1877 (s.u.) waren es noch neun Familien
am Ort.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde die gerade genannte Synagoge
(s.u.), eine Schule und ein rituelles Bad. Die Toten der
Gemeinde wurden - gemeinsam mit den Juden in Bibra und Bauerbach - auf dem
jüdischen Friedhof in Bauerbach beigesetzt, zuletzt - nach Anlegung
des dortigen Friedhofes 1869 - teilweise in Mellrichstadt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war im
19. Jahrhundert zeitweise ein eigener Lehrer angestellt, der zugleich als
Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde gehörte zum
Distriktsrabbinat in Gersfeld, bis dieses
nach dem Tod von Rabbiner Samuel Wormser 1892 aufgelöst wurde. Danach wurde
Mühlfeld dem Bezirksrabbinat Bad Kissingen
zugeteilt.
Bereits nach 1900 war auf Grund der zurückgegangenen Zahl jüdischer
Einwohner jüdisches Gemeindeleben nicht mehr möglich. 1913 war nur noch
eine jüdische Familie am Ort. Die Gemeinde wurde aufgelöst, die Synagoge
verkauft (s.u.).
Von den in Mühlfeld geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945" - alle genannten Personen
sind in Mühlfeld geboren und lebten später an anderen Orten): Levi Blüthe
(1876, später in Meiningen), Michael Blum (1855, später in Mellrichstadt),
Frieda Friedmann geb. Frank (1898, später in Erfurt), Babette Kuhl geb.
Rosenthal (1861, später in Unsleben), Julius Neuberger (1905, später in
Nürnberg), Julius Rosenthal (1889), Babette Stein (1871, später in Eisenach),
Moses Stein (1861, später in Mellrichstadt und Berlin).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte
zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über den aus Mühlfeld stammenden Lehrer Neuberger (gest.
1930 in Lengnau)
Artikel in der "Bayerischen Israelitischen
Gemeindezeitung" vom 15. November 1930: "Michael Neuberger –
seligen
Andenkens -. Nur wenige unserer Mitglieder werden noch persönliche
Erinnerungen an Michael Neuberger haben; aber unbekannt ist er uns allen
nicht, dieser edle Mensch, dieser glaubensstarke Jude, dieser
gottbegnadete Lehrer. Und weil er einer unserer Besten war, darum trauern
auch wir um ihn, der am Rüsttage zum Sabbat Chaul Hamooed Sukkoth, kaum
68-jährig, seine unsterbliche Seele ausgehaucht hat.
Michael Neuberger war von 1881 bis 1908 Mitglied unseres Vereins.
Im Jahre 1920 bedachte er unseren Verein in treuer Anhänglichkeit mit
einem Legat.
Das
'Israelitische Wochenblatt für die Schweiz' widmet diesem seltenen
Menschen sehr ehrende Worte der Liebe und Verehrung. Wir entnehmen diesem
Nachruf, dass er 1862 in Mühlfeld in Unterfranken geboren wurde, in
Höchberg
und Würzburg seine Ausbildung erhielt, 25 Jahre in Baden in der Schweiz
amtierte, dann die Leitung eines Altersheimes in Fürth übernahm und nach
einigen schweren Wanderjahren, in denen er in den Gemeinden Ansbach,
Schweinfurt, Halle und Frankfurt seines Amtes waltete, der Stimme seines
Herzens folgend wieder in die Schweiz zurückkehrte. In Lengnau fand er
als Lehrer und Leiter des Altersasyls endlich eine ihn voll befriedende
Stellung.
Die machtvolle
Kundgebung an seinem Leichenbegängnis zeigte, wie die Schweiz diese
vorbildliche Persönlichkeit ehrte; aber auch die jüdischen Lehrer in
Bayern werden seiner nie vergessen! Sein Andenken sei zum Segen!" |
Dokumente zu jüdischen
Gewerbebetrieben
Karten der Firma Rosenthal in Mühlfeld (1874 / 1885 / 1893) sowie der Firma L.
(Levi) Lindau (1889 / 1891)
(Quelle: Nachkommen der Familie Rosenthal in Israel beziehungsweise Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries)
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum beziehungsweise eine erste
Synagoge vorhanden. Vermutlich war diese in baufälligem Zustand, da die
Gemeinde 1877 trotz der bereits zurückgegangenen Zahl jüdischer Familien am
Ort eine neue Synagoge erstellen ließ.
Im August 1877 konnte die neue Synagoge in Mühlfeld
durch den Direktor des Israelitischen Lehr- und Handelsinstitutes in Mellrichstadt,
Naphtali Ottensoser eingeweiht werden. Ottensoser war dazu durch den
Distrikts-Rabbiner Wormser aus Gersfeld beauftragt worden.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1877:
"Mellrichstadt, 26. August (1877). Vorigen Freitag Abend vollzog ich
in Auftrag des Herrn Distrikts-Rabbiners zu Gersfeld die Einweihung einer
neuen Synagoge zu Mühlfeld, hiesigen Bezirks. Diese Kultusgemeinde,
auch
wenn sie nur klein ist, denn sie zählt nur 9 Mitglieder, gibt das Muster
ab für größere Gemeinden, was frommer Sinn und Gottbegeisterung vermag,
denn sie bestritt die Baukosten fast ganz aus eigenen Mitteln. Meine
Weiherede, ausgehend von dem Verse Und sie machten mir ein Heiligtum
erstreckte sich unter Anderem auf den leitenden Gedanken, dass dieser dem
Gottesdienst gewidmete Gebäude erst dann seinen Zweck erfülle, wenn
damit Wohltätigkeit und Tora verbunden, wenn diese drei
Säulen in gleichem Maße gehegt und gepflegt werden, damit sie, wie
jetzt erhalten, auch fort und fort in der Gemeinde erhalten bleiben,
unverändert und unverfälscht bis auf die spätesten Geschlechter, keine
Neuerungen im Gottesdienste, kein Abweichen von der heiligen Thora,
unablässig in der Wohltätigkeit, dann können wir auf diesen Festtag
anwenden usw. dies ist der Tag, den Er gemacht hat usf.
Was nun die Festlichkeit selbst anlangt, wurde sie wie üblich begangen,
und beteiligten sich hierbei der Vorstand des königlichen Bezirksamts
dahier als Vertreter der königlichen Regierung, und sonstige Notabeln,
auch christliche Geistliche.
Auch die hiesige israelitische Gemeinde (sc. Mellrichstadt)
beabsichtigt demnächst den Neubau einer Synagoge, welcher nicht mehr
lange auf sich warten lassen kann, da die bisherige viel zu klein
ist.
Es wird Sie angenehm berührten, wenn ich sage, dass im Rabbinatssprengel Gersfeld
Neuerungen in keiner Beziehung sich eingestellt haben, dass Schechina und
Mikwe insbesondere das Hauptaugenmerk unseres verehrten Herrn
Distrikts-Rabbiners Wormser zu Gersfeld bilden und dass soweit seine
Amtsgewalt reicht, der an unserer Grenze drohende Abfall keinen Einlass
findet. Ottensoser, Direktor." |
Nur wenige Jahrzehnte war die neue Synagoge in Mühlfeld
Zentrum des jüdischen Gemeindelebens. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts
wird es kaum mehr möglich gewesen sein, angesichts des fehlenden Minjan
regelmäßig Gottesdienste abzuhalten.
1913, als nur noch eine jüdische Familie am Ort lebte, stand der Verkauf
der Synagoge an:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. September
1913: "Die jüdische Gemeinde Mühlfeld in Bayern besteht nur
noch aus einer Familie. Das Gotteshaus wurde seiner Bestimmung entzogen
und wird dem Verkauf unterstellt. Dagegen ist die benachbarte Gemeinde Mellrichstadt
auf 300 Seelen angewachsen." |
Das Gebäude der Synagoge wurde 1917 von der politischen
Gemeinde erworben und zum Einbau eines Gemeindebackofens umgebaut. Zu einem späteren
Zeitpunkt wurde das Gebäude nochmals umgebaut, um ein Lebensmittelgeschäft und
eine Wohnung darin einrichten zu können. Das Gebäude ist erhalten
(Beschreibung von Israel Schwierz 1992: "Von der ehemaligen Synagoge sind
nur noch die Grundmauern und umgebaute Bausubstanz erhalten... Besonderheiten:
Bausubstanz noch gut erhalten".
Das 1825 begonnene Totengedenkbuch (Memorbuch) der Gemeinde Mühlfeld und die
Geburts-, Heirats- und Totenregister der Gemeinde wurde in der Folgezeit in der
Synagoge in Mellrichstadt aufgewahrt
und dort vermutlich beim Novemberpogrom 1938 zerstört.
Adresse/Standort der Synagoge:
Am Mahlbach 7
Fotos / Abbildungen
Die ehemalige
Synagoge in Mühlfeld
(Quelle: Nothnagel s.Lit. S. 187) |
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Dokument zur jüdischen
Geschichte
in Mühlfeld
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries) |
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Bei dem Dokument
handelt es sich offenbar um einen Richtspruch zur Rückzahlung von
unrechtmäß eingezogenen Geldern der Juden von Mühlfeld durch das
Hochstift Würzburg , datiert in Schweinfurt 1786 mit dem Inhalt: "
Fünf Gulden 40 Kreuzer Rheinisch statt 8 Gulden 30 Kreuzer als 2 Drittel
des Betrags der eingelösten Zollzettel sind den Reichsadel. von
Seefriedischen Schuzjuden zu Mühlfeld, wegen des ihnen in den verwichenen
Monathen May, Juny et July Hochstift. Würzburgischer Seite gewaltsam
abgepreßten Leibzolls ex Cassa einstweilen wiederum zu vergüten.
Schweinfurt, den 26. Aug. 1786. Ihro König. Kais. Majest. resp. würdg.
Rathe, dann Hauptmann, Rathe und..." (Papier abgerissen) |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 363 (kurz innerhalb des Artikels zu Mellrichstadt). |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 1992² S. 102. |
| Kein Abschnitt zu Mühlfeld in Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch).
|
| Dirk Rosenstock (Bearbeiter): Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band
13. Würzburg 2008. S. 204-205.
|
| Hans Nothnagel / Heinrich Stürzel: Mühlfeld
- (k)ein Dorf der anderen Seite. In: Hans Nothnagel: Juden in Südthrüingen
- geschützt und gejagt. Bd. 3. Juden in der ehemaligen Residenzstadt
Meiningen und deren Umfeld. Suhl 1999. S. 179-196.
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n.e.
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