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Prichsenstadt (Kreis
Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Prichsenstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 15./17. Jahrhunderts
zurück. 1421 werden erstmals Juden genannt. 1434 zahlten ein oder
mehrere Juden der Stadt zusammen 9 Gulden Reichssteuer. 1462 wurden mehrere
jüdische Personen durch den Würzburger Bischof Johann von Grumbach inhaftiert.
Er erlangte dadurch von ihnen die Zahlung eines Geldbetrages. 1469 lebten in
Prichsenstadt acht erwachsene erwerbstätige Juden, vermutlich mit ihren
Familien. 1469
und 1489 werden Juden aus Prichsenstadt in Nürnberg genannt.
Auch im 16. und 17. Jahrhundert sind einzelne Juden in der Stadt. 1511
wurden durch den Markgrafen Friedrich Juden in Prichsenstadt aufgenommen;
Schutzbriefe sind auch aus den Jahren 1529, 1530, 1532 und 1537 bekannt. 1664
wird die Frau des Benedikt Moses aus Prichsenstadt im Wildbad Castell genannt.
1698-1699 war Thomas Burkholz zu Castell bei Salomon Jud von Prichsenstadt
verschuldet. 1714 sind zwei jüdische Familie in der Stadt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1816 39 jüdische Einwohner (4,1 % von insgesamt 949), 1837 50 (5,2
% von 970), 1867 49 (6,0 % von 812), 1880 74 (9,7 % von 761), 1900 54 (7,7 % von
701), 1910 72 (9,7 % von 742).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Prichsenstadt auf
insgesamt zehn Matrikelstellen (einschließlich eines Nachtrages von
1821) die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem
Familiennamen und Erwerbszweig): Abraham Laemlein Haas (Schnitt- und
Viehhandel), Laemlein Abraham Haas (Viehhandel), Anschel Haium Heimann (Viehhandel und Schmusen), Berez Baruch Frank
(Viehhandel), Hirsch Oscher Fleischmann (Viehhandel), Hirsch Salomon Rosenthal
(Schnitthandel), Jacob Oscher Fleischmann (Schmusen, Viehhandel), Löw Isaac
Reichmann (Schullehrer und Vorsinger), Machol Maier Gutmann (Ellenhandel), Isaac
Löwenberg (Feldbau, seit 1821).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule und ein rituelles Bad. Die
Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof
in Gerolzhofen beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der
Gemeinde war
ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet
wirkte (Ausschreibungstexte und einzelne Namen der Lehrer siehe unten). Der
erste bekannte Lehrer war der in der Matrikelliste 1817 (s.o.) aufgeführte
"Schullehrer und Vorsinger" Löw Isaac Reichmann. Solange die jüdische Nachbargemeinde Kirchschönbach
noch einige schulpflichtige Kinder hatte (vermutlich bis Ende des 19.
Jahrhunderts), war die Stelle als "Religionslehrerstelle
Prichsenstadt-Kirchschönbach" ausgeschrieben (in den unten wiedergegebenen
Ausschreibungen noch 1878), danach erfolgte die Anstellung allein durch die
jüdische Gemeinde Prichsenstadt. Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Schweinfurt.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Leutnant Paul Strauss
(geb. 11.12.1889 in Prichsenstadt, vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef. 1.9.1914),
Gefreiter Isaak Löwenberger (geb. 30.6.1881 in Prichsenstadt, gef. 25.12.1914)
und Vizefeldwebel Siegfried Hahn (geb. 9.1.1892 in Prichsenstadt, vor 1914 in
Nürnberg wohnhaft, gef. 16.2.1916). Ihre Namen stehen auf Tafeln in der
Kriegergedächtnisstätte für die Opfer der Weltkriege vor dem örtlichen
Friedhof. Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres jüdisches Opfer des Ersten
Weltkrieges aus Prichsenstadt:
Kanonier Otto Hahn (geb. 8.3.1893 in Prichsenstadt, vor 1914 in Kitzingen
wohnhaft, gest. an einer zugezogenen Krankheit 17.2.1920; er war ein Bruder des
gefallenen Siegfried Hahn).
Um 1924, als noch 61 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden (7,62 %
von insgesamt etwa 800), waren die Vorsteher der Gemeinde Abraham Hahn und Simon
Oppenheimer. Als Lehrer und Kantor wirkte Salomon Bierschild. Er war
bereits seit 1902 in der Gemeinde tätig (siehe Bericht unten). 1924 erteilte er
vier jüdischen Kindern am Ort den Religionsunterricht. 1932 waren
Abraham Hahn und Simon Oppenheimer weiterhin Gemeindevorsteher; letzterer ist
als "Schriftführer und Schatzmeister" eingetragen. Lehrer Salomon
Bierschild unterrichtete im Schuljahr 1931/32 fünf Kinder.
1933 lebten noch 53 jüdische Personen in Prichsenstadt (7,4 % von
insgesamt 714). Unter den Juden gab es damals elf Viehhändler, zwei
Tuchhändler, zwei Metzger, sechs Arbeiter und einen Lehrer (auf Lehrer Salomon
Bierschild folgte als letzter Lehrer der Gemeinde seit 1935 Alfred Grünebaum,
der zuvor Lehrer in Obbach war und im
September 1940 mit Frau und Sohn in die USA emigrieren konnte (vgl. unten). 1934 wurde ein
jüdischer Einwohner verhaftet und in das KZ Dachau gebracht. Im Dezember 1935
wird Ludwig Reich als erster Vorsteher der Israelitischen Kultusgemeinde
Prichsenstadt genannt, im Dezember 1938 Bernhard Frank. Bis November
1938 verließen auf Grund der zunehmenden Repressionen und der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts 16 der jüdischen Einwohner die Stadt, zogen in andere
Orte oder wanderten aus (sieben in die USA, drei nach Palästina). Beim Novemberpogrom
1938 kamen SS-Leute in Zivil nach Prichsenstadt, die eine Art von
Zerstörungs- und Kontroll-Rundreise durch den Landkreis Kitzingen und einen Teil
des Landkreises Gerolzhofen (Prichsenstadt,
Altenschönbach) machen. Städtische Beamte unter
Leitung des Bürgermeisters durchsuchten die jüdischen Häuser unter dem
Vorwand, nach Waffen und antinationalsozialistischer Literatur zu fahnden. Die
Synagogeneinrichtung wurde vollkommen zerstört (s.u.). Sechs jüdische
Einwohner wurden festgenommen, ins Rathaus und von dort auf einem Lastauto in
das Gefängnis nach Gerolzhofen gebracht. Zwei von ihnen wurden wenig später in
das KZ Dachau eingeliefert. Die noch in Prichsenstadt wohnenden Juden mussten
ihre Häuser verkaufen und zusammen in ein einziges Haus ziehen. Bis September
1941 verließen 17 von den 27 in Prichsenstadt noch lebenden jüdischen
Einwohnern die Stadt. Im Frühjahr 1942 lebten noch zehn jüdische Personen in
der Stadt. Sieben wurden am 25. April über Würzburg in das Ghetto Krasniczyn bei Lublin/Polen deportiert und wenig später vermutlich im
Vernichtungslager Sobibor ermordet. Die letzten drei wurden am 23. September 1942 über
Würzburg in das Ghetto Theresienstadt gebracht.
Von den in Prichsenstadt geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", überarbeitet nach den
Recherchen von Wolf-Dieter Gutsch): Sophie Benjamin geb.
Frank (1884), Ida Eigner geb. Reich (1886), Frieda Fleischmann geb. Strauss
(1895), Ida Fleischmann geb. Frank (1881), Inge
Fleischmann (1924), Max Fleischmann (1892), Otto Fleischmann (1879), Trude Fleischmann
(1927), Bernhard
Frank (1865, Kennkarte siehe unten), Bertha Frank geb. Fleischmann (1870,
Kennkarte siehe unten), Leopold Frank
(1871), Ludwig
Haas (1871), Ilse Jette Hahn (1922), Julie Hahn geb. Frank (1875), Sofie Herz geb. Haas (1866), Therese Kälbermann
geb. Frank (1871), Berta Künstler (1901), Gretchen Künstler geb. Silbermann (1877),
Helene Künstler geb. Maier (1908), Justin
Künstler (1911), Marianne (Marie) Künstler (1866), Pauline Künstler (1870,
Kennkarte siehe unten), Martha Löwenberger geb. Schülein
(1884), Aron Mandelbaum (1868), Max Meier Mandelbaum
(1863), Raphael Oppenheimer (1898), Grete
(Gretchen) Reich geb. Schönwalter (1895), Willy Reich (1922), Moses Strauss (1877).
Die kursiv markierten Personen wurden 1942 von Prichsenstadt aus in das Ghetto
Krasniczyn
in Polen beziehungsweise in das Ghetto Theresienstadt deportiert.
Der in einigen Listen genannte Moritz Hahn (1876) konnte am 15. Juli 1941
noch in die USA emigrieren.
Unbekannt vor Ort ist der in einigen Listen genannte Heinz Schwarz (1931).
Hinweis:
der in einigen Listen genannte Otto Siegfried Hahn (1923) hat nach der
Deportation Riga und Stutthof überlebt und ist - nach kurzzeitiger Rückkehr
nach Prichsenstadt nach Kriegsende - wenig später in die USA (New York)
ausgewandert. Hier heiratete er (nach der Verlobung am 4. Oktober 1947, siehe
Anzeige aus dem "Aufbau" vom 7. Oktober 1947 links) die Erlangerin
Marga geb. Loewi, die gleichfalls Jungfernhof, Riga und Stutthof überlebt
hatte.
Quelle: Buch der Erinnerung. Die ins Baltikum deportierten deutschen,
österreichischen und tschechoslowakischen Juden. 2003. S. 565 werden Otto Hahn
und Marga Loewi als Überlebende genannt (Link
zur Seite).
Die Informationen hierzu und die Anzeige erhielten wir von Christof P.A.
Eberstadt, Erlangen.
Eine Gedenktafel zur Erinnerung an die frühere jüdische Gemeinde wurde
1987 an
der Mauer des christlichen Friedhofes angebracht (vgl. Fotos unten 2022): "Die Stadt
Prichsenstadt gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger - Zur Erinnerung
und Mahnung".
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Lehrerstelle 1870 / 1878 / 1894 / 1902
Vor 1870 sind an Namen der Lehrer bekannt:
um 1799 Moses Bär, um 1801 Isaak Falk, um 1814 Löw
Reichmann, um 1853 Nathan Reichmann, um 1861 Heumann
(Heinemann) Mandelbaum. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Juni 1870:
"Offene Religionslehrerstelle. Die kombinierte israelitische
Religionslehrerstelle Prichsenstadt-Kirchschönbach verbunden mit
Vorsänger- und Schächterfunktion ist erledigt.
Gehalt 200 Gulden fixe, 100 Gulden Schächterertrag, 100 Gulden
Nebeneinkünfte nebst 2 Klafter hartes Holz und freie Wohnung. Bewerber
wollen sich unter Beilegung ihrer Zeugnisse franco an den Unterzeichneten
wenden.
Prichsenstadt in Unterfranken (Bayern), den 16. Juni 1870. J.
Strauss". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. April 1878:
"Die hiesige israelitische Religionsschul-, Vorsänger- und
Schächterstelle ist in Erledigung gekommen. Dieselbe hat einen fixen
Gehalt (inkl. Holz) von RM 585,71 Pf., für Gebühren der
Schächterfunktion RM 100.-, an Nebenverdienste RM 300.- nebst freier
Wohnung.
Auch ist weiter Gelegenheit zum Privatunterricht geboten. Bewerber um
obige Stelle belieben ihre Gesuche bis längstens den 30. April dieses
Jahres an Unterzeichneten zu stellen.
Prichsenstadt (Unterfranken), 31. März 1878. Jacob Fleischmann,
Kultusvorstand". |
Vor 1894 (vielleicht bereits seit 1878) war Abraham
Schwarz als Lehrer in der Gemeinde tätig. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. April 1894:
"In unterfertigter Kultusgemeinde ist per 1. Juli dieses Jahres die
Stelle eines Religionslehrers, verbunden mit Vorbeterdienst und
Schächterfunktion erledigt.
Es beträgt der Gehalt bei freier Wohnung 600 Mk., fixierte
Nebenbezüge 150 Mk., Schächterfunktion 150 Mk., diverser nicht
garantierter Nebenverdienst 200 Mk., Summe 1.100 Mk.
Nur seminaristisch gebildete Herren und Inländer werden
berücksichtig.
Es ist auch Gelegenheit geboten, eine Nebenfiliale zu erhalten.
Bewerber wollen baldigst ihre Offerten einreichen.
Prichsenstadt, 7. April (1894).
A. Hahn, Kultus-Vorstand".
Anmerkung: Auf diese Anzeige hin bewarb sich erfolgreich Moses
Herz, der bis 1897 in der Gemeinde blieb und danach von Bernhard
Oppenheimer abgelöst wurde. |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Februar 1902: "In
unterfertigter Gemeinde ist die Stelle eines Religionslehrers, verbunden
mit Vorbeter- und Schächterfunktion erledigt. M. 600 fester Gehalt mit
ca. 400 M. Nebeneinkommen. Bewerber wollen sich mit Einsendung von
Zeugnissen etc. melden.
Prichsenstadt, 16. Februar. A. Hahn, Vorstand."
Anmerkung: Auf diese Ausschreibung hin bewarb sich Salomon
Bierschild, der von nun an bis in die 1930er-Jahre als Lehrer in der
Gemeinde wirkt. |
Lob des Lehrers Herz, der als Vorbeter bei der Einweihung der Synagoge in
Nenzenheim wirkte (Ende 1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Januar 1896: "Der
Bericht in Nr. 96 Ihres geschätzten Blattes über die Synagogeneinweihung
in Nenzenheim bedarf noch einer
Ergänzung dahin, dass sämtliche Gesänge bei der Feier wie Mismor
LeTora, Ma Towu, Ein kemocha, Seu Schearim etc. etc. von Herrn Lehrer
N. Herz in Prichsenstadt vorgetragen wurden. Herr Herz entledigte sich
seiner Aufgabe so vorzüglich, dass Herr Bezirksamtmann von Schönfeld,
der als Ehrengast der Feier beiwohnte, nach Beendigung derselben sich
Herrn Herz in Gegenwart der ganzen Versammlung durch den Kultusvorstand
Herrn Hahn vorstellen ließ und seine vollste Anerkennung über den
vorzüglich geschulten Gesang ausdrückte. Auch Herr Distriktsrabbiner
Adler, Kitzingen, äußerte sich lobenswert darüber. Nicht minder wurde
Herrn Herz von den meisten Anwesenden, Juden und Nichtjuden allgemeines
Lob gespendet." |
Jubiläum des Lehrers Salomon Bierschild (1927)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Mai 1927:
"Prichsenstadt, 27. April (1927). Anfang dieses Monats konnte der in
seiner Gemeinde, bei Kollegen und Bekannten beliebte und geachtete Lehrer
Salomon Bierschild auf eine 25jährige Tätigkeit in der israelitischen
Kultusgemeinde Prichsenstadt zurückblicken. Trotzdem sich der Jubilar
gegen eine Feier ausgesprochen hatte, ließ es sich die Gemeinde nicht
nehmen, den Ehrentag ihres Lehrers und Führers wenigstens in einfacher
Weise festlich zu begehen. Kultusvorstand A. Hahn brachte in treffenden
Worten die Anerkennung und Verehrung der Gemeinde zum Ausdruck, worauf
Lehrer Bierschild herzlich dankte. Als Zeichen der Dankbarkeit und
Anhänglichkeit überreichte die Kultusgemeinde ein ebenso hübsches wie
praktisches Geschenk. Von vorgesetzter Stelle wurden dem Jubilar ebenfalls
warme, ehrende Worte zuteil, welche die Tüchtigkeit des Lehrers, seine
gewissenhafte, verständnisvolle und aufopfernde Tätigkeit rühmten.
Lehrer Bierschild ist mit seinem traditionell gewählten Beruf (Vater und
Großvater waren ebenfalls Lehrer) eng verwachsen und übt denselben mit
vorbildlicher Gewissenhaftigkeit aus. Möge es ihm vergönnt sein, seine
ihm liebgewordenen Pflichten noch lange erfüllen zu können zur eigenen
Genugtuung, zum Segen der Jugend und zum Heile des Judentums". |
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Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 23. Mai
1927: "25jähriges Ortsjubiläum. Prichsenstadt. Dieser Tage konnte
der in seiner Gemeinde, bei Kollegen und Vorgesetzten sehr beliebte und
geachtete Lehrer Salomon Bierschild auf eine 25jährige Tätigkeit
zurückblicken. Dem Wunsche des Jubilars Rechnung tragend, sah die
Gemeinde von einer größeren Feier ab und beging den Ehrentag ihres
Lehrers und Führers in schlichter Weise. Kultusvorstand A. Hahn brachte
in der Synagoge nach dem Morgengottesdienste dem Jubilar die Anerkennung
der Gemeinde zum Ausdruck, worauf Lehrer Bierschild herzlich dankte. Auch
von der vorgesetzten Stelle wurden dem Gefeierten warme ehrende Worte
zuteil. Sein ersprießliches Wirken wurde ganz besonders anerkannt. Als
Zeichen der Dankbarkeit und Anhänglichkeit ließ die Kultusgemeinde ein
ebenso hübsches wie praktisches Geschenk überreichen." |
Über Lehrer Alfred Grünebaum
(Quelle: Strätz, Biographisches Handbuch Würzburger Juden Bd. I S. 210; H.
Schultheis Juden in Mainfranken S. 860 u.a.; W. Steinhauser passim;
ergänzende und die andere Quellen teilweise korrigierenden Informationen von
Elisabeth Böhrer).
Lehrer Alfred Grünebaum ist am 22. Juni
1909 in Sulzbürg (Oberpfalz)
geboren. Er ließ sich von 1923 bis 1929 an der Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg (ILBA) zum Lehrer ausbilden und
verbrachte nach dem Examen 1929 noch ein freiwilliges Jahr an der ILBA. Er war von Juni
1930 bis Mai 1935 Lehrer in Obbach, und übernahm
1935
die Lehrerstelle in Prichsenstadt als Nachfolger von Lehrer Salomon
Bierschild. Dabei nahm er auch Rabbinerfunktionen wahr. Beim
Novemberpogrom 1938 wurde er festgenommen; seine Wohnung wurde demoliert.
Im Februar 1939 zog er - vermutlich nach Entlassung aus dem KZ - mit
seiner Ehefrau Irma (geb. 25. Januar 1913 in Obbach) und dem am 22. Januar 1937
geborenen Sohn Joachim nach Würzburg. Er emigrierte im September 1940 mit
Frau und Sohn in die USA (Auskunft von seiner Tochter Sylvia Gruen
Salomon aus Nashville/TN über Wolf-Dieter Gutsch vom 25.1.2019). |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
A. Reich lässt eine neue Torarolle schreiben (1904)
Anmerkung: A. Reich war der Inhaber einer Zucht- und Nutzviehhandlung in
Prichsenstadt, siehe Anzeige unten.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Februar 1904: "Prichsenstadt
(Unterfranken) (Hebräisch und deutsch:) "Jeder Jehudi ist verpflichtet,
sich eine Sefer Tora schreiben zu lassen oder besser, sich selbst ein
Sefer zu schreiben. Zu den seltenen Mizwot gehört wohl diese, und dennoch
wird sie hie und da doch noch erfüllt. So hat z.B. der in diesen
Blättern durch seine große Wohltätigkeit bekannte Herr A. Reich in
Prichsenstadt anlässlich seiner Wiedergenesung von einer schweren
Krankheit eine Sefer Thora schreiben lassen, die Schabbat Tissa (5.
März 1904) eingeweiht wird. Merkwürdig ist, dass mit dieser Einweihung
einer Torarolle auch das Bar Mizwa seines jüngsten Sohnes
stattfindet, und hat Herr Rabbiner Dr. Stein - Schweinfurt
bereits seine Anwesenheit zugesagt. Das Sefer, wunderschön geschrieben,
ist eine Arbeit des bekannten Sofer Herrn Levi - Altengronau." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Versand-Geschäftes Jacob Hahn
(1893)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Oktober 1893:
"Günstig für Damen.
Für 68 Mark versende franco ganz Deutschland
die berühmte Kaiser-Nähmaschine mit Verschlusskasten für Hand- und
Fußbetrieb eingerichtet.
Jacob Hahn, Versand-Geschäft.
Prichsenstadt i.
Bayern. 2 Jahre Garantie 30 % billiger als jede Konkurrenz". |
Weitere Anzeigen und Dokumente zu jüdischen
Gewerbebetrieben in Prichsenstadt
(erhalten von Werner Steinhauser)
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Anzeige des Mehl- &
Produktengeschäftes
en gros & en detail A. Hahn
(Amtsblatt für das königl. Bezirksamt
Gerolzhofen 18.5.1883) |
Anzeige des Pferdehändlers
Herrmann Fleischmann
(Amtsblatt für das königl. Bezirksamt
Gerolzhofen 30.10.1889) |
Anzeige der Wein- und
Spirituosengroßhandlung Otto Hahn
(Einwohnerbuch 1927 Stadt- und
Bezirksamt Gerolzhofen) |
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Anzeige des Textilgeschäftes
E. Lewisohn
(Gerolzhofen und Prichsenstadt)
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Ansichtskarte von
Prichsenstadt: links das Textilgeschäft E. Lewisohn
(1890er-Jahre; Ausschnittvergrößerung rechts)) |
Anzeige der Zucht- und
Nutzviehhandlung
A. Reich ( Einwohnerbuch 1927
Stadt- und Bezirksamt Gerolzhofen) |
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Anzeigen der
Pferde- und Viehhandlung Bernhard & Oskar Frank (erschienen im
"Boten
vom Steigerwald" vom 24.1.1931 (links) und 7.2.1931 (rechts)) |
Briefkopf des Tuch-
und
Modewarengeschäftes J. Hahn |
Kennkarten jüdischer Einwohner in der NS-Zeit
(erhalten von Wolf-Dieter Gutsch, Quelle: Stadtarchiv Prichsenstadt)
Zur Geschichte der Synagoge
Ein Betsaal dürften sich die jüdischen Familien bereits seit
dem 15./17. Jahrhundert eingerichtet haben. Wann eine erste Synagoge erbaut
wurde, ist nicht bekannt. Nachzuweisen ist eine Synagoge ("Judeschul")
seit 1835. Sie befand sich im Gebäude mit der Nr. 55, vermutlich in der
Badgasse. Diese Synagoge wurde 1898 abgebrochen.
Bis zur Einweihung der neuen Synagoge wurden die Gottesdienste im früheren
Tanzsaal des 1881 eingegangenen Gasthauses "Zum Freihof" abgehalten.
Das Anwesen war von der jüdischen Familie Frank gekauft worden. Der Bau einer
neuen Synagoge war für die jüdischen Familien kein einfaches finanzielles
Unternehmen. 1890 war ein Baufonds gegründet worden. In den nächsten 19 Jahren
wurden darin Gelder zum Bau angespart; 2.600 Mark erhielt die Gemeinde über
eine in bayrischen Gemeinden durchgeführte Kollekte.
1911/12 wurde die Synagoge neu erbaut und am 30. und 31. August dieses Jahres durch den Schweinfurter Bezirksrabbiner Dr. Stein
eingeweiht:
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. September
1912: "Die Einweihung der neu erbauten Synagoge in Prichsenstadt
(Unterfranken) fand am 30. und 31. August statt. Am ersten Tage
nachmittags halb 3 Uhr war Abschiedsgottesdienst in dem bisherigen Betsaal
(Freihof), abends 7 Uhr Eröffnungsgottesdienst in der neuen Synagoge. Am
zweiten Tage früh fand Hauptgottesdienst mit Predigt, nachmittags
Konzert, abends Festball statt." |
Letztes besondere Ereignis in der Synagogengeschichte in
Prichsenstadt war der 22. August 1937, als die Gemeinde das 25jährige
Bestehen der Synagoge feiern konnte. Darüber liegt folgender Bericht vor.
Bericht
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
September 1937: "Prichsenstadt.
Am Sonntag, den 22. August 1937, waren es 25 Jahre,
dass die Synagoge in Prichsenstadt ihre Einweihung durch den damaligen
Bezirksrabbiner Dr. Stein, Schweinfurt, gefunden hat. Das Jahr der
Wiederkehr des 25. Jubiläums wurde trotz der Schwere dieser Zeit
feierlich im bescheidenen Maße begangen. In der geschmückten Synagoge
versammelten sich die Mitglieder der Kultusgemeinde Prichsenstadt und die
aus den Nachbargemeinden erschienenen Ehrengäste. Nach dem Mincha-Gebet
und dem Gesang des Boruch haboh begrüßte Herr Kultusvorstand
Moritz Hahn den Bezirksrabbiner, die Ehrengäste und die Gemeinde.
Hierauf hielt Herr Bezirksrabbiner Dr. Köhler, Schweinfurt die Festrede.
In seiner Predigt gedachte er der Männer, die in schwerer Zeit mit
jüdischem Opfersinn die Grundlage zum Bau und zur Weihe des Gotteshauses
gegeben haben. Er gedachte außerdem der schweren Zeiten, die die Gemeinde
Prichsenstadt und auch die gesamte Judenheit in diesen 25 Jahren und auch
heute in der Gegenwart erlebt hat. Er ermahnte die Gemeinde, gerade jetzt
treu zusammenzustehen und alle Kräfte zu entfalten, um trotz
Existenzrückgang und Auswanderung die Gemeinde und ihre heiligen
Institutionen zu erhalten. Nachdem sprach noch Herr Lehrer Grünebaum, der
die Gefühle der Gemeinde Prichsenstadt zum Ausdruck brachte. Mit
erhebendem Gesange, an dem sich außer Herrn Lehrer Grünebaum noch Herr
Louis Frank beteiligte, schloss die würdige Feier." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. September 1937: "Prichsenstadt,
23. August (1937). Am Sonntag, den 22. August, fand in der Synagoge in
Prichsenstadt (Unterfranken) anlässlich des 25-jährigen Bestehens
derselben eine kleine Jubiläumsfeier statt. Das Gotteshaus war einfach,
aber geschmackvoll von den Damen der Gemeinde geschmückt, die sich auch
im Bewirten der Ehrengäste, die aus den Nachbargemeinden erschienen
waren, rühmlichst hervortaten. Nachdem der Vorstand, Herr Moritz Hahn II,
die erschienenen Gäste begrüßt hatte, hielt der Herr Bezirksrabbiner
Dr. Koehler die Festrede. Er erinnert die jetzige Generation an den
Opfergeist der Alten und wünschte, dass der gleiche Geist noch heute
leben möge. Herr Lehrer Grünebaum, Prichsenstadt, hob in seiner
Festansprache hervor, dass es der alte unverwüstliche Optimismus unseres
Volkes ist, der uns auch heute noch beseelt, dass wir die Kraft haben, in
so schwerer Zeit zu feiern. Die Feier war umrahmt von
Psalmgesängen." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der
Synagoge vernichtet. Eigentlich sollte das Gebäude niedergebrannt werden, doch
der Bürgermeister, der zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP war, wehrte sich
gegen eine Inbrandsetzung mit dem Hinweis, darin ein HJ-Heim einrichten zu
können. Die Zerstörung der Inneneinrichtung wurde gemeinsam von SA-Leuten und
einheimischen Bewohnern vorgenommen. Dabei wurden die gesamte Inneneinrichtung
und die Ritualien auf die Straße geschleppt, vor dem Rathaus aufgehäuft und
angezündet. Die Frau des jüdischen Lehrers wurde gezwungen, eine Torarolle in
die Flammen zu werden, eine andere jüdische Frau und ihre Kinder mussten die
Trümmer beseitigen.
Das Gebäude der Synagoge (Doppelgebäude mit jüdischem Schulhaus) blieb nach
1945 erhalten und wurde zu einem bis
heute stehenden Wohnhaus umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Freihofgasse 2
Fotos
Historisches:
Darstellung,
Dokumente und Fotos
(Quelle: Werner Steinhauser, s.Lit.
S. 77-78.81.105; bzw. direkt
von W. Steinhauser erhalten) |
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Die Prichsenstädter
Synagoge im Jahr 1912
(Rekonstruktion) |
Programm zur
Einweihung der Synagoge
am 30./31. August 1912 |
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Foto der Synagoge
in Prichsenstadt mit der Schule und Lehrerwohnung im vorderen Gebäudeteil
(vermutlich ca. 1935) |
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Zustand der
Prichsenstädter Synagoge, wohl unmittelbar nach dem Novemberpogrom 1938 |
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Das ehemalige
Synagogengebäude 2004
(Fotos: Jürgen Hanke, Kronach,
aus: www.synagogen.info) |
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2003: Ausstellung
"Juden in
und um Prichsenstadt"
(Quelle: Seite
des CSU-Ortsverbandes
Prichsenstadt) |
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Werner Steinhauser
gibt Erläuterungen zu jüdischen Gebräuchen und zu einer 2003
von ihm
erstellten Ausstellung
"Juden in und um Prichsenstadt" |
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Gedenktafel am Friedhof
(Foto erhalten von Wolf-Dieter Gutsch) |
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Die
Gedenktafel befindet sich an der Außenmauer des städtischen Friedhofes. Sie
trägt die Inschrift:
"Die Stadt Prichsenstadt gedenkt ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger zur
Erinnerung und Mahnung". |
Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2016:
Die ersten "Stolpersteine" wurden in
Prichsenstadt verlegt
Zur Vordiskussion um die "Stolpersteine" vgl. Artikel von Chuleck
Guido in "Die Kitzinger" (infranken.de) vom 26. Februar 2016: "Stolpersteine
erinnern an jüdische Mitbürger
Mit Stolpersteinen will auch die Stadt Prichsenstadt die Erinnerung an ihre
jüdischen Mitbürger, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden, wach
halten. Initiator vor Ort ist der Verein Alt Prichsenstadt, dessen Antrag
die Stadträte am Donnerstagabend einstimmig zustimmten. Die Kosten für die
Steine übernimmt der Verein.
Für diese Aktion hatte der Verein einen Arbeitskreis gegründet, gestaltet
werden die Steine von einem Künstler aus Köln. In Prichsenstadt und später
in Altenschönbach und eventuell Kirchschönbach sollen Steine im Gehweg vor
den Häusern eingebaut werden, in denen die jüdischen Mitbürger seinerzeit
gelebt haben. Bislang sind in Prichsenstadt elf Personen recherchiert
worden. In der Luitpoldstraße soll ein Stein gesetzt werden, vier sollen auf
dem Karlsplatz eingearbeitet werden, zwei in der Freihofgasse und vier in
der Kirchgasse. Ein Problem ergibt sich in einer der engen Gassen ohne
Gehweg. 'Da werden wir die Steine in der Straße außerhalb der Fahrspuren
einbauen', sagte Bürgermeister René Schlehr. Stadträtin Ursula Reiche hatte
kritisiert, dass die Steine überhaupt in die Straße eingebaut werden, 'da
muss man sich schon bücken, um die Inschrift zu lesen'. Der Vorschlag von
Ratsmitglied Werner Klüber, anstelle der Steine Tafeln an den Häusern
anzubringen, fand wenig Zustimmung, weil sie nicht dem Konzept
'Stolpersteine' entsprechen würden. Der Arbeitskreis hatte bereits die
meisten heutigen Besitzer der Gebäude über ihr Vorhaben informiert, und die
hatten keine Einwände geäußert. Solche Einwände wurden im Rat allerdings
befürchtet, denn im Beschlussvorschlag hatte der Bürgermeister formuliert,
dass der Arbeitskreis die schriftlichen Zustimmungen der Besitzer vorlegen
muss. Das hielt Wolf-Dieter Gutsch, federführend beim Arbeitskreis
Stolpersteine, für 'nicht zielführend'. Er verwies in der Sitzung auf die
Stadt Bamberg. Die habe auch schriftliche Zusagen haben wollen, nicht immer
bekommen, 'und irgendwann haben sie einfach die Steine eingebaut'. Nun sei
Prichsenstadt mit Bamberg nicht vergleichbar, entgegnete der Bürgermeister.
'Ich halte es für den besseren Weg, wenn wir bei so symbolträchtigen Steinen
die Genehmigung schriftlich einholen.' Was der Rat letztlich mit 11:3
Stimmen auch so beschloss. Wobei die Gegenstimmen nicht gegen die Aktion an
sich, sondern gegen die schriftliche Zustimmung zu werten sind. Starten wird
die Aktion, sobald die Kanalsanierung der Kirchgasse abgeschlossen ist. Es
wäre auch gut, so Schlehr, 'wenn wir die Nachkommen unserer jüdischen
Mitbürger für den Einbau einladen'. An welchen Stellen vor den jeweiligen
Häusern die Steine eingebaut werden, legt der Stadtrat in
Einzelentscheidungen fest."
Link zum Artikel |
Artikel
in der "Main-Post" (Lokalausgabe Kitzingen) vom 28. Mai 2016:
"Zum Gedenken an jüdische Mitbürgerinnen: Erste Stolpersteine
sind verlegt. In Prichsenstadt wird jetzt an Martha Löwenberger und
Pauline Künstler erinnert..."
Anmerkung: In Prichsenstadt wurden zwei Stolpersteine verlegt: in der
Luitpoldstraße 17 für Martha Löwenberger geb. Schülein (geb. 1884 in
Oettingen, seit 1908 in Prichsenstadt, umgekommen nach der Deportation im
April 1942 von Würzburg nach Krasnystaw) und am Karlsplatz 14 für
Pauline Künstler (geb. 1870 in Prichsenstadt, umgekommen im März 1943 im
Ghetto Theresienstadt).
Link
zum Artikel
vgl. auch http://prichsenstadt.blogspot.de/2016/05/ein-stolperstein-fur-martha-lowenberger.html
http://prichsenstadt.blogspot.de/2016/05/die-erste-stolpersteinverlegung-in.html
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Die
im Mai 2016 verlegten "Stolpersteine"
(Fotos erhalten von Wolf-Dieter Gutsch) |
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Stolperstein für Pauline
Künstler
am Karlsplatz 14 |
Stolperstein für Martha
Löwenberger
geb. Schülein in der Luitpoldstraße 17 |
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Oktober 2016:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Prichsenstadt |
Artikel von Gerhard Bauer in
"Der Kitzinger" (inFranken.de) vom 10. Oktober 2016: "Stolpersteine:
Erinnerungen an Misshandlung und Gewalt
Mahnung und Gedenken: Fünf weitere Stolpersteine erinnern in Prichsenstadt
an jüdische Mitbürger, die in der Zeit der NS-Diktatur gefoltert und
misshandelt wurden.
Stolpersteine erinnern an Bürger einer Gemeinde, die während der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft misshandelt, deportiert und
umgebracht wurden. Nach der ersten Verlegung in Prichsenstadt im Mai wurden
am Sonntag vor dem Gebäude Karlsplatz 9 in einer Gedenkstunde fünf
weitere Stolpersteine eingebracht. Im Pflaster der Altstadt erinnern sie an
Kinder, Frauen und Mädchen, die einst Nachbarn und Freunde waren und
deportiert, gefoltert und getötet wurden. Die heutige Hauseigentümerin Uta
Eichhorn war nicht nur mit der Verlegung der Steine einverstanden, sie
übernahm auch die Kosten. Die Aktion Stolpersteine wurde 1999 vom Kölner
Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen, der auf diese Weise die Erinnerung
an die Opfer des Naziterrors wach halten will. In 19 Ländern in Europa
wurden bislang mehr als 56 000 Stolpersteine gesetzt.
Zeichen setzen. Das Verlegen in Prichsenstadt hatte der Arbeitskreis
Stolpersteine im Verein Alt-Prichsenstadt initiiert, dessen Sprecher
Wolf-Dieter Gutsch die Organisation übernahm. Die Jugendlichen Lutz
Ackermann, Manuel Kohles, Dominik Reimann, Lisa Hemming und Isabelle Böttger
verlasen die Biografien derjenigen aus der Familie Künstler, derer
jetzt gedacht wird: Berta, Gretchen, Helene, Isaak und Justin.
Kitzingens Alt-OB Bernd Moser sprach von einer beeindruckenden Stunde,
Landrätin Tamara Bischof unterstrich den Wert mit Stolpersteinen Zeichen zu
setzen. Stolpersteine seien Erinnerungssteine an lokale und regionale
geschichtliche Ereignisse und gegen das Vergessen gerichtet, sagte
Landtagsabgeordneter Volkmar Halbleib. Wolf-Dieter Gutsch, der das jüdische
Totengebet Kaddish sprach, begrüßte unter den Teilnehmern Oded Baumann,
Vorstandsmitglied in der Israelitischen Gemeinde Würzburg. Drei Bläser aus
Wiesentheid sorgten für den musikalischen Rahmen.
Über Schicksale dieser ehemaligen Prichsenstädter wurden bei der Gedenkfeier
berichtet: Von Berta Künstler ist wenig bekannt. Sie wurde 1901 als
Tochter von Wolfgang und Gretchen Künstler in Prichsenstadt geboren und am
22. April mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Justin zunächst nach Würzburg
und dann nach Lublin/Ostpolen deportiert. Gretchen Künstler heiratete
1900 den Prichsenstädter Metzger Wolfgang Künstler. 1877 wurde sie in
Trabelsdorf als ältestes Kind des
Händlers Joseph Silbermann und seiner Frau Rosa geboren. Schwester Frieda
Goldmann war in Zeil verheiratet. Am 25.
April 1942 wurde sie mit dem gleichen Zug wie ihre Schwester nach Lublin
deportiert und kam im Vernichtungslager Sobibor ums Leben. Onkel Salomon
Silbermann überlebte als einziger der Familie, da er 1935 über die
Niederlande und Frankreich nach Australien emigrierte. Die Kinder der
Familie Künstler, Bertha, Isaak und Justin, mussten ebenfalls ihre
Heimat verlassen. Isaak Künstler – Jahrgang 1903 – gelang es nach
vorbeugender Polizeihaft im Konzentrationslager Sachsenhausen in die
Grafschaft Kent in England zu emigrieren. Über die USA kam er nach
Australien, von wo aus er vergeblich versuchte seine Ehefrau Helene wieder
zu finden. Er starb 1981 im Alter von 78 Jahren. Ehefrau Helene, geborene
Maier, Jahrgang 1908, stammte aus der Gegend von Heilbronn (sc.
Horkheim), heiratete Isaak Künstler
1938 und zog in Prichsenstadt in das Haus Nummer 11 (heute Karlsplatz 9).
Mit der Emigration des Ehemannes Isaak kam sie 1939 zurück in die Gegend von
Heilbronn. Von dort aus wurde sie am 22. August 1942 nach Theresienstadt und
am 29. Januar 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie mit ihrer
Schwester Johanna Maier, Jahrgang 1903 (sc. 1902, aus
Horkheim), vermutlich gleich nach
der Ankunft ermordet wurde. Als jüngster Sohn wurde 1911 Justin Künstler
geboren und erlernte das Metzgerhandwerk. Einen Tag nach der Pogromnacht am
9. November 1938 wurde er verhaftet und wegen seiner jüdischen Herkunft
dauerhaft aus der Wehrmacht ausgeschlossen. Bis 1942 wohnte er in
Prichsenstadt und wurde mit seiner Mutter ins Vernichtungslager Sobibor
deportiert, wo er am 6. Juni 1942 ermordet wurde. Alle in Prichsenstadt noch
verbliebenen Juden mussten ihren Haus- und Grundbesitz verkaufen und vom
Bahnhof aus die 'Evakuierung nach Osten', so die damalige offizielle
Beschreibung angetreten. Als der Zug in Krasnyczyn eintraf, war er mit 955
Juden aus Unterfranken besetzt, die mit großer Wahrscheinlichkeit am 6. Juni
1942 in Sobibor ermordet wurden." |
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Mai
2017: Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" in Prichsenstadt |
Artikel von Tessy Korber in der "Main-Post" (Lokalausgabe
Kitzingen) vom 9. Mai 2017:
"Vom Erinnern und Versöhnen. In Prichsenstadt werden
Stolpersteine für sieben ehemalige jüdische Mitbürger
verlegt..." |
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November 2018:
Gedenkveranstaltung zur
Erinnerung an den Novemberpogrom 1938 |
Artikel von Nicolas Bettinger in
"Die Kitzingen" ("infranken.de") vom 20. November 2018:
"Gedenkveranstaltung zum Pogrom.
'Es ist Gottes Wort - es will nicht brennen', soll laut Aussage einer Zeugin
ein Zuschauer bei der Verbrennung der Gegenstände aus der demolierten
Synagoge in Altenschönbach am Abend des 10. November 1938 gesagt haben, als
man dort die beiden Thora-Rollen ins Feuer warf und diese nicht gleich in
Flammen aufgingen - das gelang erst, nachdem man Brandbeschleuniger
herbeigeholt hatte.
Zu einer Gedenkveranstaltung zum Pogrom hatte am Freitag der Verein Alt
Prichsenstadt e. V. mit seinem Arbeitskreis 'Stolpersteine - Erinnern und
Gedenken' in das Evangelische Gemeindehaus nach Altenschönbach eingeladen.
Es war wohl die erste derartige Veranstaltung, die jemals in
Altenschönbach bzw. Prichsenstadt
stattfand - und die Anzahl von etwa 60 interessierten Zuhörern fand kaum
Platz, heißt es in einer Pressemitteilung. Gekommen waren unter anderem der
erste und zweite Bürgermeister der Stadt Prichsenstadt sowie einige
Stadträte und Fürstin Marie-Luise zu Castell-Castell. Das Hauptreferat des
Abends hatte Roland Flade aus Würzburg übernommen, ein Historiker und Kenner
der Materie. Er schilderte die geschichtliche Entwicklung bis hin zum Pogrom
vom November 1938 und dessen Verlauf in Unterfranken, speziell in Würzburg
anhand von Bildern.
Vierköpfiger SS-Zerstörungstrupp aus Kitzingen. Anschließend stellten
Werner Steinhauser und Wolf-Dieter Gutsch - beide Mitglieder des
Arbeitskreises "Stolpersteine - Erinnern und Gedenken" im Verein Alt
Prichsenstadt e. V. - den Verlauf des Pogroms im Kreis Kitzingen-Gerolzhofen
dar - als Richtschnur diente dabei der Weg des vierköpfigen
SS-Zerstörungstrupps aus Kitzingen, der
sich am 10. November 1938 um 5 Uhr morgens auf seinen Weg machte und zuerst
die Synagoge in Kitzingen in Brand
setzte. Auf diesem Weg, der durch
Marktbreit und Mainbernheim
führte, weiter über Rödelsee (dort nahm
der Trupp bei einem SS-Kameraden eine Schlachtschüssel und einige Schoppen
Wein zu sich und dort stand auch die Schändung und Demolierung der dortigen
Synagogen auf dem 'Zettel'), kamen sie schließlich nach einem Halt in
Kleinlangheim am frühen Nachmittag
auch nach Prichsenstadt und nach
Altenschönbach. In beiden Gemeinden wurde die Inbrandsetzung der
Synagogen von Nachbarn und Ortsbehörden verhindert - aber die Synagogen
wurden aufgebrochen, die religiösen Gegenstände geschändet und die gesamte
Inneneinrichtung demoliert. Später kam es zur Verbrennung der Trümmer und
des Inventars auf dem Marktplatz in Prichsenstadt und im Garten eines
benachbarten Bauern in Altenschönbach.
Anwesende Zeitzeugin aus Prichsenstadt. Bei den jüdischen Einwohnern
beider Orte wurden Haussuchungen nach Waffen und "staatsfeindlicher
Literatur" durchgeführt, sie wurden gedemütigt, gequält und verhaftet - drei
jüdische Männer kamen dann in das Konzentrationslager Dachau. Eine anwesende
Zeitzeugin aus Prichsenstadt bestätigte, dass sie am 10. November gemeinsam
mit ihrer Mutter bei einem Besuch in Kitzingen sowohl die brennende Synagoge
sah als auch die Hetzjagd auf jüdische Bürger - und nach ihrer Heimkehr in
Prichsenstadt auch in der Freihofgasse die Spuren der Verwüstung vor der
Synagoge und der Wohnung des Religionslehrers Grünebaum. Zum Abschluss fand
ein Totengedenken statt. Junge Leute aus Altenschönbach und Prichsenstadt
lasen die Namen der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus
Prichsenstadt (16) sowie Altenschönbach (9) vor. Danach sprach der
evangelische Ortspfarrer Erich Eyßelein ein Gebet für die jüdischen Opfer
des Nationalsozialismus. Die Gedenkveranstaltung wurde musikalisch von der
Gruppe "HemosSaxoBariTöne" umrahmt, die zu Beginn und Ende des Abends
jeweils ein Stück jüdisch-synagogaler Musik darbot. "
Link zum Artikel
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Januar 2019:
Veranstaltung zum
Holocaust-Gedenktag in Wiesentheid |
Artikel von "Andreas Knappe" in
"Die Kitzinger" (inFranken.de) vom 30. Januar 2019: "Erinnerung den Tag,
als die Synagogen brannten. Ein Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus und nachträglich zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms
fand im evangelischen Gemeindehaus statt.
Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und nachträglich zum 80.
Jahrestag des Novemberpogroms hatte die evangelische Kirchengemeinde
Wiesentheid und der Verein Alt Prichsenstadt zu einer Veranstaltung ins
evangelische Gemeindehaus Wiesentheid eingeladen. Der Schwerpunkt lag laut
Mitteilung auf dem Pogrom, das dieser Übergriff auf die jüdischen Mitbürger
den Übergang von der Diskriminierung und Entrechtung der deutschen Juden zu
ihrer systematischen Verfolgung und schließlich Vernichtung markierte.
Pfarrer Martin Fromm und Ursula Reisinger, die stellvertretende Vorsitzende
des Vereins Alt Prichsenstadt, eröffneten den Abend mit einer kurzen
Darstellung der geschichtlichen Bedeutung des 9. November 1938 (dem Beginn
des Novemberpogroms) und des 27. Januar 1945 (der Befreiung des
Konzentrationslagers Auschwitz durch Soldaten der Sowjetarmee). Anschließend
wurde in einem Bildvortrag über die Entwicklung des Antisemitismus in
Deutschland, speziell in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, berichtet - und
über den Ablauf des Pogroms in Unterfranken. Dabei kam das Bildmaterial
eines Vortrags zum Einsatz, den der Historiker und Publizist Roland Flade
aus Würzburg bei seinem Vortrag zum Jahrestag des Novemberpogroms im Jahre
2018 in Altenschönbach verwendet hatte. Anschließend wurde der zeitliche
Verlauf des Pogroms in der Region nachgezeichnet, und zwar anhand des Weges
des vierköpfigen SS-Zerstörungstrupps, der sich am 10. November um 5 Uhr
morgens in Kitzingen 'an die Arbeit machte' und nach dem Anzünden der
Synagoge in Kitzingen eine Spur der Verwüstung durch den Landkreis zog. In
den einzelnen betroffenen Orten (Marktbreit, Mainbernheim, Rödelsee,
Großlangheim, Kleinlangheim, Prichsenstadt und Altenschönbach) standen
SA-Leute bereit und auch Ortsbewohner waren an der Schändung der Synagogen,
der Zerstörung und Verbrennung von deren Einrichtungen und Ritualien sowie
der gewalttätigen Ausschreitungen gegen die jüdischen Bürger der einzelnen
Gemeinden beteiligt. Die beiden Referenten Werner Steinhauser und
Wolf-Dieter Gutsch vom Arbeitskreis Stolpersteine – Erinnern und Gedenken im
Verein Alt Prichsenstadt gingen auf die Vorkommnisse in der Stadt
Prichsenstadt und in der Gemeinde Altenschönbach ein. Stellvertretend für
die Millionen von Opfern des Nationalsozialismus erfolgte dann ein
Totengedenken für die ermordeten 16 jüdischen Bürger von Prichsenstadt und
die neun Ermordeten aus Altenschönbach. Jugendliche verlasen die Namen
dieser Opfer – unter ihnen Elise Traubel, ein dreijähriges jüdisches Mädchen
aus Altenschönbach – wobei sich alle Zuhörer von ihren Plätzen erhoben. Die
Gedenkveranstaltung schloss mit dem traditionellen jüdischen Totengebet 'Kaddisch',
welches Pfarrer Martin Fromm vortrug. Mit Stücken aus der synagogalen Musik
wurde die Veranstaltung von HemosSaxoBaritöne (Wiesentheid) auf sehr würdige
Weise umrahmt. Nach der Veranstaltung bestand für die Gäste noch die
Möglichkeit zum Gedankenaustausch und persönlichen Gesprächen bei Wein und
Gebäck."
Link zum Artikel |
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Juli 2019:
Anerkennung für die verlegten
Stolpersteine |
Artikel in "infranken.de" vom
15. Juli 2019: "Stadtrat befürwortet Denkmal vor dem Hauptbahnhof
in Würzburg
Stellvertretender Landrat Paul Streng zollte der Initiative großes Lob, in
Würzburg, direkt am Vorplatz vom Hauptbahnhof, ein Denkmal für die
deportierten und ermordeten jüdischen Mitbürger, den sogenannten 'DenkOrt
Aumühle', zu errichten und auf diese Weise den Opfern des
Nationalsozialismus Respekt zu erweisen. Zu einer Informationsveranstaltung
zum geplanten Deportationsdenkmal 'DenkOrt Aumühle Würzburg' hatte der
Verein Alt Prichsenstadt e. V., unter der Federführung seines Arbeitskreises
'Stolpersteine - Erinnern und Gedenken', nicht nur interessierte
Mitbürgerinnen und Mitbürger nach Laub eingeladen, sondern auch Vertreter
der Kommunalpolitik sowie der weiterführenden Schulen aus der näheren
Umgebung.
14 Stolpersteine in Prichsenstadt. Streng bedankte sich beim Verein
Alt Prichsenstadt e. V. für dessen langjähriges Engagement in der
Erinnerungskultur, welches durch die in Prichsenstadt verlegten 14
Stolpersteine deutlich sichtbar sei. "Gerade in Unterfranken lebten über
Jahrhunderte hinweg in mehr als 100 Gemeinden zahlreiche jüdische Mitbürger,
die sich stark im gesellschaftlichen Leben ihrer Heimatorte engagierten".
Der Sprecher des Prichsenstadter Stolperstein-Arbeitskreises informierte mit
Hilfe von Übersichtskarten und Bildern, wie es während der Zeit des
Nationalsozialismus zu den Deportationen kam und wie diese organisiert
waren. Nur 62 der Deportierten erlebten das Kriegsende, von den Deportierten
aus Prichsenstadt und Altenschönbach kehrte kein einziger zurück..."
Link zum Artikel |
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März 2020:
Weitere "Stolpersteine" wurden
verlegt |
Artikel von Jürgen Sterzbach in
"Die Kitzinger" ("infranken.de") vom
11. März 2020: "Stolpersteine der jüdischen Familie Reich in
Prichsenstadt verlegt
In Prichsenstadt fand vor kurzem die vierte Verlegung von Stolpersteinen für
Opfer des Nationalsozialismus statt. Nun sind laut einer Pressemitteilung in
der Stadt insgesamt 18 Stolpersteine gelegt worden.
Nach der Verlegung der vier Steine mit Gunter Demnig, der das Projekt
'Stolpersteine' 1992 begründete und mittlerweile in 26 Ländern Europas über
75 000 Steine verlegte, vor dem Anwesen in der Luitpoldstraße 12 fand in der
Stadtkirche St. Sixtus die Gedenkfeier für die jüdische Familie Reich mit
Max, Grete, Käthe und Willy Reich statt. Volker Mehlert, Vorsitzender des
Vereins Alt Prichsenstadt, und Wolf-Dieter Gutsch, Sprecher des
Arbeitskreises 'Stolpersteine - Erinnern und Gedenken', hatten zuvor
zahlreiche Gäste, darunter Ferdinand Fürst zu Castell-Castell und Michael
Glos, begrüßt. Bei der Gedenkfeier sprachen Prichsenstadts Bürgermeister
René Schlehr, der stellvertretende Landrat Paul Streng, die
Landtagsabgeordneten Barbara Becker und Volkmar Halbleib sowie Oded Baumann,
Vorstandsmitglied der Israelitischen Gemeinde in Würzburg. Sie drückten ihre
Anerkennung für das Projekt des Altstadtvereins aus. Anschließend wurden die
Kurzbiographen der Mitglieder der Familie Reich von vier Schülern der
Mittelschule und des Gymnasiums in Wiesentheid vorgetragen. Max Reich setzte
1937 aufgrund des großen psychischen Drucks, den die nationalsozialistischen
Machthaber auf ihn ausübten, seinem Leben selbst ein Ende. Grete Reich wurde
1942 nach Auschwitz deportiert und vermutlich gleich nach ihrer Ankunft
ermordet. Käthe Reich konnte 1939 nach Großbritannien emigrieren und hat als
einziges Familienmitglied überlebt. Sie starb 2011 mit 90 Jahren in New
York. Willy Reich wurde 1943 nach Auschwitz gebracht und musste Zwangsarbeit
verrichten. Im Februar 1945 wurde er im Konzentrationslager Dachau ermordet.
Musikalisch begleitete Guido Saremba die Veranstaltung mit seiner Gitarre.
Zum Abschluss der Gedenkfeier versammelten sich die Teilnehmer, darunter die
vierte Klasse der Grundschule in Prichsenstadt und die Klasse 10b des
Wiesentheider Gymnasiums, noch einmal bei den Stolpersteinen in der
Luitpoldstraße 12. Dort sprach Erich Eyßelein für die vier
Familienmitglieder das traditionelle und bei Beerdigungen übliche jüdische
Gebet 'Kaddisch'."
Link zum Artikel
Auch als
pdf-Datei eingestellt. |
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Die im März 2020
verlegten "Stolpersteine"
(Fotos: Stefan Polster) |
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Die
"Stolpersteine" für Max Reich, Grete Reich geb. Schönwalter, Käthe Reich und
Willy Reich.
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Gedenkstunde in der
evangelischen
Stadtkirche St. Sixtus in Prichsenstadt |
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Oktober 2022:
Einweihung des "DenkOrtes
Prichsenstadt" |
Am 9. Oktober 2022
wurde in Prichsenstadt eine Einweihungsfeier für den "DenkOrt
Prichsenstadt" (mit einem Kofferdenkmal im Zusammenhang mit dem DenkOrt
Deportationen Würzburg) durchgeführt. |
Bericht von
Wolf-Dieter Gutsch: "DenkOrt
Prichsenstadt eingeweiht.
Am 9. Oktober 2022 wurde im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung der 'DenkOrt
Prichsenstadt' eingeweiht. Hierzu konnte Bürgermeister René Schlehr eine
Reihe von Ehrengästen begrüßen, allen voran einen Nachkommen der jüdischen
Familie Löwenberger aus Prichsenstadt. Avi Zoran lebt in Israel und ist ein
Urenkel des im Ersten Weltkrieg 1914 gefallenen Isaak Löwenberger sowie
dessen 1942 nach Ostpolen deportierten und dort ermordeten Ehefrau Martha
Löwenberger. Avis Großvater Justin Jehuda Löwenberger konnte 1937 noch nach
Palästina emigrieren und so sein Leben retten, ebenso dessen Bruder Ludwig
1938 durch Emigration in die USA.
Schon im Juli 2022 besuchte Avi Zoran Prichsenstadt und nahm jetzt -
gemeinsam mit seiner Frau Hagit - die Gelegenheit wahr, an der Einweihung
des DenkOrts Prichsenstadt teilzunehmen. Er hielt auch eine kleine Rede in
englischer Sprache mit deutscher Übersetzung, die von allen Teilnehmern als
sehr persönlich und bewegend empfunden wurde.
Der DenkOrt Prichsenstadt befindet sich an an einem repräsentativen Platz,
vor dem Eingang zum Stadtfriedhof auf der rechten Seite. Links vom Eingang
ist das Denkmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges mit nun insgesamt 17
Gedenktafeln, davon 4 für jüdische Soldaten. Dieses Denkmal wurde im Jahre
1932 eingeweiht und nach dem 2. Weltkrieg mit Gedenktafeln für die Opfer
dieses Krieges ergänzt.
Insgesamt besteht der DenkOrt Prichsenstadt aus vier Teilen, nämlich
1. dem Duplikat des Kofferdenkmals, welches an die 1942 aus Prichsenstadt
deportierten jüdischen Mitbürger erinnert und dessen Original am DenkOrt
Deportationen vor dem Hauptbahnhof in Würzburg aufgestellt ist,
2. einer Reihe von fünf Tafeln zur Erinnerung an die 17 Opfer des
Nationalsozialismus aus Prichsenstadt, wovon 16 jüdisch waren und eines ein
nichtjüdisches Opfer der Euthanasie,
3. einer Gedenktafel der Stadt Prichsenstadt, die bereits 1987 an einem
anderen Standort in der Stadt angebracht und nun hier in den DenkOrt
Prichsenstadt integriert wurde,
4. am Denkmal für die Opfer des 1. Weltkriegs als Nachtrag eine Gedenktafel
für einen (jüdischen) Teilnehmer am 1. Weltkrieg, der sich im
Russlandfeldzug eine damals unheilbare Krankheit zuzog, an welcher er 1920
starb.
Sowohl das Original als auch das Duplikat des Kofferdenkmals wurden von
Herrn Richard Gebert gestiftet, ebenso die fünf Tafeln für die Opfer des
Nationalsozialismus. Sein Mitarbeiter Mehdi Emini besorgte die künstlerische
Ausführung der Koffer und die Installation der 'Denkstücke'. Die unter 3.
genannte Gedenktafel wurde seinerzeit vom Künstler Wolfgang Adamek
geschaffen, die Tafel für das späte Opfer des 1. Weltkriegs stammt aus der
Hand des Bildhauers Sascha Fidyka.
Auch der Verein Alt Prichsenstadt e. V. und sein Arbeitskreis 'Stolpersteine
- Erinnern und Gedenken' beteiligten sich ideell und materiell am DenkOrt
Prichsenstadt, nämlich durch Planung und Finanzierung der 'neuen'
Gedenktafel am Gefallenendenkmal sowie einer Erläuterungstafel am Sockel des
Kofferdenkmals - und ohne das tatkräftige Mitwirken des Vereinskassiers
Ludwig Meder wäre die Realisierung des DenkOrts Prichsenstadt wohl überhaupt
nicht denkbar gewesen!"
(Fotos unten von Wolf-Dieter Gutsch) |
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Blick auf die
Gedenkstätte vor dem Friedhof
(Foto: Wolf-Dieter Gutsch) |
Enthüllung
des Kofferdenkmales - mit Bürgermeister René Schlehr,
Richard Gebert und Mehdi Emini (Foto: Hans Schröter) |
Avi Zoran bei seiner
Ansprache
(Foto: Hans Schröter) |
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Koffer-Denkmal mit
Erläuterungstafel
(siehe unten*)
(Foto: Wolf-Dieter Gutsch)
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Gedenktafel von 1987: "Die
Stadt Prichsenstadt
gedenkt ihrer ehemaligen
jüdischen Mitbürger
zur Erinnerung und Mahnung"
(Foto: Wolf-Dieter Gutsch)
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Das Denkmal für
die Opfer des Ersten Weltkriegs aus Prichsenstadt in der
Kriegergedächtnisstätte vor dem Friedhof. Genannt werden auch die jüdischen
Gefallenen Leutnant Paul Strauss (geb. 11.12.1889 in Prichsenstadt,
vor 1914 in Nürnberg wohnhaft, gef. 1.9.1914)
und Vizefeldwebel Siegfried Hahn (geb. 9.1.1892 in Prichsenstadt, vor 1914 in
Nürnberg wohnhaft, gef. 16.2.1916) sowie
Unteroffizier/Kanonier Otto Hahn (geb. 8.3.1893 in Prichsenstadt, vor 1914 in Kitzingen
wohnhaft, gest. an einer Kriegsverletzung 17.2.1920). Rechts: Tafel für
Otto Hahn (Fotos: Wolf-Dieter Gutsch) |
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*Text der
Gedenktafel: "Mit diesem Koffer-Denkmal erinnern wir an die jüdischen
Frauen, Männer und Kinder aus Prichsenstadt, die durch den NS-Staat sowie
seine Helferinen und Helfer in den Jahren von 1933 bis 1945 entrechtet,
beraubt, deportiert und schließlich ermordet wurden. Ihr Schicksal ruft uns
zu Zivilcourage und zum Kampf gegen Hass und Unmenschlichkeit auf. Ein
zweites Modell dieses Koffers steht am DenkOrt Deporationen vor dem
Hauptbahnhof in Würzburg. Von Würzburg fuhren die meisten der
Deportationszüge aus Unterfranken nach Osten ab. Sie brachten etwa 2.000
jüdische Menschen aus unserer Region in den Tod. Darunter waren 10
Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Prichsenstadt. Ihre Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Juli 2024:
Grundschüler auf den Spuren der
jüdischen Geschichte |
Artikel von Angela
Hofmann in "infranken.de" vom 23. Juli 2024: "PRICHSENSTADT. Grundschüler
aus Prichsenstadt 'auf jüdischen Spuren'
Ein Standrundgang mit einer Gruppe der 3. und 4. Klasse der Grundschule
Prichsenstadt beschloss die diesjährige Behandlung des Themas 'Judentum und
jüdisches Leben' im Religionsunterricht.
Eingestimmt wurden die Kinder schon vor einiger Zeit - nachdem im
Religionsunterricht das Thema Judentum besprochen worden war - durch einen
fast zweistündigen Bildvortrag. Dazu kamen Mitglieder des Arbeitskreises
'Stolpersteine - Erinnern und Gedenken' im Verein Alt Prichsenstadt e. V. in
die Schule. Sie stellten anhand zahlreicher Fotos Grundsätzlichkeiten des
jüdischen Lebens und des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus dar
- auch anhand verschiedener Anschauungsgegenstände, z. B. eines
Stolpersteins und einer Mesusa - dem sogenannten 'Haussegen' (der an
jüdischen Häusern stets am rechten Türpfosten angebracht wird und immer
schief hängt!)
Beim Vortrag konnten auch zahlreiche Fragen der sehr wissbegierigen Kinder
beantwortet werden. Zur weiteren Vertiefung und Veranschaulichung des Themas
verabredete man dann mit der Schulleitung, einen Stadtrundgang in zwei
Gruppen an verschiedenen Tagen durchzuführen. Den Einstieg in diese kleinen
Stadtführungen bildete jeweils ein Stopp an der Stelle, wo die erste
Synagoge in Prichsenstadt stand, die aber schon 1897 wegen Baufälligkeit
abgerissen werden musste. Die zweite Synagoge wurde dann 1912 eingeweiht und
ist äußerlich noch sehr gut erhalten. Auf dem Spaziergang durch die Stadt
hielt man an verschiedenen ehemals jüdischen Häusern, wo man - wie auch an
der Synagoge - Spuren der Mesusa erkennen konnte. Auch fast alle bisher in
Prichsenstadt verlegten Stolpersteine wurden besichtigt und erläutert. Kurz
vor dem zweiten Stadtrundgang fand eine 'Putzaktion' der Klasse 5a des
Wiesentheider Gymnasiums statt - die Steine glänzten also fast wie neu und
waren sehr gut lesbar.
Der Spaziergang endete am sogenannten 'DenkOrt Prichsenstadt' vor dem
Friedhofseingang, wo seit 2022 gemeinsam aller Opfer der Weltkriege und des
Nationalsozialismus gedacht wird - auch alle Namen der Ermordeten sind
vermerkt, speziell für die jüdischen Opfer wurde ein 'Kofferdenkmal'
errichtet."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1154-1155. |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 386-387. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 103-104. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 539-540.
|
| Werner
Steinhauser: Juden in und um Prichsenstadt: Prichsenstadt,
Altenschönbach, Brünnau, Kirchschönbach, Järkendorf. Prichsenstadt 2002.
Anfragen/Bestellungen über den Verfasser (E-Mail). |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 133-134. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Prichsenstadt Lower Franconia.
Jews were present in 1462 and were living under various letters of protection
from 1528. They numbered 74 in 1880 (total 761), and 53 in 1911. Sixteen left up
to early 1938. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagoge was
vandalized and religious articles set on fire in the street. The Jews were then
forced to sell their homes and reside in a single house. By 1941 another 17 had
left. Of the remaining ten, seven were deported to Izbica in the Lublin district
(Poland) via Wuerzburg on 25 April 1942 and three to the Theresienstadt ghetto
on 23 September.
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