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"Synagogen im Hochtaunuskreis"
Schmitten (Hochtaunuskreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Wolfgang Breese,
Geschichtsverein Hochtaunus e.V.)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Schmitten bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts zurück.
Aus dem 19. Jahrhundert liegen an Zahlen zu den jüdischen
Gemeindegliedern vor: 1843 27 jüdische Einwohner (in fünf Familien), 1890 20 (in sechs Familien),
1905 21 (die fünf steuerzahlenden Mitglieder der Gemeinde waren: Sina Hess,
Moritz Hess, Maja Löwenstein Witwe, H. Löwenstein Witwe, Herrmann Strauß). Auf Grund der geringen Zahl der Gemeindeglieder sollte die
jüdische Gemeinde Schmitten um 1890 aufgelöst und der Gemeinde in Anspach
angeschlossen werden. Doch wehrten sich die sechs jüdischen Familien in
Schmitten dagegen mit Erfolg. Spätestens Anfang der 1920er-Jahre erfolgte dann
jedoch ein Anschluss an die jüdische Gemeinde in Usingen. Die Gemeinde gehörte
zum Rabbinatsbezirk Weilburg.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), einen
Raum für den Religionsunterricht der Kinder, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Den Religionsunterricht erhielten die jüdischen Kinder in Schmitten - gemeinsam
mit den Kindern aus Anspach und Rod am Berg -
Mitte des 19. Jahrhunderts durch Lehrer Emden aus Wehrheim.
Dieser wird bereits anlässlich der Synagogeneinweihung 1844 genannt. Unter den
Vorstehern der jüdischen Gemeinde werden genannt: um 1888 Heyum Löwenstein,
bis 1916 Sina Hess. Letzter Gemeindevorsteher war der Viehhändler Moritz
Heß.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Josef Herz (geb.
5.7.1882 in Berolzheim, gef. 25.5.1915). Sein
Name wurde auf dem Gefallenendenkmal der bürgerlichen Gemeinde eingetragen, zu dessen Einweihung 1925
u.a. auch Rabbiner Dr. Salzberger aus Frankfurt am Main sprach (siehe Bericht
unten).
1926 starb der unter den Kurgästen bekannte und für die jüdische
Gemeinde wichtige Hermann Strauß, Inhaber des seit 1906 am Ort bestehenden
streng rituell geführten Hotels Strauß in Schmitten.
Er war lange Jahre ehrenamtlicher Vorbeter der jüdischen Gemeinde. Beigesetzt
wurde er auf dem jüdischen Friedhof in
Schmitten.
Das Hotel Strauss
wurde nach dem Tod von Hermann Strauß (seine Frau Janis war bereits vor ihm
gestorben) weitergeführt von seinem Sohn Wilhelm Strauß (mit Frau Hanna
geb. Waller; in den 1930er-Jahren half auch bereits der 1924 geborene Sohn Max
den Eltern beim Bedienen der Gäste) und der Tochter Frieda Halberstadt geb.
Strauß (verheiratet mit Jonas Halberstadt, wohnhaft in Frankfurt).
Nach 1933 lebten in Schmitten neben der Familie Strauß noch zwei Familien
Hess (Familie des Viehhändlers Moritz Hess, geb. 1868 mit Ehefrau Lina Hess,
geb. 1870, Kinder Irma, Sarah und Rachel waren teilweise nach der Heirat bereits
weggezogen; Witwe Berta Hess, geb. 1881, Sohn Benno ist nach den USA emigriert) und
Angehörige der Familie Löwenstein (Mina Löwenstein, geb. 1878, ledig; Johanna
Löwenstein, geb. 1891, Witwe; Ferdinand Löwenstein geb. 1882, 'Metzger' mit
Ehefrau Lina Löwenstein und Kindern Ilse und Heinz Löwenstein, die nach
Johannesburg, Südafrika emigrieren konnten).
Das Hotel Strauß wurde von seinen Inhabern zunächst
weiter betrieben, bis es geschlossen werden musste. Wilhelm und Hanna Strauß
verzogen mit ihrem Sohn Max nach Frankfurt am Main, von wo sie deportiert und in
Auschwitz ermordet wurden. Auch die Schwester Frieda Halberstadt geb. Strauß
wurde mit ihrem Mann Jonas Halberstadt von Frankfurt deportiert und ermordet.
Eine der Familien konnte offenbar nach Südamerika emigrieren.
Von den in
Schmitten geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Wilhelm Strauß (1885) und seine Frau Hanna
Strauß geb. Waller (1900) mit den Söhnen Max Strauss (1924) und Heinz Strauß
(1937), Rosa (Resa)
Kohlhagen geb. Strauss (1883), Frieda Halberstadt
geb. Strauß (1887), Irma Hess (1908), Samuel Siegmund Heß (1874).
Das ehemalige Hotel Strauss wurde nach 1945 nicht mehr als Gasthof/Hotel,
sondern als Wohn- und Geschäftshaus verwendet. Mindestens dreimal fand ein
Eigentümer-Wechsel statt. Im Erdgeschoss war in den 1950er-Jahren eine
Arztpraxis, in den 1960er-Jahren die örtliche Filiale der Nassauischen
Sparkasse, später ein Friseurgeschäft. Heute ist auch das Erdgeschoss bewohnt.
Ein Bruder des letzten Inhabers Wilhelm Strauß - Jakob (?) Strauß - hat
Schmitten nach 1945 mehrfach besucht.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Beiträge
Schmitten als "idealer Kurort" - Kurzer Bericht von 1910
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. August
1910: "Schmitten im Taunus. Für die vielen jüdischen Familien, die
neben einer herrlichen Erholungsstätte auch gleichzeitig großen Wert auf
einen Platz legen, an dem sie in weitgehendster Weise ihren religiösen
Obliegenheiten gerecht werden können, ist Schmitten geradezu ein idealer
Kurort. Ganz besonders gern wird dieser Taunusort von den Frankfurtern
besucht, die in dem Hotel Strauß, welches unter Aufsicht Seiner
ehrwürdigen Rabbiner Dr. Horovitz steht, treffliche Verpflegung und ein
angenehmes Heim finden. Es entwickelt sich bald unter den zahlreichen
Kurgästen jene Zusammengehörigkeit, die fast familiär zu nennen ist und
ihren schönsten Ausdruck fand in dem von Herrn Sali Schott aus Bingen a.
Rhein unter gütiger Mitwirkung von Fr. Simon und Frl. Bertha Strauß aus
Bockenheim und den beiden Fräuleins Weingarten aus Ems auf dem wunderbar
gelegenen Bocksprung veranstaltete Kinderfest. Der Reinertrag des Festes
fällt dem Nationalfonds zu." |
Bericht über Schmitten - Bericht aus jüdischer Sicht von 1937
Artikel
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom
Juni 1937 S. 21: "Schmitten, etwa 700 Einwohner, bis vor kurzer Zeit
von Juden viel besuchter Luftkurort mit Hotel Strauss (jetzt in
Frankfurt), hübscher Synagoge und im Sommer regelmäßigem Gottesdienst.
Um 1900 etwa 25 Seelen, 1937 noch eine 4-köpfige Familie. Die Synagoge ist
geschlossen. Der Friedhof, 20 Minuten von Schmitten, links von der
Wegkreuzung am Nordabhang des Judenkopfes wird - noch - betreut. Von
Schmitten durch die herrlichsten aller Taunuswälder zur Tenne und in 3.
Std. ..." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Neueröffnung eines jüdischen Hotels in Schmitten (1906)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. April 1906:
"Schmitten im Taunus. Es ist stets bedauert worden, dass man
in Schmitten, einem der herrlichst gelegenen Orte des Taunus, der neben
seiner Waldumgebung auch wegen seiner mäßigen Preise von zahlreichen
Frankfurter Familien als Sommeraufenthalt bevorzugt wird, nicht die
Möglichkeit hatte, rituell zu leben. Dieser Übelstande hat nun Herr
Hermann Strauß durch den Bau eines modernen Hotel-Restaurants
abgeholfen." |
Einweihung des Kriegerdenkmals in Schmitten unter Beteiligung von Rabbiner
Dr. Salzberger, Frankfurt (1925)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925: "Denkmalsweihe
in Schmitten im Taunus. Sonntag, den 25. Oktober fand in dem bekannten
Luftkurort Schmitten im Taunus die feierliche Enthüllung eines Denkmals
für die im Kriege gefallenen Sohne der Bürgerschaft statt. Die Feier,
der eine zahlreiche Menge aus dem Orte selbst und der Umgegend beiwohnte,
war von Liedern einer Musikkapelle und zweiter Gesangvereine eingerahmt
und durchzogen. Nach der Begrüßung des anwesenden Landrates, anderer
Vertreter von Behörden und Vereinen und insbesondere der ehrwürdigen
Veteranen von 66 und 70 durch den Bürgermeister von Schmitten wurde unter
Salutschießen das Denkmal enthüllt, das von einem Frankfurter Künstler
geschaffen und an passender Stelle postiert, in Gestalt eines Sanitäters,
der in Begleitung seines Hundes einen schwer verwundeten Kameraden
auffindet und aufrichtet, die Treue darstellt, wie sie inmitten des
mörderischen Krieges unzählige Male geübt worden ist.
Im Mittelpunkt der Feier standen die Reden der Geistlichen der drei
Bekenntnisse. Der katholische Pfarrer sprach von dem Widersinn, durch
blutigen Krieg dem eigenen Volke Beistand und Heil sichern zu wollen, der
protestantische, ein ehemaliger Divisionspfarrer, betonte die Einigkeit,
die draußen im Felde zwischen allen Ständen, zwischen Jude und Christ
geherrscht habe und die uns jetzt wohl, da unser Volk unter dem
Zusammenbruch so schwer zu leiden habe, doppelte nottue. Herr Rabbiner Dr.
Salzberger aus Frankfurt am Main, ehemaliger Feldrabbiner, ergriff das
Wort, um nicht nur des einen Kameraden, der unter den 38 auf der
Ehrentafel des Denkmals verzeichnetem Gefallenen sich befand, sondern auch
der 12.000 anderen Juden, die im Kampfe fürs Vaterland ihr Leben gelassen
haben. Der Redner betonte, dass in diesen Tagen, wo die Völker am Werke
sind, einen dauernden Frieden untereinander aufzurichten, wir Deutsche
aufs Eindringlichste uns daran mahnen lassen müssten, dass nur ein Friede
im Inneren unseres Volkes ihm auch den Frieden nach außen
verbürge." |
Schilder "Juden sind hier nicht erwünscht" werden am Ort angebracht -
selbstkritische (!) Reaktion der Zeitschrift "Der Israelit" (1934)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1934: "Wo
Juden erwünscht und nicht erwünscht sind.... Im 'Kreisblatt für den
Kreis Usingen' lesen wir in einem Berichte aus Schmitten im Taunus: 'Da
unser Kurort im vergangenen Sommer von jüdischen Kurgästen in nicht
erwünschtem Maße besucht worden ist, hat man jetzt an den Ortseingängen
Schilder angebracht, die die Inschrift tragen: 'Juden sind hier nicht
erwünscht'. Davon verspricht man sich eine gute Wirkung für das nächste
Jahr.' Wir wollen gegen die Maßnahme der Gemeinde Schmitten,
die nicht einzig dasteht, nicht polemisieren, wollen nicht prüfen, ob
solche lokalen Verordnungen im Einklang mit den Kommunalgesetzen, die bei
aller Wahrung der Gemeindeautonomie doch diese in den breiten Rahmen der
vom Staate gehüteten Reichsverfassung stellen, stehen oder nicht. Man
kann und darf keinen zur Liebe zwingen; jeder, der einigermaßen auf
Selbstachtung hält, wird einen Platz, wo er nicht erwünscht ist, meiden,
gleichviel, ob die Abneigung und Ablehnung |
rechtlich
und menschlich begründet ist oder nicht.
So wäre über diesen Kasus an sich kein Wort zu verlieren, handelt es
sich nicht gerade um einen Platz, mit dem in letzterer Zeit die jüdischen
Redaktionen, und nicht zuletzt die unsrige, schon vielfach in
unerfreulicher Weise befasst wurde. Siebzig Prozent von den jüdischen
Kurgästen, die im letzten Sommer diesen beliebten Taunusluftkurort
aufsuchten, sollen in nichtjüdischen Hotels und Restaurationen gewohnt
und gespeist haben, obwohl ein jüdisches Hotel mit anerkannt guter
Verpflegung am Platze ist. Neu mutet diese Wahrnehmung nicht an. Man
erlebte früher schon ähnliches in Bad
Brückenau, wo zwei vortrefflich geleitete jüdische Hotels den
jüdischen Gästen allen Komfort und alle Annehmlichkeiten eines modernen
Betriebes und jüdischen Milieus bieten. Der jüdische Hotelier auf
Norderney hatte am Pessachfeste und um die Osterzeit vorigen Jahres von
200 jüdischen Gästen, die noch kurz vor Toresschluss (der völligen
Sperre für Juden) dort die Strandfreuden genossen, sage und schreibe
fünf Gäste in seinem Hause. Ein altes trauriges Kapitel, über das schon
oft genug an dieser und an leitender Stelle unsere Blattes geschrieben
worden ist. Etwas krasser liegt aber der Fall Schmitten deswegen, weil
dort, wie uns von absolut zuverlässiger Seite verbürgt wird, diesen
Sommer auch geistige Führer, auch Religionsbeamte großer Gemeinden an
sichtbarer Stelle, in nichtjüdischen Häusern wohnten und unrituell
lebten. In den uns zugegangenen Zuschriften wird ein Herr genannt, der
früher lange Jahre am Vorbeterpulte einer frommen Synagoge gestanden hat
und wohl mit dem Ausscheiden aus dem Amte auch eine Lösung von Gott und
seinem Gesetze vollzogen hat.
Ein anderer Herr in führender Stellung, der heute noch gelegentlich die
Kanzel bedient, erachtet es für seine eigene Person nicht einmal für
nötig, in den Wochen der Erholung das kleine Opfer der Mehrkosten für
die rituelle Verpflegung auf sich zu nehmen. Wir brachten diese
Mitteilungen seinerzeit nicht, weil wir sie erst auf ihren Wahrheitsgehalt
prüfen wollten, und als dieses, sehr zu Ungunsten der Beschuldigten,
geschehen, uns die Sache inzwischen mit dem Saisonschluss und dem
Herbstbeginn überholt schien. Nun aber kommt die Warnungstafel von
Schmitten und legte uns doch die Pflicht auf, zu
reden.
Seltenwo erfüllte sich das Wort des Sündenbekenntnisses so buchstäblich
wie in diesem Falle: 'Über Bord geworfen haben wir Deine Gebote und
Satzungen, die köstlichen, und genützt hat es uns nichts!' Und man
wäre dabei sogar geneigt, verstehend an die Fortsetzung des Gebetes zu
denken: 'Du aber bist gerecht über allem, was über uns gekommen ist' (nach
Nehemia 9,33). Dass die Großzahl der Unschuldigen darunter zu leiden hat,
dass beispielsweise das Schächtverbot diejenigen unter uns am wenigsten
tritt, die es durch ihren Treuebruch diesem Gebote gegenüber verschuldet
haben, ist jüdisches Schicksal, seitdem uns in Verbindung mit den
Fluchgeschicken des Galuths (= Diaspora) das Wort geworden ist: 'Und
sie stürzen übereinander' (3. Mose
26,37).
Trotz aller Anbiederung, aller Anpassung, aller Anschmiegung unter
Preisgabe des Eigenen und Heiligsten jenes 'Unerwünscht'! Trotz? Nein,
gerade wegen und infolge jenes würdelosen Benehmens, wegen jener Abkehr
vom jüdischen Kreise und jüdischen Gesetze und der Abirrung auf 'fremde
Weinberge', die als Zudringlichkeit empfunden und - wenn die Konjunktur
vorbei ist - auch mit Schildern geahndet wird. Tafeln gegen Tafeln:
Warnungstafeln anstelle der zerbrochenen Gesetzestafeln! Blieben die
jüdischen Gäste da, wo sie hingehören, da wo sie sehnlich erwünscht
sind - von Restaurateuren, die bei aller Tüchtigkeit und Sachkenntnis
schwer um ihre Existenz zu ringen haben; suchten sie in den Tagen der
körperlichen Erholung auch die geistige Erholung unter Menschen eigener
Art, die nicht allein eine Tisch-, sondern auch eine geistige Gemeinschaft
bilden, keine Behörde würde auf den Gedanken kommen, ihnen das Anrecht
auf Luft und Licht und Erholung streitig zu machen. Hier wäre Absonderung
wahres Gemeinschaftsleben und viel Ärgernis und schmerzliche
Zurücksetzung bliebe uns erspart.
Die neueste Warnungstafel vor Schmitten möge uns eine Warnung in höherem
Sinne sein, möge uns alle Warnungen und Mahnungen der Propheten in
Erinnerung rufe, da zu bleiben, wo wir hingehören und erwünscht
sind." |
Schilder "Juden sind hier nicht erwünscht" wurden von nichtjüdischen
Personen zerstört und werden wieder angebracht (1935)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1935: "Die
Schiilder bleiben.
Der bekannte Ausflugsort Schmitten im Taunus hatte, wie
früher berichtet, an den Ortseingängen Schilder mit der Inschrift 'Juden
sind hier nicht erwünscht' anbringen lassen. In einem Bericht des
'Völkischen Beobachters' wird beanstandet, 'dass es noch sogenannte
deutsche Volksgenossen gibt, die sich bemüßigt fühlen, gegen den
gesunden Instinkt der Bevölkerung anzugehen und den Versuch zu machen,
die angebrachten Schilder zu zerstören.' Die Schilder seien erneuert
worden. Schmitten wünsche keine Juden und danach habe sich jeder zu
richten." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Hermann Strauss, Inhaber des Hotels Strauss
(1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. März 1926:
"Schmitten im Taunus, 1. März (1926). Am Samstag verstarb nach
kurzer Krankheit der allbekannte Restaurateur des jüdischen Hotels in
Schmitten, Hermann Strauß, im Alter von 73 Jahren. Die Kunde vom Tode
dieses braven, prächtigen Menschen und echten Jehudi wird bei vielen, die
des öfteren gern unter dem schützenden Dache Vater Strauß' ihre
Erholung genossen, Bestürzung und Teilnahme auslösen. Vater des Hauses
war Strauß, nicht nur Restaurateur im gewöhnlichen Sinne des Wortes und
lieber Freund all seinen Gästen, denen die Tage der Erholung so angenehm
wie nur möglich zu machen ihm keine geschäftliche Angelegenheit, sondern
Herzenssache war. Dabei war er ein echter Jehudi von altem Schrot und Korn,
der auch die Kehilla (= jüdische Gemeinde in Schotten) zusammenhielt. Er
war es, der in der kleinen Gemeinde für Minjan (Zehnzahl der jüdischen
Männer zum Gottesdienst) sorgte, Koscherfleisch beschaffte, und lange
Jahre hindurch stand er in der lehrerlosen kleinen Gemeinde am
Vorbeterpulte, sofern keine Auswärtigen oder gar Frankfurter da waren,
von denen er wusste, dass sie es besser konnten. Gemeinsam mit seiner
ebenso gearteten Frau, die ihm vor drei Jahren in den Tod vorausgegangen
ist, erzog er seine Kinder in gleichem Sinne, und von diesem Geiste der
Frömmigkeit, der Tüchtigkeit und der Arbeitsfreude, nicht zuletzt der
warmen jüdischen Gastfreundschaft, wird das Haus, jetzt von Sohn und
Tochter geleitet, noch weiter beseelt sein. Die Bestattung fand Montag auf
dem Friedhof zu Schmitten statt. Söhne, Töchter und Schwiegersöhne
mitsamt vier Enkelkindern, die alle im Geiste des Vaters und Großvaters
wandeln, umstanden trauernd die Bahre. Möge ihnen allen Trost werden.
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Werbeanzeigen des Hotels Strauss (1906 / 1907 / 1924 / 1928)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. Mai 1906:
"Streng Koscher - Neu eröffnet! - Streng Koscher.
Hotel-Restaurant Strauss Schmitten im Taunus, bei Bad Homburg
v.d.H.
Streng rituelle Küche; schöne modern möblierte Zimmer. Elektrisches
Licht und Bäder im Hause. Mäßige Preis. Saisonbeginn 1. Mai.
Alles Nähere durch den Besitzer Hermann Strauss." |
|
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom 19. April 1907:
"Kurort Schmitten im Taunus. Restaurant Strauss (unter Aufsicht.)
-
Eröffnung: 1. Mai dieses Jahres". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1924:
"Höhenluftkurort Schmitten im Taunus (unbesetztes
Gebiet).
Hotel und Pension Strauss
unter Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Hofmann, Frankfurt
am Main.
Erstklassige Verpflegung. Pensionspreis ohne Zimmer Mark 4.50" |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1928:
"Hotel und Pension Strauss. Schmitten im Taunus. Unter
Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Hoffmann, Frankfurt am Main.
Angenehmer Feiertags-Aufenthalt. Große Sukkoh (= Laubhütte). Anmeldungen
frühzeitig erbeten." |
Anmerkung: die Ausschreibung von
1928 erschien kurz vor dem Laubhüttenfest, daher die Werbung für den
angenehmen Feiertags-Aufenthalt und der Hinweis auf die vorhandene große
Laubhütte. |
Heirat von Josef Strauss und Bertha Strauss (1924)
Heiratsanzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Dezember 1924:
"Statt Karten. Josef Strauss - Bertha Strauss
- Vermählte. Schmitten im Taunus - Hamburg.
Trauung: Sonntag, den 28. Dezember, 2 Uhr, Hotel Braunschweig, Bad Homburg
v.d.H." |
Wohnung zu vermieten (1928)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juli 1928:
"Prachtvolle am Walde gelegene Wohnung,
2 oder 3 Zimmer, Küche,
Balkon für israelitischen Haushalt besonders geeignet, per August zu
vermieten.
Hegemeister Jung Schmitten (Taunus)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein einfacher Betsaal ("gewöhnliche
Wohnstube" siehe Bericht unten) in einem der jüdischen Wohnhäuser
vorhanden. 1843/44 konnte von den damals fünf jüdischen Familien eine kleine
Synagoge erbaut werden. Sie wurde am 15. November 1844 feierlich eingeweiht.
Im "Usinger Taunusboten" vom 23. November 1844 wird berichtet: "Am
Freitag, den 15.d.M. um 2 Uhr nachmittags versammelte sich in der alten
Synagoge, einer gewöhnlichen Wohnstube, die israelitische Gemeinde mit ihren
Freunden und Bekannten von Usingen, Homburg, Wehrheim, Anspach, Laufenselden und
Steinfischbach zum Überzuge in die neue Synagoge. Der festliche Zug zur neuen
Synagoge war in folgender Ordnung: An der Spitze gingen die festlich gekleideten
Handwerksleute, diesen folgten vier Knaben mit Fahnen der Landesfarben, hierauf
kam die Musik mit den israelitischen Sängern, an welche sich die zwei ältesten
Männer der Gemeinde mit den Gesetzrollen unter einem von vier Männern
getragenen Baldachin reihten, hieran schloss sich der mit der Einweihung
beauftragte Religionslehrer, Herr Emden, begleitet von Herrn Pfarrer Hannappel
zu Reifenberg und dem Herzoglichen Schultheißen Eifert zu Schmitten an, dann
der Vorsteher und Rechner der israelitischen Gemeinde auf einer großartigen
Tafel ein biblisches Gebet für den Landesvater tragend, über welches kunstreich
zwei Löwen eine Krone hielten; zuletzt folgten die Männer und die Frauen weiß
gekleidet und schlossen den Zug." Am Samstag abend, dem 16. November
1844 schloss sich an die Synagogeneinweihung (nach Schabbatende) ein Tanzabend
an, "wo sich die ganze Gemeinde Schmitten belustigte und das Fest in
schönster Eintracht beschlossen wurde".
Die Synagoge stand auf einem 111 m² umfassenden Grundstück am Eingang zur
Wiegerstraße. Die bebaute Fläche betrug etwa 55 m (7,6 x 7,2 m) bei einer
Firsthöhe von 8 m. In der Synagoge hatte es Platz für 52 Männer und 24 Frauen
(auf einer Empore). Die relativ große Zahl der Plätze in der Synagoge war im
Blick auf regelmäßig nach Schmitten kommende Gäste aus der Umgebung, vor
allem auch Kurgäste aus dem Frankfurter Raum vorgesehen. Der Erhalt der
Synagoge war nach unten stehendem Bericht auch weiterhin stark auf die "Güte Frankfurter Herren"
angewiesen. Möglicherweise ist die Synagoge teilweise bereits auf Grund von Spenden
durch jüdische Kurgäste erstellt worden.
Tatsächlich kamen in den Jahren bis zur NS-Zeit in den Sommermonaten zahlreiche
jüdische Kurgäste nach Schmitten, zumal sie hier das hervorragende, streng
koscher geführte und damit auch für orthodoxe Juden geeignete Kurhotel der
Familie Strauss vorfanden. Im Hotel selbst gab es für die Kurgäste einen Betsaal,
doch traf man sich zu den Schabbat- und Feiertagsgottesdienste in der Synagoge
der Gemeinde. In der orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" liegt
ein Bericht von der Feier des "Schabbos Nachmu" in der Synagoge
in Schmitten vor. Bei diesem Schabbos = Schabbat handelt es sich um den Schabbat
nach dem 9. Av (Tischa be'Av, Trauertag zum Gedenken an die Zerstörung des
Tempels in Jerusalem). An ihm werden die Trostworte aus Jesaja 40 gelesen:
"Nachmu, nachmu ami" ("tröstet, tröstet mein
Volk...").
"Schabbos
Nachmu in Schmitten (Taunus). Von R. Bachrach in Kreuznach.
Entflohen dem Staub der Straße, dem Trubel und Getöse der Massen, dem
Hasten und Jagen des Marktes haben wir uns gerettet in die "ir
miklot" ("Asylstadt") Schmitten (Taunus). Hier
läutet keine Elektrische, ertönt kein Pfiff der Lokomotive; hier ist
keine Beobachtungsstation für das Fallen und Steigen unserer papiernen
Mark! -
O könnten wir in dieser waldumrauschten 'ir miklot' verweilen 'ad
maus hakohen hagodaul' (bis zur Ankunft des Hohenpriesters). Hier
könnten die Nerven gesunden; hier könnten Körper und Geist
wiedererlangen die alte Spannkraft, die, ach, so bitternotwendig ist im Kampf
ums Dasein da draußen in der Welt. - Deine dunklen Wälder, deine
saftigen Wiesen, deine himmelanstrebenden Berge, dein murmelndes Bächlein
machen Dich zum Paradies, o Schmitten! Nur die Wespen erinnern zuweilen
mahnend, dass auf der Erde man sich befinde. Doch auch sie, denen der
Allgütige eine Mission übertragen, wären nicht so häufig vorhanden,
wenn der delikate Schabbos Nachmu-Kuchen sie nicht gelockt hätte.
Wer kann es der Wespe verargen, dass auch sie - wie jeder andere - die
'Konjunktur' ausnutzt? - -
Die Sonne, die 'wie ein Held ihre Bahn durchläuft', mild lächelnd
tagsüber schaut auf die in der Hängematte, auf der grünen Wiese, auf
weichem Moose Ruhenden, nähert sich dem westlichen Horizonte.
Sabbatnähe. - Hasten und Rennen in Zimmern und auf den Gängen. Es gilt,
die letzten Vorbereitungen zu treffen, sich zu schmücken zum Empfange der
'Braut' Israels.
Das 'Schülchen' (Synagoge) in Schmitten, außen und innen (durch
die Güte Frankfurter Herren) würdig gehalten, mit elektrischer
Beleuchtung versehen, fasst kaum die Beterschar. Unter ihnen verschwindet
die Kehilloh (jüdische Gemeinde, gemeint von Schmitten selbst), die wie die Sederschüssel nur einen Kohen, einen Lewi und
einen Jisrael aufweist, gänzlich. Ist daher die Saison vorüber, so muss
das heute auf seine Beterschar so stolze Schülchen einsam als Männlein
im Walde |
dastehen,
bis die Schwalben wiederkommen und mit ihnen die Kurgäste...
Ein Kantor aus Hamburg lässt seine Stimme erschallen. Mächtig antwortet
ihm die Beterschar 'lecho dodi likras kaloh' (das Schabbatlied zum
Empfang des Schabbat, auch Lecha Dodi). Es ist ein Lecho
dodi des Altmeisters Japhet - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen - (Erinnerung an den Komponisten synagogaler Melodien Israel Meier
Japhet, gest. 1892 in Frankfurt). Kein Wunder, dass er ganz besonders feurig und mit Begeisterung
erklingt. Oben in der Frauenabteilung befindet sich eine Enkelin (eine
liebenswürdige Dame aus Frankfurt) des so beliebten Komponisten.
Schabbos Nachmu-Stimmung... Im Restaurant liegen vor dem Teller jedes
Mannes die 'beiden Brote', steht der Wein. Einer nach dem andern macht
Kiddusch; er fühlt neben seiner Esches chajil (tüchtigen Frau)
sitzend, sich zu Hause im trauten Heim...
Der Schir hammalaus nach dem Mahle erklingt freudig aus allen
Speiseräumen von 3-4 Partien, in den verschiedensten Melodien, auch
zionistischer. An unserem Tische wird ein Japhetscher (d.h. nach einer
Melodie des oben genannten Israel Meier Japhet) gesungen.
Im Morgengottesdienst leient ein Hamburger Rechtsanwalt in einer Weise,
wie es wohl korrekter und schöner nicht geschehen kann. Das 'Nachmu,
nachmu ammi!' (tröstet, tröstet mein Volk!') klingt froh und
verheißungsvoll... Ja wir bedürfen in dieser bösen Zeit des doppelten
Trostes. Der Herr wird ihn uns zuteil werden lassen; er wird uns 'nahe
sein', allezeit, wenn nur wir ihn 'anrufen in Wahrheit!' -
Der Regen tagsüber vermag keine trübe Stimmung aufkommen zu lassen: Ach,
er ist ja für die dürstende Natur gar so sehr 'b'itto' (zur rechten
Zeit), und es ist ja 'Schabbos nachmu', auf Regen folgt
Sonnenschein.
Minchohgottesdienst (Nachmittagsgottesdienst) wird in tadelloser Weise von einem Frankfurter
Kaufmann abgehalten. 'Doch der schöne Tag verrinnet'... Der
Sabbatausgang-Gottesdienst vereint alle Gäste in den Sälen, die Frauen
füllen die Gänge.... 'Die Kerze knistert und verlischt.' In mächtigem
Chor erschallt der Schlussgesang 'Schir hammalaus' zum nächtlichen
Himmel empor...
Der Werktag hat begonnen. Wieder ertönt das Klavier, Weschomru, Kol
nidre werden intoniert, aber auch manch klassisches Musikstück, manch
fröhlich Lied erfreut das Ihr der dankbaren Zuhörer... Nachmu,
nachmu ammi! - Tröstet, tröstet mein Volk. - Noch ist Israel nicht
verwaist. Noch gibt es Männer und Frauen, die treu zur Tora stehen. Noch
gibt es Orte, von denen wie von Zion 'die Tora ausgeht'...
O schöner Schabbos nachmu in Schmitten!"
|
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört, obwohl schon mehrere Jahre kein
Gottesdienst mehr in dem Gebäude stattfand. Am 24. September 1939 wurde es für
200 RM von der politischen Gemeinde Schmitten gekauft und einige Wochen später
für 600 RM an Privatpersonen weiterverkauft. Von diesen wurde es als Lager und Garage benutzt.
Im Zusammenhang mit dem Restitutionsverfahren der JRSO (Jüdische
Vermögensverwaltung) wurde auf Grund der Zerstörungen beim Novemberpogrom eine
Entschädigung bezahlt.
1990
erfolgte ein erneuter Besitzerwechsel. Der neue Eigentümer (Inhaber des benachbarten
Hotels) plante den Abbruch der sich in baulichem sehr schlechtem Zustand
befindlichen ehemaligen Synagoge, was zunächst nicht möglich war, da das
Gebäude unter Denkmalschutz stand. Da das Fachwerkhaus nach
Expertenmeinung aber nicht mehr renovierungsfähig war, wurde es am 8. Juli 1995
abgebrochen. An seiner Stelle erinnert seit dem 15. Juli 1996 ein Mahnmal
an die frühere jüdische Gemeinde und die Synagoge.
Artikel
in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Juni
1996:
"Erinnerung an ermordete Bürger. Bronzetafel bei früherer
Schmittener Synagoge enthüllt.
Schmitten. In Anwesenheit des Landesrabbiners Chaim Lipschitz und des
Botschaftsbeamten Dan Shaham wurde gestern in Schmitten auf dem
Grundstück der einstigen Synagoge an der Wiegerstraße eine Bronzetafel
enthüllt. Die Inschrift lautet: 'Zum Gedenken an die Jüdische Gemeinde
Schmitten. An diesem Platz stand die am 15. November 1844 eingeweihte
Synagoge. Sie wurde am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten
geschändet. Dieses Mahnmal erinnert an die verfolgten und ermordeten
jüdischen Bürgerinnen und Bürger.'
Vom ursprünglichen Bau waren nach mehrfacher Veränderung zuletzt nur
noch so spärliche Spuren vorhanden, dass sich eine Rekonstruktion darauf
nicht hätte stützen können. Die Gedenkstätte, sagte Landrat Banzer
(CDU) solle statt dessen die heuten Lebenden an das Schicksal ihrer
einstigen Mitbürger erinnern, zugleich an ihre Verantwortung, die
Wiederholung solcher Gräuel unmöglich zu machen.
Landesrabbiner Chaim Lipschitz, der das Totengebet sang, begründete die
persönliche Verantwortung eines jeden mit den Worten der Bibel: 'Kain, wo
ist dein Bruder Abel?' Die Botschaft vom Blut des Erschlagenen, das zum
Himmel schreit, stehe im hebräischen Urtext als Plural. Das Blut eines
jeden Menschen sei 'das Blut meines Bruders'.
Für den Hochtaunuskreis, der die Gedenkstätte herrichten ließ, fügte
sich die Enthüllung in den Besuch von 15 jungen Israelis aus dem
Partnerdistrikt Gilboa. Dan Shahan von der israelischen Botschaft wandte
sich an die jungen Landsleute, hier würden sie Zeugen dessen, was einst
passierte, zugleich Zeugen eines neuen Deutschland und einer neuen
Generation. Er, Shahan, freue sich immer, wenn er jungen Deutschen
begegne, die die Verantwortung aufrechterhielten.
Der Schmittener Bürgermeister Josef Braun (parteilos) berichtete von
vielen Fragen vor allem jüngerer Menschen, die ihm im Zusammenhang mit
der Gedenkstätte gestellt worden seien. Auch die ältere Generation werde
nachdenklich, was noch an Erinnerung übrig sei an die ehemaligen
jüdischen Bürger außer dem Judenfriedhof mit den Namen der Hess,
Löwenstein, Rosenberg oder Strauß. Durch nationalsozialistische
Bedrängnis und Auswanderung sei die jüdische Gemeinde schon 19376 bis
auf eine einzige vierköpfige Familie aus Schmitten verschwunden
gewesen.
Die jüdische Kultusgemeinde Schmitten war immer recht klein, hat die
Historiker Erhard Bus in Erfahrung gebracht, den der Hochtaunuskreis mit
Nachforschungen zur Geschichte der Synagoge beauftragte. Von 1880 bis zur
Machtergreifung der Nationalsozialisten zählte die Gemeinde nie mehr als
25 bis 30 Personen. Die ehemalige Synagoge, ein eingeschossiger
Fachwerkbau mit Schieferdach, 1844 geweiht, verfügte über Bänke aus
Tannenholz. Als die Inneneinrichtung in der Reichspogromnacht zerstört
wurde, war die Synagoge bereits geschlossen. Was damals mit den
Kultgegenständen geschehen ist, ob sie geschändet wurden oder ob
abwandernde Juden sie vorher schon mitgenommen hatten, ließ sich nicht
mehr aufklären." |
Adresse/Standort der Synagoge: Wiegerstraße 1
(vormals Synagogenstraße)
Pläne/Fotos
(Quelle: Grundrisse aus Bus s. Lit. S. 219; sw-Fotos von
1985 aus Altaras s. Lit. 1988 S. 144)
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Grundriss des Erdgeschosses
mit
52 eingezeichneten Männerplätzen |
Grundriss auf Höhe der Empore
mit
24 eingezeichneten Frauenplätzen |
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Die ehemalige Synagoge in
Schmitten, Ansicht von der Wiegerstraße
(September 1985) |
Die ehemalige Synagoge von
Osten gesehen. Es sind Spuren
von zwei ehemaligen hohen Rundbogenfenster
erkennbar. |
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Neue Fotos des
Grundstückes mit dem Mahnmal werden noch ergänzt;
über Zusendungen
freut sich der Webmaster von Alemannia Judaica, Adresse siehe Eingangsseite. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2009:
Führung auf den Spuren der jüdischen Geschichte
in Schmitten |
Pressemitteilung in "Usinger Land
extra" (Artikel)
vom 2. Oktober 2009: "Führung zu den jüdischen Stätten
Schmitten. Am Sonntag, 4. Oktober, um 14 Uhr, begibt sich der Schmittener Geschichtsverein Hochtaunus auf die Spuren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Schmitten..."
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November 2009:
Diskussions- und
Informationsabend zur jüdischen Geschichte in Schmitten und zu den
"Stolpersteinen" |
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom
11. November 2009 (Artikel):
"Stolpersteine und jüdisches Leben
SCHMITTEN - Diskussionsabend zum 9. November 1938 in Schmitten.
(mg). Am 12. Oktober wurden in Schmitten vor dem Haus Seelenberger Straße 10 zum Gedenken an die Judenverfolgung drei Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt. Nicht ganz ohne Kritik der Anwohner, die Schmierereien an der Hauswand befürchteten und Ängste vor Rechtsradikalen äußerten. Zudem hätten diese sich vor der Aktion gewünscht, angehört zu werden. Doch für einen anderen Termin konnte Demnig nicht verpflichtet werden und zu diesem Zeitpunkt hatte der Schmittener Gemeindevorstand bereits die Verlegung beschlossen..." |
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November 2019:
Gedenkstunde zur Erinnerung an die
Einweihung der Synagoge Schmitten 1844 |
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom November
2019: " Gedenken an Synagoge in Schmitten
Vor 175 Jahren wurde die Einweihung der Synagoge in Schmitten gefeiert. Am
15. November wird bei einer Gedenkfeier vor Ort daran erinnert.
SCHMITTEN - Am 15. November findet um 15 Uhr eine Gedenkfeier "175 Jahre
Synagoge in Schmitten" statt. Vor 175 Jahren wurde am 15. November 1844 in
Schmitten Einweihung der jüdischen Synagoge gefeiert. Die damals lebendige
jüdische Gemeinde füllte die Synagoge viele Jahrzehnte zusammen mit
Kurgästen aus Frankfurt und ganz Deutschland mit Leben. Die jüdische
Gemeinde selbst bestand 1843 aus 27 und 1890 aus 20 Personen. In den 1920er
Jahren schloss sich die jüdische Gemeinde mit der aus Usingen zusammen.
Nachdem um 1930 einige jüdische Familien Schmitten verlassen hatten, wurden
keine Veranstaltungen mehr dort gefeiert. 1937 wohnte nur noch eine
vierköpfige jüdische Familie in Schmitten. Am 9. November 1938 wurde auch
die Synagoge in Schmitten durch die Nazis geschändet. 1945 hatten die
Nationalsozialisten alle Juden Schmittens ermordet. Die Synagoge wurde für
200 Reichsmark von der Gemeinde erworben und für 600 Reichsmark einem
Privatmann verkauft.
Nach wechselvollen Jahren, in denen das Gebäude verkauft und unterschiedlich
genutzt wurde, musste es schließlich 1995 abgerissen werden. Trotz
Denkmalschutz war es nicht mehr zu restaurieren. Eine Gedenktafel vor Ort
erinnert an den Standort am Anfang der Wiegerstraße. Zum 175. Jahrestag der
Einweihung wird dort in der Wiegerstraße hinter dem Hotel Ochs eine
Gedenkfeier gestaltet von Vertretern des Geschichtsvereins und der drei
ökumenischen Kirchen Schmittens. Die Veranstaltung ist öffentlich, es wird
herzlich dazu eingeladen."
Link zum Artikel |
Artikel von "asy" im "Usinger Anzeiger" vom
18. November 2019: " Schmittener Juden: Einen steinernen Weg gegangen.
1844 wurde in Schmitten die jüdische Synagoge eingeweiht, an deren
Errichtung man sich am vergangenen Freitag erinnerte. Knapp 100 Jahre später
wurde die jüdische Bevölkerung auch in Schmitten Opfer der Verfolgung.
SCHMITTEN - Während am vergangenen Freitagnachmittag ein paar Vögel von
den Dächern zwitscherten und der Himmel hellblau strahlte, fand sich vor der
Gedenktafel der ehemaligen Synagoge in Schmitten eine kleine Menschenmenge
zusammen, um der Einweihung 175 Jahre zuvor am 15. November 1844 zu
gedenken. Eine kleine weiße Laterne war aufgestellt worden, in der eine
Kerze flackerte. In der Luft hing nur ein leises, andächtiges Raunen, da die
Gedenkfeier, zu der Vertreter des Geschichtsvereins Hochtaunus und die drei
ökumenischen Kirchengemeinden in Schmitten geladen hatten, auch an die
schrecklichen Taten zur Zeit des Nationalsozialismus erinnern sollte. Denn
wo vor 175 Jahren die gesamte Gemeinde Schmitten in Eintracht die Einweihung
der Synagoge mit einem rauschenden Fest gefeiert hatte, sollte sich 90 Jahre
später ein ganz anderes Bild abzeichnen. '1844, das war zur Zeit der
jüdischen Emanzipation' trug Wolfgang Breese, Vertreter des
Geschichtsvereins, vor. Denn leicht hatten es die jüdischen
Glaubensvertreter nie. Schon immer hatten sie gesonderte Abgaben und Zölle
zahlen müssen und waren aufgrund ihrer Religion vor dem Gesetz keineswegs
gleichgestellt. Nachdem bereits zu Beginn der 1930er Jahre einige Mitglieder
der jüdischen Gemeinde verzogen oder emigriert waren, wurde die Synagoge
nicht mehr genutzt. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November
1938 wurde die Inneneinrichtung des Gebäudes zerstört, das 1995 aufgrund
seines Zustandes abgerissen werden musste. Doch schon vor dieser Nacht wurde
der kleinen Glaubensgemeinschaft, die bereits seit fünf Generationen in
Schmitten lebte, deutlich gemacht, welche Geisteshaltung sich auch in der
Schmittener Gemeinde breitgemacht hatte. Das Ortsschild war mit der
Aufschrift 'Hier sind Juden unerwünscht' versehen und auch der Zugang zum
Schwimmbad wurde ihnen verwehrt. An die Deportation und Ermordung der
Familie Strauß erinnern noch heute die Stolpersteine, die vor dem ehemaligen
Wohnhaus der Familie verlegt wurden. Dass solche Gedenkfeiern wichtiger denn
je sind, das machten Pastorin Cornelia Trick, Pfarrer Paul Lawatsch und
Rosemarie Fischer-Gudszus mit ihren mahnenden Worten deutlich."
Link zum Artikel |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 281-282 und Bd. II S. 317-319
(innerhalb des Abschnittes zu Usingen). |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 144-145. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 133. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S. 322-323. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 192. |
| Erhard Bus: Die Synagoge in Schmitten. Ein
verschwundenes Gotteshaus im Usinger Land. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis (hg.
vom Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Bad Homburg vor der Höhe) 1997
S. 215-221. |
| Chronik des Hochtaunuskreises vom 01.10.1995 bis
30.09.1996 in: Jahrbuch Hochtaunuskreis (hg. vom Hochtaunuskreis - Der
Kreisausschuss. Bad Homburg vor der Höhe) 1997. |
n.e.
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