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Bingen am Rhein (Landkreis
Mainz-Bingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Zur jüdischen Geschichte in Bingen und aktuellen
Aktivitäten
vgl. auch die Website des "Arbeitskreises
Jüdisches Bingen"
sowie die Website des "Fördervereins
für jüdisches Leben in Bingen heute"
Übersicht
vgl.
weitere Seite mit Texten zur jüdischen Geschichte in Bingen
(interner Link)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Bingen bestand eine bedeutende jüdische Gemeinde bereits im
Mittelalter. Schon im 10. Jahrhundert sollen hier Juden ansässig gewesen sein.
Um 1160 erwähnt Benjamin von Tudela eine jüdische Gemeinde in der Stadt. Am
Neujahrsfest 1198 oder 1199 wurden die Binger Juden beraubt und verjagt. Seit
dem Anfang des 14. Jahrhunderts erfährt man wieder von Juden in der Stadt. Als
Geldgeber hatten sie für die Mainzer Erzbischöfe große Bedeutung. In
religiösen und jüdisch-rechtlichen Angelegenheiten unterstanden die Binger
Juden im 14. Jahrhundert dem rabbinischen Gericht in Mainz. Ein Teil der
jüdischen Familien lebte Anfang des 14. Jahrhunderts in der so genannten
"Judengasse". Diese lag im Stadtzentrum zwischen der
"Judenpforte" im Norden (auf der Höhe der heutigen Rheinstraße) und
dem westlichen Marktbereich im Süden (seit 1933: Rathausstraße). Während der
Judenpogrome 1348/49 wurde die Gemeinde zerstört.
Seit 1354 werden wieder
jüdische Familien genannt. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte
lebten mindestens sechs bis neun jüdische Familien in der Stadt. Seit 1388 war
Kussel, Sohn des Salman, in Bingen wohnhaft. Er wurde 1418 als das
"Haupt" der Juden des Erzstifts Mainz bezeichnet. Bei den Stadtbränden
von 1403 und 1409 wurde auch das Judenviertel zerstört. Im 15. Jahrhundert war
von besonderer Bedeutung der in der weiten Umgebung von Bingen anerkannte
Rabbiner, Lehrer und Richter Seligmann Bing (gest. 1469). Sein überragendes
Wissen und seine tiefe Frömmigkeit wurden allgemein bewundert und anerkannt.
Seit 1469 drohte den Juden der Stadt die Ausweisung, die jedoch immer wieder
verschoben wurde (1507 teilweise durchgeführt).
Auch vom 16.-18. Jahrhundert
lebten Juden in Bingen: 1689 wurden 21 jüdische Familien in der Stadt gezählt. In diesem Jahr
wurde Bingen von den Franzosen eingeäschert, wobei auch die Synagoge zerstört
wurde. Bis 1765 stieg die Zahl der jüdischen Familien wieder auf 51 mit insgesamt 343 Personen (12 %
von insgesamt 2.812 Einwohnern).
Während der französischen Herrschaft (ab 1793) erlangten die jüdischen
Einwohner um 1800 die rechtliche Gleichstellung mit den christlichen
Einwohnern. Im Revolutionsjahr 1848 kam es zu schweren
Ausschreitungen gegen jüdische Einwohner. Erst der Einsatz von hessischem
Militär und die Verhaftung einiger an dem Pogrom beteiligter Personen beruhigte
die Situation.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1807 297 jüdische Einwohner, 1828 409 (10,2 % von insgesamt etwa
4.000 Einwohnern), 1861 507 (8,6 % von 5.916), 1880 542 (7,7 % von 7.062), 1900
713 (7,4 % von 9.600). Nach 1900 ging die Zahl der jüdischen Einwohner
durch Aus- und Abwanderung zurück (1910 601 jüdische Einwohner = 6,0 % von
insgesamt 9.952 Einwohnern). Zur jüdischen Gemeinde Bingen gehörten (1924)
auch die in Kempten, Gaulsheim
(9*) sowie die in
Bingerbrück, Münster und
Weiler (35) lebenden jüdischen Personen.
*Anm.: in Gaulsheim lebten bereits im 18. Jahrhundert jüdische Familien,
vgl. den Stammbaum Seligmann https://brotmanblog.com/descendants-of-moritz-seligman-and-seligman-family-tree/
Bis in die Jahre nach 1933 spielten zahlreiche jüdische Einwohner eine bedeutende Rolle im wirtschaftlichen und kommunalen
Leben Bingens.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde insbesondere eine Synagoge
(s.u.), eine Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.
Bei der Schule handelte es sich zunächst um eine Religionsschule. 1825
wurde eine Israelitische Elementarschule (die einzige in Rheinhessen) gegründet
und als Elementarlehrer Anton Bachrach angestellt; 1834 wurde die
Elementarschule durch eine Religionsschule ergänzt. Nach der Erkrankung und dem
frühem Tod von Lehrer Bachrach wurde die Elementarschule wieder geschlossen -
die Schüler besuchten fortan die allgemeinen Schulen der
Stadt.
Bingen war Sitz eines Kreisrabbinates, zu dem bis in die NS-Zeit die jüdischen
Gemeinden in Dromersheim, Fürfeld, Gau-Algesheim,
Gensingen, Ingelheim, Ockenheim,
Schwabenheim, Sprendlingen, Steinbockenheim und Wöllstein gehörten.
Unter den Rabbinern des 19./20. Jahrhunderts sind zu nennen:
- Nathan-Neta Josef Ellinger (geb. 1772 in Mainz als Sohn von
Rabbiner Juspo/Josef Ellinger, Bruder des Mainzer Rabbiners Löb Ellinger gen
Löb Schnadig): 1789 bis 1794 Privatgelehrter und Klaus-Rabbiner in Mannheim,
1809 bis 1821 Rabbiner und Leiter der Talmud-Tora-Schule in Hamburg, 1821 bis zu
seinem Tod 1839 Rabbiner in Bingen.
- Dr. Isaak Rafael Sobernheim (geb. 1807 in Bingen, gest. 1869 in
Bingen): nach Studien in Bonn und Gießen von 1839 bis 1869 Rabbiner in
Bingen.
- Moses Meier Lebrecht (geb. 1810, gest. 1897 in Nürnberg):
studierte in Adelsdorf, Fürth und Würzburg; war zunächst Religionslehrer in
Birkenfeld, seit 1840 Religionslehrer in Bingen; ab 1862 vertrat er den
erkrankten Rabbiner Dr. Sobernheim; 1869 wurde er von Rabbiner Formstecher in
Offenbach ordiniert; ab 1875 war er Rabbiner in Bingen, bis er im März 1898 in
den Ruhestand trat und nach Nürnberg verzog.
- Dr. Richard Grünfeld: (geb. 1863, gest. 1931 in Augsburg):
von 1889 bis 1910 Rabbiner in Bingen, von 1910 bis 1929 in
Augsburg.
- Dr. Ernst Appel (geb. 1884, gest. 1973): studierte an der
Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin, Rabbinatsprüfung
1910/11, danach als Rabbiner nach Bingen berufen, wo er bis 1926 blieb
(verheiratet seit 1918 mit Marta geb. Insel, zwei Töchter); danach Rabbiner in
Dortmund (Herbst 1935 Feier des 25-jährigen Amtsjubiläums); 1937 über Holland
in die USA emigriert; amtierte bis 1969 als Rabbiner in Jackson (Tennessee).
Seine Frau starb 1980 in Kalifornien.
- Dr. Ignaz Maybaum (geb. 1897 in Wien, gest. 1976 in London):
studierte an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin,
Rabbinatsprüfung 1926, Schüler von Franz Rosenzweig, war von 1926 bis 1928
Rabbiner in Bingen, dann bis 1936 in Frankfurt (Oder), zuletzt in Berlin,
emigrierte 1939 nach England, 1949 Rabbiner an der Edgware and District Reform
Synagogue, Dozent am Leo Baeck-Institut London. Zahlreiche theologische
Publikationen, war einer der führenden jüdischen Theologen des 20.
Jahrhunderts; siehe Wikipedia-Artikel.
- Dr. Heinrich Guttmann (geb. 1905 Csnograd, Ungarn, gest. 1995
USA): Studium in Gießen, 1928 Rabbiner in Bingen, anschließend bis 1933 in
Landsberg/Warthe, nach 1933 Prof. am Jüdisch-theologischen Seminar in Budapest;
1948-1949 Landesrabbiner von Württemberg-Baden in Stuttgart, danach in die
USA.
In der jüdischen Gemeinde gab es ein reges Vereinsleben: Zentralkasse
für jüdische Wohlfahrtspflege (zu der 1924/32 gehörten: Armenverein, Männerkrankenverein, Frauenkrankenverein, Humanitätsverein,
Mädchenausstattungsverein, 1924 unter Leitung von Rabbiner Dr. Apppel, Max Roß
und 10 Vorstandsmitglieder, 110 Mitglieder), Jüdischer Jugendverein (1924
Leitung Dr. Robert Stein, 1932 Paul Schirling), Männerkippe (1924
Leitung Salomon Pfifferling, 18 Mitglieder), Frauenkippe (1924 Leitung
Frau Werthauer), Synagogenchorverein (1924 Leitung Ernst Groß), Minjanverein
(1924 Leitung Julius Simon), Ortsgruppe des Centralvereins(1924 156
Mitglieder) und einen Reichsbund jüdischer Frontsoldaten (1932 Vors.
Rechtsanwalt Stern).
Neben der liberalen Gemeinde bestand seit 1876 die Israelitische
Religionsgesellschaft mit einer eigenen Synagoge (s.u.), einem
eigenen Rabbiner, einem Friedhofsanteil und
einer Schule. 1924 waren die Vorsteher der Religionsgesellschaft: Julius
Kann, Fritz Rosenthal und Hermann Wolf. Damals war das Rabbinat gerade
unbesetzt. Den Religionsunterricht der Religionsgesellschaft besuchten
damals 14 Kinder. 1932 war Vorsteher weiterhin Julius Kann,
Schriftführer Martin Wolf. Als Lehrer, Kantor und Schochet fungierte
Gustav Anger. Die Wohlfahrtspflege wurde gemeinsam von beiden Gemeinden
ausgeübt (Zentralkasse s.o.).
Rabbiner der Israelitischen Religionsgesellschaft waren:
- Dr. Hirsch Naphtali Zwi Sänger (geb. 1843 in Buttenwiesen, gest.
1909): seit 1875/76 Predigt und Religionslehrer, dann bis 1893 Rabbiner in Bingen, von 1893 bis 1909 in
Mergentheim.
- Dr. Salomon Bamberger (geb. 1869 in Frankfurt als Sohn des
Frankfurter Dajan Dr. Seckel Bamberger, Enkel des Seligmann Baer Bamberger in
Würzburg): Rabbiner in Bingen von 1893 bis 1896, danach Distriktsrabbiner und
Leiter der Präparandenschule in Burgpreppach,
1901 bis zu seinem Tod 1920 Provinzialrabbiner in Hanau ("Hanauer Raw").
- Dr. Moses Schlesinger (geb. 1865 in Hamburg, gest. 1946 in Kfar
Ata, Israel): studierte in Berlin; 1891 bis 1896 Rabbiner in Pinne (Pniewy,
Posten); 1896 bis 1901 Rabbiner in Bingen; um 1911 Leiter des
Schülerinternates in Marburg; 1917 bis 1938/39 Klausrabbiner in
Halberstadt; 1939 nach Palästina emigriert.
- Dr. Samuel (Samo) Neuwirth (geb. 1867 in Sebeskellemes [Šarišské
Lúky], Ungarn, gest. März 1941 in Stuttgart): studierte in Würzburg und
Berlin; Lehrer an der Präparandenschule Schwabach, um 1898 in Frankfurt; Rabbiner in Bingen von 1901 bis
1924, danach bis 1934 Rabbiner in Ichenhausen;
wohnte anschließend bis zu seinem Tod in Stuttgart. |
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde:
Friedrich Fritz Borg, Max Feist, Otto Hallgarten, Siegfried Salomon Hallgarten,
Siegmund Helfer, Otto Loeb, Ferdinand Löbmann, Manfried Marx, Kurt Mattes,
Josef Münzner, Fritz Friedrich Meyer, Sally Rosenthal, Siegfried Rosenthal,
Berthold Salomon, Ernst Simon, Berthold Sommer, Hugo Sommer, Maximilian Wolf,
Sigismund Wolff.
Um 1924, als etwa 500 jüdische Einwohner gezählt
wurden, waren die Vorsteher der jüdischen Religionsgemeinde Julius Simon,
Isidor Groß, Dr. Otto Marx, Bernhard Loeb und Oskar Meyer. Als Lehrer und
Kantor war Alfred Löwy tätig, als Gemeindesekretär Sigmund Seligmann, als
Rechner Sigmund Strauß, als Synagogendiener Max Wolf, als Friedhofsaufseher
Leopold Eis, als Hausmeisterin Fr. Schleider und als Chordirektor Josef Knethel
tätig. Die Religionsschule der Gemeinde besuchten 42 Kinder. 1932 waren
die Gemeindevorsteher: Dr. Otto Marx (1. Vors.), Isidor Groß (2. Vors.) und
Nathan Loeb (3. Vors.). Als Kantor war Isi Bayer tätig.
1933 wurden 465 jüdische Einwohner gezählt (3,3 % von insgesamt 14.098
Einwohnern). Am 1. April 1933 begann mit dem Boykottaufruf der Nationalsozialisten auch in
Bingen die seitdem ständig zunehmende Unterdrückung und Entrechtung der
jüdischen Einwohner.
Beim Novemberpogrom 1938 wurden außer den Synagogen auch
zahlreiche jüdische Geschäfte demoliert und geplündert. Heimische und
ortsfremde SA-Angehörige beteiligten sich insbesondere an den Aktionen.
Jüdische Einwohner wurden festgenommen und auf LKWs durch die Stadt zum
"Hessischen Hof" in der Mainzer Straße gefahren; von dort vermutlich
in ein Konzentrationslager verschleppt.
1942 wurden 152 Juden, weitere 17 Personen in den beiden folgenden Jahren aus der Stadt deportiert. Fast alle von ihnen wurden in
Vernichtungslagern des Ostens ermordet.
Von den in Bingen geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Sibilla Bähr (1869), Ida
Bär (1876), Mathilde Bär geb. Seligmann (1884), Walter Bär (1911), Simon Berg (1869),
Amalie Bermann geb. Feist (1853), Delphina Bermann geb. Wendel (1884), Felix
Bermann (1884), Otto Bloch (1906), Johanette Bohl geb. Wolf (1883), Theodor Boll
(1880), Lili Brück geb. Natt (1892), Lotte Bruck (1922), Hedwig Eis geb. Stern
(1879), Leopold Eis (1879), Alice Epstein (1896), Bertha Epstein geb. Hallgarten
(1865), Charlotte Feist (1923), Ellen B. Feist (1925), Klara Feist (1875),
Mathilde Feist (1881), Paul Eugen Feist (1863), Paula (Rula, Eula) Feist geb.
Obermayer (1871), Siegfried Feist (1870), Thekla Feist geb. Kahn (1897), Julius
Franck (1880), Hedwig Frank geb. Marx (1881), Carola Freundlich geb. Meyer
(1891), Siegfried Freundlich (1883), David Friedmann (1880), Jenny Friedmann
geb. Sommer (1888), Rosa Gans gab. Kaufmann (1899), David Goldschmidt (1862),
Setchen Goldschmidt geb. Sternberg (1863), Agnes Groß geb. Neuberger (1883),
Ella Gross geb. Cahn (1883), Ernst Gross (1880), Karl Groß (1876), Selma Gross
geb. Simon (1890), Julius Josef Haas (1878), Alfred Hallgarten (1895), Julius
Hallgarten (1868), Klara Hausmann (1890), Johanna Heimann geb. Wohlgemuth
(1888), Ludwig Heimann (1921), Moritz Max Heli (1865), Hermann Herz (1888),
Selma Herz geb. Löwenstein (1897), Berta Hirschberger geb. Moos (1871), Sigmund
Hirschberger (1865), Elisabeth (Else) Kahn geb. Mayer (1889), Friedrich Kahn
(1926), Julius Kahn (1905), Mathilde Kahn geb. Westheimer (1871), Max Kahn
(1872), Max Kahn (1878), Moritz Kahn (1877), Rosa Kahn (1897), Samuel Kahn
(1879), Selma Kahn geb. Speier (1875), Johanette Kaufmann geb. Feist (1874), Eva
Keller geb. Salomon (1891), Karl Keller (1889), Ruth Mirjam Keller (1924),
Walter Keller (1921), Emilie Kleeblatt geb. Seligmann (1880), Hertha Koppel geb.
Wolf (1889), Karl Koppel (1891), Kurt Koppel (1921), Henny (Henriette) Kunkel
geb. Schiff (1876), August Lazarus (1867), Emma Lazarus (1862), Emma Levi geb.
Ackermann (1889), Willi Levi (1885), Helene Levy geb. Klee (1861), Julie Levy
(1892), Bernhard Löb (1880), Helene Löb geb. Ebstein (1880), Rosa Löwenstein
geb. Eis (1912, vgl.
https://www.youtube.com/watch?v=NvZXt5VrPrE), Paula Löwenthal (1894), Barbara Lypstadt geb. Eis (1879),
Adele Marcus (1878), Emma Marcus (1876), Henny Marcus (1882), Hugo Marcus
(1874), Artur Marks (1921), Rosa Markus (1870), Arthur Marx (1922), Artur Marx
(1898), Gisela Therese Marx (1930), Irma Marx geb. Koppel (1898), Josefine Marx
geb. Mayer (1879), Toni (Antoni) Marx geb. Weiß (1876), Waltraud Doris Grete
Edith Marx (1932), Lili Fanny Mayer geb. Hallgarten (1896), Max Mayer (1886),
Rudolf (Rudi) Mayer (1925), Moritz Moos (1875), Rosa Moos (1876), Clara Flora
Müller geb. Willstädter (1897), Friedrich Julius Müller (1925), Ludwig
Müller (1887), Ruth Müller (1929), Ludwig Münzner (1911), Sabine (Sophie)
Münzner geb. Albert (1871), Eugenie Nathan (1867), Hugo Nathan (1866), Klara
Nathan (1872), Louise Nathan (1875), Moritz Nathan (1861), Rosalie Nathan geb.
Lazarus (1868), Juliane Rosam (1874), Clara Rosenbaum (1867), Kathie (Kartharina)
Rosenbaum (1869), Adolf Rosenstock (1883), Herbert Rosenstock (1928), Selma
Rosenstock geb. Fink (1894), Alice Rosenthal geb. Kohlmann (1893), Emanuel
Rosenthal (1888), Gerd Schildhaus (1924), Hilde Schildhaus (1923), Simon
Schildhaus (1872), Sofie Schildhaus geb. Meyer (1887), Rosa Schmalz geb. Kahn
(1876), Änne (Änni, Lina) Seligmann (1920), Elisabeth (Ella) Seligmann geb.
Simon (1879), Isidor Seligmann (1874), Ludwig Seligmann (1875), Rosa Seligmann
(1886), Bertha Simon geb. Levy (1873), Eduard Edmund Simon (1877), Ferdinand
Simon (1868), Meta Simon geb. Goldstein (1886), Paula (Pauline) Simon geb.
Hirsch (1866), Ida Sommer geb. Blumenthal (1893), Sally Sommer (1881), Paula
Steinberg geb. Marx (1887), August Adolf Stern (1877), Fritz Stern (1914),
Julius Stern (1883), Paula Stern geb. Oppenheimer (1883), Selma Stern geb. Meyer
(1888), Walter Stern (1907), Elise Strauss (1909, Lea Strauss (1921), Richard
Strauss (1872), Sigmund Strauß (1869), Rosa Viskoper geb. Eis (1885), Cecilie
Waller geb. Kahn (1912), Martha Weinthal (1933), Frieda Weiß (1900), Blondine
Willstädter geb. Haas (1871), Jakob Willstädter (1865), Juli (Julie)
Winkelstein geb. Meyer (1878), Adolf Wolf (1874), Ella Wolf (1896), Ernst Wolf
(1895), Eugen Wolf (1892), Fanny Wolf geb. Rosenbaum (1871), Gertrud Wolf geb.
Levy (1903), Ida Wolf geb. Gardé (1872), Isidor Wolf (1869), Klara Wolf geb.
Kahn (1885), Leonhard Wolf (1872), Marianna Wolf geb. Schwalbe (1904), Marie
Eleonore Wolf (1928), Marion Wolf (1928), Martin Wolf (1895), Selma Wolf geb.
Hecht (1884), Sofie Wolf geb. Hess (1874).
Hinweis: obige Liste wurde erstellt durch Abruf von "Wohnort
Bingen" über die Suchfunktion der Liste des Bundesarchivs. Eine
zusätzliche Eingabe von "Geburtsort" würde weitere Namen
ergeben.
Zur Geschichte der Synagogen in Bingen
Mittelalterliche
Synagoge(n)
Eine "Judenschule" (Synagoge) wird erstmals 1396
genannt, war jedoch sicher schon einige Jahrzehnte vorher vorhanden. Die
Synagoge lag am nördlichen Ende der Judengasse, etwa dort, wo die neuere, bis
1905 benutzte Synagoge stand (Rheinstraße 2-4). Mit einer Seite stieß sie offenbar an ein Haus in
der Mönchsgasse. Diese erste Synagoge dürfte bei den Stadtbränden 1403/09
zerstört wurden sein.
1502 ist wieder eine "Judenschule"
genannt, die Ende des 16. Jahrhunderts erweitert wurde. Sie befand sich nach
einem Plan von 1570 neben der St. Urbans-Kapelle.
Bis
1905: Synagoge in der Judengasse (Rathausstraße)/Rheinstraße (Rheinstraße
2-4)
Die auf dem Grundstück in der Judengasse stehende Synagoge
(noch aus dem Mittelalter?) wurde 1689 bei
der Zerstörung der Stadt niedergebrannt. Erst 1698 wurde an derselben Stelle
u.a. mit Hilfe von Spenden aus Worms und Mainz ein Neubau
erstellt, die Einweihung war 1700. Nachdem 1789 ein Brand den
Dachstuhl zerstörte, wurde der Betsaal anlässlich der Reparatur vergrößert.
Von diesem Bau sind noch einzelne Teile erhalten (Hochzeitsstein, heute im
Israel-Museum Jerusalem; Türflügel mit Stifterinschrift; roter
Sandsteinpfeiler aus dem Bereich des Toraschreines).
1831 befand sich die Synagoge in einem baufälligen Zustand. Man
entschloss sich zu einem Umbau. Der Eingang wurde von der Judengasse im Süden
zur Rheinstraße auf die Nordseite verlegt. Durch den Einbau einer Frauenempore
konnte der bisherige Frauenbereich dem Männerbereich hinzugefügt werden. Die
Einweihung war am 14./15. Dezember 1838. Bereits 1841 danach war
eine erneute Erweiterung nötig (siehe Bericht von 1841 unten).
1853 und 1871 (Einbau von Orgel- und
Chorempore) sowie letztmals 1891 wurde die Synagoge renoviert. Wenige Jahre
später beschloss die Gemeinde jedoch einen Neubau der Synagoge, zumal es bautechnische
Probleme mit der Orgelempore gab. Die Ritualien der alten Synagoge
einschließlich des wertvollen Toraschreines wurden in die neue Synagoge in der Rochusstraße
gebracht.
Nach der Einweihung der neuen Synagoge 1905 wurde das alte Synagogengebäude
verkauft und in den kommenden Jahren unterschiedlich genutzt (als Gaststätte
und Hotelbetrieb "Rolandseck", siehe Foto unten, später als
"Casino Royal", ebenfalls Gaststättenbetrieb. 1975 ist das Gebäude
abgebrannt und wurde durch einen Neubau ersetzt. 1985 erfolgt durch die Stadt
Bingen der Ankauf des Neubaus. Auf dem Grundstück wurde ein Haus der Jugend
errichtet.
Aus der Geschichte der alten Synagoge
Die Erweiterung der Synagoge 1841
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. November 1841: "Bingen,
13.
Oktober (1841). In No. 42 dieser Zeitung findet sich ein
Korrespondenzartikel, den Bau der neuen Synagoge zu Ober-Ingelheim
betreffend. Dieses ist nun das zweite neue Gotteshaus, das wir seit
einigen Jahren in unserem Kreise erstehen sehen. Es ist wirklich ein sehr
erfreulicher Beweis der Fortschritte der Kultur unter den Juden, wenn
kleinere Gemeinden, mit beschränkteren Mitteln, bedeutende Opfer nicht
scheuen, um einen regelmäßigen, dem Zeitgeiste angemessenen Gottesdienst
abzuhalten. Die Tätigkeit unseres Gemeindevorstandes (d.h. in Bingen) hat
seit Kurzem bedeutende Verbesserungen ins Leben gerufen, die unser würdiger
Herr Kreisrat Wieger aufs kräftigste fördert und unterstützt. Dankbare
Anerkennung verdient auch die Humanität unseres städtischen Vorstandes,
der zum Bau der Synagoge sowohl, als auch zu sonstigen Anschaffungen aus
den städtischen Fonds Beiträge bewilligte. – Während die ziemlich große
Gemeinde unseres benachbarten Mainz noch sehr an den alten Missbräuchen
festhält, und erst jetzt durch Anstellung des Herrn Dr. Frensheimer die
Bahn zu brechen beginnt, erfreuen wir uns schon seit mehreren Jahren eines
schönen Gottesdienstes mit deutschen Vorträgen und Chorälen. Seit einem
Jahre werden an Sabbaten des Nachmittags abwechselnd von unserem
kenntnisreichen Rabbinen Herrn Dr. Sobernheim und Herrn Lehrer Lebrecht
Andachtsstunden in deutscher Sprache abgehalten, die sich stets eines sehr
zahlreichen Auditoriums erfreuen. Durch den Abbruch einiger der Synagoge
zunächst gelegener alter Häuser wurde an Raum gewonnen, und das etwas zu
kleine Gotteshaus wird nun vergrößert. In wenigen Wochen wir der bereits
begonnene Bau vollendet da stehen. Nach dem Muster einiger anderer
Gemeinden wird nun für Anschaffung einer Orgel gesorgt werden, wozu die
erforderliche Summe durch freiwillige Beiträge zusammengebracht werden
soll. Wir sind von der Freigebigkeit unserer Gemeindeglieder, die uns im
verflossenen harten Winter bewiesen, wie gerne sie ihre Hand öffnen, wenn
es nützlichen und wohltätigen Zwecken gilt, überzeugt, dass sie recht
gerne zur Anschaffung dieses Gemüt erhebenden Instruments beisteuern
werden, sowie wir auch von unserem gebildeten Rabbinen mit Zuverlässigkeit
darauf rechnen können, dass er, der zeitgemäße Verbesserungen gerne fördert,
bereitwilligst dem allgemeinen Wunsche beistimmen werde." |
Einweihung einer neuen Torarolle (1862)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Dezember 1862: "Bingen am Rhein, im
Dezember (1862). Vergangenen Sabbat, Paraschat Wajischlach ward hier eine Sefer
Tora (Torarolle), die zweite binnen Jahresfrist, festlich eingeweiht.
Das erste Sefer ließ die
Beerdigungsbrüderschaft, das zweite ein Verein jünger Leute, die
allsabbatlich zusammenkommen, um sich aus dem Worte Gottes belehren zu
lassen, schreiben. Es ist dies ein sprechender Beweis, dass wie überall,
so auch hier, wo Neologie und Indifferentismus bisher besonders heimisch
waren, ein besserer Geist sich Bahn zu brechen beginnt, und wollen wir
hoffen, dass der wahrhafte religiöse Sinn, wodurch sich in früheren
Zeiten Bingen auszeichnete, daselbst immer mehr und mehr vorherrschend
wird. Die Feier selbst war eine sehr würdige und fand die Predigt, die
Herr Lehrer Lebrecht – da der Rabbiner Herr Dr. Sobernheim* von seinem
Unwohlsein, wenn auch bedeutend besser – leider noch immer nicht ganz
hergestellt – hielt, allgemeinen Beifall, indem sowohl Form als Inhalt
nichts zu wünschen übrig ließen. Möchte es mir vergönnt sein, Ihnen
recht bald fernere günstige Nachrichten über die hiesigen religiösen
Verhältnisse zu geben. Schebach.
*Anmerkung: Der Herr Rabbiner ward am zweiten Neujahrstage während
einer Predigt, worin er sich wegen der durch einige eklatante Beispiel
besonders hervorgetretenen Religionslosigkeit ungemein ereiferte, von
einem sehr bedenklichen Unwohlsein betroffen, wovon sich derselbe, wie
oben erwähnt, ziemliche erholt hat, aber noch immer nicht völlig
hergestellt ist." |
Kritischer Bericht in der orthodoxen
Zeitschrift "Der Israelit" 1876
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. April 1876: "Bingen. (Curiosa). Die
Leser dieses Blattes, die in letzterer Zeit auch über die Binger jüdischen
Verhältnisse gelesen und durch das eigentümliche Vorgehen eines reformsüchtigen
Vorstandes in Erstaunen gesetzt worden sind, werden dennoch überrascht
sein, wenn sie hören, wie man hier ‚in Reform macht’. Vergangenen
Freitagabend vollzog sich ein seltener religiöser Weiheakt in der
Orgelsynagoge allhier. Unter Musikbegleitung und erhebender Festrede wurde
ein prachtvoller Becher dem Herrn Kantor überreicht, welchen der dankbare
Vorstand den Chorsängern zum Geschenke machte. Da dieser Becher, wie
verlautet, in der Synagoge als Jomtofkidusch-Becher (Kidduschbecher zum
Feiertag) benutzt werden soll, die feierliche Anrede an den Kantor
gerichtet war, sodass alle Anwesenden der irrigen Meinung waren, derselbe
erhielte damit ein Zeichen der Anerkennung für seine gesanglichen
Leistungen, aber, wie es schließlich heißt, dem Chorpersonal gewidmet
worden sei, so können wir zu unserem tiefsten Bedauern unserer
Berichterstatterpflicht nicht getreu nachkommen und den endgültigen
Beschenkten nicht genau angeben. Auf bescheidene Anfragen wird aber der
verehrliche Vorstand wohl Auskunft erteilen. Genug, das Publikum war durch
die erhebende, gewiss in ihrer Art einzigen religiösen Feier sichtlich
tief gerührt und gehoben, und wir müssen es gewiss als boshaft
bezeichnen, wenn sich Einzelne, die der Feier beiwohnten, darüber lustig
machten und erklärten, dass ihnen das Ganze wie ein Faschingsscherz
vorkam, Wie aber bekanntlich das Publikum immer undankbar ist, so zeigte
sich das schon zwei Tage darauf. Es war der letzte Tag Pessach, und da
konnte selbstverständlich der Organist, welcher in der Kirche sehr in
Anspruch genommen war, nicht zugleich in der Synagoge die Orgel spielen.
Wer will es nun einer Gemeinde verargen, die sich zwar schon mehrmals aus
demselben Grunde still ergeben darein gefunden, statt um 9 um 10 Uhr ihren
Gottesdienst abzuhalten, wenn sie heute,
wo sie ein und eine halbe Stunde auf ihren Organisten warten
musste, ungeduldig wurde und sich nicht mehr erinnerte des herrlichen
Festgenusses, den ihr erfindungsreicher und für ihre Unterhaltung stets
sorgender Vorstand erst zwei Abend vorher bereitet hatte! Wie wir hören,
hat auch am ersten Pessachabend eine Dame durch Solovorträge aus Haydns
‚Schöpfung’ die andächtigen Besucher des Gotteshauses entzückt. –
Ja die Binger jüdische Gemeinde kann sich glücklich schätzen, einen so
kunst- und musikliebenden Vorstand zu besitzen!!!" |
Der Toraschrein der alten Synagoge wird zur neuen Synagoge
gebracht (1905)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. August 1905: "Bingen.
Vorigen Samstag wurde in der 800 Jahre alten Synagoge der hiesigen
israelitischen Gemeinde der letzte Gottesdienst abgehalten. Berühmt war
in der Synagoge der Oraun hakaudesch (Toraschrein) als ein altes
Kunstwerk von hohem Werte; derselbe wird in die mit einem Kostenaufwand
von einer Viertel Million Mark erbaute neue Synagoge übergeführt werden." |
Kritischer Artikel zum Verkauf der alten Synagoge
(1911)
Anmerkung: Die orthodox eingestellte Zeitschrift "Der Israelit"
stand in kritischer Distanz zu der liberal geprägten Israelitischen
Religionsgemeinde in Mainz mit ihrer "Orgelsynagoge". Dass nun auch
noch die alte Synagoge in der beschriebenen Weise weiterverwendet wurde, war
Anlass für diesen kritisch geschriebenen Artikel:
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Mai 1911: "Die jüdische Gemeinde
in Görlitz ist aber schon lange vorher von der jüdischen
Synagogengemeinde in Bingen am Rhein überflügelt worden. Vor, allerdings
schon sehr langer Zeit, war die jüdische Gemeinde Bingen der Sitz einer Jeschiwa,
an der hervorragende Männer und Leuchten des Judentums gelehrt hatten.
Sehr häufig teilte die alte Gemeinde im Mittelalter das Schicksal ihrer
benachbarten Schwestergemeinden Mainz, Worms, Oppenheim, Kreuznach,
Bacharach und Boppard. Man sollte nun meinen, dass in einer solchen alten
Gemeinde, der Geist der Pietät und Würde auf lange Zeit hinaus
nachwirke. Wie aber dieser Geist der Pietät in der heutigen Generation
lebt, das kann nicht besser illustriert werden, als durch die Tatsache,
dass die frühere Synagoge in der Rheingasse, die über 70 Jahre
gottesdienstlichen Zwecken diente, samt den nicht unbeträchtlichen
Nebenbauten, als Mikwe, Beamtenwohnungen und Schullokal für 30 oder 35
Mark an einen christlichen Unternehmer verkauft wurde, der alsbald ein
Vergnügungsetablissement daraus machte. Und gerade die alte Synagoge ist
es, wo heute ein Tanzlokal, ein Konzertsaal, eine Bierhalle, ein
Kinematographentheater, nicht weniger als wie Tingeltangel und Kabarett
den Zusammenkunftsort für Publikum zweiten, dritten und weiteren Ranges
bildet. Sonntäglich soll es da etwas weniger als vornehm hergehen.
Es ist an sich gleichgültig, von welchem Gesichtspunkt aus man den
jetzigen Verkehr in der ehemaligen Synagoge nach ästhetischen oder
moralischen Gesichtspunkten einschätzt, ob es da etwas wild und stürmisch
oder etwas ruhiger und gesetzter hergeht und ob die jungen Techniker, die
in Bingen studieren, dort nur Bier trinken und nur tanzen, oder was sonst
noch. Es ist und bleibt eine Schande und Schmach, dass eine Gemeinde, die
mit zu den wohlhabendsten am Rhein gehört, eine Synagoge auf derartige
Weise entweihen lässt. Ob eine der dortigen christlichen Kirchen jemals
bedingungslos für derartige oder ähnliche Zwecke verkauft würde? Es ist
ganz überflüssig, solche Fragen zu diskutieren.
Wenn aber Gemeinden wie Görlitz und Bingen hunderttausende für eine neue
Synagoge auszugeben imstande sind, so müssen sie auch in der Lage sein,
ihre alten Gotteshäuser so lange in eigener Hand behalten zu können, bis
sich eine Gelegenheit findet, sie würdig zu verwenden. Warum konnten die
Vorsteher dieser Gemeinde nicht etwa ein Altersheim für jüdische Beamten
oder ein Refugium für erwerbsunfähige Beamtenwitwen errichten? In
Bingen, wo die geographische Lage dazu ebenso geeignet gewesen wäre, wie
auch der ganze Gebäudekomplex an sich schon, wären sicherlich von außer
zu solchen Zwecken Gelder aufzubringen gewesen und das altehrwürdige Gebäude
wäre nicht in so unerhörter Weise entweiht worden.
Da man nur allzu sehr berechtigten Grund hat, dass das von Görlitz und
Bingen gegebene unrühmliche Beispiel Nachahmung finden könnte, sollte
man an die jüdischen Gemeinde Deutschlands die dringende Warnung richten,
einen solchen Chillul nicht
weiterzuverbreiten. Sonst gibt man dem nie müden Antisemitismus nur
weiter neue Handhaben das Gesamtjudentum für die Missgriffe einzelner
Gemeindevorsteher verantwortlich zu machen und zu befehden. Und das muss
unter allen Umständen verhütet werden." |
1905
- 1938: Synagoge in der Rochusstraße (Rochusstraße 10-12)
Der Bau einer großen neuen Synagoge wurde von 1903 bis 1905 durchgeführt.
Sie wurde nach den Plänen von Professor Ludwig Levy aus Karlsruhe erstellt. Er
hatte einen an romanischen Kirchenbauten orientierten Gebäudekomplex mit einer
monumentalen Fassade entworfen. Im Betsaal befanden sich 218 Männer- und 171
Frauen-Sitze. Zur Ausstattung der Synagogen gehörten u.a. über 60 Torarollen,
darunter eine aus dem Jahr 1700.
Berichte zur Geschichte der neuen Synagoge
Entwürfe zum Neubau der Synagoge (1903)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Januar 1903: "Bingen am
Rhein, 4. Januar (1903). Bei den zu dem Neubau einer Synagoge dahier von
vier Bewerbern eingelaufenen Entwürfen ging derjenige des Herrn Baurat
Professor Ludwig Levy in Karlsruhe als Sieger hervor. Ein Entwurf des
Architekten Herrn Gartner in Wien wurde als zweibester von dem
Preisrichterkollegium zum Ankauf empfohlen. Dieses Kollegium bildeten die
Herren königlicher Baurat Stadtbaumeister Genzmer – Wiesbaden, Prof. K.
Henrici – Aachen und Geheimer Oberbaurat Professor Hofmann –
Darmstadt." |
Verdienste des Bankiers/Kommerzienrates Julius Landau um
den Bau der Synagoge (Rückblick von 1911)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Dezember 1911: "Anlässlich
des großherzoglichen Geburtstages ist Herr Bankier Julius Landau in
Bingen am Rhein zum Kommerzienrat ernannt worden. Bingen verdankt ihm vor
allem die neue Synagoge. Er ist erster Vorstand der jüdischen
Religionsgemeinde." |
Die Einweihung der neuen Synagoge am 21. August 1905
Artikel
in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 6. Oktober 1905:
"Bingen, 24. September. Am vergangenen Donnerstag den 21.v.M. feierte
unsere Gemeinde die Einweihung ihrer neuerbauten Synagoge. Der Feier wohnten die
staatlichen und städtischen Behörden bei, unter anderen der Kreisrat Geheimer
Regierungsrat Spamer, Kreisamtmann Muhl, Bürgermeister Neff und fast sämtliche
Stadtverordnete, der katholische Pfarrer Geistlicher Rat Dekan Engelhardt, die
beiden evangelischen Pfarrer Reinhard und Engel, die Schulbehörden, die
Vorstände der israelitischen Landgemeinden des Bezirks und ein zahlreiches
Publikum. Die Bevölkerung hatte ihr Interesse an der seltenen Feier durch
Beflaggen der Häuser kundgegeben, namentlich war die Rochusstraße, auf welcher
das neue Gebäude sich befindet, seitens der Stadtverwaltung mit einem
stattlichen Festgewand versehen worden. Die Feier wurde mit der feierlichen
Schlüsselübergabe am Portale eröffnet, bei welcher Fräulein Ella Landau mit
einer poetischen Ansprache den auf einem weißen Atlaskissen ruhenden goldenen
Schlüssel übergab. Bei dem Einzuge in das Gotteshaus sang der Chor das
Eingangslied: Preis und Anbetung, worauf durch den Rabbiner der Gemeinde Dr.
Grünfeld das Entzünden der "Ewigen Lampe" mit weihevollen Worten
erfolgte. Hieran schloss sich der Umzug mit den Torarollen, die von den
Rabbinern Dr. Stein - Worms, Dr. Saalfeld - Mainz, Dr. Lewit - Alzey, Dr.
Tawrogi - Kreuznach und dem hiesigen Rabbiner getragen wurden und das Einheben
derselben unter den dabei üblichen Gesängen. Den Mittelpunkt der Feier bildete
die eindrucksvolle Festpredigt mit darauffolgender Weihe von unserem allgemein
beliebten Rabbiner Dr. Grünfeld. derselben lag der Text zugrunde: "Dieses
Tor ist des Ewigen. Gerechte gehen da ein", welche Worte als Inschrift
über dem Eingangsportale der neuen Synagoge angebracht sind. Der Redner führte
dabei aus, dass das jüdische Gotteshaus ein laut redendes Zeugnis für die
unverwüstliche Kraft des Monotheismus, eine Stätte der Sammlung und Andacht im
brausenden Weltgewühl und eine Pflanzstätte alles Guten und Edlen sei. Diese
gedankentiefe und formvollendete Predigt verfehlte nicht, auf alle Zuhörer
einen weihevollen Eindruck zu machen. Hieran schloss die Absingung der Keduschah
durch Kantor, Chor und Gemeinde und das Gebet für Kaiser und Großherzog. Ein
Schlussgesang beendete die würdig verlaufene Feier. Nach der Feier fand im
Englischen Hofe ein Frühstücke statt, an welchem die Behörden und Gäste mit
dem Vorstand und den Bauausschüssen teilnahmen. Erwähnung verdient auch der
Toast des großherzoglichen Bürgermeisters Neff, der als Vertreter der Stadt
mit vollem Recht auf die vorbildliche Einigkeit hinweisen konnte, die in unserer
Stadt unter den Angehörigen der jüdischen und christlichen Religion herrscht.
Diese Eintracht unter unseren Mitbürgern hat sich anlässlich der Einweihung
der Synagoge auch darin bestätigt, dass die Stadtverwaltung dem Vorstand
unserer Gemeinde die Summe von 6.000 Mark als Beitrag zu den Anschaffungskosten
der Orgel überwies. Abends war in demselben Hotel eine größere
Festveranstaltung der Gemeindemitglieder mit Frauen und Kinder. Beide nahmen
einen sehr freudigen, mit vielen Toasten, Reden und Vorträgen reich gewürzten
Verlauf, und mit stolzer Genugtuung kann die Bingener Gemeinde auf ihr so
herrlich vollendetes Werk wie auf den schönen Verlauf des ganzen Festes
zurückblicken, das ihr in ewiger Erinnerung bleiben dürfte." |
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Ergänzender Artikel über die neue
Synagoge
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Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Oktober 1905: "Bingen, 6.
Oktober (1905). Unsere neue Synagoge, über deren Einweihung ich Ihnen
schon berichtet habe, ist nach den Plänen des als Synagogenerbauter
weithin bekannten Architekten Herrn Baurat Professor Ludwig Levy in
Karlsruhe erbaut. Der Stil ist ein einfach romanischer, die Fassade aus
weißem Vogesensandstein, hat in der Mitte eine spitze Turmkuppel und an
den anschließenden Gemeindegebäude tragen die Treppenhäuser
Spitzverdachungen. In dem Mittelstück der Fassade befindet sich ein von
Bildhauer Bauser – Karlsruhe kunstvoll ausgeführtes ornamentales Bild,
die Gesetzestafeln von zwei sie schützenden Löwen darstellend. Der
Tempel umfasst 220 Männerplätze und auf den Emporen 180 Sitze für
Frauen. Der Bau begann im Frühjahr 1903 und betragen die Kosten desselben
250 000 Mark. Für die prächtige Ausschmückung des Innenraums sind von
Gemeindemitgliedern, sowie von auswärts wohnenden Bingenern größere und
kleinere Beträge gespendet worden. Dass die Stadt Bingen der Gemeinde ein
Festgeschenk im Betrage von 6.000 Mark überwies, welche für die Kosten
der Orgel verwendet werden, habe ich Ihnen schon gemeldet. Durch diesen
herrlichen Bau hat unsere hübsche Rheinstadt wieder eine neue prächtige
Zierde erhalten." |
Zuschuss der Stadt Bingen für die Orgel in der
neuen Synagoge - kritische Kurzmeldung im (orthodoxen) Frankfurter
Israelitischen Familienblatt (Oktober 1905)
Artikel im
"Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. Oktober 1905: "…Die
Stadtgemeinde Bingen hat der Israelitischen Religionsgemeinde daselbst,
anlässlich der vor kurzem stattgehabten Einweihung ihrer neu erbauten
Synagoge ein Festgeschenk von Mark 6.000 bewilligt und zwar mit der
Bestimmung, mit dieser Summe die Kosten der – Orgel zu bestreiten…" |
Rückblick auf die Einweihung und die
Berichtserstattung (November 1905)
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. November 1905: "Bingen,
19. November (1905). Hier wurde, wie ich Ihnen seinerzeit gemeldet, vor
kurzem die neue Synagoge eingeweiht. Die ‚Rhein- und Nahe-Zeitung’,
das amtliche Kreisblatt in Bingen, richtete bei diesem Anlass an die
Einwohnerschaft die folgende Aufforderung: ‚Zur Einweihung der neuen
Synagoge ist vom Herrn Rabbiner Dr. Grünfeld eine Festschrift verfasst
worden: ‚Die Geschichte der Juden in Bingen’. Das Werkchen ist auch für
Nichtisraeliten sehr anregend und in den hiesigen Buchhandlungen zu haben.
– Sehr wünschenswert würde es sein, wenn zu der Feier, die von so
hoher Bedeutung für unsere israelitischen Mitbürger ist, auch die Angehörigen
der anderen Konfessionen durch eine allgemein Beflaggung der Häuser das
ihrige beitragen.’ – Diese Zumutung findet die ‚Staatsbürger-Zeitung’,
die auch unter ihrem neuen Verleger nicht viel vornehmer geworden ist,
‚unerhört’. Wer die Verhältnisse am Rheine kennt, der muss über
diese sittliche Entrüstung lachen. Im Rheinland wird keine christliche
Kirche gebaut, zu der nicht die Juden durch Geldsammlungen beisteuern. Bei
Prozessionen und Kircheneinweihungen schmücken die Juden ebenso ihre Häuser
wie die Christen und ebenso erweisen die christlichen Nachbarn bei
Synagogeneinweihungen durch äußeren Schmuck ihre Verehrung. Diese Leute
werden das nie begreifen, dass die Liebe und nicht der Hass der Grundton
aller Religionen ist." |
Die neue Synagoge war (nur) 33 Jahre lang Mittelpunkt
des jüdischen Gemeindelebens der israelitischen Religionsgemeinde in Bingen.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge von SA-Männern und
Nazianhängern zerstört. Nachdem am Morgen der Brand durch den Synagogendiener
hatte gelöscht werden können, wurde das Gebäude gegen 17 Uhr noch einmal
angezündet. Davor wurde die gesamt Einrichtung demoliert, die Orgel zerstört
und die Trümmer mit Teer übergossen. Durch Zwangsverkauf kamen die Gebäudereste
und das Grundstück in die Hände des Binger Winzervereins, der den erhaltenen
rechten Teil des Bethauses eine Zeitlang als "Weinlokal mit Musik und
Tanz" nutzte.
1962 kamen die Gebäudereste und das Grundstück in den Besitz der Stadt
Bingen. Diese ließ 1970 die Ruine mit der erhaltenen architektonisch
wichtigen Ostfassade abbrechen. Seit 1983 erinnert eine Gedenktafel an
die ehemalige Synagoge, von der nur noch der Flügel mit dem Treppenturm und der
zum Wohnhaus umgebaute, dreiachsige Gebäudeteil erhalten blieb. Reste
einer Säule befinden sich auf dem jüdischen
Friedhof.
Gedenkfeiern zur Erinnerung an die Zerstörung der Synagoge werden regelmäßig
vom "Arbeitskreis Jüdisches
Bingen" durchgeführt.
Die
Orthodoxe Synagoge in der Amtsgasse (Amtsgasse 13)
und die Privatsynagoge in der Martinstraße (Martinstraße 1-3; Martinsgässchen)
Der Einbau einer Orgel in der Synagoge 1871 war auch in Bingen Anlass für
die Orthodoxen, eine eigene Gemeinde zu bildet. Zunächst traf man sich in einem
provisorischen Betsaal. Seit der Einweihung eines neuen Betsaales in der
Amtsgasse im August 1876 wurden die Gottesdienst hier abgehalten.
Einweihung des neuen Betsaales im August 1876
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. August 1876: "Bingen, 18.
August. Wir sind abermals in der angenehmen Lage, Ihnen Erfreuliches von
unserer jungen Gemeinde mitteilen zu können. Wenn auch die Entwicklung
derselben eine langsam ist, so verspricht sie doch eine umso gedeihlichere
zu werden. Die am verflossenen Freitagabend begangene feierliche
Einweihung unseres neuen Betsaales scheint uns Bürge hierfür zu sein.
Schon um 5 ½ Uhr versammelten sich sämtliche Mitglieder unserer
Religionsgesellschaft, festlich gekleidet, in dem alten Betsaale, um den
Einzug in den erwähnten neuen Betsaal zu halten. Nach beendetem
Mincha-Gebet wurden die Torarollen von den ältesten Mitgliedern unserer
Religionsgesellschaft in das neue Lokal in feierlichem Zug, dem sich
unsere sämtlichen Gemeindemitglieder anschlossen, übertragen. Als der Präses,
Herr Joseph Meyer, die Synagoge öffnete, die Gemeinde unter Vorantritt
der Torarollen den Einzug hielt, überraschte uns, unser jugendliches
Mitglied, Herr Arthur Cahn, mit seinem erhebenden Gesang. Nachdem unser
ehrwürdiger Rabbiner Herr Dr. Sänger zwei Segenssprüche und das Gebet für
den Landesfürsten gesprochen und die üblichen Hakefot
mit den Torarollen beendet waren beendet waren, hielt Herr Rabbiner Dr. Sänger,
eine der Feier angemessene Predigt, die uns im wahrsten Sinne des Wortes
begeisterte. Die hinreißende Redeweise unseres ehrwürdigen Rabbiners,
die von tiefster Gottesfurcht überzeugende Wahrheit seiner Worte, konnten
ihre Wirkung nicht verfehlen und so verließen wir in begeisterter und
gehobener Stimmung nach beendetem Abendgottesdienst, die festlich geschmückten
Räume unseres Gotteshauses.
Befanden wir uns schon an diesem Abend in freudiger, gehobener Stimmung,
so wurde diese bei dem darauf folgenden Morgen Gottesdienst in noch erhöhtem
Grade hervorgerufen, durch die wiederholt trefflichen Gesangsleistungen
unseres Mitgliedes Herrn A. Kahn und durch die entzückende Rede unseres
allverehrten Rabbiners.
Wir sagen nicht zu viel, wenn wir hiermit öffentlich aussprechen, dass
ein Mann, wie Herr Rabbiner Dr. Sänger, beseelt von wahrer Gottesfurcht,
getragen von den reinsten, erhabensten Ideen, auf seine
Gemeindemitglieder, sowie auf seine ganze Umgebung veredelnd wirkt. Wir fühlen
uns daher glücklich, einen solchen Mann an unserer Spitze zu haben,
insbesondere schätzen wir uns glücklich, ihn als Religionslehrer unserer
Kinder zu wissen.
Möge es uns vergönnt sein, diesen trefflichen Mann recht lange in
unserem Kreise wirken zu sehen. Zum Schluss statten wir unserem Vorstande
für seine Mühe und Tätigkeit im Allgemeinen und insbesondere für
dessen Tätigkeit bei dem Bau unseres Betsaales den innigsten Dank ab mit
dem Wunsche, er möge es sich auch fernerhin zur Aufgabe machen, sich
um die öffentlichen Bedürfnisse in Wahrheit zu kümmern." |
Gedenkgottesdienst für Samson Raphael Hirsch
(1889)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1889: "Bingen, 6. Januar
1889. In der Synagoge der israelitischen Religionsgesellschaft hier hielt
heute Herr Rabbiner Dr. Sänger eine tief ergreifende Trauerrede aus
Anlass des vor wenigen Tagen dahingeschiedenen Rabbi Samson Raphael Hirsch
in Frankfurt am Main und schilderte in beredten Worten die große
Bedeutung des Dahingeschiedenen für das Judentum. Seine Worte hinterließen
einen tiefen Eindruck auf die Trauerversammlung; wir müssen es uns indes
versagen, näher darauf zu zugeben, da, wie wir hören, auf Wunsch vieler
Gemeindemitglieder die Rede durch Drück vervielfältigt werden." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde
die Inneneinrichtung des orthodoxen Betsaales demoliert.
Privatsynagoge in der Martinstraße
Neben den großen Synagogen gab es um 1900 auch eine Privatsynagoge. Das
heutige Gebäude Hotel
Martinskeller (Martinstraße 1-3) war nach 1884 zunächst Weinhandlungshof
der Firma Augstein (der Jurist Dr. Josef Augstein [geb. 1909 in Bingen, gest.
1984 in Hannover] und sein Bruder, der langjährige Spiegelherausgeber Rudolf
Augstein [geb. 1923 in Hannover, gest. 2002 in Hamburg], sind direkte Nachfahren dieser Familie).
Im Laufe der folgenden Jahre
diente das Anwesen den verschiedensten Zwecken: um 1900 war eine private
Synagoge von Dr. Faist als Synagoge eingerichtet). Nach 1936 war in dem Gebäude
ein Weingutsbetrieb, seit 1984 das Hotel Martinskeller.
Fotos:
Synagoge in der Rheinstraße
(Fotos wurden bereits mehrfach veröffentlicht, u.a. im
Gedenkbuch
der Synagogen; Karte oben rechts aus Sammlung Hahn) |
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Die Synagoge in der
Rheinstraße um 1905 - Außen- und Innenansicht |
Die ehemalige
Synagoge nach Umbau
zur Gaststätte "Zum Rolandseck" |
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Eingangstür von 1789,
übernommen in die
Synagoge Rochusstraße mit Stifterinschrift
("gestiftet
durch den Gemeindevorsteher
Chajmi, den Sohn von Aron Friedburg...") |
Der Hochzeitsstein der
Synagoge Bingen
(heute Israelmuseum Jerusalem) |
Die neugotische Maßwerkrose
der
alten Synagoge
(Aufnahme von 1992) |
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Die Synagoge in
der Rochusstraße |
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Historische Postkarte mit der
Außenansicht |
Innenansicht |
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Zum Eingangsbereich vgl. das
Foto
aus der Sammlung von Ludwig Simon (bis 1938 Bingen):
http://objekte.jmberlin.de/view/objectimage.seam?uuid=jmb-obj-203730&cid=2128635 |
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Die beim
Novemberpogrom 1938 zerstörte Synagoge |
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Die erhaltenen Reste der ehemaligen
Synagoge in der Rochusstraße
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 29.3.2005) |
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Blick von der
Rochusstraße auf den erhaltenen rechten Flügel der ehemaligen Synagoge |
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Ansicht des rechten Flügels
vom Hinterhof |
Gedenktafel von 1983 |
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Gebäude Martinstraße 1-3, worin
sich um
1900 eine Privatsynagoge befand |
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Erinnerungsarbeit vor Ort sowie erste
Ansätze zu neuem jüdischem Leben in der Stadt
Mai 2008:
Der "Arbeitskreis Jüdisches Bingen"
will die Erinnerung an die jüdische Geschichte wach halten |
Link: "Arbeitskreis
"Jüdisches Bingen" |
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November 2008:
Erste Ansätze für neues
jüdisches Leben in Bingen stoßen auf Schwierigkeiten |
Artikel im Main-Rheiner (direkt zum Artikel)
vom 1. November 2008: Auf der Suche nach Raum für jüdisches Leben
- Wohnung in ehemaliger Synagoge an Feuerwehr vergeben / Private Iniative stellt Ansprüche
lef. BINGEN Die Erinnerung an die einst bedeutende jüdische Gemeinde hält der Arbeitskreis Jüdisches Bingen mit großem Engagement aufrecht.
Nun hat sich in Bingen eine Initiative um Dorothea Dürsch zusammengetan, die, unabhängig vom Arbeitskreis Jüdisches Bingen, eine jüdische Gemeinschaft entstehen lassen will..." |
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Artikel von Christine Tscherner im
Main-Rheiner (direkt
zum Artikel) am 5. Januar 2009: "Wunsch nach Räumen mit Symbolwert.
Jüdische Gemeinde möchte ehemaligen Synagogen-Flügel in der Rochusstraße nutzen.
BINGEN. Der im Dezember gegründete "Förderverein für jüdisches Leben in Bingen heute" kämpft für die Nutzung der ehemaligen Synagoge. Die 100 Mitglieder zählende jüdische Gemeinde will eine Mietwohnung im ersten Stock der Rochusstraße 10 als Versammlungsort nutzen..."
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Februar 2009:
Stand der Verlegung der "Stolpersteine"
in Bingen |
Artikel von Christine Tscherner im Main-Rheiner (direkt
zum Artikel) vom 24. Februar 2009: "Ein Fingerzeig auf Wunde der Geschichte
- Der Künstler Gunter Demnig verlegt weitere "Stolpersteine" zum Gedenken an Binger Opfer des Holocaust.
BINGEN. Seit dem Start vor vier Jahren sind insgesamt 56 Steine verlegt. Gestern kamen 24 neue "Stolpersteine" hinzu. Sie erinnern als "Denkmal von unten" an die Opfer des Holocaust.
Der Arbeitskreis Jüdisches Bingen hat die ehemaligen Wohnhäuser jüdischer Mitbürger recherchiert und pflegt den Kontakt zu Nachfahren..." |
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Mai 2011:
Zahlreiche Besucher in der Erinnerungs- und
Begegnungsstätte in der ehemaligen Synagoge |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 28. Mai 2011 (Artikel):
"Modell ehemaliger Synagoge ein Magnet
BINGEN. BEGEGNUNGSSTÄTTE Großes Besucherinteresse
(red). Mit einem solch großen Interesse hatten die Mitglieder des Arbeitskreises Jüdisches Bingen (AKJB) nicht gerechnet. Vier Stunden öffnete der AKJB die Erinnerungs- und Begegnungsstätte in der ehemaligen Synagoge in der Binger Rochusstraße. Etwa 60 Bürgerinnen und Bürger aus Bingen und Umgebung, darunter Beigeordneter Hans-Jürgen Klöckner für die Stadt Bingen, waren der Einladung des AKJB gefolgt..."
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August 2011:
Verlegung von "Stolpersteinen" in Bingen am 31. August
2011
Dazu erschien ein Artikel von Beate Goetz in der "Allgemeinen
Zeitung" vom 5. August 2011. Link
zu diesem Artikel. |
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Ein weiterer Artikel zur Verlegung der
"Stolpersteine" von "cts" erschien in der
"Allgemeinen Zeitung" am 1. September 2011:
"Erinnerung an Schicksale. Stolpersteine. Metallplatten machen
jüdische Spuren sichtbar" (Link
zu diesem Artikel) |
Weiterer Artikel von Beate Goetz in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 6. September 2011: "*Nach 1938
durften wir nirgendwo mehr hingehen. Bingen. Jüdische Schicksale. Ellen
Mayer Fine denkt noch heute an Spaziergänge am Rhein mit hrem Großvater
Ferdinand Simon zurück" (Link
zu diesem Artikel). |
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Januar 2012:
Über den Internetauftritt des Arbeitskreises
"Jüdisches Bingen":
Professionelle Präsenz im Netz (Allgemeine Zeitung, 06.01.2012). |
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Januar 2016:
Unterrichtsprojekt für Grundschüler |
Kinder erfahren Geschichte der ehemaligen Synagoge (Allgemeine Zeitung, 16.01.2016) |
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November 2017:
Weitere Verlegung von
"Stolpersteinen" - In
Bingen liegen nun 117 "Stolpersteine" |
Pressemitteilung
der Stadt Bingen vom 8. November 2017 (mit Foto - Quelle: Stadtverwaltung
Bingen): "Bingen: In Bingen sind inzwischen 115 'Stolpersteine' verlegt
Bingen – Inzwischen sind es 115 'Stolpersteine', die seit 2005 in der
Innenstadt, in Büdesheim, Bingerbrück und Gaulsheim an das Schicksal
jüdische Mitbürger, die dem Holocaust zum Opfer fielen, erinnern. Der
Arbeitskreis Jüdisches Bingen (AKJB) hat den Kölner Künstler Gunter Demnig
nun bereits zum achten Mal eingeladen, um für Arthur Hecht und seine Frau
Maya (geborene Pfifferling) in der Schlossbergstraße 26, für David Friedmann
und seine Frau Jenni (geborene Sommer) in der Salzstraße 7-9, für Amelie
Durlacher in der Kapuzinerstraße, für Simon Berg in der Hospitalstraße
(MVB), für Eugen und Paula Mandel (geborene Brück in der Mainzer Straße 31
sowie für die Geschwister Fritz und Lilli Hohmann in der Mainzer Straße
47-51 die Erinnerungssteine verlegen zu lassen. Während Demnig arbeitet,
berichtet Beate Goetz von der jeweiligen Lebensgeschichte, sodass immer ein
sehr eindrucksvoller Moment entsteht. 'Es ist eine gute Tradition, dass wir
hier in Bingen die Verlegung der ,Stolpersteine‘ pflegen. So werden auch die
nachfolgenden Generationen aufgefordert, daran zu denken, was einmal
passiert ist und können dafür sorgen, dass sich solche unglaublichen
Grausamkeiten niemals mehr wiederholen', so Oberbürgermeister Thomas Feser."
Link zum Artikel |
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Dezember 2018:
Informationen zur jüdischen
Geschichte an Kommunalpolitiker |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 5.
Dezember 2018: "Zu Gast in ehemaliger Synagoge
BINGEN. Die Geschichte der Juden in Bingen reicht zurück ins 12.
Jahrhundert. Mit der Zerstörung der Synagoge in der Pogromnacht vom 10. auf
den 11. November 1938 und der Deportation aller in Bingen verbliebenen 152
Juden in den Jahren 1942/43 löschte die nationalsozialistische
Schreckensherrschaft die jüdische Gemeinde in Bingen gänzlich aus.
Bereits 115 Stolpersteine in Bingen verlegt. 'Das Erinnern an die
grausamen Taten und das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus steht
daher im Mittelpunkt unserer Arbeit', erklärt der Vorsitzende des
Arbeitskreises Jüdisches Bingen Hermann-Josef Gundlach. Er stellte den
Binger Sozialdemokraten in den Räumlichkeiten der ehemaligen Synagoge das
Wirken des Arbeitskreises vor. Dazu gehören die Forschung und Dokumentation
der Geschichte der Binger Juden sowie die Pflege von Briefkontakten
weltweit. 'Die am weitesten entfernt wohnenden Mitglieder leben in Korea und
Mexiko', berichtete Gundlach. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist die Verlegung
von Stolpersteinen. Seit 2006 wurden 115 Stolpersteine zum Gedenken an die
Opfer des Holocaust vor ihren ehemaligen Häusern und Wohnungen in Bingen
verlegt. Besonders am Herzen liegt Gundlach die Arbeit mit Schülern:
Projektwochen in den Schulen, Führungen auf dem Judenfriedhof und ein neues
Heft im Comic-Stil für den Unterricht. 'Das hinterlässt tiefe Eindrücke bei
den Schülern', so Gundlach. 'Insbesondere die Ansprache von Kindern und
Jugendlichen ist absolut zu unterstützen', bedankt sich der
SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Hüttner für das große Engagement. Den
Wunsch nach mehr Ausstellungsfläche und die Unterbringung der Bibliothek,
die derzeit in einer Garage gelagert ist, nehmen die Sozialdemokraten mit."
Link zum Artikel |
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November 2019:
Die ehemalige Synagoge soll wieder
erkennbar werden |
Artikel von Ernst Michael Lang in der
"Allgemeinen Zeitung" vom 13. November 2019: "Ehemalige Binger Synagoge soll
erkennbar werden
Wer es nicht weiß, läuft einfach dran vorbei. Der Gebäudeteil in der
Rochusstraße, der einmal zur Synagoge zählte, ist als solcher nicht
erkennbar. Das soll sich jetzt ändern.
BINGEN - Wer es nicht weiß, wird es auch nur schwerlich erkennen.
Besucher, die entlang der Rochusstraße flanieren, laufen einfach vorbei;
vorbei an der ehemaligen Synagoge, genauer gesagt: an dem verbliebenen
rechten Trakt, dem Gemeindeteil, denn die eigentliche Synagoge mit dem
imposanten Eingangsportal ist ein- für allemal verschwunden. Das haben
übrigens nicht, wie man meinen könnte, die Nazis besorgt. Vielmehr wurden
die baulichen Reste der Synagoge, unter anderem auch Teile jenes Portals,
1970 für Wohnbebauung weggeräumt. Diesen ungeheuerlichen und auch heute noch
unfassbaren Vorgang hat Kulturamtsleiter Dr. Matthias Schmandt in seiner
Vorlage für den jüngsten Kulturausschuss mit Bitterkeit so zusammengefasst:
'Nachdem bis 1945 alle Bemühungen um die Tilgung jüdischer Symbolik aus dem
Straßenbild erfolglos geblieben waren, entsprach das damals – 25 Jahre nach
der 'Stunde null' und der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus –
erzielte und im Wesentlichen bis heute gültige Ergebnis also 'endlich' den
Intentionen der NS-Amtsträger in Stadt und Kreis: Das ehemalige Gotteshaus
ist seither nicht ohne Weiteres mehr als Synagoge zu identifizieren.'
Ortsunkundige Besucher laufen also vorbei und können gar nicht ahnen,
welches imposante Ensemble hier Anfang des 20. Jahrhunderts einmal auch
Ausdruck einer bewegenden Aufbruchstimmung und liberalen Stadtkultur war.
Der Sakralbau der Synagoge fügte sich stolz und erhaben ein in die
Prachtstraße des neuen Bingens, der Rochusstraße und -allee. Das nahe
Technikum, das Ämterhaus, aber auch die Hafenanlage am Rhein: alles Ausdruck
gründerzeitlicher Aufbruchstimmung und zugleich einer liberalen
Stadtgesellschaft, in der buchstäblich und sozusagen auch baulich die
jüdischen Mitbürger mitten unter allen waren. Von da aus lässt sich das
ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Barbarei ermessen, der Bruch mit
allem, was einst in der deutschen Wertegemeinschaft Gültigkeit besaß. Die
Synagoge ging im Pogrom von 1938 in Flammen auf, die Binger Juden wurden
vertrieben und ermordet. Am vergangenen Samstag wurde wieder dieser
erschütternden Ereignisse gedacht.
Der verbliebene Teil der Synagoge könnte nun nicht nur ein Ort der
Erinnerung und des Gedenkens sein. Indem überhaupt erst wieder kenntlich
gemacht wird, dass hier einst eine Synagoge stand und welches Schicksal das
Gebäude und die Menschen jüdischen Glaubens erlitten, würde auch dem
Vergessen ein Ende gesetzt. Dem Vergessen, auf das es die Nazis abgesehen
hatten, die mit aller Gewalt und Brutalität alle Spuren jüdischer Kultur in
Deutschland auslöschen wollten.
Kulturamtsleiter Schmandt sagte im Ausschuss, Bingen sei eine Stadt mit
einer langen jüdischen Geschichte. Gerade den aktuellen Vorfällen von
Antisemitismus in Deutschland müsse entschlossen begegnet werden, indem
jüdische Kultur sichtbar gemacht und die Verbrechen der Nationalsozialisten
dargestellt werden. 'Noch vor wenigen Jahren haben wir in Bingen eigentlich
mehr über das Mittelalter gewusst als über die Zeit des
Nationalsozialismus', sagte Schmandt. Dies habe sich inzwischen durch
intensive Forschungsarbeit geändert, die im kommenden Jahr auch in einem
eigenen Band zur Stadtgeschichte zusammengefasst wird. Auf Grundlage dieser
Erkenntnisse sei es beispielsweise auch möglich, die Ereignisse im
Zusammenhang mit der Pogromnacht in Bingen nachzuzeichnen.
Beschlossen ist bereits, einen Geschichtsprojektor in der Rochusstraße
aufzustellen, durch den die Synagoge in ihrem ursprünglichen Zustand zu
sehen ist, ähnlich wie am Naheufer das Kloster Rupertsberg.
Informationstafeln sollen Erläuterungen geben. Ein besonderes Denkmal sind
drei Steinfragmente aus dem Rundbogen, dem Tympanon der Synagoge, die
bislang auf dem jüdischen Friedhof lagen. Sie sind einerseits Zeugen
jüdischen Glaubens, anderseits bezeugen sie durch ihre Beschädigungen auch
das Wüten der Nazis in der Pogromnacht. Der Ausschuss will in seiner
Dezembersitzung erneut beraten, wie die Steine im Bereich der Synagoge
aufgestellt und ebenfalls mit Erläuterungen versehen werden können. Ein
erster Vorschlag, der ein Aufbringen auf die Nordwand des verbliebenen
Gebäudeteils vorsah, fand mehrheitlich keinen Anklang."
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November 2019:
Schüler gedenken an die
Pogromnacht 1938 |
Artikel
(und Fotos) aus der Website der Rochus Realschule plus vom 2. Dezember 2019: "Schüler
gedenken der Opfer der Reichspogromnacht im Jahr 1938
Am 10. November 1938 gaben die Nationalsozialisten deutschlandweit und auch
im bereits wieder 'angeschlossenen' Österreich den Geheimbefehl zu
Ausschreitungen gegenüber jüdischen Mitbürgern. Anlass zu dieser Aktion bot
das Attentat des erst 18-jährigen Herschel Grünspan auf den deutschen
Legationssekretär Ernst vom Rath in Paris...
Auch in Bingen kamen die Befehle an. Dort wurden Ingelheimer SA-Männer
eingesetzt, um die Übergriffe durchzuführen. Man vertraute beim Vorgehen mit
Absicht auf örtlich nicht bekannte Personen, um das Bild einer spontanen
Volkserhebung zu unterstreichen. Jedoch zeigen Berichte der Geheimpolizei
der SS, des SD (Sicherheitsdienst), dass die Mehrheit der Bürger wusste wer
für die Ausschreitungen verantwortlich war.
Im Rahmen der Gedenkveranstaltung an der ehemaligen jüdischen Synagoge in
der Rochusstraße, nahmen Schüler der Geschichts-AG teil, indem sie folgenden
kurzen Text, der die damaligen Geschehnisse nachzeichnete, vorlasen:
Der
AKJB (Arbeitskreis jüdisches Bingen) hatte bereits 2010 gefordert, die
Binger Nazizeit zu erforschen. Mit dem Buch Bingen im Nationalsozialismus
wurde im vorigen Jahr damit begonnen. In diesem Buch untersuchte die
Historikerin, Frau Dr. Bernard, auch die Vorgänge um die Zerstörung der
Binger Synagoge im Rahmen der sogenannten 'Judenaktion' im November 1938.
Danach war der Ablauf wie folgt:
• In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen Unbekannte in die
Synagoge ein und steckten Bänke mit einer brennbaren Flüssigkeit in Brand.
Die Hausmeisterin Elisabeth Dunér und Karl Koppel löschten den Brand mit
einem Schaumlöschgerät.
• Nathan Loeb erstatte deshalb zwischen 5.30 und 6.00 Uhr Anzeige bei der
Polizei, worauf die Kripobeamten Rust und Mehren verständigt wurden, die den
Tatbestand - Brandspuren an einigen Bänken und in der Sakristei - an Ort und
Stelle aufnahmen.
• Um 8.00 Uhr verständigte Herr Loeb wieder die Polizei. Einige Unbekannte
drangen erneut in die Synagoge ein.
• 9.00 Uhr erneute Brandstiftung an der Synagoge in der Rochusstraße. Tor
und brennende Gegenstände liegen auf der Straße. Beginn der Demolierung der
Synagoge in der Rochusstraße.
• Die Zerstörung der Synagoge wird von der Binger SA-Führung im
Zusammenwirken mit der Bürgermeisterei der Stadt Bingen sowie mit
Unterstützung von Angehörigen des Gaswerks Bingen und der Firma Richtberg
durchgeführt. Die Feuerwehr wird verständigt."
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Januar 2020:
Gedenkfeier zum
Holocaust-Gedenktag |
Artikel von Sören Heim in der "Allgemeinen
Zeitung" vom 28. Januar 2020: "Auschwitz-Gedenktag in der Binger Synagoge
Gertrud Kolmar steht im Mittelpunkt der vom 'Förderverein für jüdisches
Leben in Bingen heute' initiierten Gedenkfeier für die Opfer des
Nationalsozialismus.
BINGEN - Mit Gedichten von Gertrud Kolmar beging 'Tiftuf', der
'Förderverein für jüdisches Leben in Bingen heute', den Gedenktag für die
Opfer des Nationalsozialismus in den Räumlichkeiten der ehemaligen Binger
Synagoge. Über die Dichterin Kolmar sagte der Vortragende, Volkmar Döring,
sie habe ihn schon in der Schule berührt und dann aufs Neue, als er in einem
Antiquariat einige ihrer Gedichtbände entdeckt habe. Lange habe er
allerdings nicht gewusst, dass Kolmar 1943 in Auschwitz ermordet worden sei.
Die Tatsache, dass sie heute zu den bedeutendsten Dichterinnen des 20.
Jahrhunderts zählende Kolmar weiter schrieb, während sie bereits von den
Nationalsozialisten verfolgt worden sei, verleihe den formal von der
deutschen Klassik beeinflussten Werken, die sich einer sehr ausdrucksstarken
Bildsprache bedienen, noch einmal zusätzliche Bedeutung. Kolmar stehe an
diesem Abend auch für all die anderen Verfolgten und Ermordeten, ergänzte
die Vorsitzende von 'Tiftuf', Natalia Piskunova. Das Gedenken wachzuhalten
an die Gräueltaten des Nationalsozialismus, so Piskunova weiter, sei derzeit
wichtiger denn je. Der Anschlag in Halle habe die kleine Gemeinde in Bingen
sehr erschüttert, und mit der Erinnerung an den Tag, als die Rote Armee das
Konzentrationslager Auschwitz befreite, verbinde sich auch die Forderung,
dass sich die Verbrechen der Nationalsozialisten niemals wiederholen dürfen.
Zum Erinnern allerdings gehöre es auch, nach vorne zu schauen, weshalb der
Verein 'Tiftuf' explizit das jüdische Leben in Bingen heute in den
Mittelpunkt stelle, wobei man aus einer mehr als 3000-jährigen Geschichte
und Tradition schöpfe. Dass in Bingen wieder regelmäßig jüdisch geprägte
kulturelle Veranstaltungen stattfinden und jüdische Feste gefeiert werden
und noch dazu in den Räumlichkeiten der während der Reichspogromnacht
ausgebrannten, dann jahrzehntelang kaum beachteten und in den 70ern teils
abgerissenen ehemaligen Synagoge, das sei ein besonderes Zeichen.
Veranstaltungen, wie eben nun auch die Lesung Dörings mit Gedichten von
Gertrud Kolmar: Ergreifende Texte, die von Hoffnung und Liebe sprechen, aber
auch von Sorgen und einem Gefühl der Unbehaustheit. Auf besonderen Zuspruch
beim Publikum stoßen drei Vertonungen Dörings, die in ruhigem, manchmal fast
plauderndem Gesang zur Gitarre zeigen, wie gut sich diese Gedichte mit ihrer
regulären Rhythmik auch als Lieder eignen. So etwa 'Die Fahrende', deren
Visionen von Reise und Heimkehr dem traurigen Thema des Gedenktags eine
hoffnungsvolle Bilderwelt entgegenstellt: 'Nackte, kämpfende Arme pflüg ich
durch tiefe Seen, In mein leuchtendes Auge zieh ich den Himmel ein.
Irgendwann wird es Zeit, still am Weiser zu stehen, Schmalen Vorrat zu
sichten, zögernd heimzugehen, Nichts als Sand in den Schuhen, Kommender zu
sein.' Er fühle sich sehr wohl bei 'Tiftuf', erzählt Döring später. Der
Kontakt sei entstanden, als Döring sich angeboten hatte, ein Gemälde der
Synagoge zu erstellen, wie es vor einiger Zeit für die Außenwand des
heutigen Feuerwehrgebäudes diskutiert wurde. Dann sei aber vor allem seine
Musik im Verein mit offenen Armen empfangen worden. Mittlerweile ist Döring
selbst Mitglied.
Die Synagoge, wie sie aussah, bevor Binger Nationalsozialisten das Gebäude
1938 in Brand steckten, konnten die Gedenkenden an diesem Abend einmal mehr
als Projektion an der Außenwand des noch bestehenden Gebäudes bewundern."
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Januar 2020:
Die Stolpersteine werden von
Schülern gereinigt |
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 31.
Januar 2020: "Binger Schüler reinigen Stolpersteine. Geschichts-AG der
Rochus Realschule plus setzt sich mit den Schicksalen deportierter Binger
Juden auseinander.
BINGEN. Am 27. Januar 1945 wurde das Lager Auschwitz-Birkenau, dessen Name
wohl mehr als alles andere für die Grauen und Verbrechen der
Nationalsozialisten steht, von der Roten Armee befreit. Um die Geschehnisse
von damals nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und ein aktives Zeichen
gegen neuerlichen Rassismus und Antisemitismus zu setzen, begaben sich
einige Schüler der Geschichts-AG an der Rochus Realschule plus an die
ehemaligen Wohnhäuser jüdischer Binger Bürger, um die dort zu deren Gedenken
verlegten Stolpersteine zu reinigen. Die Stolpersteine wurden dabei bewusst
gewählt, da sich die Schüler in den vergangenen Monaten mit einigen
Schicksalen ehemaliger jüdischer Bürger Bingens auseinandergesetzt hatten,
um ihnen im Rahmen einer schuleigenen Ausstellung ein Gedenken zu setzen.
Dabei wurde für 15 Personen ein 'Erinnerungskasten' gestaltet, wobei für
jedes Lebensjahr ein farbiger Holzwürfel gestaltet wurde. Die Farben sind
den jeweiligen Lebensphasen der Person zugeordnet. So steht die Farbe weiß
für die ersten sieben Lebensjahre, in denen man noch ein 'unbeschriebenes
Blatt' ist und sich vollkommen frei entwickelt. Daran schließt sich die
Farbe rosa an, die für die Pubertät und stärkere Entwicklungen steht.
Weitere Farben sind dann rot, blau, grau und schwarz. Die Ausstellung, die
unter dem Namen 'Gelebtes Leben – geraubtes Leben' läuft, wird im Rahmen der
Feierlichkeiten zur Ernennung zur 'Schule ohne Rassismus – Schule mit
Courage' eröffnet. Bei den Ideen für die Ausstellung hatten sich die Schüler
gemeinsam mit ihrem begleitenden Lehrer Marcel Griesang von der Hunsrücker
Künstlerin Jutta Christ inspirieren lassen. Einer der gereinigten Steine
erinnert an Ida Dehmel, die am 14. Januar 1870 geboren wurde. Sie stammte
aus einer alteingesessenen Binger Winzerfamilie. Sie setzte sich aktiv für
Frauenrechte ein. Nachdem ihr Sohn 1917 im Ersten Weltkrieg gefallen war und
sie der nächste Schicksalsschlag mit dem frühen Tod ihres Mannes im Jahr
1920 ereilt hatte, intensivierte sie ihren Kampf für Frauenrechte noch. Mit
der Machtübernahme der Nationalsozialisten sah sie sich dann auch massiven
Einschränkungen ausgesetzt. Dies führte dazu, dass sie im Jahr 1942, als die
Deportationen in den Osten einsetzten, keinen anderen Ausweg mehr für sich
sah als den Freitod.
Nachdem die Schüler auch die Stolpersteine des Ehepaares Paul und Paula
Steinberg gereinigt hatten, begaben sie sich zum letzten an diesem Tag
zu reinigenden Erinnerungsstein. Simon Berg wurde im Jahr 1869 in
Weiler geboren und hatte vier Kinder. Während sein Sohn Walter es schaffte,
nach Amerika zu emigrieren, kamen zwei seiner drei Töchter in den
Todeslagern im Osten ums Leben. Er selbst wurde 1942 in einem der
sogenannten Judenhäuser in Bingen untergebracht. Dort pferchten die
Nationalsozialisten die noch verbliebenen jüdischen Bürger ein, um dann ihre
ursprünglichen Wohnungen und Habseligkeiten zu plündern und
weiterzuverkaufen. Außerdem konnten sie sie so besser für die bald
anstehenden Deportationen überwachen. Simon Berg wurde schließlich am 27.
September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Dieses Lager versuchten die
Nationalsozialisten der Welt als jüdische Mustersiedlung zu verkaufen.
Heinrich Himmler, der Chef der SS, hatte hier sogar das internationale Rote
Kreuz einbestellt, um ihnen dieses 'vorbildlich' geführte Lager zu
präsentieren. Natürlich hatte man für diesen Tag das Lager herausgeputzt und
den 'Besuchern' nur wohl genährte Menschen und sogar einen Kinderspielplatz
gezeigt. Wie schlimm die Umstände im Lager jedoch in Wirklichkeit waren,
zeigt der Umstand, dass Simon Berg am 27. April 1944 dort als verstorben
gemeldet wurde. Die Schüler übernahmen die Reinigungsarbeiten voller Elan
und befanden im Anschluss einstimmig, dass die Pflege der in Bingen
verlegten Stolpersteine regelmäßig stattfinden sollen. Ihrer Meinung nach
ist die Erinnerung an die damaligen Geschehnisse nicht mit der Verlegung der
Stolpersteine getan, sondern muss, zum Beispiel durch die Reinigung der
Steine und die Thematisierung der Schicksale, aktiv gelebt werden, um
wirklichen Nutzen zu haben."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Literatur:
| Germania Judaica I S. 26-27; II,1 S. 82-85; III,1 S. 116-128. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 101-106. |
| Beate Goetz: Jüdisches Bingen. Von der Einweihung
der Synagoge in der Rochusstraße bis zur brutalen Zerstörung. In: SACHOR. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit
in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Matthias Molitor
und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für
politische Bildung Rheinland-Pfalz. Erschienen im Verlag Matthias Ess in Bad
Kreuznach. 8. Jahrgang
Ausgabe 2-1998 Heft Nr. 16. S. 15-22. Online
zugänglich (als pdf-Datei eingestellt). |
| Hans-Peter Schwarz (Hg.): Die
Architektur der Synagoge. Frankfurt a.M./Stuttgart 1988 S. 149 (Aufnahme Eingangstür
von 1789). |
| Art. "Bingen" in: "und dies ist
die Pforte des Himmel". Synagogen Rheinland-Pfalz - Saarland. Reihe: Gedenkbuch
der Synagogen in Deutschland Bd. 2. 2005 S. 108-115 (mit weiteren
Literaturangaben bis 2005). |
| Ofer Ashkenazi: Exile at Home: Jewish Amateur
Photography under National Socialism, 1933-1939. In: Leo Baeck Institute
Year Book 2019. Oxford University Press. S. 115-140.
Anmerkung: betr. Ludwig Simon und seine Familie in Bingen (1880-1938
Gaustraße 6). Ausgewertet werden die im Jüdischen Museum Berlin vorhandenen
Fotografien. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Bingen. From the 11th century,
Jewish moneylenders were permitted to settle there as protected Jews (Schutzjuden),
the archbishops levying taxes on their wealth. The community later suffered
expulsion (1198) and the Black Death persecutions of 1348-49. R. Seligmann Bing
convened an assembly there in 1456, hoping the bring all the Rhinleland
communities under his jurisdiction, but the attempt failed. In 1490 a fire
destroyed the Jewish quarter (Judengasse) and in 1507 Jews were banished
from the city. Following its reestablishment, the community made slow progress
until the French occupation (1793-1813), when it numbered 297 and a delegate
from Bingen attended the Paris Sanhedrin (1807). Many Jews welcomed the 1848
revolution and enlisted in the National Guard. When an organ and other reforms
were introduced in 1871, Orthodox members left the community and established a
separate Jewish community (Austrittsgemeinde). At a meeting held in
Bingen (prior the the First Zionist Congress) on 11 July 1897, the establishment
of a German Zionist Organization was approved. By 1900, the community had grown
to 713 (7,4 % of the total). Jews played a major role in civic affairs and
commerce, wine production being one of their specialties. Under the Weimar
Republic, branches of the Central Union (C.V.), Jewish War Veterans Association,
Zionist Organization, and other national bodies were active. On 1 April 1933,
stormtroopers inaugurated the boycott of Jews and Jewish-owned stores. Nazi
legislation (1933-38) resulted in the dismissal of Jewish professionals and the
"Arynization" of Jewish businesses enterprises. On Kristallnacht (9-10
November 1938), Jewish department stores on the city were vandalized, the
imposing Liberal synagogue was ransacked and the burned to the ground, and the
Orthodox's synagogue's interior was destroyed. Of the 465 Jews (3,3 %) living
there in 1933, 243 had left or emigrated by 1939; the 169 who still remained
were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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