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Friedhöfe in der Region"
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Sulzbürg (Gemeinde
Mühlhausen, Kreis Neumarkt in der Oberpfalz)
Jüdischer Friedhof
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite zur Synagoge in Sulzbürg (interner
Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
Der jüdische Friedhof in
Sulzbürg geht auf die Zeit des 14./15. Jahrhunderts zurück (derzeit
wird meist die Zeit um 1435 für die Anlage des Friedhofes angenommen;
die jüdische Gemeinde bestand seit etwa 1300). Der älteste lesbare
Grabsteine ist von 1647 (Rivka, Tochter des Gemeindeältesten Meir Sulzburger),
nach neueren Angaben ist der älteste heute noch erhaltene Grabstein von 1656.
Der letzte Grabstein ist der von Johanna Wertheimer (gest. 25. April 1938 in
Regensburg, beigesetzt am 27. April 1938).
In der älteren Zeit wurde die auf einem unebenen, felsigen Gelände gelegene
Friedhofsfläche möglicherweise mehrfach aufgeschüttet, da eine Erweiterung
zunächst nicht möglich war. Um 1855 und 1905 wurden Erweiterungen vorgenommen.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der Friedhof geschändet. Danach erfolgte keine
Beisetzung mehr, der Friedhof wurde geschlossen. Nach Kriegsende mussten Sulzbürger
Einwohner auf Befehl des amerikanischen Militärs die umgeworfenen Grabsteine
wieder aufrichten.
Der Friedhof umfasst heute eine Fläche von 37,00 ar. Das Gelände ist nördlich
und südlich von einer Mauer, westlich und östlich von einem Drahtzaun umgeben.
Historischer Text
Betrachtungen von Rabbiner Dr. M.
Weinberg, Neumarkt (Oberpfalz) zu Synagoge und Friedhof der Gemeinde Sulzbürg
(Artikel in: 'Bayerische Israelitische Gemeindezeitung' von 1. April
1928. S. 86-88, Textabbildungen dazu siehe
Seite zur Synagoge bzw. unten die abgebildeten Fotos):
In meiner soeben erschienenen
'Geschichte der Juden in der Oberpfalz', Bd. IV, habe ich versucht, die
Geschichte der alten ruhmreichen Gemeinde Sulzbürg zu verfolgen. Dabei war mir
leider aus ökonomischen Rücksichten versagt, einen besonderen Wunsch zur Ausführung
zu bringen, nämlich den, manche Darstellungen aus der Gemeinde durch Beigabe
von Illustrationen anschaulicher zu machen. Einige der vorgesehenen Bilder
erscheinen für weitere Kreise so instruktiv, dass ich sie auf diesem Wege veröffentliche.
Sie wurden mir durch den Senior der Gemeinde, Herrn Moritz Wertheimer, der dreißig
Jahre lang die Stelle des Gemeindedieners versah und mit der Gemeindegeschichte
eng verwachsen ist, vermittelt.
Sulzbürg gehört leider zu den dahinschwindenden Gemeinden (wie es deren so
viele in Bayern gibt), in denen die Führer und Einzelmitglieder stets eine
heilige Aufgabe darin erblickten, die öffentlichen Gemeindeeinrichtungen in
einer Vollendung herzustellen, die heute noch für manche Großgemeinde
vorbildlich sein könnte. Für unsere alten Glaubensgenossen in den kleinen Städtchen
und Dörfern gab es bei all ihrer geistigen Regsamkeit keine andere Möglichkeit,
sich öffentlich zu betätigen, als in ihrem engen Gemeindeleben. Im Kommune und
Staat waren sie nur passive, geduldete Mitglieder; um so mehr und umfassender
kam ihr Tatendrang im Kehilloleben zur Geltung. Man muss heute beim tieferen
Eindringen in die alten Gemeindeeinrichtungen und Gemeindebräuche oft staunen
über das tief jüdische Verständnis, über den geradezu überraschenden natürlichen
Kunstgeschmack, der noch nicht, wie heute oft, zur Schablone geworden und über
den praktischen Sinn, der sich da oft offenbart. Und war da alles in den Bereich
der öffentlichen Gemeindepflichten einbezogen wurde! In Sulzbürg zum Beispiel
stehen zwei Gemeindesessel bereit, die bestimmt sind, bei vorkommenden
Beschneidungen in das Haus gebracht zu werden, wo die Beschneidung vollzogen
wird, ebenso der Gebärstuhl, der in vorkommenden Fällen in das Haus der
Wehmutter überführt wurde und noch bis vor nicht allzu langer Zeit in Gebrauch
war, - der silberne Gemeindekamm, mit welchem die Braut von den Frauen gekämmt
wurde, bevor sie kurz vor der Hochzeit 'unter die Haube' kam usw., alles
Dinge, die heute längst aus dem Aufgabenkreis der Gemeinden geschwunden sind.
In alten, jetzt leer stehenden Synagogen einst berühmter Gemeinden finden wir
eine bis in das kleinste gehende Durcharbeitung für die religiöse Praxis, die
wir in unseren heutigen, vielfach nur für pompösen Eindruck hergerichteten,
vergeblich suchen. In diesen Einzelheiten gerade merkt man die Liebe, mit der
man an allem hing, was das religiöse Gemeinschaftsleben betraf. Ich möchte
hier auch an die leider noch so wenig bekannten, kulturhistorisch so überaus
bedeutsamen Memorbüchern erinnern, die als besonders heiliges Besitztum, immer
wieder durch neue Einträge bereichert, von einer Generation zur anderen überging
und die bedeutenden Persönlichkeiten der Gemeinde in der Erinnerung weiterleben
ließ. In dem individuellen Geschmack, mit dem man sie ausstattete, zeigt sich
die oft ergreifende Hingabe für höhere, über den Augenblick hinausgehende
Interessen und Ideen.
Die Synagoge von Sulzbürg verkörpert diese Schönheit und Zweckmäßigkeit
in sich in besonderem Maße, zumal jetzt, wo sie im vorigen Jahre mit tatkräftiger
Unterstützung des Gemeindeverbandes renoviert ist und sich in ursprünglicher
Schönheit uns präsentiert, wie sie sich im Bild 1 zeigt. Der Bau selbst ist
von ganz besonderer Eigenart. Er ist direkt in den Berg hineingetrieben. So
ergibt es sich, dass an der oberen und Hauptfront, wo der Eingang in die
Frauensynagoge sich zur ebenen Erde befindet, das Dach nur zwei bis drei Meter
über den Boden ragt, während der Weg zur Männersynagoge dort auf einer
massiven Außentreppe neben dem Haus bergab führt. Die Rückfront, die den
Haupteindruck vermittelt, hat dadurch die Höhe von etwa zehn bis zwölf Metern.
Wohlausgestattete Räume für die Wohnung des Kultusbeamten, die Schule und
Gemeindesitzungen sind eingebaut (Bild 2).
Von ganz besonderer bizarrer Eigenart ist der Friedhof auf Bergeshöhe,
mitten im Ort gelegen. Man möge das Einzelne über ihn in meinem eingangs erwähnten
Buche nachlesen. Hier möchte ich zur Illustration der Art, wie man früher ein
viel ausgeprägteres Verständnis für natürliche Formen hatte, etwas auf die
Grabsteine eingehen. Die vielen, zum Teil ganz, zum Teil halb in den Erdboden
versunkenen, zum großen Teil aber noch recht gut erhaltenen Denkmäler wirken
gerade durch ihre Schlichtheit und Einfachheit, aber auch dort, wo man künstlerische
Verzierungen in der Aufschrift angebracht hat, geradezu ergreifend. Die heutigen
Friedhöfe möchte man Marmor- oder Granitsteinbrüche nennen. Marmor und Granit
sind aber das Material für öffentliche Denkmäler berühmter Persönlichkeiten;
sie sollen die Jahrhunderte überdauern. Übrigens sind Marmor und Granit
hierzulande keine heimischen Gesteine und erwecken dadurch auf unseren Friedhöfen
einen fremdartigen unharmonischen Eindruck. Was sollen diese, sicherlich in
aufrichtiger Pietät errichteten Prunkdenkmäler auf den jüdischen Friedhöfen?
Das Andenken derer, denen sie gewidmet sind, wird durch solche Prunkdenkmäler
nicht eine Stunde länger wach erhalten, als durch ein einfaches, schlichtes
Sand- oder Kalksteindenkmal; fast könnte man sogar die Beobachtung machen, dass
ein schlichter Stein heutzutage inmitten seiner pompösen Umgebung einen ganz
besonders wirksamen und auch für die Hinterbliebenen ehrenden Eindruck erwecken
würde. Gar mancher möchte sich von dieser modernen Richtung abwenden und sich
zu der alten jüdischen Schlichtheit zurückwendend, einem lieben Abgeschiedenen
einen feinem Wesen entsprechenden schlichten Grabstein errichten; aber es
erfordert schon einen ziemlichen Mut, gegen den auch das gesamte übrige jüdische
Gebiet vielfach beherrschenden modernen Geist der Uniformierung aller äußeren
Formen anzuknüpfen. Dass dadurch auch sozial unangenehme Nebenerscheinungen gefördert
werden, wer sollte das bestreiten? Und gerade bei der Gelegenheit, die uns am
eindringlichsten die Gemeinschaft der Zukunft aller menschlichen Geschöpfe vor
Augen führt! Gar mancher Unbemittelte, der nicht zurückstehen möchte, wird zu
schwer drückenden, für ihn unverhältnismäßig hohen Ausgaben für ein
Grabdenkmal gezwungen, weil es ihn geniert, hinter anderen zurückzustehen; auf
jeden Fall aber wird ihm das schwere Los seiner Armut gerade in den schwersten
Momenten seines Lebens vor aller Welt vor Augen geführt.
Das Anbringen von Goldinschriften auf jüdischen Grabsteinen ist unpraktisch,
denn sie erschweren in hohem Maße das Lesen der Grabschrift, wie sich jeder
leicht überzeugen kann. Tiefschwarze Schrift auf weißem Grund erscheinen mir
als die gegebene wirksamste Farbengebung. Vielfach findet man auch, gerade auf
den Friedhöfen kleinerer Orte Glasplatten als Inschriftenträger. Sie sind
ebenso abzulehnen, ja noch mehr. Ein mutwilliger Steinwurf zerschmettert sie in
Scherben oder ein strenger Winter lässt auf auffrieren. Beides habe ich
beobachtet. Ein roher Granitblock bleibt zurück. Auch die geflissentlich vor
der Öffentlichkeit zur Schau getragene Gräberpflege ist durchaus nicht als
eine jüdische Erscheinung zu werten. Der Friedhof ist die Stelle, die uns die
ewige Vergänglichkeit mit eisernem Zwang vor Augen führt; er sollte dies
eigentlich schon durch seine äußere Erscheinung. Als ich einst in einem
kleinen hessischen Ort die Grabstätte meiner seligen Mutter aufsichte, machte
ich einen Rundgang, um die Gräber anderer dort zum ewigen Schlaf ruhenden Ahnen
zu finden. Dabei musste ich mich mühsam durch die alten schiefstehenden und
vielfach mehr oder minder eingesunkenen, mit Moos überwucherten Steine
hindurchwinden; auf einem großen Teil der Grabstätten wuchsen wilde Bäume
oder undurchdringliches Gebüsch, das nur schwer zu überwinden war. Plötzlich
erschreckte mich ein aus einem solchen Grabgebüsch hervorspringender flüchtender
Hase. – Gewiss herrschte dort nicht das nach heutigen Begriffen erforderliche
Mindestmaß von Ordnungssinn; trotzdem aber war es für mich eine heilige
Weihestunde, in der ich die Weltabgeschiedenheit auf mich eindringen fühlte. -
Man denke sich ein Jahrhundert weiter. Wie mancher, anspruchsvoller Granitblock
mag dann dastehen und der Name dessen, dem er gewidmet gewesen, ist trotz seiner
Kostbarkeit vergessen!
Die jüdische Gemeinde in Fürth verbot in ihren T'konauß
(Gemeindesatzungen) im 18. Jahrhundert die Errichtung von Grabsteinen, deren
Anschaffungswert über eine bestimmte kleine Summe hinausging; auf dem Stein
durfte nichts stehen als der Name des Verstorbenen. Auch einige gerade der
Bedeutendsten der Gemeinde Sulzbürg haben letztwillig verfügt, dass ihnen nur
ganz bescheidene Denksteine, nur mit ihrem Namen versehen, gewidmet werden dürfen.
Man möchte fast sagen, dass diese anspruchslosen Steine mehr die Aufmerksamkeit
der Besucher erwecken als die pompösen in ihrem schematischen Einerlei. Auf
demselben Friedhof befindet sich eine Anzahl ziemlich großer, plump
zugerichteter Steine, auf denen in großen unbeholfenen Buchstaben Namen und
Sterbetage der Verstorbenen mit einem Nagel eingeritzt sind, ein noch heute
ergreifendes Bild der Armut und zugleich Pietät der Hinterbliebenen, die nicht
die Mittel besaßen, einen Steinmetz zu bezahlen und daher ohne alle Unkosten
selbst mit eigener ungeübter Hand den Eltern diesen Denkstein setzen. Und diese
Steine wirken noch heute monumental, mehr als manche dort stehende von kostbarer
Herrichtung. Gerade sie tragen dazu bei, den Charakter dieses alle
Menschenklassen umfassenden Ortes mitzubestimmen.
Man beschäftigt sich in neuerer Zeit viel mit Friedhofs- und Grabsteinpflege.
Die Literatur hierüber ist ansehnlich. Da findet man oft auch ein Kapitel über
jüdische Friedhöfe. Ihre ganz besondere Individualität und die eindrucksvolle
Wirkung auf den Beschauer wird stets betont. Diese scheinbar planlos
nebeneinander stehenden, verwitterten Zeugen alter Vorzeit verfehlen nie ihren
Eindruck. Die nichtjüdischen Besucher des alten Frankfurter jüdischen
Friedhofes erleben dort eine Weihestunde. Kann man Gleiches von unseren modernen
jüdischen Friedhöfen behaupten oder wird man es einst von ihnen behaupten können?
Zeugen diese überhaupt noch eine eindrucksvolle spezifische jüdische Note, die
ja auch der nichtjüdische Besucher hier zu finden hofft? Finden wir nicht
vielmehr das Bestreben, jüdische Eigenart oft zu verbergen und der Angleichung
an die ‚moderne Friedhof- und Grabsteinpflege', statt Anknüpfung an die jüdische
Tradition, wie sie doch an diesem Ort ganz selbstverständlich sein sollte?
Warum verpönt man auf einem jüdischen Friedhof die hebräischen
Schriftzeichen? Gibt doch gerade ihre, wie von den nichtjüdischen Beschauern
anerkannt wird besonders monumentale Wirkung unseren Friedhöfen ihre besondere
Eigenart. Das Entscheidende für Form, Ausstattung und Inschrift ist oft nur der
Kostenpunkt; alles übrige überlässt man dem privaten Kunstverständnis des
Steinmetzen. So war es nicht bei unseren Vorfahren, die ihre eigenen Wünsche
bei der Gestaltung eines Grabsteines wohl durchzuführen wussten.
Grabsteininschrift und Ornament sind da oft bezüglich des Verstorbenen
unmittelbar belehrend. Da finden wir z.B. in Baierdorf unter den angebrachten
Ornamenten zuweilen eine Ganz; sie weist auf den Familiennamen 'Gans'; oder
in Sulzbürg bei den Familien Löwenmayer einen Löwen und den Mitgliedern der
Familie Hirsch einen Hirsch. Das ist zwar naive Kunst, aber gerade deshalb
wirklicher, natürlicher Sinn für Kunst, statt der nichtssagenden monotonen Ästhetik,
die sich auf den modernen Grabsteinen zeigt. Auf einem Stein des Sulzbürger
Friedhofes, der einem Ermordeten gewidmet ist, finden wir die Mordwerkzeuge
abgebildet. Diese Anbringung der Dolche vermag vielleicht unserem modernen
Geschmack nicht mehr zu entsprechen; das ist auch nicht erforderlich. Es genügt,
dass sie dem Empfinden ihrer Zeit Rechnung trägt. Und wie angemessen präsentieren
sich die herkömmlichen Embleme, die auf die besonderen Beziehungen des
Verstorbenen auf sein Judentum hinweisen! Auf den Grabsteinen des Kohen die
segnenden Priesterhände, auf denen der Leviten die Waschkanne und auf denen des
Beschneiders das Mohelmesser. Wir bringen als besonders schönes Beispiel dieser
Art das Bild des Grabsteines des Privatrabbiners und Gemeindevorstehers Simon
Hirsch, Neustein in Sulzbürg. Hier zeigen die Hirsche auf seine Personennamen
Hirsch, das Messer auf seinen heiligen Beruf als Mohel und das verschlossene Tor
am Fuße des Steines auf seine Eigenschaft als Vorbeter an den hohen Feiertagen,
wo er durch die Urgewalt seiner Andacht die Öffnung des Tores herbeiführte.
Gerade dieser anspruchslose kleine Stein zeigte, wie wirkungsvoll die altjüdische
traditionelle Grabsteinpflege sein konnte. Auch er war verwittert und musste
aufgefrischt werden; aber warum sollen gerade die Friedhöfe, die markantesten
Zeugen allgemeiner Vergänglichkeit alles Irdischen, von der Vergänglichkeit
ausgeschlossen sein, wie man mit den modernen Granit- und Marmorblöcken
verhindern zu wollen scheint? Wenn der Friedhof, gerade in seinen älteren
Teilen uns ein Bild des Verfalles zeigen sollte, so ist das ganz natürlich und
gibt ein wirkungsvolles Bild seines Zweckes. Damit soll selbstverständlich
nicht der Verwahrlosung und der planlosen Unordnung das Wort geredet werden.
Ich rekapituliere: Man hüte sich vor der allzugeflissentlich zur Schau
getragenen Gräberpflege.
Man nehme den Wert des Grabmonumentes nicht als Gradmesser der Trauer und der
Pietät der Hinterbliebenen. Dies wirkt unter Umständen recht unsozial niederdrückend
auf die Minderbemittelten. Ohne Zweifel ist die Aufwendung einer hohen Summe für
ein Monument ja ein Ausdruck echter Pietät. Doch konnte sie vielleicht
zweckdienlicher erfolgen, ohne dass diese Pietät vor der breiten Öffentlichkeit
eine Schmälerung findet. Greifen wir auch hier auf die Vergangenheit zurück.
Auf dem Bezirksfriedhof von Georgensgmünd finden wir in Stein eingegraben, dass
der oder jener letztwillig eine bestimmte Stiftung erreicht hat; so zum
Beispiel, dass jemand einen Brunnen auf dem Friedhof bauen ließ, oder einen
gepflasterten Weg zu ihm. Dies würde auf dem Friedhof an geeigneter Stelle
eingemeißelt. Vielleicht könnte man diesen Brauch übernehmen. Es könnte auf
einer Tafel in der Friedhofshalle fortlaufend berichtet werden, dass von N.N.
anlässlich des Hinscheidens seines Vaters der und der Betrag für den und den
Zweck gestiftet wurde. Das ist sicherlich ein Monument, das das Andenken des
Verstorbenen pietätvoll und unauslöschlich der Nachwelt überliefert. Nebenbei
kann trotzdem der Individualität bezüglich der Ausgestaltung der Grabsteine im
Einzelnen freier Spielraum gelassen werden.
Man hüte sich endlich vor Schablonisierung und knüpfe an die traditionelle, jüdische
Gestaltung von Grabstein und Friedhof an. Dann werden die jüdischen Friedhöfe
auch wieder ihre individuelle Eigenart erhalten.
Lage des Friedhofes
Erreichbar über die Engelgasse, die direkt zum Friedhof führt.
Ein Schlüssel ist erhältlich im Haus oberhalb des Friedhofseinganges
(Engelgasse).
Fotos:
(Farbfotos: Hahn, Aufnahmedatum 23.6.2006)
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Sommer 2007:
Jüdischer Friedhof von Sulzbürg wird für 253.000
Euro saniert (Sommer 2007) |
Links:
Presseartikel aus der Fränkischen Landeszeitung Ansbach vom 28. Juni
2007: "Hebräische Inschriften stark verwittert. Außergewöhnliches
Projekt: Jüdischer Friedhof von Sulzbürg wird für 253.000 Euro
saniert.
Mühlhausen (dpa) - Im Gegensatz zu den üblichen Gepflogenheiten soll in
Sulzbürg bei Mühlhausen (Landkreis Neumarkt) ein nicht mehr genutzter
jüdischer Friedhof saniert werden.
Die Grabsteine dort seien zum Teil in einer einzigartigen Ausprägung des
Hebräischen beschriftet, sagte Bürgermeister Anton Galler. Allerdings
sind die Inschriften mittlerweile stark verwittert und einige der
Grabsteine drohen auseinander zu brechen. Bis Ende 2008 soll deshalb das
Bau- und Geschichtsdenkmal für insgesamt 253.000 Euro restauriert werden.
Knapp die Hälfte des Geldes wird vom bayerischen Kunstministerium zur
Verfügung gestellt..."
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken. |
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Dezember 2008: Bucherscheinung
und Ausstellung über den jüdischen Friedhof |
Artikel in der Mittelbayerischen Zeitung vom
3. Dezember 2008 (www.mittelbayerische.de
(Artikel)):
"Leidensgeschichte der Juden in Fotos.
Das Leben jüdischer Bürger aus Sulzbürg und aus Regensburg, aber auch ein paar Jahrhunderte jüdischer Geschichte in der Oberpfalz blättert eine Ausstellung bei der Jüdischen Gemeinde am Brixener Hof auf. Der Fotograf Edgar Pielmeier hat den jüdischen Friedhof in Sulzbürg porträtiert. Eigentlich sollte die Ausstellung genau zwei Tage dauern. Weil aber eine solche Schau heute mehr denn je wichtig für jüdische Gemeinden sei,
'lassen wir sie stehen', sagte Hans Rosengold, sichtlich überrascht über den großen Andrang bei der Eröffnung.
'Mindestens eine Woche. Dann sehen wir, wie wir damit zurecht kommen.' Eine Verlängerung sei denkbar.
Die Räume am Brixener Hof sind ein ungewöhnlicher Ort für eine Ausstellung und doch so geeignet wie kaum ein anderer. Denn hinter jüdischen Grabsteinen im Land verbirgt sich die wechselvolle Geschichte der Juden Bayerns. In Sulzbürg erzählt der Friedhof auch vom Schicksal zahlreicher Regensburger Juden. Viele Grabsteine dort führen den Familiennamen
'Regensburger' mit. 'Für mich ist es daher eine Ehre, meine Bilder hier zeigen zu dürfen,' dankte Edgar Pielmeier seinen Gastgebern.
Ein Dreivierteljahr lang war er zu allen Tages- und Nachtzeiten, Winters wie Sommers nach Sulzbürg gefahren, um ein Jahr vor der Sanierung des Friedhofs den historischen Zustand in Bildern einzufangen. Dies ist ihm mit besonderer Sensibilität gelungen. Seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen lesen sich wie ein kurzweiliges Geschichtsbuch ohne Düsternis, dafür mit einer entspannten Ästhetik, die der würdevollen Schönheit und Ruhe solcher Orte gerecht wird. Und das ist gerade deshalb bemerkenswert, weil jüdische Friedhöfe wenig Pomp aufweisen und all zu oft Verwüstungen ausgesetzt sind.
Pielmeiers Aufnahmen integrieren sich wie selbstverständlich in den großen Saal der jüdischen Gemeinde, ebenso die historisch hervorragend ausgearbeiteten Erläuterungen von Prof. Heide
Inhetveen. Die Erklärungen betten die Aufnahmen ein in den geschichtlichen Kontext. Die Informationen werden gut lesbar auf großen durchscheinenden Transparenten vermittelt. Fotografien und Texte bilden ästhetisch eine Symbiose mit dem Saal der Jüdischen Gemeinde.
Dabei war es Zufall oder 'Fügung', dass sich Fotograf und Autorin auf dem alten Friedhof in Sulzbürg trafen. Schon lange hatte Inhetveen den Wunsch, eine Arbeit über die jüdische Geschichte Sulzbürgs zu verfassen. Pielmeier war über eine kleine Zeitungsnotiz gestolpert, die eine Sanierung des Friedhofs ankündigte.
Rund 150 jüdische Friedhöfe gibt es in Bayern. Davon sind 110 geschlossen und 25 noch in Funktion – so wie der jüdische Friedhof in Regensburg, der noch aus dem Jahr 1822 stammt." |
Website des Fotografen Edgar Pielmeier: http://www.fotografie-online.info/ |
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November 2009:
Ausstellung zum jüdischen Friedhof Sulzbürg in Neumarkt
(bis Ende Januar 2010 im Stadtmuseum
Neumarkt) |
Artikel in den "Neumarkter Nachrichten" vom 16. November 2009 (Artikel): "Atmosphäre der Vergänglichkeit beeindruckt.
Foto-Ausstellung 'Hier ist verborgen' eröffnet - Bilder vom jüdischen Friedhof Sulzbürg lockten viele.
NEUMARKT (nin) - 'Hier ist verborgen' heißt die Foto-Ausstellung, die noch bis Ende Januar im Stadtmuseum zu sehen ist. Gestern wurde sie eröffnet - und die zahlreichen Besucher waren beeindruckt. Wer glaubte, dass er mit einem Vorlauf von einer Viertelstunde noch einen Platz bei der Eröffnung ergattern würde, irrte: Alle Stühle waren besetzt, an den Wänden und den Türen der Nebenräume drängten sich die Interessierten. Alle wollten sie unter den ersten sein, die einen Blick auf die Impressionen vom jüdischen Friedhof Sulzbürg werfen durften.
In schwarzes Holz gerahmt hängen die Bilder von Edgar Pielmeier, Direktor des Regensburger Studienseminars St. Emmeram, an den Wänden.
'Erstaunlich', so findet Dekan Norbert Dennerlein, in Bezug auf die Qualität der Fotos,
'dass dieser Mann die Fotografie nur als leidenschaftliches Hobby betrachtet'. Denn: Die Bilder, die in den vergangenen beiden Jahren entstanden sind, fangen noch rechtzeitig vor Beginn der derzeit laufenden Konservierungsmaßnahmen die besondere Atmosphäre der Vergänglichkeit des Friedhofs ein. Bis 1879 wurden hier auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde Neumarkt bestattet. Die jahrhundertealte Geschichte des Friedhofs beschreibt in Texten zu den Bildern Heide Inhetveen, Profession für Agrarsoziologie.
'Interessant und berührend', urteilt ein Besucher. Und will nächste Woche noch einmal in Ruhe wieder kommen.". |
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November 2009:
Vortrag von Andreas Angerstorfer |
Artikel vom 27. November 2009 in "neumarktonline.de"
(Artikel):
"'Steine erzählen'. Der Jüdische Friedhof in Sulzbürg.
NEUMARKT. Der bekannte Judaist und Experte für Biblische Sprachen Dr. Andreas Angerstorfer (Universität Regensburg) wird am Dienstag um 19 Uhr im Stadtmuseum über seine Forschungen zu den Grabsteinen des Jüdischen Friedhofs in Sulzbürg berichten.
Die Entzifferung der teilweise sehr verwitterten Inschriften wurde durch die derzeit laufenden Konservierungsmaßnahmen im Jüdischen Friedhof Sulzbürg möglich.
Es ist Dr. Angerstorfer gelungen, die Grabinschriften für etwa 320 Sulzbürger Männer, Frauen und Kinder zu identifizieren. Knapp 100 Personen gehören zu den nicht nur aus der jüdischen Geschichte Sulzbürgs bekannten Familien Neuhaus (14), Feuchtwanger (15), Löw (16), Neustädter (20) und Regensburger (28). Aus den Texten erfährt man von ihren Wurzeln in Franken und Schwaben.
Einige besonders kunstvoll komponierte hebräische Inschriften zeichnen ein Bild bekannter Sulzbürger Juden des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie rühmen ihr großes Engagement in ihrer Gemeinde in religiösen Funktionen (Vorbeter, Rabbiner) und in sozialen Belangen (Stiftungen, Spenden, Armenkasse). Sie sprechen auch voller Respekt von Leben mit Behinderungen.
Der Vortrag von Dr. Angerstorfer findet im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung "Hier ist verborgen. Impressionen vom Jüdischen Friedhof in Sulzbürg" im Stadtmuseum Neumarkt statt. Es ist Mittwoch bis Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet." |
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Januar 2010:
Weiteres Begleitprogramm zu Ende der Ausstellung
(31. Januar 2010) |
Artikel bei "neumarktonline.de" vom 7. Januar
2010 (Artikel):
"Führung geplant
NEUMARKT. Begleitend zur Sonderausstellung 'Hier ist verborgen' im Neumarkter Stadtmuseum findet am Sonntag um 14.30 Uhr eine Führung über den Jüdischen Friedhof in Sulzbürg statt.
Die fachkundigen Erläuterungen von Prof. Heide Inhetveen sollen einen interessanten Einblick in die Besonderheiten jüdischer Bestattungsrituale sowie über die vielen Details des Sulzbürger Friedhofes und seiner Symbolik vermitteln. Zudem will man die Jahrhunderte lange jüdische Vergangenheit des kleinen Oberpfälzer Dorfes anschaulich darstellen. Treffpunkt ist um 14.30 Uhr das Eingangstor des Jüdischen Friedhofes. Entsprechend der Witterung sollte auf festes Schuhwerk geachtet werden.
Im Rahmen der Sonderausstellung 'Hier ist verborgen' stehen noch weitere Veranstaltungen in den Räumen des Stadtmuseums auf dem Programm: So am Samstag, 16. Januar, um 20 Uhr ein Klezmerkonzert mit Klezmaniaxx aus Erlangen. Der Kartenvorverkauf läuft bereits über die Touristen-Information.
Und zum Ausstellungsende am 31. Januar wird es um 17.30 Uhr eine Führung durch die Ausstellung mit Edgar Pielmeier und Prof. Heide Inhetveen geben, sowie um 19 Uhr den Vortrag
'Name und Hand – Zur Kultur jüdischer Erinnerung' von Dr. Markus May, Dozent für Neuere deutsche Literatur an der Ludwig-Maximilian-Universität München.
Die Ausstellung kann noch bis zum 31. Januar besucht werden, jeweils Mittwoch bis
Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr." |
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Juli 2015:
Nachfahren der jüdischen Familie
Freising besuchen den Friedhof |
Artikel von Wolfgang Endlein in der "mittelbayerischen.de"
vom 22. Juli 2015: "Geschichte. Es ist ein Urlaub mit Geistern
Die Amerikaner Jerry und Tristan Falek besuchten Sulzbürg. Einst lebten hier
ihre jüdischen Vorfahren. Dann kamen die Nazis.
Sulzbürg. Sonne, Meer und Surfen: Diese Gedanken kommen einen in den
Sinn, wenn Tristan Falek sagt, dass er aus Santa Cruz in Kalifornien kommt.
Die lässige schwarze Brille des 27-Jährigen scheint da gut zu passen – auch
wenn das Meer und die Wellen am Mittwoch in Sulzbürg weit weg sind. Die
Sonne brennt aber auch in der Oberpfalz unerbittlich vom Himmel herab – und
doch trägt Tristan die undurchdringlichen schwarzen Gläser wohl aus einem
anderen Grund. Sein Besuch in Sulzbürg ist emotional. Tränen fließen.
Nicht nur bei Tristan – auch bei dessen Vater Jerry Falek. Immer wieder muss
der 65-Jährige innehalten, seine Gedanken und Gefühle sammeln, als er am
Grab seiner Urgroßmutter Doris Freising steht. Für ihn ist es der zweite
Besuch, für den Sohn eine Premiere. 'Es ist nochmal intensiver, weil man den
Ort besser kennt', sagt Jerry. Es ist kein normaler Besuch auf einem
normalen Friedhof. Die Vorfahren der beiden Faleks waren nämlich Juden – wie
so viele einstige Sulzbürger. Und viele waren es auch, die in den
Todeslagern der Nationalsozialisten umkamen. Auch die Freising verloren
Familienmitglieder durch den Holocaust.
'Es ist ein Urlaub mit Geistern', sagt Jerry beim Blick auf den Grabstein
seiner Urgroßmutter. Der Amerikaner ist für einige Tage in Deutschland, um
den Geist seiner Vorfahren nachzuspüren. Der Friedhof in Sulzbürg, wo sie
die Kennerin des einstigen jüdischen Lebens im Dorf, Heide Inhetveen,
umherführt, nimmt dabei eine besondere Stellung ein. 'Es ist so, als wenn
die Geister der Vorfahren hier hochkommen – und ich spüre den Schmerz, den
sie erlitten haben', sagt Jerry und wirkt dabei keineswegs wie ein
überspannter Esoteriker. Man spürt, hier ist jemand an seine Wurzeln
gestoßen, mit denen er immer noch stark verbunden ist. Wurzeln, die mit
einem großen Unrecht verbunden sind. Denn Schmerz und Ungerechtigkeit haben
die Freisings wahrlich erlitten. Jerrys Vater Carl Freising und seine
Familie stammten aus Sulzbürg, später wurde Carl Freising ein erfolgreicher
Kaufmann in Regensburg. 1942 wurde er, seine Frau Irma, die 15-jährige
Tochter Doris und der 14-jährige Sohn Alfred von Regensburg aus gemeinsam
mit anderen Juden in die deutschen Todeslager im besetzten Polen deportiert.
Dort wurden sie umgebracht. Einzig Ruth Freising überlebte, weil sie im
Januar 1938 in die USA hatte auswandern dürfen. Diesem Umstand verdankt
Jerry sein Leben. Er ist der Sohn von Ruth Freising.
'Es ist eine Mischung aus Traurigkeit und Melancholie', beschreibt Jerry die
Gefühle, die ihn bei seinem Besuch in Sulzbürg begleiten. Hass oder sonstige
negative Gefühle gegenüber den Deutschen verspüre er nicht, sagt der
65-Jährige. Sein Sohn fügt an: 'Ich habe nichts gegen Deutsche. Ein Teil von
mir ist schließlich deutsch'. Jerry betont, wie sehr er bewundere, dass sich
Deutschland mit seiner braunen Geschichte auseinandersetze. Ein Teil dessen
sind die Stolpersteine. Jene kleinen Messingplatten mit Namen darauf, über
die man mitunter unvermittelt an den verschiedensten Orten in
unterschiedlichsten Städten stolpert. Sie sollen an Menschen erinnern, die
an diesen Orten gelebt haben und die Opfer des NS-Staats wurden. Am Freitag
wird ein solcher goldener Stolperstein in Regensburg verlegt, in Erinnerung
an Emilie und Ruth Freitag. Vater und Sohn Falek werden dabei sein. Starke
Emotionen werden sie dabei begleiten."
Link zum Artikel
Vgl. den Artikel von Gabi Hueber-Lutz in der "mittelbayerischen.de" vom 24.
Juli 2015: "Stolpersteine. Nachkommen des Opfers trauern.
Stolpersteine erinnern an die Ermordung jüdischer Mitbürger. Einer gilt
Emilie Freising, deren Wurzeln in Sulzbürg liegen..."
Link zum Artikel |
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Juli 2018:
Nachfahren der jüdischen Familie
Neuhaus besuchen den Friedhof |
Artikel von Josef Wittmann in der
"mittelbayerischen.de" vom 15. Juli 2018: "Erinnerung. Sulzbürg: Jude
besucht Gräber der Ahnen
Geoffrey Neuhaus aus New Jersey sucht nach den deutschen Spuren seiner
Familie. Seine Vorfahren wanderten aus.
Sulzbürg. Geoffrey Neuhaus aus New Jersey hat den jüdischen Friedhof in
Sulzbürg besucht, um die Gräber seiner Ahnen zu sehen. Siebzehn Grabsteine
bezeugen, dass die Familie Neuhaus seit dem 30-Jährigen Krieg in Sulzbürg
lebte. Geoffrey ist 1926 geboren und hieß als Kind Gottfried. Er stammt aus
der Linie des Sulzbürger Webermeisters Jakob Neuhaus, der im 19. Jahrhundert
in zwei Ehen 21 Kinder zeugte. Seine dritte Ehe blieb kinderlos. Über seinen
Sohn Emanuel führt der Familienstammbaum zu Hugo Neuhaus, der sich als
Kinderarzt in Ulm niederließ. Dessen Sohn
Gottfried wuchs dort mit einer Schwester auf. 'Ich war der einzige Jude in
der Klasse und wurde ein paarmal verhauen', erinnert er sich. 'Unser
Klassenlehrer war ein SA-Sturmführer und hat gehetzt. Meine Eltern haben
mich von der Schule entfernt, als wir ein Lied auswendig lernen mussten, das
mit 'Juda den Tod' endete'. Der Sturmführer habe zu seiner Mama gesagt, 'das
kann ma net ändere für den kleinen Jud'.
Von den USA nach Mexiko. Die Familie wanderte 1936 aus, und überlebte
deshalb. Der Vater praktizierte dann in Freeport auf Long Island. So feierte
Gottfried seinen 10. Geburtstag auf Hoher See, kam in die öffentliche Schule
und musste 'zwei Sprachen auf einmal lernen, nämlich Englisch und
Hochdeutsch, denn in Ulm hab‘ ich geschwäbelt. Ich habe alles mögliche
studiert und bin dann mit meiner Frau als Englischlehrer nach Mexiko
gegangen'. Später fand er Dank seiner Sprachkenntnisse eine Stelle bei einer
pharmazeutischen Firma. 'Wir waren viel in Südamerika und im Fernen Osten,
auch in Vietnam. Es war eine sehr interessante und sehr erfreuliche Laufbahn
für mich', erzählt Neuhaus. Heute lebt die Familie gegenüber von New York
auf der Westseite des Hudson.
Auf dem Sulzbürger Friedhof geht für Neuhaus ein Traum in Erfüllung. Seit
vor 70 Jahren sein erster Sohn geboren wurde, sucht er nach Spuren seiner
Familie. Nun steht er am Grab seines Ururgroßvaters Jakob und entziffert mit
der Sulzbürger Stolperstein-Initiatorin Prof. Heide Inhetveen die hebräische
Inschrift: 'Hier ist begraben ein fleißiger Mann gottesfürchtig und er mühte
sich und sorgte sich um Gottes Wort. Er ehrte die Rabbinen ... Arme an
seinem Tisch', steht da und 'Herr Jakob, der Sohn des Chawer, des Herrn
Eliezer Neuhaus starb am 4. Tag (Mittwoch), den 3. Ab 649 (d.h. 31. Juli
1889). Es sei seine Seele eingebunden im Bündel des Lebens'. In deutschen
Buchstaben ist ergänzt '... zu einem seligen Erwachen' und 'Friede seiner
Asche'.
Es kann wieder geschehen. Überall auf dem Friedhof zeigt Inhetveen
dem Ururenkel von Jakob Neuhaus die Gräber seiner Ahnen. Darunter ein
seltenes Doppelgrab der Geschwister Naftali und Hanni, die 1861 gestorben
sind, auf das Geoffreys Tochter nach jüdischem Brauch statt Blumen einen
Stein zur Erinnerung legt. Ihr Vater kann den Blick nicht von den steinernen
Zeugen der Familiengeschichte wenden. Angesprochen auf aktuelle
rechtsradikale Tendenzen hofft er, dass auch die wieder verschwinden. Heide
Inhetveen will mit ihrer Erinnerungsarbeit weiter dafür arbeiten und zitiert
den italienischen Schriftsteller und Auschwitzüberlebenden Primo Levi: 'Es
ist geschehen und es bedeutet, dass es immer wieder geschehen kann'."
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Vgl. Artikel in den "Neumarkter Nachrichten
("Nordbayern.de") vom 16. Juli 2018: "92-jähriger besucht Gräber seiner
Ahnen in Sulzbürg. Gottfried Neuhaus auf dem jüdischen Friedhof - 1936 in
die USA emigriert..."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens
in Bayern. 1988 S. 286-288. |
| Michael Trüger: Der jüdische Friedhof in
Sulzbürg.
In: Der Landesverband der Israelit. Kultusgemeinden in Bayern. 14. Jahrgang
Nr. 80 vom September 1999 S. 19-20. |
| Michael Schneeberger: Die Juden von
Sulzbürg in der Oberpfalz. In: Jüdisches Leben in Bayern. 17. Jahrgang Nr. 90
vom November 2002 S. 12-14. |
| Hans Georg Hirn: Jüdisches Leben in Neumarkt und
Sulzbürg. Reihe: Neumarkter Historische Beiträge Bd. 12. 656 S. 2011. Artikel
zur Buchvorstellung |
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