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Weimarschmieden (Stadt
Fladungen, Landkreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
(english
version)
In Weimarschmieden bestand eine jüdische Gemeinde bis vor
1919. Ihre
Entstehung geht mindestens in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1816 85 jüdische Einwohner (36,0 % von insgesamt 236), 1867 47 (19,4
% von 242), 1871 48 (20,2 % von 238), 1880 36 (16,1 % von 224), 1890 20 (11,0 %
von 181), 1900 25 (13,3 % von 188), 1910 8 (5,7 % von 140). Durch Aus-
und Abwanderung ist die Zahl der jüdischen Einwohner seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts schnell zurückgegangen.
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Weimarschmieden auf
insgesamt 17 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen, bei zwei mit Erwerbszweig): Witwe von Löw
Levi Schwab (Schnittwarenhandel), Joseph Levi Schwab (Schnittwarenhandel), Moses
Levi Schwab, Abraham Maier Mühlfelder, Samuel Salomon Nussbaum, Moses Salomon
Nussbaum, Michel Moses Schmitt, Haium Hirsch Stuttgart, Heskel Löser Schnell,
Maier David Stern, Rifke, Witwe von Levi Grünstein, Feibel Levi Ansbacher,
Moses Abraham Goldschmidt, Nehm Moses Goldschmidt, Mendel Alexander Dessauer,
Jacob Levi Schuster, Gudel, Witwe von Michel Schwarz.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war vermutlich zeitweise (in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts) ein eigener Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Später wurden die jüdischen Kinder der Gemeinde durch
auswärtige Lehrer unterrichtet (vgl. Ausschreibung der Lehrerstelle in Willmars
1875). Die jüdische
Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld,
danach zum Distriktsrabbinat Bad
Kissingen.
Die jüdischen Familien waren im Leben des Ortes weitestgehend integriert. Der
1905 verstorbene, langjährige Gemeindevorsteher der jüdischen Gemeinde David
Nußbaum war 24 Jahre lang Mitglied der bürgerlichen Gemeindeverwaltung und
davon 12 Jahre Beigeordneter des Bürgermeisters (siehe Bericht zu seinem Tod
unten).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Salomon Ernst
Nußbaum (geb. 5.3.1885 in Weimarschmieden, zuletzt mit seiner verwitweten
Mutter in Mainstockheim wohnhaft,
gef. 12.3.1915 in Belgien).
1919 waren alle jüdischen Einwohner vom Ort verzogen; die jüdische
Gemeinde wurde aufgelöst.
Von den in Weimarschmieden geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Regina Brandus geb.
Grünstein (1873), Regina Gutmann geb. Goldschmidt (1852), Berta Nußbaum
(1889), Seli (Sali) Nußbaum (1892), Emma Strauß geb. Nußbaum
(1882).
Berichte
aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibung der Lehrerstelle in Willmars
1875: zum Auftrag des Lehrers gehörte auch der Religionsunterricht in
Weimarschmieden
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1875:
"Die erledigte Elementarlehrerstelle in Willmars, verbunden mit der
Vorsänger- und Schächter-Funktion daselbst und der Erteilung des
Religionsunterrichts in Weimarschmieden, ist sofort zu besetzen.
Gehalt inklusive Nebenverdienste 626 Gulden - nebst freier Wohnung.
Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden. Willmars bei
Mellrichstadt, 9. Oktober 1875. Th. Frank, Kultusvorstand". |
Zum Tod des Lehrers Joseph Silbermann (1817-1896)
War um 1840 Lehrer in Weimarschmieden - siehe Bericht auf Seite
zu Altenschönbach
Lehrer Simon Hecht kritisiert das
antijüdisch-politische Engagement von Pfarrern (1849)
Anmerkung: Lehrer Simon Hecht (geb. 1825 in
Nordheim [1825 lt. Geburtseintrag nach
Angaben von E. Böhrer; auf Grabstein 1828]) hatte am
Israelitischen Lehrerseminar in Würzburg
studiert; er war nach seiner Entlassung
aus
Sulzdorf Lehrer in Weimarschmieden,
Kraisdorf,
1852-53 Ritzebüttel (Cuxhaven), 1856 Jever und
1857-60
Münchweiler. Nach dem Tod seines Bruder
Dr. Emanuel Hecht (Hoppstädten) 1862 ist Simon Hecht nach Amerika ausgewandert und war in Evansville,
Indiana als "Reverend" und "Rabbi" der jüdischen Gemeinde Bnai Israel tätig
(Foto der 1866 eingeweihten Synagoge
http://www.evansvilleago.org/organs/evv_bnai_Israel.htm). Eine seiner ersten
Amtshandlungen in der Synagoge Bnai Israel war eine Hochzeit am 18. Oktober 1866
(Quelle
S.8). 1868 erschien in Evansville von Salomon Herxheimer und Simon Hecht: "Der
israelitische Confirmand oder: Glaubens- und Pflichtenlehre für den Schul- und
Privatgebrauch in Reformgemeinden". Zahlreiche weitere Publikationen folgten,
u.a. in der Zeitschrift "Die Deborah". 1878 erschien die Sammlung von "Jewish
Hymns for Sabbath Schools and Families".
Über Simon Hecht vgl. u.a. Judah M. Cohen: Jewish Religious Music in
Nineteenth-century America. Buch erschien Indiana University Press 2019
https://www.amazon.com/Jewish-Religious-Music-Nineteenth-Century-America/dp/0253040213.
Vgl. in diesem Buch u.a. die
Anmerkungen auf der verlinkten Seite zu Beiträgen von Simon Hecht.
Simon Hecht starb am 17. März 1908 und wurde im Rose Hill Cemetery in Evansville
beigesetzt: Grab siehe
https://de.findagrave.com/memorial/11252550/simon-hecht.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 7. Mai 1849: "Weimarschmieden (Bayern), im April
(1849). Auch in unserer Gegend hat die Geistlichkeit den Kampf gegen die
deutschen Grundrechte begonnen und wird nicht selten auch die Emanzipation
der Juden der Gegenstand der Besprechung auf der Kanzel, sodass die Kirche
nicht mehr der Ort der religiösen Erbauung, sondern der Politik ist.
Diese Dunkelmänner benützen die unlautersten Mittel, den freien Geist
der Neuzeit, der das Volk zum Lichte führt, zu töten, und in den Staub
der Knechtschaft und der alten Nacht zu ziehen. Nicht nur auf der
Bierbank, wo größtenteils die bayerischen Pfaffen mit ihren dicken
Schmerbäuchen zu treffen sind, wird politisiert, und die Grundrechte mit
den schwärzesten Farben geschildert, sondern auch das Gotteshaus ist, wie
schon gesagt, zu einem Platze politischer Unterhaltung geschaffen. Wenn
bewusste Männer auch einen Text aus dem Alten oder Neuen Testamente zu
ihren Predigten wählen, so ist dieser gleich fürs politische Leben
benützt, und sollte diese Umwandlung mit Haaren beigezogen werden. So
hörte ich mit eigenen Ohren folgende Worte eines Pfarrers in dessen
Predigt: 'Das jüdische Volk war früher ein schöner blühender Baum, der
aber, da er sich nicht veredeln ließ, verdorrt und voller Auswüchse ist,
und nicht mehr wert ist, als dass er in den Feuerofen geworfen, und -
verbrennt wird.' Das sind die geistlichen (aber nicht geistigen) Worte
eines Mannes, der sich nennet 'einen Boten des Friedens und der Liebe'.
Leider finden ihre Worte bei der Dummheit der Rhönbewohner größtenteils
Anklang, und so wird der Judenhass genährt und gepflegt. Was die freien,
edlen Landtagsabgeordneten Unterfrankens durch veranstaltete
Volksversammlungen gut machten, wurde durch pfäffischen Einfluss wieder
vernichtet, und so gehen noch täglich Petitionen gegen Einführung der
Grundrechte ab. So wirkt auch jetzt noch das Verdummungssystem zur Freude
der Geistlichen, und diese Pfaffen halten es für keine entehrende
Zumutung, als Mittel zu dienen das Licht des freien Geistes zu
verlöschen, da sie doch als Diener der Kirche sich berufen fühlen
sollten, Licht zu verbreiten. Sie sehen nun hieraus, zu welchen Hoffnungen
die bayerischen Juden berechtigt sind, und wenn wir auch auf einzelne
wichtige Stimmen, die sich unserer Sache mit der größten Aufopferung
annehmen, zuverlässig rechnen können, so werden sie doch kaum bald ein
günstiges Resultat haben. Simon Hecht, Lehrer." |
Beitrag von Lehrer Simon Hecht "über
Synagogengesang" (1849)
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Zum Tod von David Nußbaum (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. März
1905: "Weimarschmieden. Einer der angesehensten und
verdienstvollsten Männer unseres Ortes, Herr David Nußbaum, ist im Alter
von 51 Jahren verschieden. Der Verblichene war 24 Jahre lang Mitglied der
Gemeindeverwaltung, 12 Jahre Beigeordneter des Bürgermeisters und 20
Jahre hindurch Vorstand der israelitischen Gemeinde. Seinen Bemühungen
ist es zu verdanken, dass die hiesige, fast dem Verfall anheimgefallene
Synagoge vorigen Jahres gänzlich renoviert werden
konnte." |
Zur Geschichte der Synagoge
Die Synagoge befand sich im Gebäude Gutsstraße 2. 1904 wurde
sie noch einmal auf Grund der Initiative des Gemeindevorstehers David Nußbaum
renoviert (siehe Bericht oben). Bei der Auflösung der Gemeinde wurde das
Gebäude 1919 verkauft. Danach wurde es - bis heute - als
Wohnhaus benutzt.
Foto
(Foto: Hahn, Aufnahmedatum: 11.8.2005)
|
Das Gebäude der ehemaligen
Synagoge 2005 -
zum Wohnhaus umgebaut |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 424. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 124-125; 1992² S. 134. . |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 472.
|
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 120. |
|
Gerhard Schätzlein/Brigitte Faulhaber/Walter Jahn/Renate
Schlauderna: Der Sulzgau. Eine unbekannte, wunderschöne Landschaft
der Rhön. Band 1 und Band 2. Erschien 2019 in der Bruckerei Mack in
Mellrichstadt. 800 S. 38 €.
Es handelt sich um eine umfangreiche Chronik für Brüchs, Filke,
Neustädtles, Sands, Völkershausen, Weimarschmieden und Willmars. Darin ist
unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer das jüdische Leben im Sulzgau und die
jüdischen Friedhöfe in eigenen Kapiteln dargestellt.
Dazu Artikel in der "Main-Post" vom 29. Januar 2019: "'Der
Sulzgau': Heimatkunde der besonderen Art..." sowie in der
"Main-Post" vom 20. Februar 2019: "Chronik
'Der Sulzgau': Geschichte, Geschichten und Bilder".
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Weimarschmieden Lower
Franconia.
Jews numbered 85 (total 236) in 1816, with a cemetery from the mid-18th serving
a number of nearby communities until 1909. The community ended after Wordwar I.
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