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Willmars (VG
Ostheim v.d. Rhön, Landkreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Willmars bestand bis 1941 eine jüdische Gemeinde. Ihre
Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. In dieser Zeit besuchten
jüdische Händler aus Willmars die Leipziger Messe (nachgewiesen für die Jahre
von 1722 bis 1725 und 1761). Auf dem jüdischen Bezirksfriedhof
in Neustädtles, wo die Toten der
jüdischen Gemeinde Willmars bis in die 1930er-Jahre beigesetzt wurden, ist der älteste
Grabsteine einer Person aus Willmars aus dem Jahr 1749.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: die Höchstzahl
der jüdischen Einwohner 1816 mit 161 Personen (28,0 % von insgesamt 574
Einwohnern), 1867 86 (15,8 % von 546), 1900 46 (12,3 % von 522), 1910 53
(11,8 % von 450).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Willmars auf
insgesamt 35 Matrikelstellen die folgenden jüdischen
Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Ruben
Maier Goldschmidt (Schnitthandel), Jacob Joseph Stein (Schnitthandel), Maier
Feist Weinstock (Zwilch- und Leinenwarhandel, gest. 1823), Joseph Maier
Weinstock (Rohenlederhandel), Karschmann Löw Halla (Schnitthandel), Jüdel
Joseph Neumann (Viehhandel), Haehnle Karschmann Stern (Materialienhandel, gest.
1821), Samuel Baermann Fulda (Brothandel), Löw Karschmann Halla
(Schnitthandel), Maier Jeremias Strauss (Schmusen), Aron Niesen Frank
(Schnitthandel), Salomon Simon Grünstein (Botengehen), Jacob Marcus Ledermann
(Lederhandel), Joseph Israel Bergmann (Barchanthandel), Salomon Menke Sdheier
(Viehhandel), Salomon Isaac Heidemann (Rohen Lederhandel), Samuel Israel
Gottgetreu (Schmusen), Löw Karschmann Stern (Schnitthandel), Moses Karschmann
Stern (Materialwarhandel), Juda Joseph Stein (Leinenwarhandel), Eisig Samuel
Heidemann (Alimentation), Karschmann Scholem Fried (Schullehrer, gest. 1819),
Salomon Karschmann Halla (Schnitthandel), Maier Levi Goldschmidt (Alimentation),
Selig Maier Goldschmidt (Schnitthandel), Salomon Sender Goldvogel (Schmusen),
Wolf Löw Winter (Zwilchhandel), Loeser Moses Eisenmann (Zwilchhandel), Isaac
Maier Goldschmidt (Schmusen), Salomon Israel Bergmann (Viehhandel), Jacob Gumpel
Hess (Schmusen), Witwe von Abraham Mose Wittgenstein (Stricken), Witwe von David
Joseph Siegel (Alimentation), Witwe von Marcus Baer Fulda (Schnitthandel),
Natan Stern (Feldbau und Tauschhandel, nimmt 1821 die Stelle der verstorbenen
Lehrers Fried ein), Menke Scheuer (Handel mit Häuten, nimmt 1821 die Stelle des
verstorbenen Haehnle Stern ein), Salomon Bergmann (Metzgerei, seit 1822), Baruch
Goldschmidt (Güter- und Buchbinderhandwerk, seit 1823).
An Einrichtungen bestanden neben einer Synagoge (s.u.) eine jüdische Konfessionsschule (bis
Oktober 1920, danach Religionsschule) sowie ein rituelles Bad. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war bis 1920 ein Elementarlehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war.
Als Lehrer
werden genannt (vgl. die Texte unten): Hirsch Häutemann (bis 1840; geb.
1816, war verheiratet mit Marina geb. Heß aus
Unterriedenberg),
Hirsch Hecht (um 1843; geb. 1812 in Nordheim v.d. Rhön, heiratet
1843 in Mühlfeld die von dort stammende
Marianne geb. Rosenthal), Samuel
Hommel (um 1860/65 s.u.); wer zwischen 1871 und 1884 unterrichtete, ist nicht
bekannt; Salomon Anfänger 1884 bis 1895 (danach in
Heßdorf),
dann Leopold Anfänger von 1895 bis 1901 (danach in
Memmelsdorf), Emanuel Levi von 1901 bis 1912),
Ferdinand Kissinger (um 1914 und 1918/19), Siegfried Strauß
(1919/20, geb. 1900 in Geroda) und Emanuel Scheuer, von dem im Dezember 1931
(s.u.) berichtet wird, dass er über 50 Jahre in der Gemeinde (zunächst wohl als
Vorbeter neben den genannten Lehrern, vermutlich nach Auflösung der
Konfessionsschule als
Vorbeter und Religionslehrer) gewirkt habe (nach Ophir/Wiesemann
s.Lit. war er Schaz Maz der Gemeinde, d.h. Lehrer/Kantor, der auch
Rabbinerfunktionen wahrnahm). Die jüdische
Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld,
danach zum Distriktsrabbinat Bad
Kissingen.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Siegfried Frank
(geb. in Willmars, vor 1914 in Unsleben wohnhaft, gef. 14.11.1916), Herbert
Anfänger (Sohn von Lehrer Leopold Anfänger, geb. 26.7.1897 in Willmars, vor
1914 in Würzburg wohnhaft, gef. 17.4.1917).
Um 1924 gehörten 40 Einwohner der jüdischen Gemeinde an
(8 % von insgesamt etwa 500 Einwohner). Den jüdischen Gemeindevorstand bildeten
Emanuel Kurzmann, Louis Strauß und Siegmund Breitenbach. Vier Kinder besuchten
den von Lehrer Gottlieb (Mellrichstadt) erteilten
Religionsunterricht. Anfang der 1930er-Jahre
war erster Vorsitzender der Gemeinde Leopold Goldschmidt, zweiter Vorsitzender
Moses Strauß. Als Schatzmeister war Sigmund Breitenbach tätig. Nur noch zwei
Kinder der Gemeinde besuchten im Schuljahr 1932/33 den jüdischen
Religionsunterricht.
1933 wurden noch 35 jüdische Einwohner gezählt, die durch den
zunehmenden wirtschaftlichen Boykott immer mehr verarmten. Im Mai 1937
war ein Viertel der 20 Mitglieder unterstützungsbedürftig. Im Oktober 1938
wohnten noch sechs jüdische Familien in Willmars, die von den abscheulichen
Vorgänge am 8. Oktober 1938 (s.u.) betroffen waren. Bis 1941 verließen alle
jüdischen Einwohner den Orten, konnten teilweise noch auswandern oder verzogen in andere
Orte in Deutschland.
Von den in Willmars geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hannchen Adelsdorfer geb.
Goldschmidt (1880), Rosa Breidenbach geb. Goldschmidt (1890), Siegmund
Breidenbach (1887), Abraham Frank (1861), Siegfried Frank (1892),
Fany Freudenberger geb. Jakob (1877), Babetta Frühauf geb. Winter (1866), Rudolph Goldschmidt
(1882),
Sofie Jakob (1882), Emanuel Kurzmann (1881, vgl. Angaben auf Seite zu Maroldsweisach), Karoline Kurzmann geb.
Hommel (1880), Frieda Levi (1907), Mina Lichtenstein geb. Jacob (1879), Pauline
(Lina) Löwenstein geb. Winter (1862), Karoline Scheuer (1861), Benno Schild
(1896), Manfred Schild (1932), Siegfried Schild (1898), Sofie Schild geb.
Katzenstein (1895), Ermst (Emanuel) Strauss (1884), Max Strauss (1876), Paula
Wolf geb. Schild (1894).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers, Vorbeters und
Schochet 1875 / 1915 (Vertretung) / 1920
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Oktober 1875:
"Die erledigte Elementarlehrerstelle in Willmars, verbunden mit der
Vorsänger- und Schächter-Funktion daselbst und der Erteilung des
Religionsunterrichts in Weimarschmieden, ist sofort zu besetzen. Gehalt
inklusive Nebenverdienste 626 Gulden - nebst freier Wohnung. Bewerber
wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Willmars bei Mellrichstadt, 9.
Oktober 1875. Th. Frank, Kultusvorstand". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1915: "Lehrer-Stelle!
Infolge Einberufung des Lehrers Herrn Kissinger zum Militärdienst wird
für die Elementarlehrer-Stelle in Willmars per sofort ein Vertreter für
ca. 1. Jahr angestellt. Die Anstellung kann sowohl als Elementar- als auch
als Religionslehrer erfolgen. Mit der Stelle ist größeres Nebeneinkommen
verbunden. Bewerber wollen sich alsbald an die Kultusverwaltung wenden.
Willmars in Unterfranken, 1. Januar 1915.
M. Hommel, Kultusvorsteher."
|
Nach der Auflösung der jüdischen
Elementarschule 1920 wurde nur noch ein Lehrer für den
Religionsunterricht gesucht: |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Oktober 1920:
"Die hiesige Stelle ist frei und soll mit einem möglichst
verheirateten Religionslehrer, Kantor und Schochet besetzt werden. neue
große Wohnung mit großem Garten vorhanden; die Nebenverdienste sind ohne
Filiale ca. 1.000 Mark. Der fixe Gehalt kann noch nicht angegeben werden,
weil darüber noch Unterhandlungen schweben. Meldungen sind aber schon
erwünscht.
Willmars in Unterfranken, 17. Oktober 1920. M. Hommel,
Vorstand." |
Die Religionslehrerstelle wurde auf Grund
dieser Ausschreibung nur noch kurze Zeit (oder gar nicht mehr?)
wiederbesetzt, da der Unterricht bereits 1924 durch den Lehrer Viktor Gottlieb
aus Mellrichstadt erteilt wurde (s.o.). |
Über Lehrer Samuel Hommel
Nach Angaben von Elisabeth Böhrer: Samuel
Hommel (geb. 31. Januar 1831 in Gersfeld),
ließ sich zum Elementarschullehrer ausbilden; seit August 1859
verheiratet mit Tery/später Therese geb. Schild (geb. 31. Juli 1834 in Maßbach).
Samuel Hommel war spätestens seit 1860 Lehrer in Willmars, wo im Juli
1860 seine Tochter Marianne auf die Welt gekommen ist. Spätestens Anfang
1865 war Samuel Hommel Lehrer in Baiersdorf, wo am 15. Januar 1865 seine
Tochter Ida geboren ist. Ab Mai 1867 unterrichtete Samuel Hommel in Schweinfurt;
der Sohn Moses Hommel ist hier am 15. Juni 1869 geboren (der spätere
Justizrat Dr. Moses Hommel; langjähriger Vorsitzender
der Kultusgemeinde Schweinfurt, Mitglied des Präsidiums des
Bayerischen Landesverbandes; siehe einige Artikel auf der Textseite
zur jüdischen Gemeinde Schweinfurt). |
Zum 70. Geburtstag von Oberlehrer
Salomon Anfänger in Heßdorf (1932)
Anmerkung: geb. 4. März 1862 in
Waltershausen als Sohn von Cusel Anfänger und seiner Frau Therese geb. Bloch (er war kein Bruder des unten genannten
Leopold Anfänger): war nach 1880 Lehrer in
Altenstein, ab 1884 in Willmars und von 1895 bis 1939 Lehrer, zuletzt Oberlehrer in Heßdorf.
Er war verheiratet mit Regina geb. Bierschild. Salomon Anfänger starb 1940 in
Wärzburg, wo er zuletzt im Israelitischen Pfründnerhaus gelebt hatte. Er wurde
wie schon seine Frau Regine in Laudenbach
beigesetzt. Vgl.
Biographische Datenbank Jüdisches Unterfranken.
Artikel in "Mitteilungen
des jüdischen Lehrervereins für Bayern" von 1932 Nr. 4 S. 8: "Personalien.
Wie wir nachträglich erfuhren, beging unser liebes Vereinsmitglied
Oberlehrer Salomon Anfänger in Hessdorf
am 4. März seinen 70. Geburtstag. Geboren in
Waltershausen, war er nach seinem
im Jahre 1880 in Würzburg erfolgten Seminaraustritt in
Altenstein, Willmars und seit
1895 in Hessdorf tätig. Nach seiner im
Jahre 1927 erfolgten Pensionierung stellte er seine Kraft als
Religionslehrer und Kantor seiner Gemeinde weiterhin zur Verfügung. In
seiner Gemeinde schätzte man ihn wegen seiner Geradheit, Aufrichtigkeit und
seiner besonders ausgeprägten Pflichttreue. Als äußerst tüchtiger Pädagoge
und treuer Kollege ist er im Kreis seiner Amtsbrüder eine bekannte und
beliebte Persönlichkeit. Wir entbieten dem lieben Freunde die herzlichsten
Glückwünsche und hoffen, dass ihm noch viele Jahre seiner ersprießlichen
Tätigkeit vergönnt sein mögen.
Oberlehrer Stein (Regensburg) und
Lehrer Oppenheimer (Laudenbach)
treten in diesem Jahr Tagen in den dauernden Ruhestand. Die verdienten
Kollegen wurden wir in jüdischen Zeitungen lesen, in schönen Abschiedsfeiern
sehr geehrt. Auch wir ins bieten unseren lieben Kollegen die besten Wünsche.
München, den 10. April 1932 M. Rosenfeld. M. Adler." |
Lehrer Leopold Anfänger wirbt für sein Pensionat (1900)
Anmerkung zur Person: Leopold Anfänger, geb. 9.
August 1868 in Waltershausen als Sohn
von Jakob Anfänger und der Rosa geb. Fleischmann. Leopold Anfänger war nach
der Ausbildung an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in Würzburg (Examen
1888), Religions- und Volksschullehrer in Schonungen,
Willmars (1895 bis 1901) und Memmelsdorf, bis er
1905 als Nachfolger von Jakob Weißbart an die Israelitische
Lehrerbildungsanstalt nach Würzburg berufen wurde. Hier wirkte er fast drei
Jahrzehnte (zuletzt als Seminar-Oberlehrer), bis er 1933 pensioniert wurde und
nach Köln verzog, wo er am 24. Juli 1936 verstorben ist. Er wurde in Köln
beigesetzt.
Leopold Anfänger war seit 1895 (in Schonungen)
verheiratet mit Hedwig geb. Steinberger (geb. 6. Dezember 1875 in
Schonungen als Tochter des Viehhändlers Lazarus Steinberger und der Eva geb.
Linz). Aus der Ehe stammten die Kinder Karl Anfänger (geb. 21. April
1896 in Willmars, später als Kaufmann in Halberstadt, Stockholm, ab 1924
in Köln tätig, emigrierte in die USA, gest. Juli 1979 in Miami Beach), Herbert
Anfänger (geb. 26. Juli 1897 Willmars, gefallen 17. April 1917 in
Frankreich), Ludwig Anfänger (geb. 1899 in Willmars, nach Studium
der Medizin ab 1926 als Arzt in Berlin tätig, emigrierte 1933 oder danach nach
Zürich), Berta verh. Kaufmann (geb. 1901 in Memmelsdorf, lebte mit ihrem
Mann Moritz Kaufmann später in Dortmund, emigrierte in die USA), Rosa verh.
Grünert (geb. 16. September 1908 in Würzburg).
Hinweis: Dokumente zum Sohn Karl Anfänger im Nationalarchiv Den
Haag:
Ministerie van Baitenlandse Zaken, Reisepass von Karl Anfänger und Brief des
Comitees für Jüdische Flüchtlinge.
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Juli 1900:
"Israelitische Elementarschule Willmars.
Der Unterfertigte nimmt mit
Beginn des Wintersemesters (Oktober) einige Zöglinge an. Gewissenhafte,
körperliche Pflege, streng religiöse Führung. Ausbildung in fremden
Sprachen, Buchführung, kaufmännischen Fächern, Stenographie etc. sowie
Vorbereitung für höhere Lehranstalten. Referenz Seiner Ehrwürden Herr
Distriktsrabbiner Stein in Schweinfurt.
L. Anfänger, Lehrer,
Willmars in
Unterfranken" |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. September 1900:
"Israelitische Elementarschule Willmars.
Der Unterfertigte nimmt mit
Beginn des Wintersemesters (Oktober) einige Zöglinge an. Gewissenhafte,
körperliche Pflege, streng religiöse Führung. Ausbildung in fremden
Sprachen, Buchführung, kaufmännischen Fächern, Stenographie etc. sowie
Vorbereitung für höhere Lehranstalten. Referenz Seiner Ehrwürden Herr
Distriktsrabbiner Stein in Schweinfurt.
L. Anfänger, Lehrer, Willmars in
Unterfranken". |
Für die israelitische
Elementarschule wird eine eigene Lokalschulinspektion angeordnet
(1900)
- Metzgermeister Karl Strauß wird für 25jährige Dienstleistung in der
Freiwilligen Feuerwehr Willmars ausgezeichnet (1900)
Artikel
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. November 1900:
"Aus Bayern. Die israelitische Elementarschule zu Willmars in
Unterfranken war bislang mit der protestantischen Ortsschule einer
gemeinsamen Lokalinspektion unterstellt, zu welcher, gemäß Ministerialerlass
vom Jahre 1898 (die Zusammensetzung der Ortsschulbehörde betreffend) auch
der jeweilige israelitische Lehrer gehörte. Durch Verfügung des
Königlichen Bezirksamtes Mellrichstadt vom 23. Oktober dieses Jahres
wurde nun für die israelitische Elementarschule die Bildung einer eigenen
Lokalschulinspektion angeordnet, die am 28. Oktober sich auch
konstituierte. Dieselbe besteht aus dem Ortspfarrer als Vorsitzenden, dem
Bürgermeister, dem israelitischen Lehrer, sowie zwei Mitgliedern
israelitischer Konfession der politischen Gemeindeverwaltung. Im Falle die
Gemeindeverwaltung nicht die nötige Zahl israelitischer
Ausschussmitglieder enthält, sind dafür Mitglieder der
Lokalschulinspektion aus der Kultusgemeinde zu wählen. Es ist die
prinzipielle Bedeutung der angeführten bezirksamtlichen Verfügung nicht
zu verkennen.
Bekanntlich erhalten in Bayern Mitglieder der 'freiwilligen Feuerwehr'
nach 25jähriger Dienstleistung eine Auszeichnung in Form eines
Ehrenzeichens, das an der Brust getragen wird. Alljährlich werden
amtliche Erhebungen über das Vorhandensein solcher Jubilare gepflogen und
die Dekorierung der Wackeren ist mit entsprechenden Festlichkeiten und
Feierlichkeiten verknüpft. In der Gemeinde Willmars war in diesem
Jahre nur ein Mann, der ein Vierteljahrhundert 'Gott zur Ehr, dem
Nächsten zur Wehr' seine Dienste der freiwilligen Feuerwehr gewidmet und
demnach dekoriert wurde, und dieser war ein Jude, der Metzgermeister Karl
Strauß. Im Vereinslokale der Wehr hatte sich diese vollzählig nebst den
Vertretern der Gemeinde eingefunden unter Worten der Anerkennung und
Beglückwünschung heftete der zweite Bürgermeister, Herr Gutsbesitzer
Kompe, dem Jubilar das Ehrenzeichen an die Brust. Möchten doch recht oft
sich solche Tatsachen verzeichnen lassen, die besser als alle Worte die
Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe unserer Glaubensgenossen
dokumentieren würden. Das reich mit den Emblemen der Feuerwehr und dem
Wappen des bayerischen Staates verzierte Diplom über die Dekorierung hat
folgenden Wortlaut:
Im Namen Seiner Majestät des Königs. Das durch Allerhöchste Verordnung
vom 24. Juni 1884 gestiftete Ehrenzeichen für Mitglieder der Feuerwehren
wird hiermit dem Herrn Karl Strauß, Metzgermeister in Willmars,
verliehen. Zur Bestätigung wird demselben gegenwärtige Urkunde
ausgestellt. München, den 20. September 1900. Königliches
Staatsministerium des Innern: gez. Freiherr von Freilitzsch.
" |
Lehrer Leopold Anfänger beschäftigt sich u.a. mit einem
Gutachten über Maggi-Präparate und mit Tropon (1900)
Anmerkung: 1897 entwickelten die Brüder Finkler im heutigen Köln-Mülheim unter anderem aus Fleischabfällen einen Fleischersatz namens Tropon für sozial Schwache.
In jüdischen Kreisen wurde diskutiert, ob "Tropon" nach jüdischen
Speisegesetzen erlaubt (koscher) sei, was jedoch verneint wurde. Auch Lehrer
Anfänger beteiligte sich mit seinem Beitrag an der
Diskussion.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Dezember 1900:
"Willmars, 13. Dezember (1900). Mit vielem Interesse habe ich die
Notizen und Gutachten über die Maggi-Präparate in einer der jüngsten
Nummern dieser Blatter gelesen, die gewiss durch Aufklärung und
Richtigstellung der dort beregten Angaben eines anderen jüdischen Blattes
gar manches Hindernis beziehungsweise verbotene Speisen verhindern
und abstellen werden. Auch diese Zeilen mögen einem ähnlichen Zwecke
dienen. Durch Zufall kam mir dieser Tage ein Exemplar des diesjährigen
'Frankfurter israelitischen Volks-Kalenders' unter die Hände. Mich mit
Vergnügen der in früheren Jahrgängen enthaltenen Novellen und
Erzählungen erinnert, z.B. von Direktor Berger seligen Andenkens,
blätterte ich das Büchlein durch und fand u.a. an jener Stelle eine
Arbeit, betitelt: 'Ein neuer Wunderdoktor' von Balthasar Kottbus. Mein
Staunen wuchs von Minute zu Minute, als ich statt einer Erzählung oder
dergleichen eine reklamenhafte, fünf Seiten starke Anpreisung des aus
allen Tageszeitungen bekannten, neuen Nähreiweißes 'Tropon' fand. Der
Schluss jener Ausführungen wörtlich: 'So ist Tropon ein wahrhaftiger
Wunderdoktor, der nicht auf die Leichtgläubigkeit der Menschen rechnet,
sondern auf ihre Einsicht und Verständigkeit. Und jeder verständige
Kalenderleser kann nichts Besseres wünschen, als dass er bald in Stadt
und Land, in jedem Schloss und in jeder Hütte die anderen Wunderdoktoren
verjagt, die von der Krankheit leben, während Tropon die Gesundheit
schenkt. Und Gesundheit ist der beste Reichtum.'
Nun erscheint doch wohl der Schluss nicht sehr gewagt, dass die Leser
eines 'Israelitischen Volkskalenders' auch in der Hauptsache Israeliten
seien; diesen also wird Tropon-Nahrung in allen möglichen Tonarten angepriesen.
Nun mag ja wohl, was ich weder beurteilen kann noch will, das Tropon alle
möglichen Vorzüge besitzen, einen Mangel hat es, der es eben doch für
jüdische Kreise unmöglich macht - es ist nicht koscher. Als Gewährsmann
für diese Behauptung gilt mir eben der 'Israelit', der im Februar dieses
Jahres eine diesbezügliche Briefkastennotiz brachte; wenn ich mich recht
erinnere, sprach sich auch Herr Dr. Münz in seinen Aufsätzen über die
Pflege des gesunden und kranken Magens in diesem Sinne aus. Ich will nun
keineswegs etwa behaupten, es sei in beregtem Artikel des Kalenderchens
wider besseres Wissen das Tropon jüdischen Kreisen empfohlen worden; da
aber die Möglichkeit einer irrigen Auffassung der breiten Öffentlichkeit
eben durch den Kalender vorliegt, ist es notwendig, auch diesbezügliche
Aufklärung und Berichtigung der breitesten Öffentlichkeit zugänglich zu
machen, was wohl der 'Israelit' am besten vermag. L. Anfänger,
Lehrer." |
Lehrer Leopold Anfänger beschäftigt sich mit dem
"Guten" an christlichen Missionsschriften (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Juli 1901: "Auch
das ist zum Guten!
Ein Vorschlag von Leopold Anfänger, Lehrer in Willmars.
Der Beitrag wird nicht abgeschrieben, da es keine direkten Bezüge zur
jüdischen Geschichte in Willmars gibt; bei Interesse zum Lesen bitte die
Textabbildungen anklicken. |
|
Zu einer Predigt des Lehrers Emanuel Levi (1902)
Anmerkung: Lehrer Emanuel Levi war nach
seiner Zeit in Unterriedenberg von
1901 bis 1912 Lehrer in Willmars. Er wurde 1864 geboren und konnte 1908 sein
silbernes Lehrerjubiläum feiern. Für Lehrer Levi liegt in Lübeck ein
"Stolperstein":
https://www.luebeck.de/de/presse/pressemeldungen/view/125349: "Vor dem Haus
Fleischhauerstraße 1 erinnern drei Gedenksteine an die Familie Levi , die 1938
Zuflucht in Lübeck suchte und ebenfalls am 6. Dezember 1941 nach Riga deportiert
wurde. Emanuel Levi (Jahrgang 1864) war Lehrer von Beruf und hatte lange Jahre
mit seiner Frau Jettchen geb. Birkenruth in der kleinen Gemeinde Willmars in der
Rhön gelebt und später in Burgpreppach, wo er eines Ritualmords bezichtigt
wurde. Das Ehepaar hatte vier Kinder: die Tochter Frieda (Jahrgang 1907) wurde
wie ihre Eltern in Riga ermordet, den beiden Söhnen Simon und Hugo Levi gelang
mit ihren Ehefrauen die Flucht ins Ausland, aber auch die Tochter Betty wurde
mit ihrem Mann Siegfried Frank von Hamburg aus 1942 nach Theresienstadt und
später nach Auschwitz deportiert, wo sie im Oktober 1944 ermordet wurden."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Mai 1902:
"Eingesandt aus Willmars. Die am ersten Pessachtage im Anschlusse an
den Gottesdienst gehaltene Rede unseres derzeitigen Lehrers Herrn Levi
verdient ihres gut gewählten Textes, ihrer verständnisvollen Ausführung
und hauptsächlicher ihrer Schlussfolgerung halber, dass sie hier erwähnt
wird. Der Redner verstand den Text: 2. Mose 12,2 "Dieser Monat sei
euch das Haupt der Monate: der erste sei er euch unter den Monaten des
Jahres" in schwungvoller Weise zu erklären und dabei gute
religiöse Ermahnungen der Gemeinde zu geben, die am Schlusse dahin
gingen, den Frieden in der Gemeinde stets hoch zu halten. G.H." |
Abschied von Lehrer Emanuel Levi (Lehrer in Willmars von 1901
bis 1912)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 16.
August 1912: "Willmars (Bayern). Der von hier nach Burgpreppach
berufene Lehrer Levi war bei seinem Abschied der Gegenstand großer
Aufmerksamkeiten. Die Ortsgemeinde und die jüdische Gemeinde sowie der
Krieger-, der Feuerwehr- und der Obstbauverein hatten ihm eine
Abschiedsfeier veranstaltet, ebenso einige Tage später der
Gesamtlehrerverein Mellrichstadt." |
|
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 23. August 1912: "Willmars. Die israelitische
Kultusgemeinde gab diesen Samstag ihrem nach Burgpreppach
versetzten Lehrer Levi einen Abschied und überreichte ihm als Zeichen der
Anerkennung für seine elfjährige Wirksamkeit einen prächtigen silbernen
Tafelaufsatz. Auch die übrigen hiesigen Vereine erfreuten ihn durch
hübsche Abschiedsgeschenke". |
25-jähriges Lehrer-Jubiläum von Absolventen der Israelitischen
Lehrerbildungsanstalt in Würzburg, darunter Lehrer Emanuel Levi (hier als
G. [verschrieben?] Levi in der Liste; 1908)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April
1908: "Würzburg, 6. April 1908. Von den 15 Absolventen des israelitischen
Seminars zu Würzburg im Jahre 1883 feiern 13 in diesem Jahre ihr
25-jähriges Lehrer-Jubiläum (zwei traten ins Geschäft über und einer
ist leider gestorben). N. Ehrenreich, Langenselbold
(Hessen), K. Fröhlich, Mönchengladbach (Rheinprovinz), B. Klein, Gießen
(Oberhessen), G. Levi, Willmars (Unterfranken), A. Liberles,
Grötzingen (Baden), J. Popper, Lingen (Hannover), A. M. Rau, Hirschaid
(Oberfranken), J. Rosenthal, Worms
(Rheinhessen), B. Stern, Frankfurt am Main, H. Stern, Echzell
(Oberhessen), A. Strauß, Marburg
(Hessen), M. Strauß, Gelnhausen
(Hessen), J. Weichselbaum, Adelsberg
(Unterfranken). |
Tod des Vorbeters und Lehrers Emanuel Scheuer (1932)
Artikel in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung vom 1. Februar
1932: "Willmars i.Ufr. Im Dezember verstarb hier im 73. Lebensjahre
Herr Emanuel Scheuer, der über 50 Jahre in unserer Gemeinde, zuletzt als
Vorbeter und Lehrer gewirkt hat. Die Gemeinde Wilmars wird dem
Dahingeschiedenen ein treues Andenken bewahren." |
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Unklarheiten um einen Auswanderer nach Amerika (1865)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. November 1865: "Bitte.
Am Sonntag, 23. Juli laufenden Jahres (29. Tammus 5625) ließ ein
Mann, angeblich aus Philadelphia in Amerika, welcher den Namen Abraham
Schlessinger (Abraham Bar David) als den seinigen angab, aus Willmars
in Bayern gebürtig sein soll, von wo er als 3jähriger mit seiner Tante
ausgewandert sei, dahier durch den Distrikts-Rabbiner Abraham Adler mit
der Jungfrau Johanne Oestrich von hier (Channa Bat Elieser) die
religiöse Trauung vollziehen ließ. Die Ziviltrauung war schon am 13.
Juli durch den amerikanischen Gesandten in Frankfurt a.M. in Gegenwart der
Zeugen, August Gläser und Charles Franz, vollzogen worden.
Dieser Abraham Schlessinger reiste mit seiner Frau, Johanna geb. Oestrich,
nach New York, wo er dieselbe, nachdem er deren sämtliche Habe sich
angeeignet hatte, verließ und seitdem spurlos verschwunden ist. Damit nun
diese beklagenswerte J. Oestrich nicht unversorgt verbleiben muss,
ersucht man sämtlich Herren Rabbiner in Amerika, sachdienlich
Aufschlüsse über den Aufenthalt des Abraham Schlessinger etc. dem Herrn
Distrikts-Rabbiner Adler in Aschaffenburg (Bayern) gütigst mitteilen zu
wollen, um das Weitere wegen einer notwendigen Ehescheidung (nicht
wörtlich übersetzt) versuchen zu können.
Die Herren Rabbinen und ein Jeglicher, dem es möglich sein wird,
Sachdienliches mitzuteilen, werden um so williger dieses tun, da benannte
Johanna Oestrich einen musterhaften, tugendhaften Lebenswandel führte und
durch redlichen, vieljährigen Fleiß sich dasjenige erwarb, dessen sie
benannter A. Schlessinger beraubte.
Bemerkt muss noch werden, dass benannter Schlessinger wahrscheinlich nicht
in Philadelphia, sondern in Baltimore wohnte, nicht als 3jähriger Knabe,
sondern als Jüngling nach Amerika kam und wahrscheinlich schon vorher
verehelicht war. Alle löblichen Redaktionen jüdischer Zeitschriften
werden ergebenst ersucht, vorstehender Bitte ihre Spalten zu öffnen. |
Zum Tod von Pauline Frank (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Dezember 1907: "Willmars,
8. Dezember. Heute wurde dahier Frau Pauline Frank im 71. Lebensjahre zu
Grabe getragen. Die Heimgegangene hat sich Dank ihrer Frömmigkeit und
ihrer trefflichen Eigenschaften allgemeiner Beliebtheit erfreut. Bei dem
Begräbnis, zu dem von nah und fern eine große Zahl von Bekannten und
Freunden der Verstorbenen herbeigeeilt waren, sprach Herr Lehrer Levi von
hier einen herzlichen Nachruf. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund
des Lebens." |
Zum Tod des aus Willmars stammenden freiwilligen
Leutnants Ludwig Stern (wohnhaft seit ca. 1874 in Aachen, 1915)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. Januar 1915:
"Freiwilliger Leutnant Ludwig Stern - gestorben am 4. Dezember
1914.
Ludwig Stern wurde geboren am 1. November 1851 in Willmars
(Unterfranken). Mit 19 Jahren machte er den Feldzug 1870/71 mit, zuerst
beim 11. bayerischen Infanterieregiment, nachher beim 3.
Infanterieregiment. Nahm teil an den Schlachten bei Wörth, Beaumont,
Sedan, Paris, Orleans, Beuganci-Cravant u.a.m. Wurde zum Sekondeleutnant
befördert. Hatte 1880 seinen Abschied genommen und sich alljährlich auf
Anfrage wieder für den Fall der Mobilmachung zur Verfügung gestellt.
Kurz nach seinem jetzt am achten Mobilmachungstag in Landau bei 18.
Regiment erfolgten Eintritt wurde er zum Kompanieführer ernannt, zog dann
aus mit dem Landsturmbataillon Landau bis nach Frankreich hinein. In
Bayonville zog er sich neben einer Fußverletzung eine Erkältung zu, die
ihn zwang, nach Landau Ende Oktober zurückzukehren, um dort
Garnisondienst zu tun. Seine Ehefrau Lina geborene Kaufmann aus Bamberg
war ihm nach 34-jähriger Ehe 1912 im Tod vorangegangen. Herr Stern war
seit 40 Jahren in Aachen ansässig und war eine überaus beliebte und
geachtete Persönlichkeit.
Zu seiner Charakteristik dienen folgende Stellen aus der Leichenrede des
Herrn Rabbiners Dr. Jaulus:
Der Entschlafene war ein solcher Freund Gottes. Er wandelte nicht immer
auf der Sonnenseite des Lebens. Mancherlei Ungemach, mancherlei Leid verdunkelte
seinen Lebenspfad. Die wiederholte Krankheit seines Sohnes, der
frühzeitige Tod seines Weibes und manch anderes Missgeschick warfen ihre
finsteren Schatten auf sein wandelreiches Dasein. Da trübte sich wohl
sein Blick, da zog sich eine Schmerzensfalte durch sein umwölktes
Antlitz, da häufte der Kummer den Schnee der bleichenden Haare auf sein Haupt.
Aber er überwand es doch bald und stark und heldenhaft. Seine Frohnatur
ging siegreich aus dem Kampfe mit dem Schicksal hervor. Sein Optimismus,
alle Dingen und allen Ereignissen die beste Seite abzugewinnen, schuf
nicht nur Licht in seinem eigenen Gemüte, sondern strahlte auch Licht aus
auf seine Umgebung, auf alle, die mit ihm in Berührung kamen.
Wo eine gedrückte Stimmung herrschte, wo Sorge und Mutlosigkeit ihre
lähmende Last auf die Menschen luden, da brauchte er nur zur erscheinen
mit seinem herzerfrischenden, herzerfreuenden Wort und Wesen - und aller
Trübsinn und Unmut waren wie mit einem Zauberschlag verscheucht und
verschwunden.
So hat er beglückt und beglückend gewirkt im engen Familienkreise als
Gatte und Vater, als Sohn und Bruder; beglückt und beglückend in
weiteren Kreisen als Freund und Vertrauter, als Berater und
Beschützer.
Einen Helden haben wir zu Grabe getragen, einen Helden im doppelten Sinne,
hier, wo die Heldengräber sich geschichtet, ihnen, den Heimgegangenen, zu
Ehren, uns, den Überlebenden, zur dankbaren
Erinnerung." |
Zum 80. Geburtstag von Gustav Jakob (1922)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September 1922: "Willmars
in Unterfranken, 10. September (1922). Das älteste Mitglied der hiesigen
israelitischen Kultusgemeinde, Herr Gustav Jakob, feierte am 4. September
in seltener körperlicher und geistiger Frische seinen 80. Geburtstag.
Dass sich Herr Jakob allgemeiner Wertschätzung und Beliebtheit erfreut,
beweisen die zahlreichen Ehrungen, die ihm an seinem Jubeltag von Nah und
Fern zuteil wurden. Möge dem Jubilar noch ein recht langer, heiterer und
sorgenloser Lebensabend beschieden sein." |
Metzgermeister Karl Strauß wird für 25jährige Dienstleistung in der
Freiwilligen Feuerwehr Willmars ausgezeichnet (1900)
Siehe Bericht oben unter Lehrer- und
Schulmitteilungen
Zum Tod von Jeremias Strauß (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. März 1928: "Willmars
(Unterfranken), 20. Februar. Am 24. Schewat wurden unter ungemein starker
Teilnahme des ganzen Ortes und der Feuerwehr die irdischen Überreste des
im hohen Alter von 81 Jahren zu Frankfurt am Main verstorbenen Jeremias
Strauß von hier auf dem hiesigen Friedhof bestattet. In seinem
langen erfolgreichen Leben pflegte er mit heiliger Liebe die drei Säulen
von Tora, Gottesdienst und Wohltätigkeit, er förderte mit Eifer
jederzeit alle Torainteressen und -Bestrebungen. Der Verstorbene leistete
60 Jahre lang Vorbeterdienste in der Kultusgemeinde und war ein
warmherziger Wohltäter. Lehrer Schloss von Mellrichstadt und Oberlehrer
Freudenberger von Thüngen schilderten am Grabe das Wirken und den edlen
Charakter des Entschlafenen. Der Vertreter der Feuerwehr entbot ihm den
letzten Gruß. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
65. Geburtstag von Moses Hommel (1933)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. Januar 1933: "Willmars
(Unterfranken), 10. Januar (1933). Am 20. Januar - so Gott will -
begeht der in ganz Unterfranken bekannte und allseits beliebte Herr Moses
Hommel seinen 65. Geburtstag. (Alles Gute) bis 120." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige von C. Hommel (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 18. Juni 1903: "Angehender Commis
für Comptoir- und Lagerarbeiten (Kurzwaren- und Papierbranche) per
sofort gesucht. Schabbos und Jomtof (Feiertag) geschlossen.
C. Hommel, Willmars (Unterfranken)." |
Zur Geschichte der Synagoge
Das heute noch erhaltene ehemalige Synagogengebäude wurde
1900/01 erbaut. Zum Bau der Synagoge wurde seit 1895 eine Kollekte
veranstaltet, da die Gemeinde auf Grund der zurückgegangenen Zahl der
Gemeindeglieder finanziell nicht mehr in der Lage war, allein die Mittel
beschaffen zu können. Lehrer Leopold Anfänger engagierte sich bei der
Durchführung der Kollekte. Er informierte regelmäßig in der Zeitschrift
"Der Israelit" über die eingegangenen Spenden:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1896:
"Zum Synagogenbau gingen weiter folgende Gaben ein: Ungenannt aus Rio
Vista 1, Lehrer Fink in Neustadt-Gödens
2, Steinberger in Dettelbach 2, Kultusgemeinde in
Würzburg 50,
Kultusgemeinde in Coburg 25, Samuel
Strauß in Karlsruhe 20, Lehrer Fulder in Diespeck 17, Emanuel Stern in Hammelburg
50, Frau Johanna Grünbaum in Eisenach
10, Dannenbaum in Augsburg 25
Mark.
Allen Gebern herzlichen Dank! Um weitere Spenden wird innigst
gebeten.
Willmars, den 19. März 1896. Für die Kultusverwaltung: L. Anfänger,
Lehrer." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Dezember 1896:
"Zum Synagogen- und Schulbau gingen in letzter Zeit ein: Samuel Fuld
- New York, 20 Mark, ungenannt - Hagenau 5 M., Kultusgemeinde Gleicherwiesen
30 M., dto. Gersfeld 25 M., Lehrer Popper - Altenbamberg 11 M., Prediger
Popper - Mühlhausen 5 M., Kultusgemeinde
Arnstadt 8 Mark,
Hirschs-Stiftung. - Würzburg 46 Mark, Spenden aus Willmars 10,75 M.,
desgleichen 3 Mark. Herzlichen Dank allen edlen Spendern. Doch viel, viel
fehlt noch zum heiligen Werke. Um reichliche, weitere Gaben bittet innig
und dringend: Für die Kultusverwaltung Willmars. Leopold Anfänger,
Lehrer." |
Aus Kreismitteln werden für den
Synagogenbau 2.200 Mark genehmigt (1900)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6.Dezember 1900: "Aus
Unterfranken. Einen schönen, in der jetzigen Zeit der Hochflut
antisemitischer Prozesse und Bestrebungen doppelt erfreulichen Beweis
humaner, paritätischer Gesinnung lieferte der Landrat des bayerischen
Regierungsbezirks Unterfranken. Diese, aus den Wahlen der Distriktsräte
hervorgegangene Kreisvertretung, der auch Delegierte einzelner Stände,
wie Geistlichkeit, Großgrundbesitz etc. angehören, genehmigt in ihrer
diesjährigen Tagung u.a. aus Kreismitteln als Unterstützung zum Schul-
und Synagogenbau der israelitischen Kultusgemeinde Willmars den namhaften
Betrag von 2.200 Mark." |
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. Januar 1901: Der Landrat (Kreisvertretung) von Unterfranken
genehmigte aus Kreismitteln als Unterstützung zum Schul- und Synagogenbau
der israelitischen Kultusgemeinde Willmars den namhaften Betrag von
2207 Mark." |
Bei der Synagoge in Willmars handelt sich um einen auffallenden, roten Backsteinbau. In der
Synagoge wurden ein Toraschrein-Vorhang (von 1705), Tora-Silberschmuck (von 1781
bis 1783), das Ritenbuch der Gemeinde (von 1801), das Register der Heiliger
Bruderschaft (Chewra Kadischa von 1834) sowie Gemeindeprotokolle (ab
1838) aufbewahrt.
Die Einweihung der Synagoge war vor dem 3. September 1901. Dies
geht aus einem Schreiben vom 3. September 1901 hervor (nach einer von
Elisabeth Böhrer im Staatsarchiv Würzburg gefundenen Quelle), in dem es
heißt: "Die Synagoge und der israelitische Schulsaal und die
Lehrerwohnung in Willmars sind vollendet und wurden ihrer Bestimmung übergeben".
Nur 37 Jahre war die Willmarser Synagoge Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens am Ort.
Am Schabbat, 8. Oktober 1938, erschienen drei Mitglieder der NSDAP aus
Bad Neustadt a.d. Saale und befahlen dem Synagogendiener, sämtliche Juden des
Dorfs in die Synagoge zu rufen. Bis auf einen, der in den Wald floh, befolgten
alle Juden von Willmars diese Aufforderung. Sie wurden angewiesen, sofort die
Synagoge auszuräumen, die nunmehr als Getreidespeicher dienen sollte. Mit
Stöcken und Gummischläuchen angetrieben, mussten die Juden mit bloßen Händen
den Toraschrein, die Möbel und Geräte der Synagoge auseinander nehmen und die
Trümmer, mitsamt den Torarollen und Ritualien, zuerst auf die Straße und dann
in eines ihrer Anwesen tragen. Etwa 100 Dorfbewohner, darunter Kinder und
Jugendliche, misshandelten und beschimpften die Juden. Ein Dorfbewohner, den man
der Judenfreundschaft verdächtigtem, wurde gleichfalls verprügelt und musste
sich an der Zerstörung der Synagoge beteiligen. Die zum Teil geretteten
Ritualien überführten die Juden von Willmars nach Bad Kissingen, wo sie den
dortigen Ausschreitungen beim Novemberpogrom zum Opfer fielen (wörtlich
zitiert nach Ophir/Wiesemann S. 432).
Am 31. März 1949 fand vor dem Landgericht Schweinfurt ein
Prozess gegen sieben der an Ausschreibungen im Oktober 1938 in Willmars
Beteiligten statt. Fünf erhielten Gefängnisstrafen von sechs Monaten bis zu
eineinhalb Jahren.
Das Gebäude der Synagoge blieb auch nach 1945 erhalten und wurde
zu einem Wohnhaus umgebaut. Es befindet sich in Privatbesitz.
In den 1980er-Jahren wurde eine Gedenktafel angebracht. Da die damalige
Besitzerin die Anbringung der Tafel am Gebäude selbst nicht erlaubte, wurde die
Tafel an einer Mauer neben dem Gebäude angebracht.
Adresse/Standort der Synagoge: (frühere Anschrift:
Haus Nr. 90) Lappichstraße 31
Fotos
Das ehemalige Synagogengebäude im Sommer
2005
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 15.8.2005) |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge in Willmars |
Hinweistafel |
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Das ehemalige Synagogengebäude im Frühjahr
2024
(Fotos: Dagmar Bluthardt, Aufnahmedatum 19.5.2024) |
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Das Gebäude
der ehemaligen Synagoge in Willmars |
Hinweistafel
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Fotos zum "DenkOrt Deportationen" Wir
wollen uns erinnern" in Willmars, vgl.
https://denkort-deportationen.de/jg-willmars/
Die Einweihung war am 1. November 2019; Willmars war der erste Ort im
Landkreis Rhön-Grabfeld, wo ein solcher Gedenkort aufgestellt wurde. Der
GedenkOrt ist in Willmarks zwischen Bauhof und Dorfbrunnen, wo eines das
Haus einer jüdischen Familie stand, das 1980 abgebrochen wurde. Die
Bildhauerin Pia Vielwerth aus Neustädtles hat die säulenartike Stele aus
Kalkstein geschaffen. Unter der Bronze-Gedenktafel steht in einer Vertiefung
eine kleine Bronzeplastik von Menschen, die zusammengezwängt stehen, vor
gepäckartigen Gegenständen zu ihren Füßen, eine Erinnerung an die
Deportation der Juden. Das andere Element ist ein Koffer aus massivem
Porenbeton, auf dem die Namen der jüdischen Personen aus Willmars stehen,
die aus Willmars in Konzentrationslagern ermordet wurden. Weitere
Informationen siehe "Streutal-Journal" Nr. 126 / 2019 vom 5. November 2019,
eingestellt als pdf-Datei.
(Fotos von Elisabeth Böhrer) |
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Andernorts
entdeckt: Stolperstein in Regensburg für
die aus Willmars stammende Mina Lichtenstein geb. Jacob
(geb. 1879 in Willmars, 1942 deportiert und ermordet)
(Foto von E. Böhrer) |
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Weitere Informationen zu Mina Lichtenstein
geb. Jacob
https://www.geni.com/people/Mina-Lichtenstein/6000000174954071828
Stolperstein Regensburg Ludwigstr. 1:
http://www.stolpersteine-regensburg.de/fr3_46_r.htm und
Informationsblatt |
Mindestens vier Stolpersteine von Personen
mit Bezug zu Willmars sind noch verlegt an anderen Orten:
In Veitshöchheim liegt ein Stein
für Fanny Freudenberger geb. Jakob
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Veitshöchheim
In Lübeck liegt ein Stein für den früheren Lehrer in Willmars Emanuel
Levi
https://www.luebeck.de/de/presse/pressemeldungen/view/125349
In Hamburg liegt ein Stolperstein für Siegfried Frank
https://www.stolpersteine-hamburg.de/?&MAIN_ID=7&BIO_ID=3670
In Saarburg liegt ein Stolperstein für
Paula Wolf geb. Schild https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Saarburg
https://stolpersteine.in-saarburg.de/biographien/
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 431-432. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 128-129. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 472-474.
|
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 119-120. |
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Gerhard Schätzlein/Brigitte Faulhaber/Walter Jahn/Renate
Schlauderna: Der Sulzgau. Eine unbekannte, wunderschöne Landschaft
der Rhön. Band 1 und Band 2. Erschien 2019 in der Bruckerei Mack in
Mellrichstadt. 800 S. 38 €.
Es handelt sich um eine umfangreiche Chronik für Brüchs, Filke,
Neustädtles, Sands, Völkershausen, Weimarschmieden und Willmars. Darin ist
unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer das jüdische Leben im Sulzgau und die
jüdischen Friedhöfe in eigenen Kapiteln dargestellt.
Dazu Artikel in der "Main-Post" vom 29. Januar 2019: "'Der
Sulzgau': Heimatkunde der besonderen Art..." sowie in der
"Main-Post" vom 20. Februar 2019: "Chronik
'Der Sulzgau': Geschichte, Geschichten und Bilder".
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Willmars Lower Franconia. Jews from Willmars visited
the Leipzig fair in the 18th century. A new synagogue was built in 1901 and a
Jewish public schol operated until 1920. The Jewish population declined steadily
from 1816 in 1816 (total 574) to 35 in 1933. In October 1938 the Jews were
forced to dismantle the interior of the synagogue with their bare hands and were
afterwards beaten. Of the 22 who left Willmars in 1936-41, 14 reached the United
States.
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