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Pfungstadt (Kreis Darmstadt-Dieburg)
Jüdische Geschichte II /
Das Israelitische Lehr- und Erziehungsinstitut (mit eigener Synagoge)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde siehe Seite zur Synagoge in Pfungstadt (interner
Link)
Übersicht zu dieser Seite:
Einführung:
Zur Geschichte des Israelitischen Lehr- und Erziehungsinstitutes (1857-1907)
Großen Bekanntheitsgrad erlangte Pfungstadt
in der jüdischen Welt in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts durch das 1857
hier gegründete "Israelitische Lehr- und Erziehungsinstitut".
Erster
Lehrer und Leiter des Institutes war von 1857 bis 1861 Rabbiner Dr. Elieser (Lazarus) Löb
(geb. 1835 in Pfungstadt als Sohn des Handelsmanns Hirsch-Abraham ben Moses-Löb
ben Elieser, gest. 1892 in Altona): hatte in Gießen studiert, war nach seiner
Promotion ebd. nach Pfungstadt zurückgekehrt; seit 1862 Rabbiner in Ichenhausen;
seit 1874 Oberrabbiner in Altona); Mitbegründer war Rabbi Salomon
Bodenheimer aus Biblis;
Nachfolger Löbs wurde 1861
David Ephraim Joël. Unter seiner Leitung wurde 1867 dem bislang nur Knaben
zugänglichen Lehr- und Erziehungsinsitut eine höhere Töchterschule, verbunden
mit einem Israelitischen Mädchen-Pensionat angegliedert.
Als Dr. Joël 1885 starb, übernahm
noch im selben Jahr Dr. D. Barnaß die
Schulleitung. Die Schule wurde von jüdischen Schülern aus dem In- und
Ausland besucht, aber auch von christlichen Kindern aus Pfungstadt. Um 1880
waren es 100 Kinder, die von acht Lehrern und Hilfslehrern (davon fünf
jüdische) unterrichtet wurden. Nach dem Tod des Direktor Dr. Joël hieß die
Schule "Dr. Joëlsches Lehr- und Erziehungsinstitut". 1890 besuchten
etwa 80 Schüler das Institut. Die Gründung einer höheren Bürgerschule in
Pfungstadt führte 1907 schließlich zur Auflösung des Institutes.
Der bekannteste Lehrer der Pfungstadter Schule war ab 1892
Chaim Weizmann,
der damals in Darmstadt am Polytechnikum studierte und von dort aus
naturwissenschaftliche Fächer in Pfungstadt unterrichtete. Weizmann war nach
1948 der erste Staatspräsident von Israel.
Link zu: Wikipedia-Artikel zu Chaim
Weizmann. |
Aus der
Zeit der Gründung der Schule (1857-1861) - das Erziehungsinstitut unter
Dr. Elieser (Lazarus) Löb
Kritik
am Standort Pfungstadt für die Einrichtung eines Schullehrer-Seminars
(1857)
Anmerkung: 1857 bestand offenbar ein Plan,
statt des Erziehungsinstitutes ein Lehrerseminar in Pfungstadt zu eröffnen, was
allerdings in der liberalen "Allgemeinen Zeitung des Judentums" heftig
kritisiert wurde:
Artikel in
der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juni 1857:
"Rheinhessen,
10. Juni (1857). In No. 19 dieser Zeitschrift wurde uns die Anzeige, dass
demnächst die israelitischen Gemeinden Starkenburgs (einer hessen-darmstädtischen
Provinz) gesonnen seien, ein israelitisches Schullehrer-Seminar zu gründen,
und dass bereits auf sechs Jahre eine Rente von 1.500 Gulden zu diesem
Zwecke gesichert sei; dass schließlich Pfungstadt als Sitz dieser Anstalt
bestimmt sei. Aber nichts von alledem. Pfungstadt ist ein unbedeutender
Flecken von 400 bis 500 Einwohnern, und die gesamten Lehrkräfte mitsamt
dem ganzen Plan und den ebenfalls illusorischen 1.500 Gulden existieren
wahrscheinlich nur in dem Kopfe eines Rabbinatskandidaten.
Wir können hier eine nahe liegende Bemerkung nicht unterdrücken. Ein
Schullehrer-Seminar ist für uns Süddeutsche ein tief gefühltes,
unabweisbares Bedürfnis. Allein nur in Starkenburg sind laut der öffentlichen
Blätter jetzt 14 Lehrer- und Vorbeterstellen vakant. Der einzig passende
Ort für ein solches Institut wäre jedoch nur Frankfurt. Dort sind die
geeigneten Lehrkräfte und alle sonstigen Mittel in vollständigster Weise
bereits vorhanden. Es bedürfte nur des anregenden Worts und des einträchtigen
Wirkens der ausgezeichnetsten Männer Frankfurts: Leopold Stein, Dr.
Stern, Dr. Jost u.a.m. Aber wie wir hören, sind diese Männer völlig
entzweit. Diese Entzweiung ist im allgemeinen Interesse tief zu beklagen.
Möchten doch diese Männer einsehen, was sie vereint wirken könnten, und
wie sie durch Trennung nur ihren Gegnern, der Frankfurter Hyperorthodoxie,
die eben so einig als eifrig ist, in die Hände arbeiten." |
Über den Mitbegründer und ersten Lehrer der
Erziehungsanstalt, den späteren Oberrabbiner in Altona Dr. Elieser Löb
Artikel zu seinem Tod 1892 -wird nicht ausgeschrieben, da die Artikel zur
Geschichte in Pfungstadt nur wenig enthalten.
Weitere Artikel zum Tod von Oberrabbiner Dr. Loeb
Ausschreibung
einer Lehrerstelle an der Erziehungsanstalt (1859)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 23. Mai 1859: "Ein Lehrer der französischen und
englischen Sprache, mit Grammatik, Konversation und Korrespondenz
vertraut, findet eine sehr vorteilhafte Stelle am israelitischen Institut
zu Pfungstadt bei Darmstadt. Franco-Offerten einzusenden an Pfungstadt, im
Mai 1859 Dr. Löb." |
Anzeige
des israelitischen Institutes: Ausschreibung von Plätzen (1859)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Oktober 1859:
"Das israelitische Institut zu Pfungstadt an der Bergstraße
nimmt bis zum 31. Oktober des laufenden Jahres wieder neue Zöglinge auf.
Die Schule, deren Tendenz gediegene soziale Bildung auf Grundlage
sittlich-religiöser Erziehung im Sinne des positiven Judentums ist,
besteht in fünf Klassen mit acht Lehrern. Unterrichtsgegenstände:
Hebräisch (inklusive Talmud), Deutsch, Französisch und Englisch (nebst
französischer und englischer Konversation und Korrespondenz), die
Handelswissenschaften in ihrem weitesten Umfange, Geschichte, Geographie,
Naturkunde, Mathematik, Kalligraphie, Zeichnen und Gesang (Musik gegen
besonderes Honorar). Für Turn-, Spiel- und Erholungsstunden ist in den
ausgedehnten Räumen des Instituts bestens Sorgen getragen. Preis 250
fl. per Jahr. Nähere Auskunft erteilt auf Franko-Anfragen der
Direktor Dr. Löb." |
Aus der
Zeit von Dr. David Ephraim Joël als Direktor des Lehr- und
Erziehungsinstitutes (1861-1885)
Dr. David Ephraim
Joël übernimmt zum Wintersemester 1861 das Israelitische Lehr- und
Erziehungsinstitutes
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Oktober 1861:
"In
dem von Großherzoglicher Oberstudien-Direktion konzessionierten
Israelitischen
Lehr- und Erziehungs-Institut zu Pfungstadt bei Darmstadt,
dessen Direktion der
Unterzeichnete vom 1. Oktober dieses Jahres an übernimmt, beginnt das
Wintersemester Dienstag den 1. Oktober. – Anmeldungen von Zöglingen wolle man
gefl. baldigst an den Unterzeichneten richten, der auch gern bereit ist, jede nähere
Auskunft zu erteilen.
Prospekte und Referenzen bei den Herren Rabbinen: Wetzlar
in Gudensberg, Dr. Enoch in Fulda, Dr. Fränkel in
Witzenhausen, Goldmann in Eschwege, Klein in
Kolmar, Fromm in Homburg, Bamberger in
Würzburg, Weiskopf in Wallerstein, Adler in
Aschaffenburg, Dr. Feilchenfeld in Düsseldorf, Dr.
Schwarz in Köln, Bamberger in Kreuznach, Hoch in Freudental, Wälder in
Laupheim, Sänger in Mergentheim und Berlinger in
Braunsbach. Dr.
D.
Joël, Direktor".
|
Werbe-Anzeigen für das Institut in den
überregionalen jüdischen Zeitungen 1863 / 1870 / 1872 / 1876
Anmerkung: Zweimal jährlich vor Beginn des Sommer- und des
Wintersemesters erschienen in den großen jüdischen Periodika, u.a. in der
liberalen "Allgemeinen Zeitung des Judentums" wie in der
konservativ-orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" Werbeanzeigen für
ein Studium im Israelitischen Lehr- und Erziehungs-Institut:
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. April 1863: "In dem von Großherzoglicher
Oberstudien-Direktion konzessionierten Israelitischen Lehr- und Erziehungs-Institut zu Pfungstadt bei Darmstadt
beginnt das Sommer-Semester am 19. April. Anmeldungen von Zöglingen wolle man
gefälligst baldigst an den Unterzeichneten richten, der mit Vergnügen bereit
ist, jede verlangte nähere Auskunft zu erteilen.
Dr.
Joël, Direktor." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. April 1870:
"In dem von Grossherzoglicher Oberstudien-Direktion konzessionierten Israelitischen
Lehr- und Erziehungs-Institut zu Pfungstadt bei Darmstadt beginnt das
Sommersemester am 26. April dieses Jahres. Prospektus und jede erwünschte
Auskunft erteilt Dr. Joël, Direktor." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Oktober 1870:
"In dem von Großherzoglicher Oberstudien-Direktion konzessionierten Israelitischen
Lehr. & Erziehungsinstitut zu Pfungstadt bei Darmstadt
beginnt das Wintersemester am 23. Oktober dieses Jahres. Prospektus und
jede erwünscht Auskunft erteilt Dr. D. E. Joël, Direktor." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. April 1872:
"In dem von Großherzoglicher Oberstudiendirektion konzessionierten Israelitischen
Lehr- und Erziehungsinstitut zu Pfungstadt bei Darmstadt beginn das
Sommersemester am 1. Mai dieses Jahres.
Prospektus und jede nähere Auskunft erteilt Dr. Joël,
Direktor." |
|
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. April
1876: "In dem von der Großherzoglichen Oberstudien-Direktion
konzessionierten Israelitischen Lehr- und Erziehungsinstitute zu
Pfungstadt bei Darmstadt beginnt das Sommersemester den 23.
April dieses Jahres. Dr. Joël, Direktor." |
Prüfungen an der Erziehungsanstalt
(1862)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1862: "Von
der Weschnitz (sc. Nebenfluss des Rheins, an dem Pfungstadt liegt) (Großherzogtum Hessen), den 4. April. Meine Kollegen aus
dem Lehrerstand würden mir nicht glauben können, dass ich eben, so kurz
vor der Festeszeit, von einer Vergnügungsreise zurückkommen; ich will
darum gleich erläuternd hinzuführen, dass ich der öffentlichen Prüfung
im israelitischen Institute zu Pfungstadt beigewohnt habe, welche gestern
in würdigster Weise ihren Abschluss gefunden hat. Es würde den Raum,
welchen ich in diesen Blättern beanspruchen darf überschreiten, wollte
ich in eine detaillierte Darstellung alles dessen eingehen, was in den
verschiedenen Disziplinen zur Veranschaulichung gebracht wurde; auch wäre
der Gefahr, ein Fach auf Kosten des andern zu bevorzugen, schwer aus dem
Wege zu gehen. Ferner ist der Zweck der Prüfung, wie der wackere Direktor
in seiner Schlussrede so schön und wahr erläuterte, nicht der gewesen,
all das zu zeigen was geleistet, sondern was angestrebt worden ist. –
Dass aber die Anstalt unter so umsichtiger Leitung weiß, was sie zu
erstreben, welche Mittel sie anzuwenden hat, um ihre Aufgabe zu erreichen
und die hier wirkenden Lehrer im vollen Besitze dieser Mittel und von den
besten Willen beseelt sind, sie zum Nutzen der Anstalt zu verwenden –
davon hat diese Prüfung ein volles, untrügliches Zeugnis abgelegt.
Weit entfernt von jeder Lobhudelei, die auch nirgends übler als hier
anzubringen sein möchte, verschweige ich nicht, dass manche von den
Lehrern gestellte Fragen kürzer oder besser zu beantworten gewesen wären;
aber dem einigermaßen mit pädagogischer Einsicht begabten Teilnehmer
konnte es nicht entgehen, dass daran lediglich die oft sehr mangelhafte
Vorbildung der Schüler schuld gewesen, und gerade bei solchen oder mit
nicht sehr guten Anlagen ausgestatteten Kindern, zeigte sich die Umsicht
und Unverdrossenheit, mit welcher die Lehrer arbeiten. Das von Gesundheit
und Munterkeit strotzende Aussehen der Zöglinge beweist auch hier wieder,
unter welchen Bedingungen Kindern eine Anstrengung ihrer Kräfte, welche
eigentlich bei so zartem Alter nicht gerechtfertigt ist, zugemutet werden
darf. Diese Bedingungen sind hier am Fuße der lieblichen Bergstraße, in
reichlichem Maße vorhanden. Luftige, trockene Schlaf- und Lehrzimmer,
weite, sonnige Spiel- und Turnplätze, reinliche und gesunde Pflege des Körpers
– sie möchten nicht leicht an einem andern Orte besser anzutreffen
sein. Zu wünschen bleibt nur eine wärmere und nachhaltige Beteiligung
der Eltern und Schulfreunde, eine Fondierung der Anstalt, dass sie bald
auf eigenen Füßen zu stehen komme, und dass es ihr ermöglicht werde,
sich zur Bildungs- |
stätte
für israelitische Lehrer zu erweitern. Letzteren Wunsch hörten wir auch
aus dem Munde des als gelehrten Pädagogen rühmlichst bekannten Großherzoglichen
Oberstudienrat Herrn Dr. Wagner, welcher sich über die Leistungen der
Anstalt in rühmlichster Weise ausgesprochen hat. Möge ein so nahe
liegendes und allgemein gefühltes Bedürfnis nicht länger seiner
Befriedigung entgegenharren. Hier fände sich für mit Glücksgütern
gesegnete Leute ein fruchtbares Feld für eine Aussaat, wovon Früchte
sicher zu erwarten wären, hier gilt sicher der Ausspruch unserer Weisen: Talmud
Tora keneged kulam (= ‚das Studium der Tora wiegt alles auf’).
Ich bin mir der Zustimmung aller Beteiligten gewiss, wenn ich
schließlich dem Direktor Herrn Dr. Joël die wohlverdienteste Hochachtung
und Anerkennung für sein herzgewinnendes Wirken und Walten ausspreche.
Seine Gebete für das fernere Wachsen und Gedeihen der Anstalt, denen er
in so warmer und ergreifender Weise Ausdruck verlieh: möge sie der Allgütige
erhören. Möge Er aber auch – das war das Gebet aller Anwesenden –
Herrn Dr. Joël Gesundheit und Kraft verleihen, und das Glück stets von so
tüchtigen und würdigen Männern, wie er sie in den, in schönster
Harmonie miteinander wirkenden und verkehrenden Lehrern fand, in seinem mühe-
und dornenvollen Berufe unterstützt zu werden. K." |
Prüfungen am Lehr- und Erziehungsinstitut (1864)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. April 1864: "Pfungstadt
(bei Darmstadt), 14. April (1864). In den letzten drei Tagen fanden an dem
seit mehreren Jahren hier bestehenden Lehr- und Erziehungsinstitut des Dr.
Joël die öffentlichen Prüfungen statt und gingen dieselben unter recht
lebhafter Teilnahme der eingeladenen Gäste mit dem besten Erfolge vor
sich. In dem zurückgelegten Schuljahre war die Frequenz der Anstalt
wiederum in steter Zunahme begriffen. Das Lehrerpersonal hat im Laufe des
verwichenen Jahres keine Veränderung erfahren. Wer da weiß, welchen
nachteiligen Einfluss der häufige Lehrerwechsel auf eine Schule ausübt,
und wie er für die Schüler fast die Bedeutung eines so überaus
schädlichen, die normale Ausbildung derselben störenden Wechselns der
Schule hat, der wird es mit uns als einen besonderen Segen für die
Anstalt begrüßen, wenn es ihr gelungen, die segensreiche Wirksamkeit
ihrer tüchtigen, bewährten Lehrkräfte sich unverkürzt erhalten zu
haben. Dass dies günstige Verhältnis auch ferner dieser Anstalt gewahrt
bleiben möge, ist unser sehnlichster Wunsch. Die Lehrmittel der Schule
sind durch Anschaffung der notwendigsten chemischen Apparate und Anlegung
eines kleinen chemischen Laboratoriums wesentlich bereichert worden. Mit
Dank erwähnen wir, dass der Lehrer für Naturwissenschaften, Herr Dr.
Reitz, ein schönes Exemplar eines großen Luftballons der Anstalt zum
Geschenk verehrte. Auch unsere Bibliothek wurde durch Komplettierung
größerer wissenschaftlicher Werke, sowie die Lesebibliothek für die
Zöglinge durch Ankauf neuer Jugendschriften den Mitteln entsprechend
vermehrt." |
Prüfungen am Lehr- und Erziehungsinstitut (1869)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. März 1869: "Pfungstadt.
Vor uns liegt die Einladungsschrift zu der am 15., 16. und 17. März stattgehabten
öffentlichen Prüfung in dem israelitischen Lehr- und Erziehungs-Institut
zu Pfungstadt bei Darmstadt von Dr. D. E. Joël, Direktor der
Anstalt.
Dem interessanten Bericht des Direktors entnehmen wir Nachstehendes über
dieses Institut:
'Unsere Anstalt hat sich auch in diesem Schuljahre des Vertrauens und der
Anerkennung der Eltern und Angehörigen in immer weiteren Kreisen zu
erfreuen gehabt. Die mit jedem neuen Semester steigende Frequenz liefert
dafür den sprechendsten Beweis.
Mit besonderem Vergnügen konstatieren wir, dass die Zahl der externen
Schüler aus Pfungstadt und Umgebung in diesem Schuljahre sehr ansehnlich
gewachsen.
In unserem vorjährigen Programme hatte wir die Stellung der
Privatinstitute gegenüber den öffentlichen Staatsanstalten in Bezug auf
die Erlangung der Berechtigung zum einjährigen freiwilligen Dienste einer
erschöpfenden Erörterung unterzogen. Wir haben dort den Nachweis zu
führen gesucht, dass dem Wege, durch ein Examen seine Befähigung zum
einjährigen Freiwilligen nachzuweisen, nicht nur vom pädagogischen
Standpunkte überhaupt der Vorzug gebühre, sondern dass auch für die
Kreise, aus welchen sich Institute, wie das unsrige, in der Regel
rekrutieren, dieser Weg der einzige sei, der mit Sicherheit und mit dem
geringsten Aufwande von Zeit die Aussicht biete, das erwünschte Resultat
zu erlangen. Diese unsere Auffassung der jetzt so brennenden Frage fand zu
unserer Freude bei vielen Fachmännern entschiedenen Beifall, und manche
pädagogischen Autoritäten gaben uns in ihren Zuschriften ihre
vollkommene Zustimmung zu erkennen. Dass unsere Anstalt aber auch in der
Tat ihre Zöglinge mit den zum Examen erforderlichen Kenntnissen
ausstatte, dafür liegen wieder durch die in diesem Jahre gemachte Erfahrung
unwiderlegliche Beweise vor: denn nicht weniger als vier Zöglinge unseres
Instituts haben während dieser Zeit ihre Prüfung vor der Behörde
absolviert und dadurch die Berechtigung zum einjährigen Dienst erlangt. -
Freilich dürfen die Eltern die Zeit des Schulbesuches nicht aus allerlei
kleinlichen Rücksichten ihren Kindern verkümmern, wenn diese das nötige
Pensum von Kenntnissen sich erringen sollen. Wer seinen Sohn, wie das
leider nur zu oft geschieht, zu früh der Anstalt entzieht, der leistet
damit für diesen, wie überhaupt auf jede gründliche Bildung, so auch
auf die Möglichkeit Verzicht, die vorgeschriebene Prüfung bestehen zu
können. Durch den Besuch unserer Anstalt aber erlangt jeder fleißige
Schüler mit Sicherheit die Befähigung zum Einjährigen Examen; und dass
dadurch viel Zeit und Geld bei uns im Verhältnis zu den Staatsanstalten
gespart wird, das haben wir im vorjährigen Programm mit entsprechenden
Zahlen belegt. - Auf Grund dieser Tatsachen mögen ängstliche
Gemüter |
sich
daher nur über das Schicksal der uns anvertrauten Kinder beruhigen.
Um einem vielfach geäußerten Wunsche zu entsprechen, haben wir in diesem
Jahre auch einen Vorbereitungskursus ins Leben gerufen, in welchem
jüngere Schüler in den Elementen (Lesen, Schreiben und Rechnen)
unterrichtet und für den Eintritt in die vierte Klasse vorbereitet
werden.
Für unser physikalisches Kabinett wurden in diesem Jahre viele
Gegenstände angeschafft, wodurch unsere Sammlungen eine wesentliche
Bereicherung erfuhren. - Auch unsere Lehrer-Bibliothek erhielt einen schönen
Zuwachs zur Ankauf wertvoller Werke. Unsere Schüler-Bibliothek wurde
durch Anschaffung mehrerer Jugendschriften komplettiert.
Die vor einem Jahre von uns ins Leben gerufene höhere Töchterschule,
hat für die kurze Zeit ihres Bestehens schon Fortschritte gemacht, die zu
den besten Hoffnungen berechtigen. Dem damit in Verbindung stehenden Mädchen-Pensionat
des Herrn Dr. Fiebermann sind ebenfalls schon mehrere Pensionärinnen
von auswärts zugeführt worden." |
Bericht aus Pfungstadt 1866:
Der Tod von Salomon Löb, Sohn des Institutsleiters Lazarus Löb - Bericht zur Lehr- und
Erziehungsanstalt - Kritische Beurteilung des jüdischen Lebens (aus orthodoxer
Sicht) im Rabbinatsbezirk:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. April 1866: Pfungstadt
bei Darmstadt, den 17. April (1866). Unsere Gemeinde hat einen herben Verlust zu
beklagen; es starb nämlich am gestrigen Tage Herr Salomon Löb, ältester Sohn
des Herrn Lazarus Löb, in einem Alter von erst 22 Jahren. Trotz dieses
jugendlichen Alters hatte der Verewigte, der sich sowohl durch talmudische als
auch durch profane Kenntnisse auszeichnete und wegen seiner Biederkeit und
strengen Rechtlichkeit allgemein, auch bei den Nichtjuden, beliebt war, den schönsten
Einfluss auf die erwachsene Jugend unseres Ortes geübt, die er zum Toralernen
vereinte und aus der er Viele von der Übertretung göttlicher Gebote in Liebe
und Sanftmut zurückgehalten hatte. So war denn auch die Teilnahme bei dem heute
erfolgten Leichenbegängnisse eine allgemeine; auch Herr Dr. Lehmann aus Mainz
war dazu herübergekommen und gab den Gefühlen der Anwesenden in einer
Trauerrede Ausdruck. Hunderte von Menschen folgten der Bare, und als der Kondukt
an dem zwei Stunden entfernten bei Alsbach gelegenen Friedhofe anlangte, so
hatten sich dort wiederum Hunderte aus der ganzen Umgebung versammelt. Am Grabe
sprach Herr Dr. Lehmann noch einmal und außer ihm auch Herr Rabbinatskandidat Löb
Sulzbach aus Darmstadt. Die hohe Großherzogliche Regierung zu Darmstadt hatte
es erst unlängst in Folge eines Prozesses ausgesprochen, dass es Jedem
freistehe, auf dem Friedhofe … zu sprechen und dass die Leichenreden nicht zu
den ausschließlichen Gerechtsamen des betreffenden Rabbiners gehören.
Herr Rabbiner Dr. Landsberg in Darmstadt führt gegenwärtig einen
Prozess; es wurde nämlich erzählt, man habe denselben in Frankfurt am Main in
einer nichtjüdischen Restauration frisch bereitete Fleischspeisen essen sehen;
gegen den Erzähler hat der Herr Rabbiner eine Verleumdungsklage angestrengt;
dieser aber hat den beweis der Wahrheit angetreten. Bereits sind viele Zeugen
vernommen worden. Man ist hier, wie man sich leicht vorstellen kann, auf den
Ausgang des Prozesses sehr gespannt. - |
Die hiesige Lehr- und Erziehungsanstalt, an deren Spitze Herr Dr.
Joël steht, erfreut sich einer gedeihlichen Entwicklung; dieselbe wird sehr stark
besucht, hat Schüler aus den entferntesten Gegenden und sorgt für dieselben
aufs Ausreichendste. Tüchtige Lehrer stehen Herrn Dr. Joël hilfreich zur Seite.
Das Institutsgebäude ist ein kleines Schloss mit großem Hof und Garten; schöne
luftige Schlafzimmer, geräumt Lehrsäle, ein großer Speisesaal, eine sehr schöne
Synagoge, in der die erwachsenen Schüler, die sich dem Lehrfache widmen,
abwechselnd vorbeten und die Sidrah lesen – das Alles macht auf den Beschauer
den wohltuendsten Eindruck. -
Unser Rabbinatsbezirk (Rabbinat Darmstadt), der mehr als 100
Landgemeinden in sich vereint, war früher einer der frömmsten in ganz
Deutschland; seitdem jedoch die religiöse Oberleitung so viel zu wünschen übrig
lässt, ist auch hier leider Vieles anders geworden. Es wird das allgemein gefühlt
und immerwährend darüber geklagt – allein weiter als zu Seufzen und Klagen
bringen es unsere Landbewohner nicht; es fehlt ihnen an Energie und
Opferfreudigkeit, an Einigkeit und Mut; unsere hohe Regierung würde gewiss gern
ihren billigen Wünschen gerecht werden; es fehlt aber leider auch an rechten, tüchtigen
Männer, die sich an die Spitze stellen möchten, die mit ganzem Herzen und
ganzer Seele und all ihrem Vermögen bereit wären, für die heilige Sache
unserer Religion einzustehen; wir besitzen allerdings sehr fromme, sehr brave,
sehr tüchtige, sehr ernste und unterrichtete Jehudim, allein das rechte Feuer
muss dennoch fehlen, denn sonst wäre es schon längst anders und – besser
geworden. Ascheri."
|
Anzeigen des Israelitischen Mädchen-Pensionates (1867 / 1871 / 1873 / 1874)
Anmerkung: Anzeigen finden sich sowohl in der liberal geprägten
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" wie auch in der orthodox
geprägten Zeitschrift "Der Israelit".
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. November 1867:
" |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. November 1867: "Israelitisches
Mädchen-Pensionat in Pfungstadt bei Darmstadt.
Mädchen, welche die hiesige von Großherzoglicher Oberstudien-Direktion
konzessionierte, unter Direktion des Herrn Dr. Joël stehende höhere
israelitische Töchterschule besuchen wollen, können zu jeder Zeit bei
uns in Pension genommen werden. Dieselben werden aufs Gewissenhafteste
beaufsichtigt, genießen eine sorgfältige religiöse Erziehung und eine
treue Pflege wie im elterlichen Hause.
Nähere Auskunft erteilen Dr. J. Fiebermann, Elise Fiebermann geb. Stein,
sowie auch Herr Direktor Dr. Joël." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. März 1871: "Das Sommersemester
des israelitischen Mädchenpensionates von Dr. J. Fiebermann in
Pfungstadt bei Darmstadt beginnt den 23. April dieses Jahres.
Die Herren Rabbiner Dr. Schwarz in Köln, Dr. Wolfsohn in Aachen und Dr. Joël
hierselbst sind gern bereit, erwünscht Auskunft zu erteilen." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. April 1872 "Am 1.
Mai dieses Jahres übernimmt der Unterzeichnete die Leitung des mit der
Höheren Töchterschule des Herrn Dr. Joël verbundenen
Israelitischen Mädchen-Pensionates zu Pfungstadt an der Bergstraße.
Die uns anvertrauten Mädchen werden neben gediegenem Unterrichte in
Religion, Sprachen und allen Realien die sorgfältigste körperliche und
geistige Pflege finden.
Prospekt und nähere Auskunft erteilt Dr. S. Luß". |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Oktober 1873:
"Im israelitischen Mädchen-Pensionat zu Pfungstadt bei Darmstadt beginnt
das Wintersemester am 21. Oktober dieses Jahres. Prospekt und nähere
Auskunft erteilt
Dr. S. Luss." |
|
Anzeige in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. März 1874: "Im israelitischen
Mädchen-Pensionat zu Pfungstadt bei Darmstadt beginnt das
Sommersemester am 20. April dieses Jahres. – Prospekt und nähere
Auskunft erteilt Dr. S. Luss." |
Ausschreibungen von Lehrerstellen in der Lehr- und Erziehungsanstalt (1869)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Juni 1869: "Lehrer-Vakanz. Für
das israelitische Lehr- und Erziehungsinstitut zu Pfungstadt bei Darmstadt
wird unter sehr günstigen Bedingungen ein tüchtiger Elementarlehrer für
hebräische und deutsche Fächer zu engagieren gesucht. Der Eintritt könnte
sofort stattfinden. Anmeldungen beliebe man unter Einsendung von
Zeugnissen an den Unterzeichneten zu richten. Dr. Joël, Direktor." |
|
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Dezember 1869:
"Für ein Knaben-Institut wird unter sehr vorteilhaften
Bedingungen ein tüchtiger Lehrer (Konfession gleichgültig)
besonders für kaufmännisches Rechnen und Handelswissenschaften zu
engagieren gesucht. Offerten unter Hinzufügungen von Zeugnissen nimmt
entgegen Direktor Dr. Joël in Pfungstadt bei
Darmstadt." |
Der ehemalige Lehrer Morgenstern und seine Familie konvertieren zur katholischen
Konfession (1876)
Anmerkung: Es ist unklar, ob Lehrer Morgenstern in Pfungstadt bei
der jüdischen Gemeinde oder in der Lehr-
und Erziehungsanstalt tätig war.
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Dezember 1876: "Würzburg.
Durch verschiedene Blätter hat die Nachricht die Runde gemacht, dass eine
hiesige jüdische Familie, aus 5 Personen bestehend, zum Katholizismus übergegangen
sei. Um verschiedenen Anfragen und diesbezüglichen Deutungen zu
entsprechen, sehe ich mich veranlasst, den Namen öffentlich bekannt zu
geben, es ist dies der Lehrer Morgenstern, früher in Pfungstadt. Bereits
vor 2 Jahren war man darüber nicht in Zweifel und wurde derselbe von der
hiesigen Gemeinde wegen seiner großen Dürftigkeit vielfach unterstützt,
bis er sich endlich soweit vergaß, diesen Schritt zu begehen. – Für
die dahier erledigte Vorsängerstelle liegen sehr viele Meldungen vor, und
werde Ihnen über die Wahl seinerzeit berichten." |
Allgemeine Mitteilung (1879)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1879: "Pfungstadt.
Das rühmlichst bekannte Dr. Joël’sche Lehr- und Erziehungsinstitut in
Pfungstadt versendet seine Einladungsschrift zu den diesjährigen öffentlichen
Prüfungen. Wir entnehmen dieser Schrift mit großer Befriedigung die
Tatsache, dass das genannte Institut in stetig fortschreitenden günstiger
Entwicklung begriffen ist. Dasselbe wird von mehr als hundert Zöglingen
frequentiert, die sich zum Teil aus den fernsten, überseeischen Ländern
rekrutieren. Acht Lehrer erteilen den Unterricht, dessen beträchtlicher
Umfang aus der Übersicht ersichtlich ist, welche über das absolvierte
Pensum des laufenden Jahres beigefügt ist. Wir begleiten diese treffliche
Pflanzstätte religiöser und sozialer Bildung mit den besten Wünschen
und Hoffnungen für ihr ferneres glückliches Gedeihen." |
Zum Tode von Direktor Dr. Joël am 1. März 1885
Bericht
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1885: Pfungstadt bei
Darmstadt, 3. März (1885). Es ist eine Trauerbotschaft, die ich Ihnen heute zu
berichten habe. In der Purimnacht verstarb nach kurzem Krankenlager Herr
Instituts-Direktor Dr. Joël, und heute Nachmittag 1 ½ Uhr fand die Beerdigung
statt. Zu derselben hatten sich eine überaus große Anzahl von Leidtragenden
aus der Nähe und der Ferne eingefunden. Die Bahre wurde in dem geräumigen Hofe
des Instituts aufgestellt. An derselben sprach zuerst Herr Rabbiner Dr. Marx aus
Darmstadt. Mit ergreifenden Worten schilderte er den großen Verlust, den die
Familie, das Institut, die Gemeinde und die Freunde des Dahingeschiedenen
erlitten. – Von Rührung fast übermannt hob der Institutslehrer Herr Dr. Luß
hervor, dass die Trauerkunde in den weitesten Fernen bei den fast über die
ganze Welt zerstreuten zahlreichen Schülern des edlen Verblichenen den tiefsten
Schmerz hervorrufen werde. – Der erste Vorsteher der hiesigen Gemeinde, Herr
Joseph Jeidel, schilderte die große Lücke, die dieser Tod hervorgebracht. Die
Gemeinde werde dem Verewigten ein unauslöschliches Andenken bewahren.
– Der ehemalige Reichstagsabgeordnete, Herr Büchner, ergriff hierauf
das Wort, um im Namen des zahlreichen Freundeskreises das Andenken des
Verewigten zu feiern. Mit beredten Worten schilderte er dessen große Tugenden
als Mensch, als Jugendbildner und als Staatsbürger. Vor Allem pries er die
Charakterfestigkeit des Entschlafenen. Sein ganzes Leben sei eine fortlaufende
Bewährung der Nächstenliebe gewesen, welche die Menschen nicht nach Religionen
und Konfessionen sondert. – Zum Schlusse sprach der Schwiegersohn des
Heimgegangenen, Herr Dr. Adler aus Lübeck, im Namen der Familie, einige von
tiefster Rührung durchdrungene Worte, vom Allgütigen Trost für die schwergeprüften
Hinterbliebenen erflehend. Erst nach 3 Uhr konnte sich der Leichenzug in
Bewegung setzen. – Wir wollen noch einige biographische Notizen hinzufügen.
Der Verewigte war in Moislingen bei Lübeck geboren, wo sein Vater Rabbiner war.
Bekanntlich durften zu jener Zeit in Lübeck Juden nicht wohnen; aber in dem
nahen Moislingen hatte eine zahlreiche jüdische Gemeinde ihren Wohnsitz. Auch
Dr. Joël wollte sich dem Rabbinerstande widmen, zog es aber später vor, den
Lehrerberuf zu ergreifen. Nach vollendetem Studium nahm er eine Hauslehrerstelle
in Frankfurt am Main an, und fand daselbst an der um jene Zeit durch Herrn
Rabbiner Hirsch gegründeten |
Unterrichtsanstalt der israelitischen
Religionsgesellschaft einen erwünschten Wirkungskreis. Als nach einigen Jahren
der Instituts-Direktor Herr Dr. Löb (jetzt Oberrabbiner in Altona) als Rabbiner
nach Ichenhausen berufen wurde, übertrug man dessen Stelle in Pfungstadt dem
Verewigten, der sie dann in segensreicher Wirksamkeit beinahe ein
Vierteljahrhundert lang verwaltete. Das Institut, ursprünglich von mehreren
Gemeinden der Provinz Starkenburg gegründet und verwaltet, wurde nach einigen
Jahren schon Herrn Dr. Joël in Eigentum übergehen. Zahlreiche Schüler, zum
Teil aus fernen Ländern, wurden daselbst in jüdischem, wie in profanem Wissen
ausgebildet. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens.
|
Zum
Tod der Frau von Dr. David Joel (in Lübeck 1909)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Januar 1909: Lübeck,
4. Januar (1909). Am Heiligen Schabbat entschlief hier leicht und
rasch Frau Dr. David Joel. Ihr vor 23 Jahren abberufener Ehemann,
Sohn des früheren hiesigen Oberrabbiners, gehörte zu den ersten
Mitarbeitern Hirschs an der von ihm begründeten Realschule und übernahm
dann das Knaben-Erziehungsinstitut in Pfungstadt, das unter seiner
Leitung zu hoher Blüte gelangte und Schüler aus aller Herren Länder,
namentlich aber aus Russland und England, zu tüchtigen Menschen und
braven Juden heranbildete. An dem Aufschwung der Anstalt hatte die
Tüchtigkeit, Umsicht und Einsicht der jetzt Heimgegangenen kaum
geringeren Anteil. N
ach dem Tode Joels - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen -
übernahm der seliger Barnaß - das Andenken an den Gerechten ist zum
Segen - das Institut, die Witwe aber zog hierher, nach der
ursprünglichen Heimat ihres Mannes und dem Wohnsitz ihrer ältesten
Tochter, der Frau des Dr. med. Eph. Adler. Welche Liebe und Verehrung die
Heimgegangene sich in Lübeck erworben, zeigte sich noch einmal recht
deutlich bei der Leichenfeier, bei der der Neffe der Verstorbenen,
Rabbiner Dr. Carlebach ein Lebensbild entwarf und trotz ganz
schlichter einfacher Worte die große Trauerversammlung zu Tränen
rührte.
Die Beerdigung fand jedoch nicht in Lübeck statt, vielmehr ward die
Leiche nach Alsbach bei Pfungstadt
gebracht, wo die beiden Ehegatten nun im Tode wieder vereint sind. Die
drei hier wohnhaften Sühne gaben der teuren Hülle das Geleite und in Alsbach
schlossen sich ihr auch die beiden Töchter, der jüngste Schwiegersohn,
Herr Seminardirektor Dr. Carlebach - Köln, an, der der starken
Kälte wegen sich auf dem Friedhof darauf beschränkte, der geliebten
Schwieger- und Großmutter Worte des Dankes und des Abschiedes zuzurufen.
Sie ruhe in Frieden. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
Aus
der Zeit von Dr. D. Barnaß als Direktor des Lehr- und
Erziehungsinstitutes (1885-1907)
Übernahme des Lehr- und Erziehungsinstitutes
durch Dr. D. Barnaß aus Frankfurt (März 1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. März 1885: Pfungstadt. An Stelle des
kürzlich dahier verstorbenen Direktors Dr. Joël wird mit dem Beginn des neuen
Schuljahres Herr Dr. D. Barnaß aus Frankfurt am Main die Leitung des weithin
bekannten Erziehungsinstitutes übernehmen. Derselbe war früher Dozent am
Rabbinerseminar zu Berlin und wirkte in den letzten Jahren in Frankfurt am Main.
Die ausgezeichnete wissenschaftliche Bildung des Herrn Dr. Barnaß, der in
Berlin sein Oberlehrerexamen absolviert hat, wie seine reiche pädagogische Tätigkeit
geben die Gewähr dafür, dass das Institut, welches unter Herrn Dr. Joëls
Leitung sich so bedeutend aufgeschwungen hat, auch weiter in gedeihlicher Weise
fortgeführt werden wird." |
Erste Monate unter dem neuen Direktor Dr.
Barnaß (Mai 1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1885: "Pfungstadt, im
April. Am 20. April nahm am hiesigen Lehr- und Erziehungsinstitut das
Sommersemester seinen Anfang. Dieses Faktum wäre an und für sich, besonders für
die dem Institut nicht direkt Nahestehenden von keiner besonderen Tragweite,
wenn nicht Herr Dr. Barnaß mit der Eröffnung dieses Schuljahres seine Tätigkeit
als Direktor dieser Anstalt begonnen hätte. Es ist wohl überflüssig, der
guten Eigenschaften des jetzigen Direktors noch einmal Erwähnung zu tun, zumal
er jüngst den Lesern dieses geschätzten Blattes als ein Mann von gediegenster
Bildung vorgeführt wurde.
Noch vor wenigen Wochen stellten der Schule solche, denen das Weiterbestehen
derselben am Herzen lag, nicht gerade das günstigste Prognostikon. Dessen
ungeachtet setzen wir unsere Zuversicht einesteils darin, dass das Institut
weiter geführt werden sollte im Geistes des Herrn Dr. Joël (das Gedenken des
Gerechten sei zum Segen), dem von vielen Seiten ein sehr weitgehendes Vertrauen
entgegengebracht wurde, anderenteils gab uns schon der ausgezeichnete Ruf des
Herrn Dr. Barnaß feste Bürgschaft für die Erhaltung dieser Pflanzstätte.
Unsere Hoffnungen haben sich denn auch – Gott sei Dank – verwirklicht: Das
Sommersemester konnte zu unserer Freude mit der Schülerzahl der
vorhergegangenen Jahre eröffnet werden. Die Schule kann sogar einer noch stärkeren
Frequenz entgegensehen, da noch mehrere Schüler angemeldet sind. Das muss
gewiss jeden guten Jehudi höchlichst erfreuen; denn er sieht die gedeihliche
Entwicklung einer Schule, welche sich zur Aufgabe gestellt hat, vornehmlich der
jüdischen Jugend durch Unterricht und Erziehung die Grundlager sittlich religiöser
Bildung zu gewähren.
Was der Indifferentismus unserer Zeit der Erziehung der Knaben vorenthält, das
ersetzt das Institut in vollem Maße in der gesunden Atmosphäre eines echt
religiösen Lebens.
Möge der Allmächtige für das Institut, den von Herrn Dr. Barnaß bei der Eröffnungsfeier
des Semesters ausgesprochenen Wunsch: "Und der HERR, unser Gott, sei uns
freundlich und fördere das Werk unserer Hände bei uns. Ja, das Werk unserer Hände
wolltest du fördern!" (Psalm 90,17) in Erfüllung gehen lassen, auf dass
die Schule bestehe zum Heile und Segen des wahren Judentums." |
Weiteres Wachsen der Schule - neue
pädagogische Prinzipien (August 1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. August 1885: "Pfungstadt, 17. August
(1885). Die Leser dieses geschätzten Blattes werden sich wohl einer
Korrespondenz erinnern, die sich eingehend mit der Eröffnungsfeier des
Sommersemesters am hiesigen israelitischen Lehr- und Erziehungsinstitut beschäftigte.
Es war damals der Wunsch ausgesprochen, dass die Schule weiter bestehe und
wachse zum Heile und Segen des wahren Judentums. Dieser Wunsch hat sich
realisiert. Nicht nur die Schülerzahl früherer Jahrgänge ist bei weitem überschritten,
sondern auch die Frequenz ist eine derartige geworden, dass sich die vorhandenen
Räume bald als unzureichend erweisen werden. Und fragen wir nun, wie es Herrn
Dr. Barnaß in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit am Institut möglich war, das
Vertrauen und die Zuneigung der Eltern und Schüler sich in diesem Maße zu
erwerben? Der Grund davon liegt vor allem in der Persönlichkeit des Herrn Dr.
Barnaß, in der sich in seltenem Maße Begeisterung und ungeschminkte Frömmigkeit,
Pflichttreue und Energie vereinigen. Um die große Zahl der Schüler in Ordnung
zu halten, schuf Herr Dr. Barnaß das Institut zu einem familiären Organismus
um, in dem die Schüler gewisse Ämter verwalten, während er als oberster
Leiter an der Spitze steht. Wie erbauend wirkt z.B. ein Gottesdienst in der
Instituts-Synagoge! Mit welcher Gewissenhaftigkeit und Andacht walten da die
Jungen ihrer Ämter als Baal Tokea (Schofarbläser) und als Vorbeter. Wahrlich es dürften
derartige Anstalten nur wenig bestehen! Berechtig die Absolvierung der Schule
einmal zum einjährigen Militärdienst, wozu alle Aussicht vorhanden ist, so
wird der Erhaltung der Schule eine weitere feste Stütze geschaffen.
S." |
Allgemeine Mitteilung und Empfehlung (1887)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1887: "Aus Rheinhessen. Es freut uns von befreundeter Seite Mitteilung zu
erhalten über das stete Wachsen des unter Leitung des Herrn Dr. Barnaß
stehenden israelitischen Instituts zu Pfungstadt. Es zeugt von außerordentlichem
Vertrauen, das vom Publikum der Leistungsfähigkeit der Anstalt
entgegengebracht wird, wenn von vielen größeren Plätzen Inhaber
renommierter Firmen den Direktor um Empfehlung tüchtiger Schüler für
Lehrlingsstellen ersuchen und bereits eine größere Anzahl derselben
unter günstigen Bedingungen engagiert haben." |
Prüfungen an der Schule - ein Gast berichtet
(März 1890)
Bericht
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. März 1890: "Gailingen in
Baden. Auf
einer Reise ins hessische Land begriffen, wurde ich von befreundeter Seite aus
mit einer Einladung zur Teilnahme an der im Dr. Joël’schen Institute zu
Pfungstadt stattfindenden Schlussprüfung beehrt. Mit Freude und großem Vergnügen
folgte ich dieser Einladung, da mir ja schon vorher bekannt war, welch’
bedeutenden Rufes und hohen Ansehens genannte Anstalt sich zu erfreuen hat. Die
Prüfung, die volle zwei Tage dauerte, wurde von Freunden und Gönnern der
Anstalt aus Nah und Fern besucht. Und in Wirklichkeit waren die Erfolge, die
genannte Anstalt durch die Leistungen ihrer Schüler erzielte, so groß, dass
sich auch hier ein bekannter Spruch unserer Weisen … bewährte.
Es war für alle Zuhörer eine große Freude, zu sehen, wie die Schüler nicht
nur in den weltlichen Fächern, wie Deutsch, Algebra, Geometrie und Physik
Bescheid wussten, sondern auch in unserem, jüdischen Schrifttume, besonders in
Gemara, Mischna, Raschi usw. tüchtig bewandert waren.
Man sah es aber auch den Schülern an, dass sie ganz bei der Sache waren, dass
sie an dem Studium unserer heiligen Lehre Liebe und Freude fanden; denn wie ist
es anders möglich solche erfreulich Resultate zu erzielen, wenn nicht der Geist
der Tora, der Sinn für alles Gute, Schöne und Edle dortselbst herrschen würde? |
Besonders erhebend wirkte auch der Schlussakt. Die Schüler deklamierten zuerst
deutsche, französische und englische Gedichte, sowie auch verschiene Szenen aus
dem Dramen unserer Klassiker, hierauf erfolgte die Verteilung der Prämien und
Lobkarten an die besten Schüler; mit einer Ansprache des Herrn Direktors Dr.
Barnaß an die Schüler schloss das so glänzend verlaufene Examen. Ich erlaube
mir nun auf diesem Wege Herrn Direktor Dr. Barnaß, sowie den geehrten Herrn
Lehrern meine besondere Hochachtung und Anerkennung für die Leistungen ihrer
Schüler auszusprechen und verbinde damit den Wunsch, ihr edles Werk möge immer
mehr Unterstützung finden. Möchten doch alle Eltern, die noch einen Funken
Religion besitzen und die darnach streben, ihre Kinder mit einem Quantum von
Wissen auszustatten, in diese Anstalt ihre Kinder schicken und dieselben dürfen
versichert sein, dass dort ihre Kinder zu braven Israeliten und zu tüchtigen
Gliedern der menschlichen Gesellschaft herangebildet werden.
E." |
Neuer
Aufschwung unter Dr. Barnaß (1890)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1890: "Aus
Hessen. Es wird die geschätzten Leser Ihres Blattes gewiss
interessieren, zu erfahren, welch' erfreulichen Aufschwung neuerdings das
Lehr- und Erziehungs-Institut zu Pfungstadt genommen hat. Von allen
Ländern, besonders aus Russland, England, Österreich, Belgien und der
Schweiz strömen der Anstalt neue Zöglinge zu, die neben ihren
zahlreichen deutschen Kameraden hier ihre Erziehung und wissenschaftliche
Ausbildung finden und sich unter der sorgfältigen, liebevollen Leitung
des Direktors, Herrn Dr. Barnaß, in jeder Beziehung recht gut entwickeln.
Die wackere Anstalt sei hiermit allen denen aufs Wärmste empfohlen, die
ihre Kinder im angenehmen Familienverkehr unter strenger, aber liebevoller
Aufsicht und religiöser Unterweisung zu tüchtigen, gebildeten Menschen
wollen heranwachsen sehen." |
Verlobungsanzeige von Institutslehrer Max Katzenstein mit Rosa geb. Silbermann
(1891)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1891:
"Seine Verlobung mit
Frl. Rosa Silbermann aus Darmstadt beehrt sich seinen Freunden und
Kollegen hiermit ergebenst anzuzeigen
Max Katzenstein,
Institutslehrer,
Pfungstadt a.d. Bergstraße.
Statt jeder besonderen Anzeige. Max Katzenstein, Rosa Silbermann,
Verlobte.
Darmstadt – Pfungstadt a.d. Bergstraße." |
Einweihung einer Torarolle in der Anstaltssynagoge (1892)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1892: "Pfungstadt.
Eine erhebende, von echt jüdischem Geiste getragene Feier fand jüngst im
hiesigen israelitischen Institut statt. Am Schabbat
Koddäsch Paraschat Ki Teze wurde in der Anstaltssynagoge eine neue
Torarolle eingeweiht, welches der Leiter der Instituts, Herr Direktor Dr.
Barnaß, bei Gelegenheit der Bar
Mizwa-Feier seines Sohnes spendete. Nachdem die Lehrer und Schüler
der Anstalt und der größte Teil der hiesigen Gemeindemitglieder sich in
der festlich geschmückten Synagoge versammelt hatten, wurde die reich
ausgestattete Torarolle abgeholt und vom Bar
Mizwa (sc. vom Sohn von Dr. Barnaß) einige Abschnitte des Wochenabschnittes
hieraus verlesen. Nach der Vorlesung hielt der Direktor zunächst an die
Versammelten eine begeisterte Ansprache, worin er, anknüpfend an eine
Midraschstelle, die Bedeutung der Tora für die Gestaltung unseres
privaten und öffentlichen Lebens darlegte. Sodann zum Bar
Mizwa übergehend, erklärte er u.a. in sinnreicher Weise die
Bedeutung der von der Massorah genannten, mit Sachor
beginnenden Bibelverse. Heilighaltung des Schabbos in unserem Berufsleben,
Fernhalten von Lüge im Verkehr
mit unseren Mitmenschen und endlich Vermeiden der Entheiligung des Gottesnamens dem schmähsüchtigen, stets
angriffsbereiten Andersgläubigen (Amalek)
gegenüber, dies seien die Grundlehren, die ein Jehudi beim Eintritt in
die jüdische Gemeinschaft zu beherzigen habe. Am Nachmittage wurden
sodann die Zöglinge der Anstalt festlich bewirtet, bei welcher
Gelegenheit von einigen derselben in ihrer Muttersprache (deutsch, französisch,
englisch, russisch, schwedisch und ungarisch) und von einem sogar in fließendem,
klassischen Hebräisch Ansprachen gehalten wurden, worin die Schüler
ihrer Freude darüber begeisterten Ausdruck gaben, dass sie das Glück
haben, in der hiesigen Anstalt außer einer gründlichen und
wissenschaftlichen Ausbildung, eine so gediegene, religiöse und
liebevolle Behandlung zu finden.
Diese alle Beteiligen im höchsten Grade erhebende Feier zeigte deutlich,
mit welcher Liebe und Begeisterung Lehrer und Schüler des Hauses für die
hohe Aufgabe, die die Schule sich gestellt, erfüllt sind und welch
inniger Verkehr zwischen den Leitern der Anstalt und den Zöglingen
herrscht. Die Eltern aber können sich beglückwünschen, dass sie die
geistige und religiöse Förderung ihrer Kinder in so bewährte Hände
gelegt haben." |
Lehrer Salomon Eisenmann verlässt das Institut (1892)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. September 1892: "Pfungstadt, 1. Slichot.
Nach einer 9jährigen Tätigkeit am hiesigen ‚Israelitischen Institut’
verlässt Herr Lehrer Salomon Eisenmann die hiesige Gemeinde, um eine ähnliche
Lehranstalt in Gailingen am Rhein zu gründen. Wir bedauern das Weggehen
des Herrn Eisenmann lebhaft, denn wir verlieren in ihm einen jener
seltenen Männer, die im wahren Sinne des Wortes echte Jehudim genannt
werden können. Nie fehlte er, wo es galt, eine gebotene Sache auszuüben.
Nie fehlte er, etwas Zur Heiligung des Gottesnamens beizutragen und sein
eigenes und pekuniäres Interesse setzte er bei derartigen Gelegenheiten
stets hintenan. Trotzdem das ‚Institut’ seine eigene Synagoge hat,
dadurch eigentlich von unserer Gemeinde ziemlich abgetrennt ist, wirkte
Herr Eisenmann doch stets zum Wohl der Gemeinde eifrig mit und trat als
Mitglied bei. In schöner Weise verstand er es Tora mit respektvollem
Umgang zu verbinden, sodass er bei Christen und Juden beliebt und hoch
angesehen ist.
In seiner Frau, einer Tochter eines großen
Gelehrten verlieren wir eine wackere
Frau im besten Sinne der Wortes.
Wir brauchen wohl nicht mehr hinzuzufügen, dass sein Haus und sein Tisch
stets für Arme offen waren.
Möge es ihm in seiner neuen Stellung wohl ergeben und ihm der wohl
verdiente Segen Gottes nicht fehlen." |
25-jähriges Jubiläum des zweiten Lehrers Dr.
Luß (1895)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. April 1895: "Pfungstadt, 25. April
(1890). Heute sind es 25 Jahre, dass Herr Dr. Luß als Lehrer in das hiesige
Lehr und Erziehungsinstitut eintrat. Er freute sich durch seinen treuen
Pflichteifer und seine Erfolge im Unterricht stets der Wertschützung seiner
Vorgesetzten und Kollegen, wie auch der Liebe und Achtung seiner Schüler. Die
Schule hat seit ihrem langen Bestehen zum ersten Male Gelegenheit, das Jubiläum
eines ihrer Lehrer zu feiern und hat, da der eigentliche Jubiläumstag noch in
die Ferien fällt, beschlossen, die Feier desselben Sonntag, den 12. Mai – Lag
baomer – zu begehen. Wir hoffen, Ihnen seinerzeit über die Feier selbst einen
kurzen Bericht erstatten zu können." |
40-jähriges
Jubiläum des Lehr- und Erziehungsinstitutes
(1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1897: "Aus Hessen. In wenigen
Tagen feiert das Lehr- und Erziehungs-Institut Pfungstadt bei Darmstadt sein
40-jähriges Bestehen und verdient dasselbe wohl durch einige Worte in diesen Blättern
rühmend erwähnt zu werden.
Dieses Institut verdankt sein Entstehen nicht wie die übrigen derartigen
Anstalten einem geschäftlichen Unternehmen, sondern wurde von einer Reihe
frommer, einflussreicher Männer der Provinz im Jahre 1857 ins Leben gerufen,
die ihren Kindern nebst der Ausbildung zu ihrem Berufe auch eine echt religiöse
Erziehung zu geben durch eingehendes Studium mit der Tora ins Auge fassten. Zur
Verwirklichung dieser höheren Absicht ist es ihnen geglückt, solche Männer
als Direktoren zu berufen, die neben ihrer ausgezeichneten Befähigung und Tüchtigkeit
zugleich von dem heiligen Pflichteifer beseelt waren. Erster Direktor der
Anstalt war Dr. Löb seligen Angedenkens,
zuletzt Oberrabbiner von Altona; seit 1862 war Dr. Joël seligen
Angedenkens Leiter des Instituts, früher Lehrer an der Realschule der
Religionsgesellschaft in Frankfurt am Main und seit 1885 Dr. Barnaß, früher
Lehrer der israelitischen Religionsschule Adaß-Jisroel in Berlin. Wie groß die
Leistungen dieser Anstalt unter der Leitung dieser Männer waren, geht daraus
hervor, dass nicht nur zu ihrem kaufmännischen Berufe aufs Erfolgreichste
ausgebildete Männer hervorgingen, sondern viele Zöglinge ihr
wissenschaftliches Studium fortsetzen konnten, die heute als Lehrer, Ärzte,
Juristen und Theologen wirken; einige sogar setzten ihre technischen Studien
fort und wirken als Ingenieure, Chemiker etc. Die Anstalt richtete ihr
besonderes Augenmerk darauf, den Schülern ein echt jüdisches Familienleben zu
bieten. Von allen Ländern wurden ihr deshalb auch die Zöglinge anvertraut: Österreich,
Russland, Frankreich, Belgien, die Schweiz und England, ja selbst Amerika und
Afrika stellten ihr Kontingent an Schülern, wodurch auch die Ausbildung in
fremden Sprachen wesentlich erleichtert wurde.
Wir haben wenige von so echt jüdischem Geiste getragene Anstalten zu
verzeichnen. Mögen diese Zeilen nicht nur eine ehrende Erinnerung sein, sondern
zugleich dem Wunsche Ausdruck geben, dass diese Anstalt auch ferner blühe und
gedeihe und ihr guter Ruf weit hinaus dringe: Das ist eine Anstalt, der man
getrost die Kinder anvertrauen kann! Dr.
H.S."
|
Allgemeiner
Bericht über das Lehr- und Erziehungsinstitut unter Dr. Barnaß (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. September 1898: "Aus
Hessen. Das Lehr- und Erziehungs-Institut zu Pfungstadt, das seit
seinem Bestehen von mehr als 1.400 Schülern aus allen Teilen Deutschlands
und des Auslandes besucht wurde, bietet seinen Zöglingen neben einer
religiösen Erziehung eine gediegene wissenschaftliche Ausbildung zur
Vorbereitung für den kaufmännischen Beruf, für obere Klassen höherer
Schulen, sowie für die technische Hochschule. Viele Schüler verdanken
der in der Anstalt genossenen Ausbildung hervorragende Stellungen im In-
und Auslande. Über die Einrichtung und Lehrziele der Anstalt erteilt der
Direktor Herr Dr. Barnaß jederzeit gerne
Auskunft." |
Silberne
Hochzeit von Direktor Dr. Barnaß und seiner Frau (1902)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Dezember
1902: "Mainz. Wie wir vernehmen, begehen Herr und Frau
Direktor Dr. Barnaß - Pfungstadt, am 29. Dezember das Fest ihrer silbernen
Hochzeit. Wir gratulieren herzlich und wünschen dem verehrten Paare,
in Gesundheit und Familienglück auch das goldene Jubiläum feiern
zu können." |
Werbe-Anzeige
für das Institut (1903)
Anzeige in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Dezember 1903:
"Lehr- und
Erziehungs-Institut (Real- & Handelsschule nebst Pensionat) zu
Pfungstadt bei Darmstadt.
Knaben, von 8-15 Jahren finden jederzeit
Aufnahme. Gewissenhafte religiöse Erziehung, gründliche Ausbildung und
sorgfältige Verpflegung. – Mäßige Preise. – Vorzügliche Referenzen
über günstige Erfolge. Zu jeder weiteren Auskunft ist bereit Direktor
Dr. Barnaß." |
Adresse des Hauses: Mainstraße 6, nach Abbruch des Hauses 1969
hier heute Parkplatz; Gedenktafel vorhanden.
Fotos:
|
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Gebäude des Erziehungsinstitutes vor dem
Abbruch
1969 Quelle: Arnsberg Bilder
S. 179. |
|
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 198-201. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 178-179. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 132. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 113-115. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand
(Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 43-44. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 280-283. |
| J. Friedrich Battenberg (Hg.): Pfungstadt - Vom
fränkischen Mühlendorf zur modernen Stadt. Pfungstadt 1985. |
| Jürgen Rainer Wolf: Geschichte der Juden in
Pfungstadt, in: Archiv für hessische Geschichte, NF, 1986, S. 41-63. |
| Valentin Liebig: Juden in
Pfungstadt. Anfang, Aufstieg und Untergang einer jüdischen Gemeinde. 3.
Aufl. Pfungstadt 1993. |
| Stadtarchiv Pfungstadt (Hrsg.):
Abschied ohne Wiederkehr. Jüdisches Leben in Pfungstadt. 2007. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Pfungstadt
Hesse. Established in the 18th century, the community built a synagogue in 1820.
During the 19th century Pfungstadt became an industrial town attracting affluent
Jews and the community grew to 260 (6 % of the total) in 1871. After a struggle
between Liberals and traditionalists, it affiliated with the Orthodox rabbinate
of Darmstadt in 1895. The religious high school founded by David Joël in 1857
gained an international reputation. Chaim Weizmann taught there when he was a
student at Darmstadt's Polytechnic in 1892. Jews were prominent in trade and
industry under the Weimar Republic, when they numbered 77 (1 % of the total),
but many left (20 emigrating) after the Nazis came to power in 1933. On Kristallnacht
(9-10 November 1938) the synagogue's interior was destroyed and Jewish property
vandalized. The last 18 Jews were deported in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|