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Schnaittach
(Kreis Nürnberger Land)
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Schnaittach, das in früheren Jahrhunderten Hauptort der Herrschaft
Rothenberg war, lebten Juden fast ununterbrochen vom 15. Jahrhundert bis 1939.
1478 ist die Ansässigkeit von Juden am Ort erstmals sicher bezeugt. 1499
wird der Jude Samuel von Schnaittach in Nürnberg genannt, 1502 erfährt man die
Namen von drei jüdischen Männern, die damals in Schnaittach lebten (Zacharias,
Ysaac und Feifelmann). Diese Juden lebten vom Geldverleih. Anfang des 16.
Jahrhunderts studierte ein Schnaittacher Jude bei jüdischen Gelehrten in
Krakau. Die Zahl der jüdischen Einwohner und die Bedeutung der Gemeinde für
andere jüdische Gemeinden der Umgebung nahmen rasch zu.
1761 wohnten in Schnaittach 63 jüdische Familien, dazu 14 Witwen, der Vorsänger
und der Schulklopfer. Die in Schnaittach und Umgebung lebenden Juden bildeten
gemeinsam die "Medinat OSchPaH", eine Art
Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden Ottensoos,
Schnaittach, Forth
und Hüttenbach.
Ihre größte Blüte erlebte die Gemeinde im 17. und 18. Jahrhundert, als
die Schnaittacher Rabbiner gleichzeitig Landrabbiner waren und eine Talmudschule
unterhielten. Im 19. Jahrhundert ging - als Folge der Abwanderung in die Städte
- die Zahl der jüdischen Einwohner stark zurück, sodass 1910 nur noch 48 jüdische
Einwohner gezählt wurden. 1883 erlosch das Rabbinat Schnaittach. Die zu ihm bis
dahin gehörenden Gemeinden wurden teilweise dem Rabbinatsbezirk Nürnberg,
teilweise dem Rabbinatsbezirk Schwabach
zugeteilt: Schnaittach selbst kam zum Bezirk Schwabach.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Unteroffizier
Jakob Krämer (geb. 5.2.1892 in Schnaittach, gef. 10.5.1915), Moritz Prager
(geb. 16.3.1882 in Forchheim, gef. 12.11.1916) und Julius Vetsburg (geb.
13.3.1889 in Schnaittach, gef. 15.10.1915).
1925 hatte die Gemeinde noch 52 Gemeindeglieder. Damals bildeten Jacob
Vetsburg, Fritz Hellmann und Bernhard Wolf den Synagogenvorstand. Drei jüdische
Kinder erhielten in diesem Jahr ihren Religionsunterricht durch den für
Ottensoos und Schnaittach zuständigen Lehrer, Kantor und Schächter Alex
Gutmann. Bis 1932/33 war die Zahl der jüdischen Einwohner auf 42 zurückgegangen.
Nun waren Mayer Wolf und Emil Metzger Synagogenvorstände.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 änderte sich die
Situation der jüdischen Einwohner. An den Zufahrtsstraßen nach Schnaittach
waren Schilder mit der Aufschrift "Juden sind hier nicht erwünscht"
aufgestellt worden. Dennoch konnten die jüdischen Vieh- und Hopfenhändler noch
einige Zeit mit den Bauern der Umgebung geschäftliche Beziehungen unterhalten.
Zunehmend verließen die jüdischen Einwohner den Ort, elf wanderten in die USA
aus, zwei nach Frankreich und einer in die Tschechoslowakei. Im November 1938
waren noch 18 jüdische Einwohner in Schnaittach. Beim Novemberpogrom 1938 wurden
ihre Häuser verwüstet. Lehrer Gutmann wurde misshandelt und erlitt schwere
Verletzungen. Bis Ende 1938 verließen alle jüdischen Einwohner den Ort.
Von den in Schnaittach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Flora Altbaier (1880),
Hermann Altbaier (1877), Hannchen Fichtelberger (1873), Hannchen Forster (1876),
Lina Grünthal geb. Lindner (1882), Hanni Haag geb. Altbaier (1879), Maria
Heitlinger (1874), Amalie (Mali) Herbst (1876), Marie Kairies geb.
Springer (1870), Regina Lindner (1872), Hermann Mayer (1877), Helene Neuburger
geb. Wolf (1868), Emma Swiadischz (1874), Emma (Elishewa) Ullmann (1884), Werner
Wassermann (1925), Frida Wild geb. Fichtelberger (1880), Lina Wolf (1906), Mayer
Wolf (1872).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen
Gemeinde
Aus der Geschichte des Rabbinates
Über Rabbiner Henoch (Chanoch) ben Jehuda Löb (Rabbiner
in Schnaittach von etwa 1702 bis 1709)
Der auf Grund seiner zahlreichen rabbinischen Abhandlungen bedeutende
Rabbiner Henoch (Chanoch) aus Pfersee war seit etwa 1702 Rabbiner in Schnaittach
als Nachfolger von Rabbiner Akiba Bär (Rabbiner von 1694 bis etwa 1701). Er
blieb bis 1709 in Schnaittach und wurde danach Rabbiner in Gelnhausen,
wo er 20 weitere Jahre als Rabbiner wirkte.
Aus
einer Reihe über verschiedene bedeutende Rabbiner in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 30. Oktober 1867: "Rabbi Chanoch Sohn
des Rabbi Jehuda Lew. R. Henoch b. Jehuda Löb, Sohn des Pferseer
Rabbiners wurde ums Jahr 1681 geboren. Da er sich von Jugend auf in der
rabbinischen Gelehrsamkeit sehr auszeichnete, so wurde er frühe schon zum
Oberhaupt der Synagoge von Schnaittach gewählt. Er war bereits Rabbiner
in diesem Orte, als sein Vater 1705 starb; er betrachtete sich sogleich
als Vollzieher des Willens seines Vaters hinsichtlich der Herausgabe der
hinterlassenen Schriften seiner Vorfahren. Während drei Jahre
beschäftige er sich mit der Redaktion zweier Sammlungen, eine den
homiletischen und eine den kasuistischen Schriften gewidmet. Beide
erschienen in Frankfurt am Main 1708 bei Mt. Andrä und Joh. Kellner. Die
erste Sammlung führte den Titel Reschit Bachurim Das Früheste der
Erstlinge, enthält Synagogal-Vorträge über die drei Hauptfeste von
seinem Großvater Henoch ben Abraham, seinem Vater Jehuda Löb ben Henoch
und von ihm Henoch ben Jehuda Löb. Die zweite Sammlung betitelt Fragen
und Responsen Chinuch Beit Jehuda - Einweihung des Hauses Jehuda,
besteht aus 145 Rechtsgutachten, nach den 4 Turim geordnet. Die meisten
Gutachten sind von seinem Vater, viele von seinem Großvater, Großonkel
und seinem Urgroßvater, die übrigen von ihm und etwa 20 anderen
Rabbinern." |
Die Scheu des Rabbiners vor der Ablegung des Eides - Bericht aus
Schnaittach (1928)
Die Erzählung geht aus das Jahr 1721 zurück, als der damals
auch für Schnaittach zuständige Fürther Rabbiner Baruch Kahana Rapoport
sich weigerte, den Amtseid abzugeben. Damals war in Schnaittach selbst nur ein
Vizerabbiner tätig (Salomo aus Kolin bei Prag). Rapoport selbst war bis 1736
zuständig, danach übernahm sein Sohn Arje Löb Rapoport die Stelle
eines Schnaittacher Hauptrabbiners.
Artikel
aus der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Januar 1928: "Episoden aus der Geschichte der Juden in Bayern. Von
Rabbiner Dr. M. Weinberg in Neumarkt (Oberpfalz). II. Die Scheu vor der
Ablegung des Eides. Wir besitzen noch die Reiseberichte, die
vor über tausend Jahren Eldad aus dem Stamme Dan herausgegeben hat. In
diesen schildert er die Erlebnisse, die er in Asien bei dem Besuche der
'10 Stämme' hatte. Sie sind zum Teil fabelhafter Natur, zum Teil aber
offenbar der Wirklichkeit entsprechend wiedergegeben. Hier erzählt er nun
unter anderem auch von einer eigenartigen Beobachtung, die er gemacht hat.
Er traf auf eine jüdische Bevölkerung, wo niemand zu bewegen gewesen
wäre, einen Eid abzulegen. Diese Scheu vor dem Eide bestand zu allen
Zeiten im Judentum und besteht noch heute. Der Eid bietet das letzte
Mittel, die Wahrheit zu ermitteln und zu bekräftigen, dort wo neben Gott
nur der Schwörende Aufklärung zu bieten vermag und damit letzten Endes
das Fundament aller juridischen Rechtsprechung. Es entspricht daher dieser
autokratischen Unfehlbarkeit des Schwures, dass Gott selbst, der über
seine Richtigkeit allein zu entscheiden vermag, zum Zeugen seiner Wahrheit
angerufen wird. Es müsste ein Jude sich schon sehr weit vom Urgrund
seiner Religion entfernt haben, wenn die heilige Ehrfurcht vor der
Gottheit nicht aufs das Tiefste in seinem innersten Wesen fundiert wäre.
Weiß er doch, dass bei keinem der zehn Gebote die unmittelbaren
sträflichen Folgen einer Übertretung so eindringlich gezeigt werden, wie
im dritten. Dass ein Jude einen wissentlichen Falscheid leistet, erscheint
undenkbar; aber auch wegen einer Bagatellsache einen Wahrheitseid zu
leisten, weist man von sich. Gott zum Zeugen anzurufen -, das muss bei
einer ganz großen, bedeutungsvollen Sache geschehen. Darum ist ja auch
die Neigung der Juden erklärlich, wenn irgend möglich sich jedes Eides
zu enthalten; und es ist oft genug in Gerichtsälen vorgekommen, dass
Glaubensgenossen einen ihnen zugeschobenen, mit bestem Gewissen zu
leistenden Eid verweigerten, obwohl sie dadurch den Gewinn ihrer
wohlberechtigten Ansprüche aus der Hand gaben.
Eine solche Eidesverweigerung, bei der es sich überdies um einen
verpflichtenden allgemeinen Amtseid handelte, der mit bester Überzeugung
hätte abgelegt werden können, beschäftigte vor etwa zweihundert Jahren bayerische
Regierungsbehörden und erregte in weiten Kreisen berechtigtes Aufsehen.
In Schnaittach befand sich der Sitz des einzigen bayerischen
Rabbinates. Im Jahre 1721 war die Stelle zu zu besetzen. Aus
Sparsamkeitsrücksicht beschloss der Bezirk, eine Personalunion mit der
Gemeinde Fürth einzugehen und den dortigen berühmten Rabbiner Baruch
Rapoport mit der Mitverwaltung des Schnaittacher Landrabbinates zu
betrauen. In Schnaittach selbst waltete ein Vizerabbiner, während bei
Rapoport die Erledigung aller autoritativen, besonders juridischen Angelegenheiten
lag. Er galt tatsächlich als pragmatischer Staatsbeamter der unter der
Hilfe und dem Schutze des Staates alle Zivilprozesse unter den Juden zu
erledigen hatte und dabei nach Befinden Eide auferlegen konnte, Hierin,
besonders auch auch in Steuersachen, trug er amtliche Verantwortung dem
Staate gegenüber. Daher verlangte die Schnaittacher Amtsbehörde
(Pflegamt) von Rapoport, dass er sich vereidigen lasse; die Regierung in
Amberg schloss sich dieser Forderung an, umso mehr als Fürth Ausland sei.
Rapoport |
aber
weigerte sich mit aller Entschiedenheit, diesen Eid zu leisten; die
bayerischen Behörden aber, die sich diese Weigerung nicht zu erklären
vermochten, bestanden ihrerseits auf ihrer Anordnung. Die Folge war, dass
Rapoport sich nie in seinem Rabbinatsbezirk Schnaittach blicken ließ.
Hierdurch fühlten sich die Gemeinden überaus benachteiligt, denn sie
waren in allen Angelegenheiten dem Staate gegenüber um eine Instanz, dass
Rabbinat, verkürzt, die denn auch das Pflegamt langsam an sich riss. Die
Unbeugsamkeit des Rabbiners und die Beschwerden der Gemeinden verfehlten
endlich nicht ihre Wirkung auf die Regierung, und diese befahl dem
Pflegamt, Rapoport durch 'Handstreich' an Eidesstatt auf sein Amt zu
verpflichten. Hiermit war Rapoport einverstanden. Doch der Ortsbeamte
ruhte nicht; noch volle sieben Jahre hindurch bemühte er sich, 'im
Staatsinteresse' seine Forderung des Amtseides durchzusetzen und erst im
Jahre 1732 gelang es dem Königlich preußischen Oberhoffaktor Salomon
Levi Gumpert unmittelbar beim kurfürstlichen Hof in München endgültig
durchzusetzen, dass von der Vereidigung Rapoports abgesehen wurde. Seine
unbeugsame Willenskraft hatte schließlich doch den Sieg davon
getragen." |
Über die Rabbinerfamilie Rapoport mit Erwähnung
von Rabbiner Arje Löb Rapoport (1693-1780, bis 1742 Rabbiner in Schnaittach)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März
1900: "Die Rabbinerfamilie Rapoport in Deutschland
(Fortsetzung). Aus der Ehe des Baruch Kohn Rapoport (Anmerkung:
derselbe war etwa 1668 geboren und nicht 1688, wie oben S. 6 irrtümlich
angegeben ist; er stand demnach 1706 im 38. Lebensjahr) in Fürth und
der Sara Chaja aus Grodno gingen drei Söhne und vier Töchter hervor. Der
älteste Sohn Löb Rapoport wurde ums Jahr 1693 geboren. Wenn die
Angaben Carmoly's stimmen (sc. Eljakim Carmoly: Ha-Orebim u-Bene Jona.
Genealogie der Familie Rapoport. Rödelheim 1861 S. 18) richtig sind,
so hatte er sich durch Heirat ein großes Vermögen erworben, das jedoch
in der Geschäftsgemeinschaft mit dem Hofjuden Gabriel Fränkel in Fürth
wieder verloren ging. Er musste deshalb nach einem Erwerbszweig sich
umsehen und nahm das Rabbinat der vier Gemeinden Ottensoos,
Schnaittach, Forth und Hüttenbach
mit dem Sitz in Schnaittach an. Von da wurde er 1742 nach Heidingsfeld
als Rabbiner des Würzburger Kreises berufen, nachdem die von sämtlichen
Vorgängern der hochstiftlichen Judenschaft per vota majora geschehene
Wahl am 10. August 1742 durch Fürstbischof Friedrich Karl bestätigt war.
Dort stand er in hohem Ansehen und erwarb sich innerhalb seines
Wirkungskreises die Anerkennung und Verehrung aller derjenigen, die unter
seiner geistlichen Führung standen.
Im hohen Alter von 87 Jahren ging er am Sonntag, den 16. Ijar (21. Mai)
1780 zu seinen Vätern ein und wurde in Allersheim
beerdigt.
Das Memorbuch in Heidingsfeld widmet ihm den ehrenvollen Nachruf..."
. |
Der Schnaittacher Rabbiner (gemeint: Rabbiner
Neckarsulmer) kann sich mit einer neuen
Leichenordnung nicht durchsetzen (1842)
Mitteilung
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Mai 1842:
"In Ansbach hat der allgemein
beliebte Rabbiner Grünbaum ohne Widerspruch eine Leichenordnung
eingeführt, der Rabbiner in Schnaittach hat bei einem solchen
Versuch den Kürzeren gezogen." |
Bezirksrabbiner Juda Wolf Neckarsulmer besucht
Remagen am Rhein (1861)
Juda Wolf Neckarsulmer war von 1828 bis 1867 Bezirksrabbiner
(Distriktsrabbiner) mit Sitz in Schnaittach.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Mai 1861:
"Suum cuique! Wir können nicht umhin, hiermit öffentlich
unseren tief gefühlten, herzlichsten Dank einem Manne auszusprechen, der
uns manche wahrhaft angenehme, unvergessliche Stunde bereitete.
Am 28. vorigen Monats hielt Herr Distrikts-Rabbiner Neckarsulmer aus Schnaittach
(in Bayern) vor einer zahlreichen Versammlung eine Rede, die ihrem
Verfasser nicht wenig Ehre machte. Fast jede Periode enthielt eine Fülle
von Geist und Herz, 'zu schönster Harmonie geeint'. Einen besonders
günstigen Eindruck machte es, als der beredte Mund des wackeren Predigers
mit wahrhaft jugendlichem Pathos entwickelte, wie wir, fern von aller
Kopfhängerei, die Lebensfreuden zu genießen haben. - Wir hatten auch das
Glück, mit dem Biedermanne uns oftmals zu unterhalten, und mussten jedes
Mal seinem reichen Wissen und seiner einnehmenden Gemütlichkeit gleiche
Bewunderung zollen.
Es nehme der liebenswürdige Geistliche, der, wie wir zu unserm größten
Bedauern vernommen, die Ufer des Rheins, an denen er so gern weilte, bald
verlassen und in seinen Wirkungskreis zurückkehren wird, unsern Dank wie
auch die aufrichtige Versicherung mit in die Heimat, dass seine klaren und
wahren, vom Geiste echter Humanität und Religiosität getragenen
herzlichen Worte noch lange in unserem Innern nachklingen werden. Remagen
bei Bonn am Rhein, im Mai 1861.
Mehrere Wahrheitsfreunde. H. Löb." |
Rabbiner Juda Wolf Neckarsulmer verlässt die Gemeinde (1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. September
1867: "Schnaittach (Bayern), 19. August (1867). Unser
bisheriger Rabbiner Herr Neckarsulmer, hat nach 42-jähriger Amtierung das
Rabbinat quittiert und sich nach Fürth zurückgezogen. Hatte sein
Temperament auch manches Kantige, so besaß er doch eine hohe allgemeine
Bildung, einen scharfen Verstand und eine anerkannte talmudische
Gelehrsamkeit. Wir rufen ihm mit aufrichtiger Dankbarkeit ein herzliches
Lebewohl nach. Es handelt sich nun um Wiederbesetzung der Vakanz, und eine
gewisse Partei, die bereits ihre stabil-orthodoxen Kandidaten in der
Tasche hat, sucht Alles zu hintertreiben, was die Aufmerksamkeit anderer
Bewerber auf diese Stelle lenken möchte; und dennoch ist es wohl ein
simpler Akt der Gerechtzeit gegen Alle, die Wahl nicht hinter Schloss und
Riegel vorzunehmen. Mögen daher diese Zeilen dazu dienen, der Vakanz mehr
Öffentlichkeit zu verschaffen." |
Zum Tod von Rabbiner Juda Wolf Neckarsulmer (1880 in Fürth)
Juda Wolf Neckarsulmer war nach seinem Weggang von Schnaittach - privatisierend
- als Stiftsrabbiner (Klausrabbiner) in Fürth tätig.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. August
1880: "Man schreibt uns aus Fürth den 12. August 1880: Dienstag
Mittags den 10. dieses Monats verschied hier Herr Rabbiner Wolf
Neckarsulmer im nicht vollendeten 80. Lebensjahre. Geboren zu Fürth,
befasste sich Neckarsulmer frühzeitig mit dem Studium der talmudischen
Wissenschaft, auf welchem Gebiete er als Koryphäe ersten Ranges
bezeichnet wird. Im 24. Lebensjahr empfing Neckarsulmer die Morenu
(Autorisierung zum Rabbiner), bekleidete sodann die Stelle eines Rabbi am
Beth-Hamidrasch zu Bamberg, wurde etwa um 1826 als Rabbiner von
Schnaittach installiert, welche Stelle er fast 40 Jahre bekleidete.
Seine Abstimmungen in der Synode zu Ansbach in den 30er-Jahren brachten
ihn in den Ruf des religiösen Freisinns, galt ja schon die Eliminierung
des Jekum Purkan zu jener Zeit als Reform im Kultus, und so hatte
Neckarsulmer manch harten Strauß auszufechten, obwohl er durch und durch
orthodox gesinnt war und gelebt hat. Neckarsulmer war Autodidakt, wenn er
auch u.a. bei Dr. Martinet in Bamberg Unterricht im Hebräischen und in
den neueren Sprachen nahm. Seit etwa 1866 privatisierte Neckarsulmer hier,
von einem Kreis von Schülern stets umgeben. Die von ihm arrangierten
Vorträge der sogenannten 'Klaus-Schule' wurden gern gehört, sie waren
exegetischen, religiösen und sittlichen Inhaltes, basiert auf die
mosaisch prophetischen Grundlehren, deren praktische Anwendung auf das
Leben sie erörterten, hie und da von der Hagada getragen. Die Wirkung der
Vorträge war dadurch erhöht, dass Neckarsulmer in einem nur in Gedanken
gefassten Entwurf frei vortrug. Seine Wohltätigkeit, der angenehme mit
Witz und Scharfsinn gepaarte Umgang und sein versöhnliches Wesen werden
ihm ein dankbares Andenken bewahren." |
Ausschreibung der Rabbinerstelle (1868)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. November 1868: "Bekanntmachung.
(Die Besetzung der Rabbinerstelle in Schnaittach betreffend).
Die erledigte Distrikts-Rabbinerstelle in Schnaittach ist wieder zu
besetzen. Mit derselben ist ein fixer Geldgehalt von 500 Gulden, dann
freie Wohnung und eine anständige Einnahme im ohngefähren jedoch nicht
garantierten Betrage von 150 Gulden verbunden. Bewerber um diese Stelle
haben ihre Meldungen mit den Nachweisen
a. der bayerischen Staatsangehörigkeit,
b. der Kenntnis der deutschen Sprache und wissenschaftlichen Bildung
und
c. der bürgerlichen und gesellschaftlichen Unbescholtenheit binnen 6
Wochen anher einzureichen.
Hersbruck, den 20. Oktober 1868. Königliches Bezirksamt.
Regierungsrat Steurer." |
Einsetzung von Distriksrabbiner Dr. M. Salzer
(1870)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1870: "Schnaittach
(Bayern), den 30. Januar. Montag, den 24. dieses Monats fand die
Installation unseres neu ernannten Distriktsrabbiners Dr. M. Salzer in
feierlichster Weise statt. Nicht nur der hiesige Ort nahm allgemeinen
Anteil, sondern auch die übrigen Gemeinden des Distrikts Hüttenbach,
Forth und Ottensoos beteiligten sich ebenfalls in großer Anzahl daran.
Schon der frühe Morgen des 24. brachte uns die fremden Gäste im
festlichen Schmucke, welche sich alsbald in der schön dekorierten
Synagoge versammelten. Nach Ankunft des königlichen Kommissärs, des
Herrn Bezirksamtsassessor Herrmann von Hersbruck, ging der Festzug unter
Musikbegleitung zur Synagoge, deren Räume von den Magistratsherrn,
Gemeindebevollmächtigten, Geistlichen und anderen Gästen bereits
angefüllt waren. Nachdem von einem Männerchore ein Choralgesang
vorgetragen war, hielt der königliche Kommissär eine warme Anrede an die
Gemeinde und den Rabbiner und nahm den Akt der Einweisung und Beeidigung
des Herrn Rabbiners vor. Derselbe beantwortete nun die Rede und bestieg
alsdann während des Absingens eines weiteren Chorals die Kanzel und hielt
eine treffliche Rede über den Vers 3 Kap. 24 des Wochenabschnitts. Mit
dem Gebete für Seine Majestät den König und dem Schlussgesang Psalm 150
schloss die Feier in der Synagoge.
Bei der Gratulation wurden dem Herrn Rabbiner von den Vorständen der vier
Distriktsgemeinden schöne und wertvolle Ehrengaben überreicht.
Mittags fand ein Festdiner statt, das in angenehmer Unterhaltung und mit
schönen Toasten gewürzt bis gegen Abend währte.
Den Schluss bildete gesellige Abendunterhaltung mit Musik und Gesang unter
Beteiligung der angesehensten Bürger der christlichen Bevölkerung
Schnaittachs, als auch der auswärtigen Gäste. Möge dieses Fest, das in
schöner Einigkeit seinen Anfang und Abschluss fand, den Grundstein zu
einem ferneren, religiösen und friedlichen Leben in unserer Gemeinde
bilden." |
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer
Lehrer Reckendorf wird Agent des Institutes zur
Förderung der israelitischen Literatur (1859)
Anzeige in der "Allgemeinen Jüdischen Zeitung"
vom 18.4.1859: "Als neue Agenten haben wir zu bezeichnen:
Herrn L. Löwenthal in Wormditt.
Wolf Joseph, Religionslehrer in Großrohrheim,
Kreis Bensheim, Großherzogtum Hessen.
Lehrer Reckendorf in Schnaittach (Bayern).
Institut zur Förderung der israelitischen Literatur." |
Ausschreibung der Stelle des Vorsängers und
Schächters (1866)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. August 1866: "Bei
der hiesigen Gemeinde ist die Stelle eines Vorsängers und Schächters auf
drei Jahre provisorisch zu besetzen.
Nebst freier Wohnung beträgt der jährliche Gehalt inklusive der
Emolumente circa 400-450 Gulden, welcher jedoch bei entsprechenden
Fähigkeiten noch erhöht wird.
Qualifizierte Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnisse innerhalb 4
Wochen franco an unterfertigte Verwaltung einsenden.
Schnaittach bei Nürnberg, den 8. August 1866. Die israelitische
Kultusverwaltung." |
Zum 70. Geburtstag von Lehrer Maier Mayer
(1909)
Auf die obige Ausschreibung von 1866 bewarb sich
erfolgreich Lehrer Maier Mayer, der noch nach 42 Amtsjahren seinen 70.
Geburtstag in Schnaittach feiern konnte (weiteres zu seinem Lebenslauf siehe
unten Bericht zu seiner Diamantenen Hochzeit und Bericht zu seinem Tod von 1927).
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. April 1909: "Schnaittach,
14. April (1909). Am 22. April feiert der hiesige Lehrer und Vorsänger,
Herr Mayer, seinen 70. Geburtstag; derselbe amtiert bereits über 42 Jahre
hier und blickt auf ein arbeitsreiches Leben zurück. Herr Lehrer Mayer
ist noch sehr rüstig. Möge demselben vergönnt sein, auch fernerhin
seinen Beruf wie bisher ausüben zu können." |
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers, Vorbeters
und Schochet 1925
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Mai 1925:
"Seminaristisch gebildeter Religionslehrer, Vorbeter und Schochet
gesucht. Gehalt nach der staatlichen Besoldungsordnung. Dienstwohnung
vorhanden.
Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Schnaittach, bei
Nürnberg." |
Diamantene Hochzeit des in Themar im Ruhestand lebenden
Lehrers a.D. Maier Mayer und Karolina geb. Eisenfresser (1926)
Anmerkung: Lehrer Maier Mayer war 47 Jahre lang Lehrer in
Schnaittach; er war der Schwiegervater des Lehrers
in Themar Moses Levinstein. Daher lebte er seit seiner Zurruhesetzung in
Themar.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1926: "Themar,
16. März (1926). Das Fest der diamantenen Hochzeit feierten unter
Anteilnahme weiter Kreise am 16. März - dem 1. Nisan [Rosch Chodesch
Nisan] - Herr Maier Mayer, Lehrer a.D. und dessen Gattin Karolina geb.
Eisenfresser in körperlicher Rüstigkeit und geistiger Frische in Themar
(Meiningen). Ein feierlicher Festgottesdienst versammelte die ganze
Gemeinde in der festlich geschmückten Synagoge. Es war erhebend, als der
ehrwürdige Greis von 87 Jahren mit wohlklingender Stimme den Segensspruch
über die Thora aussprach. Im Anschlusse an den Gottesdienst fand die
Feier statt, die durch einen sinnreichen Prolog, vorgetragen von drei
Enkelkindern, eingeleitet wurde. Darauf folgte die eindrucksvolle Festrede
des Schwiegersohnes des dortigen Lehrers, Herrn M. Levinstein. Lehrer
S. Blumenthal, Neustadt a. Aisch
als Neffe schloss sich den Worten des Festredners an und überbrachte die
Glückwünsche der weiteren Verwandtschaft und die des 'Israelitischen
Lehrervereins in Bayern', dessen Nestor der Jubilar ist. Namens der
Kultusgemeinde Schnaittach, woselbst der Jubilar 47 Jahre wirkte,
überbrachte Herr Freimann Glückwünsche, ein Ehrengeschenk nebst einer
kunstvoll ausgeführten Ehrenurkunde. Mit Verlehrung eines ehrenden
Glückwunschschreibens des Reichspräsidenten Hindenburg, des 1.
Bürgermeisters der Marktgemeinde Schnaittach, des Präsidiums des
D.J.G.B., des 1. Vorsitzenden des israelitischen Lehrervereins in Bayern,
des Vorsitzenden des Verbandes der jüdischen Lehrervereine in
Deutschland, sowie der Mitteilung von der Verleihung des Chowertitels
('Ehrenrabbiner') durch den Herrn Distriktsrabbiner Dr. Weinberg in
Neumarkt und herzlichen Dankesworten
an die Festversammlung seitens des ältesten Sohnes des Jubelpaares Herrn
Lehrer M. Mayer, Fürfeld namens
seiner 6 Brüder und drei Schwestern schloss der feierliche Akt, der auf
alle Teilnehmer einen erhebenden Eindruck macht. Nicht unerwähnt
sei, dass der greise Jubilar beim Festmahle eine sinnreiche Rede hielt,
die mit Dank für Gottes Gnade ausklang, und dass derselbe mit klangvoller
Stimme die Birchas hamoson vortrug. Mögen dem ehrwürdigen Ehepaare noch
viele Jahre der Freude und des Glückes mit Gottes Hilfe im Kreise
der Kinder und Enkel beschieden sein." |
Zum Tod von Lehrer Maier Mayer (1927)
Artikel
in der "Bayrischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 7. Januar
1927: "Personalien. In Themar, wo ihm kindliche Dankbarkeit
und Liebe ein freundliches Heim geschaffen und einen sorgenfreien,
heiteren Lebensabend bereitet hatten, verstarb am 24. November (18.
Koslew) der Nestor und Mitbegründer unseres Vereins, Maier Mayer, im
Alter von 86 Jahren und 7 Monaten. Er wurde am 22. April 1839 in Aschbach
geboren, erhielt seine Ausbildung in Höchberg und
Würzburg und wurde
nach mehrjähriger Tätigkeit als Religionslehrer in Oberthulba und
Giebelstadt in die damals noch blühende Gemeinde Schnaittach berufen, wo
er nahezu ein halbes Jahrhundert in Schule und Gemeinde wirkte, bis er im
Jahre 1914 in den wohlverdienten Ruhestand trat und nach Themar
übersiedelte. Auch in dieser Gemeinde machte er sich besonders verdient,
indem er in gottbegnadeter, körperlicher und geistiger Rüstigkeit in den
Jahren 1916-1918, als sein Schwiegersohn, Lehrer Levinstein, zum
Kriegsdienste eingerufen wurde, dessen anstrengenden Dienst versah. Noch
als 86jähriges fungierte er am Rochhaschanah (Neujahr) und Jomkippur
als Scheliach Zibbur (Vorbeter). Die hohe Verehrung und Liebe, die
ihm aus allen Kreisen entgegengebracht wurde, fand noch besonderen
Ausdruck, als er im Vorjahre mit seiner Gattin unter Teilnahme der ganzen
Gemeinde, ohne Unterschied des Glaubens, der Vertreter aus seinem
vieljährigen Wirkungsorte und der Behörden - der Verband Bayerischer
Israelitischer Gemeinden sei hierbei eigens genannt - das seltene Fest der
diamantenen Hochzeit feiern konnte. Bezirksrabbiner Dr. Weinberg in Neumarkt
verlieh im anlässlich dieser Feier den Chower-Titel. Um den
Heimgegangenen trauern mit der Gattin 10 Kinder, 7 Söhne und 3 Töchter.
An seiner Bahre hielt der Schwiegersohn die Trauerrede, der älteste Sohn,
Lehrer Moses Mayer, widmete dem Vater tief ergreifende Worte des
Abschieds. Möge das Andenken des Zaddik zum Segen sein!
Blumenthal, Neustadt a.d.A." |
|
Artikel
in "Der Israelit" vom 23. Dezember 1926: "Neustadt an der
Aisch, 13. Dezember. Ein alter Lehrerveteran, der Nestor und
Mitbegründer des israelitischen Lehrervereins in Bayern, Lehrer M. Mayer,
verschied im hohen Alter von beinahe 87 Jahren in
Themar (Thüringen), wo er seit 1914 im
Ruhestand lebte. Er stammt aus Aschbach
in Oberfranken und erhielt seine berufliche Ausbildung in
Höchberg und Würzburg. Nach
mehrjähriger aus Wirksamkeit in den Gemeinden
Oberthulba und
Giebelstadt wurde er nach
Schnaittach bei Nürnberg berufen, wo er beinahe 50 Jahre in
vorbildlicher Weise segensreich sich betätigte. Im Jahre 1914 trat er in den
wohlverdienten Ruhestand, gleichzeitig nach
Themar übersiedelnd. An dem stets lebensfrohen Greis, der stets in den
Wegen der Thora wandelte, erfüllte der sich des Psalmisten Wort. Bis zu den
letzten Tagen seines Lebens konnte er sich in körperlicher Rüstigkeit und
geistiger Frische erfreuen. In den Kriegsjahren 1916 bis1918 versah er in
noch rüstiger Weise das anstrengende Amt seines zum Heere einberufenen
Schwiegersohnes, des Lehrers Levinstein in
Themar und noch als 86-jähriger Greis versah er in der dortigen Gemeinde
den Dienst des Schaliach Zibbur (Vorbeter). Sein Leben war reich an
Arbeit und Last, aber auch viele Tage der Freude und des Glückes waren dem
Verlebten beschert. Er hatte das Glück, mit seiner getreuen Gattin nicht nur
das Fest der goldenen, sondern auch die seltene Feier der diamantenen
Hochzeit erleben zu dürfen. Letztere fand am .. Nissan unter
Teilnahme weiter Kreise und hoher Behörden statt. Aus diesem Anlass wurde
ihm durch den Herrn Distriktsrabbiner Weinberg in
Neumarkt der Chawer-Titel, den er
früher aus Bescheidenheit verschwiegen, erneuert, am 18. Kislev entschlief
der Selige ohne Kampf und wurde im nahen
Marisfeld zur letzten Ruhe bestattet. Sieben Söhne und drei Töchter
beweinen mit ihren Familien und mit der greisen Gattin sowie ein großer
Kreis von Verehrern den Verlust des Frommen. An dessen Bahre schilderte sein
Schwiegersohn in beredten Worten das Leben des Verblichenen und dessen
ältester Sohn, Lehrer M. Mayer, widmete dem Vater tief ergreifende Worte des
Abschieds. Möge das Andenken des Zaddik (Gerechten) zum Segen sein!
Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. |
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Über ein Hausgebetbüchlein aus Schnaittach, geschrieben
1755
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 1. Mai
1928 (Ausschnitt aus einem längeren Abschnitt über "Jüdische
Buchmalerei im 18. Jahrhunder"): "Von einer anderen
Kunstauffassung, die allerdings von der böhmischen Kunstschreibeschule
nicht unbeeinflusst blieb, zeugt ein ebenfalls sehr kleines Gebetbüchlein
mit den gebräuchlichsten Segenssprüchen und kleinen Gelegenheitsgebeten,
das am ersten Kislev 5516, d.i. 5. November 1755 von Moses, Sohn des
verstorbenen Herrn Jakob Moses aus Schnaittach vollendet wurde. Es
ist im Auftrage des Jünglings, des Bräutigams David Lewi, Sohnes des
Herrn Naftali aus Schnaittach geschrieben worden und war als
Geschenk an seine Braut, die Jungfrau Chanah aus Baiersdorf
bestimmt. Das Büchlein (Format 10,5 x 7 Zentimeter) befindet sich heute
in Münchener Privatbesitz (Abb. 9). Durch die stärkere Deckung des Hintergrundes
wird eine weniger klare Wirkung erzielt, das Ganze erscheint
schwerfälliger und primitiver. Dennoch ist das Bild der Kutsche (Abb. 10)
, das als
Illustration zum Gebet auf einer Reise gewählt ist, nicht nur in der Wahl
des Vorwurfs reizvoll, sondern auch in der Durchführung entsprechend. Das
in hübschem Original-Lederband erhaltene Büchelchen ist uns wegen seines
Verfertigers besonders wertvoll, weil wir ihn wohl mit einer
Sfoferim-Familie in Zusammenhang bringen dürfen, aus der um die Wende zum
19. Jahrhundert Moses Schnaittach in Fürth hervorging, der u.a. auch das
Kriegshaberer Memorbuch schrieb und mit einer linear-dekorativen
Eingangsseite schmückte. Während die meisten Memorbücher eine nur ganz
einfache Verzierung aufweisen, erweist sich das in Fischach aufbewahrte
als das Werk |
eines
Künstlers. Z'vi Hirsch, Sohn des verstorbenen R. Bezalel aus Lemberg hat
es im Jahre 1738 unter der Regierung Karls (VI.) mit zierlich
hervorgebogenen Initial-Worten und mit ganz eigenartigen Federzeichnungen
geschmückt, die vom europäischen Kunstcharakter auffällig
abweichen..." |
Reisebericht aus Schnaittach (1851)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. November 1851
(Teil eines längeren Reiseberichtes - nur der Schnaittach betreffende
Abschnitt wird zitiert): "...Länger weilten wir in Schnaittach,
welches mit den Gemeinden Ottensoos, Forth und Hüttenbach ein Rabbinat Medinat
Oschpah bildet. Auf dem Wege dahin ward ich von Freundes Mund gefragt,
ob es ratsam sei, einen Sohn dem jüdischen Schulfache zu widmen. Ich
nannte solches Beginnen ein ... (?) Schnaittach, eine der ältesten
bayerischen Gemeinden, wohlhabende und dem Fortschritte huldigende
Gemeindeglieder in großer Menge zählend, lebt in beständigem Unfrieden
mit seinem Rabbiner Herrn Neckarsulmer und tragen, wie immer in solchen
Fällen, beide Teile die Schuld. Derselbe entwarf seiner Zeit die für
Mittelfranken gültige Synagogenordnung und doch wird sie nirgends weniger
gehandhabt, als gerade hier. Da herrscht völlige Ungeniertheit und noch
Etwas mehr, und der Rabbiner wendet sein Antlitz beharrlich der Wand zu.
Rühmliche Erwähnung verdient die Gnade der königlichen Regierung,
welche auf die Dauer der Krankheit des dasigen Lehrers - und sie wird
leider lang andauern - den Gehalt des Verwesers ganz aus Staatsmitteln
leistet. In Ermangelung eines jüdischen Kandidaten musste mehrere Monate
ein christlicher als Verweser verwendet werden." |
Über die von der jüdischen Gemeinde jährlich
abzugebenden Martinigänse und andere Sitten und Gebräuche im 17./18.
Jahrhundert (1878)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Dezember 1878:
"Schnaittach, 2. Dezember (1878). Nach dem Berichte aus Preßburg in
Nr. 48 des 'Israelit' walten über den Ursprung der dortigen Sitten, von
Seiten der Kultusgemeinde alljährlich dem Staatsoberhaupt 'Martinigänse'
zu überreichen, verschiedene Erklärungen.
Man wird jedoch nicht fehlgehen, wenn man in diesem Gebrauch einen
Überrest der alten Judensteuern erblickt, welcher nach Aufhebung des
Zwanges von der jüdischen Loyalität freiwillig beibehalten und später
als ein Vorrecht aufgefasst worden ist.
Diese Ansicht wird in mir wachgerufen durch zwei in dem hiesigen
israelitischen Gemeindearchiv sich befindliche Schutzbriefe aus den Jahren
1645 und 1665.
Der erstere, nur in Abschrift vorhanden, ist von dem fränkischen
Gan-Erben (einem mittelalterlichen Adelsverband) ausgestellt, welche
damals Herren des Rothenberg waren, einer Festung (jetzt Ruine) auf dem
Gipfel des gleichnamigen Berges, an dessen Fuße Schnaittach
liegt.
Der Schutzbrief vom Jahre 1665 ist von dem bayerischen Kurfürsten
Ferdinand Maria und den Gan-Erben gemeinschaftlich gegeben, da Kurbayern
zu dieser Zeit die Oberhoheit über den Rothenberg hatte.
In diesen beiden Schutzbriefen spielt nun die Martinsgans als Judenabgabe
keine unbedeutende Rolle. Man begnügt sich hier keineswegs mit einem
halben Dutzend Alles in Allem. Im Eingange wird ausgesprochen, dass
'nachdem der Schnaittachischen Judenschaft gehabte Schutz und Freiheit
sich geendiget' und die Judenschaft um ferneren Schutz 'gehorsamst und
untertänigst wieder angehalten', Ihre Kurfürstliche Durchlaucht
(Schutzbrief d. 1665: Ihre Kurfürstliche Durchlaucht und die wohladeligen
Herrn Gan-Erben) 'sich gnädigst (und gnädig) resolviert, Ihnen wiederum,
wie vor |
diesem
geschehen', einen Schutzbrief auf drei Jahre zu erteilen. 'Dagegen' habe
jeder Jude jährlich vierzig Gulden zu entrichten. (Die Vorauszahlung von
40 Gulden wird in dem Brief von 1645 ihnen 'auf ihr untertänig
Supplizieren und in Erwägung der noch konditionierten beschwerten
Kriegsläuften, doch zu keiner Konsequenz, in Gnaden nachgelassen. Es
folgt dann die Aufzählung, der den Juden bewilligten 'Freiheiten', unter Anderem:
dass 'Ihnen vergönnt und zugelassen worden, einen Schulmeister und Schulklopfer,
die Sie zu Ihrem Handel brauchen, zu Ihnen zu nehmen'. Nachdem noch für
die Verstattung, ihren Begräbnisplatz weiter benützen zu dürfen,
kleinere Gebühren bei Sterbefällen festgesetzt worden, kommen unsere
Martinigänze an die Reihe.
In beiden Dokumenten heißt es - bis auf den Namen des Empfängers -
gleichlautend: 'Und soll ein Jeder Jud jährlich dem Burggrafen (1665:
Beiden Herrschaften) auf Martini eine gut gemästete Gans, dazu auf
Weihnachten einen Opfergulden, dann dem Burgvogten alle miteinander eine
gemästete Gans und ein Opfergulden, desgleichen ein jeder Jud dem Richter
zu Schnaittach auf Martini eine gemästete Gans und auch ein jeder
besonders denen des Rats zu Schnaittach eine gemästete Gans und alle
miteinander dem Büchsenmeister zum Rothenberg einen halben Gulden zu
geben schuldig sein.'
Man sieht, unsere alten schutz- und Zwingherren wussten nicht nur das
Geld, sondern auch die gemästeten Gänse der Juden zu würdigen. Es hatte
also jeder jüdische Hausvater zu den hohen Geldabgaben noch eine erkleckliche
Zahl gemästeter Gänse jährlich zu liefern. Doch brauchten, wie es
scheint, nur die an die höchsten Herrschaften zu liefernden Gänse gut
gemästet zu sein.
Dafür wurden die Juden auch geduldet und beschätzt. Aber mit einer
Einschränkung. 'Jedoch behält man sich von Seiten Ihrer Kurfürstlichen
Durchlaucht usw. ausdrücklich bevor', heißt es am Schlusse, 'dass wo im
Römischen Reich der Juden halb Änderung sich begeben sollte, dass man
mit dieser gegebenen Freiheit gegen Ihnen nit verbunden sein solle noch
wolle. Ohne Gefährde.'
Es ist jedoch den Schnaittachischen Juden diese 'Freiheit' gegen klingende
Münze und schnatternde Gänse stets verblieben und erneuert worden.
Wenigstens ist in der sehr alten Gemeinde kein Bericht von einer
Verfolgung auf die Nachwelt gekommen. Wohl aber sieht man aus noch
vorhandenen abschriftlichen Dekreten aus dem 17. Jahrhundert, dass die
damaligen Gewalthaber ernstlich einschritten, die Juden gegen
Gewalttätigkeiten in Schutz zu nehmen und ihnen von kleineren
Nachbarherrschaften 'arretierte Schulen und Waren' wieder zu verschaffen.
Erheischte dies ja auch der eigene Vorteil. Wie hätten sonst die armen
Geplagten die hohen Abgaben erschwingen können?
Besonders interessant ist ein diesbezügliches Schreiben von Seiten der
Gan-Erben, dato Nürnberg, den 13. März 1666, an den Landpfleger, sich
der Juden in Schnaittach anzunehmen, 'weil hin und wieder ein falsches
Geschrei im Lande erschalle, als wollten sie Alles verkaufen und ihrem
Propheten Nathan zulaufen, und die Untertanen, welchen sie mit Geld und
anderen Sachen geholfen haben, dadurch ganz irre gemacht werden, dass sie
ihnen nicht wiederum erstatten und bezahlen wollen', 'und da wir dies ihr
bittlich Gesuch und Begehung den Rechten und der Billigkeit nicht zu
entgegen erkennen.' Dieser 'Prophet' Nathan war der Leibprophet des damals
aufgetretenen falschen Messias, Sabbathai Zewi. Es scheint demnach sein
Name zur gedachten Zeit hier von stärkerem Klange gewesen zu sein, als
der seines Herrn und Meisters.
Ein Schutzbrief von dem Belgradstürmer, Kurfürsten Max Emanuel, aus dem
Jahre 1717 verpflichtet die 3 Gemeinden: Schnaittach, Ottensoos
und Hüttenbach zu einer Zahlung von 3.000 Gulden für fünfzehnjährigen
weiteren Schutz; von einer Gänselieferung ist jedoch darin keine Rede.
Diese war aber durchaus noch nicht ganz verschwunden. Denn in den
Schutzbriefen von 1762 und 1777, in welchen den zwei Gemeinden,
Schnaittach und Ottensoos für
15jährige weitere Duldung die Zahlung von 11.250 Gulden, resp. 9.750
Gulden auferlegt ist, wird ausgesprochen, dass die Juden keine weitere
Staatssteuer zu zahlen haben, wohl aber Sporteln, Leibzoll und Gefälle,
welche auf 'Gewohnheit und Herkommen beruhen; unter Letzterem figuriert
auch 'das, was dem Gerichtsschreiber für die gemästete Gans zu erstatten
üblich gewesen.'
Die 'gemästete Gans' taucht also noch im letzten Schutzbrief, der bis
1792 Geltung hatte, auf, aber nur in einem einzigen Exemplare, und dieses
in Geld metamorphosiert. Die französische Revolution bereitete alsdann,
wie es scheint, mit den Schutzbriefen auch unserer bereits schwach
gewordenen Steuergans ein seliges Ende. Ältere Dokumente als die
erwähnten, sowie die dazwischen liegenden Schutzbriefe, finden sich hierselbst
nicht mehr vor. Die älteren Schriftstücke sind wahrscheinlich während
des 30jährigen Krieges verloren gegangen. Nur die Synagoge trägt,
in Stein gemeißelt, die Jahreszahl 5330 (1570). |
Es
dürfte von allgemeinem Interesse sein, hier zu erwähnen, dass nach einer
Überlieferung in der hiesigen christlichen Bevölkerung die Synagoge
einstens eine Kirche (Johanniskirche) gewesen, auf welche sich die Johanniskirchweihe
gründen soll, welche lediglich der Stadtteil, in welchem sich die
Synagoge befindet, heute noch begeht. In der Tat ist die Frauensynagoge
ein späterer Anbau, und auch die Bauart der Synagoge schließt aus, dass
ursprünglich in dieser eine Frauenabteilung gewesen.
Wenn solche vergilbte Papiere, wie die hier erwähnten, vor uns liegen und
uns als authentische Zeugen aus alter Zeit von dem harten Lose unserer
Väter erzählen, da drängt sich uns mit unumstößlicher Überzeugung
besonders das Eine als geschichtliches Ergebnis auf, dass heute, wo die
Wucherfrage in Deutschland wieder in den Vordergrund tritt, nicht
unausgesprochen bleiben darf - nämlich: dass die alten Gewalthaber die
Juden wissentlich und geflissentlich wucherischen Geschäften in die Arme
trieben, um an ihnen, falls man nicht vorzog, sie zu berauben und dann zu
verjagen, eine ergiebige Melkkuh zu haben. Anstatt nun in der heutigen,
klarer schauenden Zeit, die alten Vorurteile und Gehässigkeiten
abzuwerfen und für den Wucher, den leider noch manche Juden treiben, die
Jahrhunderte lang währende Beschränkung, Bedrückung und Auspressung,
welche die Juden von ihren christlichen Herren erfuhren, verantwortlich zu
machen: schämen sich selbst intelligente Volksvertreter nicht, den Wucher
für ein dem jüdischen Stamme anhaftendes Gebrechen zu erklären.
Ich bin mehrmals, zu allerdings naheliegenden Exkursen gekommen. Es mag
aber für die heutige jüdische Generation, welche sich einer wahren
äußeren Freiheit erfreut, in mehr als in Einer Beziehung recht heilsam
sein, von Zeit zu Zeit einen Blick auf die weniger glückliche
Vergangenheit unserer Altvordern zu werfen. Und da ist das eben
Besprochene gegenüber den Verfolgungen und Bedrückungen, welche hundert
andere jüdische Gemeinden zu erleiden hatten und in asiatischen Ländern
noch heute erleiden, immerhin als eine milde Behandlung anzusehen.
S-." |
Aus einer Reisebeschreibung nach Schnaittach und
Ottensoos (1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. November 1885 (aus
einem längeren Reisebericht): "Reisebeschreibung eines Israeliten
(Fortsetzung). Von Nürnberg bin ich gereist auf Ottensoos nach Schnaittach.
Dieses ist die Geburtsstadt meines Vaters. Hier wohnen etwa 50 Hausgesind
Juden und sind auch ohne Judengasse." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Mord an Handelsmann Wolf Himmelswunder (1869)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. September 1869: "Amberg,
7. September (1869). Gestern früh wurde im Walde zwischen Köfering und
Haag die Leiche eines israelitischen Handelsmannes namens Wolf
Himmelswunder aus Schnaittach aufgefunden. Dieselbe trug eine Reihe
schwerer Verwundungen am Kopfe, und scheint an dem Getöteten, dessen
Körper Spuren herftiger Gegenwehr an sich trug, ein Raubmord verübt
worden zu sein. Wenigstens fehlen Uhr und Geld. Eine gänzliche Beraubung
fand jedoch nicht statt, da mehrere Waren, u.a. einige Silbergeräte, bei
der Leiche aufgefunden wurden." |
Kultusvorstand J. Lichtenstädter übersiedelt nach
Nürnberg (1892)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Januar 1892: "Schnaittach,
20. Januar (1892). Gestern ist Herr J. Lichtenstädter, Kultusvorstand
hier, nach Nürnberg übergesiedelt und wird der Verlust dieses Mannes
hier allgemein empfunden und bedauert. Herr Lichtenstädter ist ein gottesfürchtiger
und wohltätiger Mann im eigentlichen Sinne des Wortes, er war Vorbeter
beim Morgengebet an den beiden Tagen Rosch-Haschono (Neujahr)
und Jom-Kippur und wusste sowohl durch seine (klangvolle) Stimme, als auch
durch seine Andacht beim Gebet die Andacht bei seinen Zuhörern zu
erwecken. Seit bereits 26 Jahren war er Kultusvorstand und Vorstand des Friedhofverbandes
und versah diese Ämter mit großer Umsicht, Gewissenhaftigkeit und in
selbstloser Weise. Durch Klugheit, Offenheit und unparteiisches Vorgehen
ist es ihm gelungen, den Frieden in der Gemeinde während seines Amtes als
erster Kultusvorstand aufrecht zu erhalten.
Sein Bestreben war auch, eine Kasse für durchreisende Arme zu errichten;
die Armen waren seine Hausgenossen, denn umsonst fragte selten ein
Hungriger bei ihm an, stets verließ der Dürftige gesättigt sein Haus.
Bei all diesen guten Werken stand ihm seine, seit bereits 1 1/4 Jahren in
Gott ruhende, fromme und biedere Gattin als treue Gehilfin zur
Seite.
Dass er aber auch bei den nichtjüdischen Mitbürgern in hoher Achtung
stand, beweist, dass er schon seit vielen Jahren in das Gemeindekollegium
und später als Magistratsrat gewählt wurde.
Möge es Herrn Lichtenstädter gegönnt sein, seine Tage bis 100 Jahre in
seinem neuen Domizil in steter Gesundheit und Zufriedenheit zu verleben
und stets recht glücklich zu sein." |
Heinemann Strauss wird 90 Jahre alt (1937)
Mitteilung
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 27. Mai 1937: "Heinemann Strauss
(Markt Schnaittach) begeht am 30. Mai seinen 90.
Geburtstag." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
J. Lichtenstädter sucht für sein Kurz- und
Schnittwarengeschäft einen Lehrling (1869)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Februar 1869: "Offene
Lehrlingsstelle. In mein Kurz- und Schnittwaren- en gros et en
détail-Geschäft kann ein gut gesitteter Junge unter annehmbaren
Bedingungen als Lehrling eintreten. Am Schabbat und Feiertag
streng geschlossen.
J. Lichtenstädter in Schnaittach bei Nürnberg." |
Todesanzeige für Regina Altbaier geb. Eckmann
(1937)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 15. Juli 1937: "Am 5. Juli
entschlief im Alter von 87 Jahren, infolge eines Schlaganfalles, unsere
liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester und Tante, Frau Regina
Altbaier geb. Eckmann. Die trauernden Hinterbliebenen Gustav
Altbaier und Frau Frieda geb. Haag. Adolf Haag und Frau Hanni geb.
Altbaier. Flora Altbaier. Schnaittach Markt, Mittelfranken." |
Sonstiges
Hinweis auf jüdische Familien mit dem Herkunftsnamen
"Schnaittacher" in Holland
(Hinweis: Informationen und Abbildungen erhalten von Lucus Bruijn,
Groningen, vom 25.9.2012)
In
Holland gab es jüdische Familien, deren Familiennamen auf eine Herkunft
aus Schnaittach hinweist: Snatich und Snatager.
Zum Doppelgrabstein links auf dem jüdischen Friedhof in Zutphen (Provinz
Gelderland):
- zum einen (auf der rechten Seite) mit Inschrift für Jette van Gelder (geb. 1805/06 in Zutphen
als Tochter von Jacob Abraham van Gelder und Flora de Wolff). Sie war
(seit dem 28. April 1830) verheiratet mit Ber Snatich (niederländisch: Barend
Snatager; (geb. 1803/04
in Zutphen als Sohn von Levi Mozes Snatager und Maria Kets). Sie starb am
11. Juni 1842.
- zum anderen (auf der linken Seite) der Grabstein für Flora (Froemet)
de Wolf, Frau von Jacob van Gelder. Sie war zwei Monate vor Jette am
18. April 1842 gestorben. |
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Todesanzeige für
Jette
geb. van Gelder (1842) |
Todesanzeige für Flora (Froemet)
de Wolf, Frau von Jacob van Gelder (1842) |
Todesanzeige für
Vogeltje (Feygele) Moses, Tochter von Moses Salomon und Sara Nathan, alle
aus "Snatich" (= Schnaittach), verheiratet mit Salomo Selig (geboren in "Snatich") |
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Der bekannteste
Vertreter der Familie Snatich in Holland war der Rabbiner Gerson
Abraham Snatich, Sohn des bekannten Rabbiners Abraham Snatich
und der Hester Steinschneider aus Prossnitz (Prostejov), der seit 1775 in
Groningen lebte. Link
zu weiteren Informationen. |
Geschäftsbrief an A. Obermayer in Schnaittach (1860er-Jahre)
(Aus der Sammlung von Christian Porzelt,
Kronach)
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Der Geschäftsbrief ist adressiert an "Herrn
A. Obermayer / Schnaittach". Bei dem Empfänger dürfte es sich um den
Schnittwarenhändler Abraham Obermayer in Schnaittach handeln (1862:
Eintragung ins Handelsgericht, Beilage zum Allgemeinen Anzeiger der
Bayerischen Zeitung vom 3. September 1862, S. 1608), der auch zeitweise
gemeinsam mit Bärmann Vetsburg eine Eisenwarenhandlung betrieb (Ebd.; 1871:
Übergabe an Adolph Vetsburg, Bayerische Handelszeitung vom 17. Juni 1871, S.
209). Text: "Wir benachrichtigen Sie hiemit, dass das bestellte Geländer
nun fertig ist und Sie dasselbe bei uns in Empfang neben können..."
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Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
Eine erste Synagoge (Betsaal) wurde wohl
bereits vor 1529 eingerichtet. In diesem Jahr wird erstmals ein
"Judenschulmeister" in Schnaittach genannt. Dass es sich bei den in
Schnaittach aufgenommen jüdischen Familien vor allem auch um aus Nürnberg
vertriebene Personen handelt, zeigte die noch im 19. Jahrhundert feststellbare
Übereinstimmung der Synagogengebräuche mit denen im mittelalterlichen
Nürnberg.
Übereinstimmung der Synagogengebräuche zwischen Schnaittach und den
mittelalterlichen Nürnberger Bräuchen (Artikel von 1842)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 3. September
1842: "In den Judengemeinden zu Schnaittach, Ottensoos
und Hüttenbach zeigt sich
die größte Übereinstimmung der Synagogengebräuche mit denen, welche die
Juden vor ihrer Vertreibung aus Nürnberg daselbst beobachteten, von denselben
weichen die übrigen Juden in Mittelfranken ab. Es ist sehr wahrscheinlich, dass
die aus Nürnberg vertriebenen Juden in der Nähe sich niederließen und die
dort von früherer Zeit bestehenden Gemeinden verstärkten; für diese Ansicht
spricht eine Angabe des Schnaittacher Zinsbuchs von Jahr 1560, welches eine
Grabstätte und mehrere Häuser der Juden zu Schnaittach und Ottensoos angibt,
die schon im 15. Jahrhundert dort vorgekommen sind. Die Verfolgungen, welche die
Juden im 13ten und 14ten Jahrhundert zu Nürnberg erduldeten, möchte sie
veranlasst haben, Wohnsitze aufzusuchen, die, in der Nähe ihrer früheren
Verbindungen, den Schutz eines fremden Landesherrn gewährten. In Schnaittach
und Ottensoos (Otimissaz) konnte dies leicht erreicht werden." |
1570 wurde eine
neue Synagoge ("Judenschulhaus") erbaut (bis heute ist die Jahreszahl "1570" an der
Synagoge zu lesen). Dieses Gebäude - in der Substanz möglicherweise eine
mittelalterliche Kirche (Johanneskirche) - wurde in den folgenden Jahrhunderten immer
wieder umgebaut und renoviert. 1858 wurde die Synagoge durchgreifend
renoviert und mit einer neuen Ausmalung geschmückt. Über die Wiedereinweihung
der Synagoge am 28. August 1858 liegt ein Bericht aus der "Allgemeinen
Zeitung der Judentums":
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1858:
"Schnaittach, 7. September (1858). Am
28. August wurde die hiesige schön restaurierte Synagoge eingeweiht. Wenn auch
derartige Feierlichkeiten jetzt so häufig vorkommen, dass sie längst das
allgemeine Interesse verloren haben, so verdient doch genannte Feierlichkeit um
so mehr Erwähnung, als in dieser Einweihung zugleich der Sieg der guten Sache
nach jahrelangem Kampfe gefeiert wurde. Die Einweihung selbst wurde aus pekuniären
Rücksichten in einfachster Weise gehalten. Den Glanzpunkt bildete die
Einweihungsrede des Herrn Distrikt-Rabbiners Neckarsulmer, der, anknüpfend an
1. Buch Mose 28,17, den Zweck und die eigentliche Weihe des Gotteshauses, sowie
unsere Verpflichtungen gegen dasselbe in gelungenster Weise darlegte. Möchten
die Worte des Redners, die namentlich auch von dem anwesenden nichtjüdischen
Auditorium sehr beifällig aufgenommen wurden, nicht ungehört verhallen und in
unser, nun äußerlich schön geziertes Gotteshaus auch ein anderer Geist der
Ordnung und Andacht, des Friedens und der Eintracht einziehen. |
Auch 1932 wurde die Synagoge nochmals renoviert.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Inventar der Synagoge völlig
zerstört. Zu der Aktion gegen die Synagoge waren der Kreisleiter der NSDAP aus
Lauf mit weiteren SA-Leuten nach Schnaittach gekommen. Sie hatten zunächst vom
Bürgermeister verlangt, die Synagoge niederbrennen zu lassen. Da freilich
damals schon der Plan bestand, das Gebäude in ein Museum zu verwandeln, ordnete
der Kreisleiter die Zerstörung des gesamten Inventars an. Ein Trupp von
SA-Leuten warf anschließend Möbel, Geräte, Gebetbücher und andere religiöse
Schriften auf einen Haufen und zündete ihn an. Auf Grund der Intervention eines
nichtjüdischen Einwohners, der Ausstellungsstücke für das Museum von
Schnaittach suchte, wurden die Torarollen und die Ritualien vor der Zerstörung
bewahrt. 1939 wurde die ehemalige Synagoge
in ein Heimatmuseum umgewandelt. 1985 bis 1996 wurde das Gebäude renoviert.
Seitdem befindet sich in ihm neben dem Heimatmuseum eine
Dauerausstellung
zum Landjudentum des Jüdischen
Museums Franken in Fürth & Schnaittach.
Hinweis auf den "Synagogenleuchter von Schnaittach".
Mehr als 60 Jahre nach der Verwüstung der Schnaittacher Synagoge Beim
Novemberpogrom 1938 erhielt das Jüdische Museum Franken in Schnaittach einen
von ursprünglich neun Synagogenleuchtern für die Museumssammlung zurück. Die
Synagogenleuchter von Schnaittach galten lange als zerstört oder verschollen. 202 Jahre lang erfüllte er in der Synagoge seine Bestimmung. 68
Jahre lang, seit der Pogromnacht, befand er sich an wechselnden Orten in
privaten Händen. Ein Vermächtnis sicherte 2006 seine Rückkehr. Seine Existenz wirft
die Frage nach dem Schicksal der weiteren Synagogenleuchter von Schnaittach
auf.
Standort der Synagoge: Museumsgasse (frühere
Judenschulgasse) 12, 91220
Schnaittach
Hinweise auf Führungen in Schnaittach durch das Jüdische
Museum Franken:
| Landjudentum Museumsrundgang:
jeden ersten Sonntag im Monat, 14 Uhr (ohne Anmeldung) |
| Folgende drei Themen sind als
Gruppenführung buchbar:
Jüdisches Leben in Schnaittach - Stadtführung Der Rundgang führt von
der ehemaligen Synagoge zum jdischen Friedhof und durch die Marktgemeinde
Schnaittach. |
| Medinat Aschpa - Geschichte der
Jüdischen Gemeinde Schnaittach. Kombiführung durch die Männer- und
Frauenschul und zum jüdischen Friedhof |
| Der jüdische Friedhof in Schnaittach.
Führung am jüdischen Friedhof in Schnaittach
|
Fotos
Historische Fotos:
(die Fotos in der oberen Zeile links und Mitte wurden von Theodor
Harburger am 8. Mai 1928 erstellt, veröffentlicht in: Die Inventarisation jüdischer Kunst-
und Kulturdenkmäler Bd. 3 S. 677f; das rechte Foto ist aus: Siehe der Stein
schreit aus der Mauer. s. Lit. S. 230)
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Gitter zum
Frauenraum in der
Synagoge in Schnaittach. |
Deckendekoration
der Synagoge |
Gebotstafeln aus
Schnaittach, die ursprünglich
den Toraschrein der Synagoge flankierten. |
Neuere Fotos:
(Fotografien der oberen beiden Fotozeilen wurden von Klaus
Kurre, Mainberg angefertigt und dürfen nicht ohne Genehmigung weiter
verwendet werden. Hochauflösende Aufnahmen und weitere, hier nicht
hinterlegte Bilder können per Mail
bei
Klaus Kurre angefordert werden).
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge in Schnaittach in der früheren
"Judenschulgasse", jetzt Museumsgasse |
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Informationstafel |
Die Jahreszahl 5330
für
1569/70 |
Gefallen-Gedenktafeln
(Foto:
Jürgen Hanke, Kronach) |
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Fotos Frühjahr 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 12.4.2007) |
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Hinweistafel:
"Vorsängerhaus. Gemeinsam
mit dem sich anschließenden Rabbinerhaus
1687 als Dienstwohnung für den Vorsänger
erbaut. Im Keller hat sich ein
Ritualbad
erhalten, bis 1938 befand sich in diesem
Haus eine Laubhütte
und das Sitzungszimmer
der Kultusgemeinde Schnaittach".
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Hinweistafel: "Synagoge.
1570 im Stil
mittelalterlicher Synagogen errichtet, 1736
erweitert und
1858 grundlegend renoviert.
Die hebräische Inschrift nennt das
Erbauungsjahr
(5)330 nach dem jüdischen Kalender. In der
Nacht vom 9. auf
den 10. November 1938
wurde diese Synagoge geschändet und wenig
später
zu einem Heimatmuseum umgebaut." |
Hinweistafel: "Frauenschul.
1735/36
als Frauenabteilung der Synagoge errichtet,
1858 umgebaut. Die
Frauenschul war nur
über einen abgetrennten Eingang mit eigener
Vorhalle
erreichbar. Kleine Sichtfenster zur
Männerabteilung wurden 1858 durch
arkadenartige Durchbrüche ersetzt."
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Blick auf die Synagoge |
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Eingang zur Frauen- und
Männersynagoge |
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Fenster des
Betsaales der jüdischen Gemeinde |
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Hinweisschild "Jüdische
Museum
Schnaittach & Fürth"
mit Veranstaltungshinweis |
Hinweistafel:
"Rabbinerhaus. 1687 auf einem
von der jüdischen Gemeinde um 1570
erworbenen Grundstück als Dienstwohnung des
Rabbiners errichtet.
Schnaittach war seit
dem 17. Jahrhundert Sitz eines Rabbinats,
das bis
1883 bestand." |
Blick auf das ehemalige
jüdische
Gemeindezentrum
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
September 2010:
Vortrag und Exkursion zur jüdischen Geschichte |
Artikel aus nordbayern.de vom 28. September 2010 (Artikel):
"Als Juden noch bei uns lebten
Exkursion von Birgit Kroder-Gumann in Schnaittach- Friedhof und Synagoge - 28.09. 12:58 Uhr
Schnaittach - Wie Juden in Schnaittach, Hüttenbach, Forth und Ottensoos lebten – dies wurde ein Stück weit wieder lebendig bei der Exkursion, zu der die Kreisheimatpfleger im Rahmen der
'Entdecker-Wochen 2010' nach Schnaittach eingeladen hatten. Etliche Interessierte hatten sich zu der Tour eingefunden, die von Birgit Kroder-Gumann, Mitarbeiterin im Jüdischen Museum Schnaittach, und Pfarrerin Barbara Eberhardt aus Fürth geleitet wurde.
So erfuhren die Teilnehmer etwa, dass Schnaittacher Kinder stets willkommene Gäste bei den Gottesdiensten in der Synagoge waren und auch gerne zu den Feiern der jüdischen Schnaittacher kamen, weil ihnen die dort gesungenen Lieder gut gefielen. Von 1570 bis 1938 hatten die Schnaittacher in der Synagoge ihr Gemeindezentrum, kamen Männer und Frauen durch getrennte Eingänge, um von getrennten Räumen aus Gottesdienst zu feiern.
Die Frauen verfolgten die Lesungen und Gebete der Männer, und immer wieder ging der Blick zum Thoraschrein unter dem ovalen Fenster aus buntem Glas, das noch heute Richtung Jerusalem weist. Beim Novemberpogrom wäre das Synagogengebäude abgebrannt worden, wenn nicht der damalige Bürgermeister darauf hingewiesen hätte, dass man das Haus doch noch gut für Zwecke des Heimatmuseums brauchen könne. So wurde nur die Inneneinrichtung entfernt, dies freilich gründlich.
Mit Freude jedoch stellt Birgit Kroder-Gumann fest, dass in den letzten Jahren immer mehr Gegenstände, die 1938 aus der Schnaittacher Welt verschwanden, ihren Weg zurück finden. So auch viele Grabsteine, die jahrhundertelang auf den jüdischen Friedhöfen standen. Immer wieder taucht einer in einem Wassergraben auf, unter einer Garageneinfahrt oder als Baumaterial einer Mauer. Mittlerweile hat sich auf der grünen Wiese, die der zweitälteste jüdische Friedhof Schnaittachs heute ist, wieder ein kleines Karree aus diesen Totengedenksteinen gebildet und erinnert an die Menschen aus Schnaittach, Ottensoos, Forth, Hüttenbach und auch Fürth, die hier einst beerdigt wurden, darunter berühmte Rabbiner der Schnaittacher Talmudhochschule.
Einblicke in die Geschichte der Gemeinden Ottensoos, Forth und Hüttenbach, die zum Rabbinat Schnaittach gehörten, gab anschließend Pfarrerin Eberhardt, die Mitautorin des Synagogen-Gedenkbandes Mittelfranken ist, bei einem Vortrag im Sparkassensaal." |
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Mai 2011:
Charlotte Knobloch besucht das jüdische Museum
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Artikel von "mz" in der "Pegnitz-Zeitung" vom Mai 2011
(Artikel):
"Knobloch in Schnaittach: "Kein Millimeter für Nazis"
SCHNAITTACH — Der Besuch von Charlotte Knobloch und die Sitzung des Rates der Metropolregion gestern waren eine der Sternstunden im Schnaittacher Jubiläumsprogramm. Die streitbare 78-jährige ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland stattete dem Jüdischen Museum einen Kurzbesuch ab, sprach sich im Rathaus vor der Presse mit gewohnt deutlichen Worten gegen zuviel Toleranz des Rechtsstaates gegenüber Neonazis aus und hielt anschließend im
'Tausendschön' vor den 50 Ratsmitgliedern eine Rede zum selben Thema.
Seit sechs Jahren besteht der Rat der Metropolregion und seitdem bereist das Gremium für seine Sitzungen das 22 Landkreise und 12 freie Städte umfassende Gebiet. So wie gestern in Schnaittach befassen sich Verwaltungschefs und weitere Experten verschiedener Gebiete mit politisch-strategischen Fragen. Aus diesem Netzwerk heraus bildete sich vor zwei Jahren auch die
'Allianz gegen Rechtsextremismus' – sozusagen aus der Not geboren, um alleine überforderten Städten wie Gräfenberg gemeinsam gegen neonazistische Umtriebe helfen zu können.
Schnaittach ist wie 126 weitere Gebietskörperschaften Mitglied des Bündnisses. Vor zwei Jahren hatte dann der Schnaittacher Harald Leupold, der wie auch Peter Ottmann dem Rat der Metropolregion angehört, den Gedanken, wie gut das passen würde: Die
'Allianz' an einem Ort zu thematisieren, der über vier Jahrhunderte eine blühende jüdische Gemeinde barg und deren Ende – wie vielerorts – die Nazis erzwangen. Deshalb passe das schwierige Thema ideal ins Jubiläumsprogramm, fand er. Der fachliche Sprecher für Verkehr und Planung überzeugte den Rat vom Sitzungsort, die Marktgemeinde hatte Erfolg mit der Einladung Charlotte Knoblochs.
Als sie zusagte, war sie noch Zentralratspräsidentin, heute ist sie Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern. Die Frau hat Einiges gesehen und da hat es natürlich Gewicht, wenn sie das Museum nach einem 20-minütigen Rundgang mit Leiterin Daniela Eisenstein und dem Vorsitzenden des Trägervereins für Fürth und Schnaittach, Alexander Küßwetter, als
'einmalig' bezeichnet.
Eine Sammlung zum Landjudentum dieser Art mit dem erhaltenen Komplex aus Rabbinerhaus, Synagoge,
'Frauenschul' und Ritualbad gebe es zumindest in Oberbayern nicht. Nach ihren Empfindungen dort gefragt, sagte sie, sie habe sich ein wenig an ihre Kindheit in der jüdischen Gemeinde in München erinnert.
Zu ihrem ersten Besuch nach Schnaittach gekommen war sie aber, um die 'Allianz gegen
Rechtsextremismus' zu unterstützen. Es gebe viele Initiativen, aber eine weitere, die sich so eindeutig verhalte und
'mit Hand und Fuß' agiere, kenne sie nicht. Rechtsradikale Aktivitäten zu verschweigen sei keine Lösung. Das habe sich schon 1920 bis zur Machtübernahme der Nazis 1933 gezeigt.
'Auch meine Verwandtschaft dachte, die braunen Verbrecherbanden sind ein vorübergehendes Phänomen', mahnte Knobloch.
Sie kritisierte die deutsche Gerichtsbarkeit und die Gesetzgebung der Gegenwart. Es dürfe nicht sein, dass
'Menschen mit verbrecherischem Gedankengut' Polizeischutz für Demonstrationen bekommen oder sich für Treffen in öffentliche Säle einklagen können.
'Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden hier zu hoch gehalten', sagte sie. Sie forderte dazu auf, endlich eine Möglichkeit gegen öffentliche rechte Umtriebe zu finden. Wenn der Staat hier nicht weiterkomme, dann sei eben die Zivilcourage der Bürger gefragt.
'Wir dürfen Neonazis nicht die Straße überlassen – keinen Millimeter', forderte sie.
Sie erinnerte daran, dass der Antisemitismus keine deutsche Erfindung ist. Deshalb und auch wegen des Internets bedürfe es einer internationalen Zusammenarbeit. Es sei schlimm, welche Propaganda im Netz verbreitet werde. Um gegen entsprechendes Material auf Servern im Ausland vorgehen zu können, brauche es aber eine einheitliche Rechtssprechung international. Zum leidigen Thema NPD-Verbot meinte sie etwas kryptisch, es gebe schon Hinweise darauf, dass es
'in gewisser Zukunft' einen haltbaren Verbotsantrag geben würde.
Der Ratsvorsitzende und Nürnberger OB Ulrich Maly ging konkret auf die Arbeit der
'Allianz' ein. Der Gedanke sei: Während es in Gemeinden nicht unüblich sei, eine rechtsradikale Unterwanderung im Ort unter den Teppich zu kehren, wolle es die Allianz genau andersherum machen. Die jeweilige Gemeinde habe die Rechten ja nicht gerufen. Auch er sei klar für ein NPD-Verbot. Rechtsradikales Gedankengut in den Köpfen könne man zwar nicht verbieten, aber den Zugriff verfassungsfeindlicher Parteien auf öffentliche Kassen." |
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Mai 2016:
20 Jahre Jüdisches Museum in
Schnaittach |
Artikel von Isabel Krieger in der
"Pegnitz-Zeitung" vom 19. Mai 2016: "Jüdisches Museum in Schnaittach ist
20 Jahre alt. Einst eine Synagoge
SCHNAITTACH — Das Jüdische Museum in Schnaittach wird 20 Jahre alt. Das
Museum, das Teil des Jüdischen Museums Franken ist, wurde 1996 eröffnet,
drei Jahre bevor das Haupthaus in Fürth an
den Start ging. Den Geburtstag feiert das Museum mit einer ganzen Reihe von
Veranstaltungen. Zum offiziellen Auftakt wird am 29. Mai die aus Frankfurt
stammende Rabbinerin Elisa Klapheck über bürgerschaftliches Engagement im
heutigen Judentum sprechen. Der damalige Schnaittacher Bürgermeister Klaus
Hähnlein (FW) gehörte zu den Initiatoren der Einrichtung, die von einem
Trägerverein, dem der Bezirk Mittelfranken, die Stadt Fürth, der Landkreis
Nürnberger Land und die Marktgemeinde Schnaittach angehören, getragen wird.
Seit kurzem gibt es einen weiteren Partner im Bunde: 2015 wurde in
Schwabach eine dritte Dependance des
Jüdischen Museums Franken eröffnet. Das Museum in
Fürth wird aktuell erweitert. Mit der
Errichtung des Museums in Schnaittach bekam Mitte der 1990er Jahre der
Aufarbeitungsprozess der jüdischen Geschichte des Ortes, die hier wie
andernorts über viele Jahre wechselvoll war, einen Schub. Bis zu 500
jüdische Bürger lebten zur Blütezeit in Schnaittach. Die Gemeinde gehörte
damit zu den großen jüdischen Gemeinden in Franken, beherbergte ein Rabbinat
mit eigener Talmudschule, eigener Synagoge, Ritualbad sowie eine Frauen- und
eine Männerschule. Viele Juden fanden nach Vertreibungen aus den Städten im
Rabbinat Schnaittach eine Heimat. Juden aus der gesamten Gegend kamen zum
Beten nach Schnaittach und wurden dort auch begraben. Davon zeugen bis heute
die drei jüdischen Friedhöfe im Ortskern. Dort, wo heute das Jüdische Museum
Schnaittach im denkmalgeschützten Fachwerkensemble des Heimatmuseums
untergebracht ist, war das Zentrum der jüdischen Gemeinde mit der Synagoge,
in dem über Jahrhunderte hinweg das gesellschaftliche und religiöse Leben
stattfand. Als in der Reichspogromnacht im November 1938 die letzten 18
jüdischen Einwohner Schnaittachs vertrieben wurden, blieb ihr Hab und Gut
zurück. Die Inneneinrichtung der Synagoge wurde komplett zerstört. Doch
schon zuvor, ab 1932, als die Nationalsozialisten auch den Schnaittacher
Juden das Leben zunehmend erschwerten, hatten die jüdischen Bürger wichtige
Gegenstände in Sicherheit gebracht. Die Sammlung, die sich im Besitz des
Marktes Schnaittach befindet, bildet heute den Hauptbestandteil des
Jüdischen Museums. Sie ist für seine Leiterin Daniela Eisenstein eine der
'bedeutendsten Sammlungen zum Landjudentum' in Deutschland überhaupt. Neben
zahlreichen Ausstellungsgegenständen aus dem Alltag jüdischen Lebens gibt es
im Museum auch einen
Hochzeitsstein aus der Synagoge in
Jochsberg (Kreis Ansbach) zu sehen. In den vergangenen Jahren kamen
nicht zuletzt dank des intensiven Dialogs mit Nachkommen jüdischer Bürger
und der Aufarbeitung der jüdischen Geschichte von Schnaittach – Stichwort
Stolpersteine und Rückführung von Grabsteinen – weitere
Ausstellungsgegenstände dazu. Erst kürzlich erhielt das Museum drei
Kronleuchter aus Privatbesitz zurück. Immer wieder tauchen auch Relikte bei
privaten Entrümpelungen auf und werden ans Museum übergeben. Für
Schnaittachs Bürgermeister Frank Pitterlein ein positiver Prozess, den nicht
zuletzt die Errichtung des Museums in Gang gesetzt hat: 'Das Bewusstsein der
Bevölkerung, die Geschichte aufzuarbeiten, wurde geschärft.' Die Einrichtung
sei 'klein, aber fein' und vermittle 'authentisch das Leben der Juden in
Schnaittach'. Nicht nur der Bürgermeister, auch die anderen Mitglieder des
Trägervereins beschwören zum 20-jährigen Bestehen die gute Zusammenarbeit
und loben die Museumsverantwortlichen. 'Das Jüdische Museum in Schnaittach
ist eine wichtige Säule im Gesamtkonzept des Jüdischen Museums Franken',
betont Bezirksrat und Trägervereinsvorstand Alexander Küßwetter. Für Landrat
Armin Kroder wird in Schnaittach 'hervorragende Arbeit geleistet'. Trotz des
finanziell sehr engen Spielraums gelinge es dem Team um Daniela Eisenstein,
die 2003 auf Bernhard Purin, der das Museum aufgebaut hatte, folgte, die
Arbeit und Bedeutung des Museums nach außen zu tragen. Die Zahlen sind
stabil, seit der Eröffnung des Schnaittacher Museums 1996 kommen jährlich
etwa 4000 bis 5000 Besucher. Daniela Eisenstein ist damit zufrieden, würde
sich aber mehr Besuche von Schulklassen wünschen. Dass das zumindest in den
Wintermonaten kaum passiert, liege auch an der schlechten Heizbarkeit der
Räume und an begrenzten Möglichkeiten für museumspädagogische Arbeit.
Pitterlein denkt deshalb in die Zukunft: 'Vielleicht werden wir ja
irgendwann noch weitere Räume haben.' Das Programm des Jubiläumsjahres gibt
es unter
www.juedisches-museum.org. Die Öffnungszeiten des Jüdischen Museums
Schnaittach sind Samstag und Sonntag von 12 bis 17 Uhr sowie für Gruppen und
Schulklassen nach Vereinbarung."
Link zum
Artikel |
November 2023:
Presseartikel zur Erinnerung an
die Zerstörung der Synagogen im Nürnberger Land beim Novemberpogrom 1938
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Artikel
von Andreas Sichelstiel in der "Pegnitz-Zeitung" vom 8. November 2023:
"Vor 85 Jahren brannten die Synagogen.
Pogromnacht. Auch im heutigen Nürnberger Land eskalierte im November
1938 die Gewalt gegenüber Juden..."
(zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken) |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica III,2 S. 1327ff. |
| Magnus Weinberg: Geschichte der Juden in der
Oberpfalz. Bd. III Der Bezirk Rothenberg (Schnaittach, Ottensoos,
Hüttenbach, Forth). Selbstverlag Sulzbürg 1909. Online-Ausgabe
Frankfurt am Main Universitätsbibliothek (als
pdf-Datei: Download 11,83 mb) |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 178-180. |
| Siehe der Stein schreit aus der Mauer. Geschichte und Kultur der
Juden in Bayern. Ausstellungskatalog der Ausstellung des Germanischen
Nationalmuseums Nürnberg 1988/89 (hierin werden zahlreiche rituelle
Gegenstände aus Schnaittach beschrieben bzw. vorgestellt). |
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in
Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 224-225. |
| Michael Trüger: Art. Schnaittach/ Mittelfranken". In: Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern.
Jahrgang Nr. 84 vom Dezember 2000 S. 12f. |
| Michael Schneeberger: Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Schnaittach.
In: Jüdisches Leben in Bayern. 17. Jahrgang Nr. 89 September 2002. S.
31-36. |
| Bernhard Purin: Jüdisches Schnaittach. Einladung zu einem
Rundgang. Haigerloch 1999. |
| ders.: Judaica
aus der Medina Aschpah. Die Sammlung des Jüdischen
Museums Franken in Schnaittach. Fürth 2003. |
| Jüdisches Museum Franken Fürth
& Schnaittach. Museumsführer, München-London-New York (Prestel)
1999.
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| "Mehr als
Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band II:
Mittelfranken.
Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid,
Hans-Christof Haas und Angela Hager, unter Mitarbeit von
Frank Purrmann und Axel Töllner. Hg.
von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz.
Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und
herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3:
Bayern, Teilband 2: Mittelfranken. Lindenberg im Allgäu 2010.
Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im
Allgäu.
ISBN 978-3-89870-448-9. Abschnitt zu Schnaittach S.
575-596. |
| Hans-Peter
Süss: Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und
Oberfranken. Verlag Dr. Faustus Büchenbach 2010 (Reihe: Arbeiten zur
Archäologie Süddeutschlands Band 25). Zu Schnaittach S. 132-136.
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| Benigna
Schönhagen (Hrsg.) im Auftrag der Stiftung Jüdisches Kulturmuseum
Augsburg-Schwaben: Wiederhergestellte Synagogen. Raum - Geschichte - Wandel
durch Erinnerung. 136 S. 40 Abb. ISBN: 978-3-95565-141-1. 14,90 €
Verlag Hentrich & Hentrich Verlag Berlin www.hentrichhentrich.de;
Informationen
und Bestellmöglichkeit auf Verlagsseite.
In diesem Sammelband präsentieren erstmals elf Expertinnen und Experten aus dem Bereich der jüdischen Museen und Gedenkstätten Sanierungs- und Nutzungskonzepte, die im deutschsprachigen Raum seit den 1980er Jahren für Synagogengebäude entwickelt wurden, die die Zeit des Nationalsozialismus überdauert haben, aber ihrer Gemeinde beraubt wurden. Die Beispiele zeichnen den Bewusstseinswandel für den Umgang mit dem gebauten jüdischen Erbe in den letzten 30 Jahren nach und geben einen Überblick über die Entwicklung der nationalen Erinnerungs- und Gedenkkultur. Ein besonderes Augenmerk gilt der angemessenen Sicherung von Spuren der Geschichte in den Gebäuden wie den Möglichkeiten und Herausforderungen der musealen Arbeit und historischen Vermittlung an einem authentischen Ort.
Mit Beiträgen von Fritz Backhaus (Jüdisches Museum Frankfurt/Main), Ines Beese (Alte Synagoge Erfurt), Martina Edelmann (Jüdisches Kulturmuseum Veitshöchheim),
Daniela Eisenstein (Jüdisches Museum Franken: Beitrag S. 62-72 über
"Jüdische Museen in historischen Häusern am Beispiel des Jüdischen
Museums Franken in Schnaittach"), Karlheinz Geppert (Gedenkstätte Synagoge Baisingen), Felicitas Heimann-Jelinek (xhibit.at, Wien), Martha Keil (Institut für jüdische Geschichte Österreichs, St. Pölten), Hanno Loewy (Jüdisches Museum Hohenems), Hansfried Nickel (Synagoge Memmelsdorf), Benigna Schönhagen und Souzana Hazan (Jüdisches Kulturmuseum Augsburg-Schwaben)
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Schnaittach Middle
Franconia. Jews arrived from Nuremberg after the 1499 expulsion but may have
been present earlier. From the late 16th century Schnaittach was the seat of an
association of four communities (including Ottensoos, Huettenbach and Forth).
Many left after suffering greatly in the Thirty Years War (1618-48). Until the
1660s the community was under the auspices of the margrave of Rothenberg and
thereafter under Bavarian rule. R. Shemuel Baermann of the well-known Fraenkel
family served as rabbi of the community and chief rabbi of the Ansbach
principality in the late 17th century. In the 18th century, Court Jews like
Seligman Loew and Anschel Levi were active there. In 1837 the Jewish population
stood at 262 (total 1,490), thereafter declining steadily to 42 in 1933. Under
the Nazi regime, Jews continued to deal in cattle and beer hops, trading with
local farmers despite the economic boycott. By November 1938, 17 had left,
including 11 to the United States. On Kristallnacht (9-10 November 1938),
the contents of the synagogue were piled up and burned. The last 18 Jews left by
the end of the year.
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