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(links: Ortsname "Kleineibstadt" auf dem Memorbuch von 1802)
Kleineibstadt (Gemeinde
Großeibstadt, VG Saal an der Saale, Kreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Kleineibstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis
1937. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück. Der
älteste Grabstein eines Juden aus Kleineibstadt im jüdischen
Friedhof Kleinbardorf datiert von 1751. Die jüdischen Familien
standen unter dem Schutz Freiherren von Münster. 1753 gab es am Ort bereits 13
jüdische Haushaltungen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1810 75, 1813 104, 1816 108 jüdische Einwohner (22,8 % von insgesamt 473),
1830 97, 1837 101
(15,6 % von 642), 1848 93, 1867 93 (18,1 % von 514), 1871 100, 1880 114 (21,8 % von 522), 1890 105,
1900 72
(13,8 % von 520), 1910 50 (9,9 % von 505).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Kleineibstadt auf
insgesamt 18 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): David Samuel Ambach
(Viehhandel); Hirsch Abraham Wohlfromm (Viehhandel), Maier Salomon Sachs
(Warenhandel), Maier Hirsch Frank (Unterhändler), Schlom Wolf Wohlfromm
(Viehhandel), Mantel Aron Reinhold (Viehhandel), Schmul Kuhn Kohl (Warenhandel),
Joseph Aron Reinhold (Kleinhandel), Salomon Aron Reinhold (Viehhandel), Goetz
Baer Rosenmann (Kleinhandel), Simson Schmul Neuland (Kleinhandel), Samuel Koppel
Ledermann (Kleinhandel), Raphael Abraham Wohlfromm (Viehhandel), Salomon Simson
Neuland (Kleinhandel), Wolf Sekel
Strauß (Unterhändler), Fromm Baer Rosenmann (Schlachter), Joseph Hirsch
Hennemann (Warenhändler), Witwe von Schlom Sänger (Kleinhandel). Nicht in die
Liste aufgenommen wurde Salomon Isac Wertheimer.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), seit 1875 - mit dem Dienstantritt von Lehrer Salomon Senger s.u. - eine
jüdische Elementarschule, ansonsten eine Religionsschule sowie ein
rituelles Bad. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war.
Unter den Lehrern waren
Salomon Kahn (ca. 1843 - ca. 1852), Maier
Adler (gest. 1874), der schon genannte Salomon Senger (1875-1904), Samuel
Schwarzenberger (bis 1919). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof Kleinbardorf
beigesetzt. Die Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat Burgpreppach.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Gustav Reinhold
(geb. 17.2.1899 in Kleineibstadt, vor 1914 in Würzburg wohnhaft, gef.
22.8.1918), Theo (Wolf) Reinhold (geb. 3.5.1882 in Kleineibstadt, vor 1914 in
Alsfeld wohnhaft, gef. 5.2.1919), Abraham Wildberg (geb. 22.1.1885 in
Kleineibstadt, vor 1914 in Karlsruhe wohnhaft, gef. 23.10.1916). Ihre Namen stehen auf dem Gefallenendenkmal
im christlichen Friedhof (an der Friedhofsmauer rechts neben der Friedhofshalle).
Um 1924, als noch etwa 25 Personen zur jüdischen Gemeinde gehörten (5 %
von etwa 500 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Abraham Wolfrom und
William Strauß. Den
Religionsunterricht der damals sechs jüdischen Kinder erteilte Lehrer Heinrich
Adler aus Königshofen. Bereits
seit einigen Jahren hatten sich die Gemeinden von
Kleineibstadt und Kleinbardorf zusammengeschlossen, um noch Gottesdienste
abhalten zu
können. In beiden Orten gab es nicht mehr die zur Gottesdienstfeier
vorgeschriebene Zahl von zehn Männern. So wurde 14-tägig gewechselt. An einem
Sabbat wurde Gottesdienst in Kleineibstadt, am anderen in Kleinbardorf
abgehalten.
Im "Handbuch der jüdischen Gemeindeverwaltung von 1924/25" ist
Kleinbardorf als Filiale von Kleineibstadt genannt. Die Gemeinden hatten einen
gemeinsamen Synagogenvorstand gebildet. Vorbeterdienste übernahmen Abraham Kahn (Kleinbardorf) und
Abraham Wolfrom (Kleineibstadt), als Schochet war Abraham Kahn tätig.
1933 lebten nur noch sieben jüdische Personen in Kleineibstadt (1,3 %
von insgesamt 546 Einwohnern). Die Gemeinde wurde 1937 vom Verband der
Bayerischen Israelitischen Gemeinden aufgelöst. Zwischen 1937 und 1939
emigrierten drei der jüdischen Einwohner (zwei in die USA, einer nach
Shanghai). Im August 1941 wurden die letzten sechs Königshofener
Juden nach Kleineibstadt eingewiesen. Damit lebten wieder 11 jüdische Personen
am Ort. Neun von ihnen wurden 1942 deportiert (sechs im April 1942 nach Izbica
bei Lublin; drei im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt). Das Schicksal
einer jüdischen Frau ist nicht bekannt. Eine in sogenannter
"Mischehe" lebende Frau - Jenny Stumpf geb. Reinhold - hat die NS-Zeit
überlebt.
Von den in Kleineibstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): David Ambach (1875), Max Ambach (1881), Berta
Blumenfeld geb. Reinhold (1886), Betty Cahn geb. Reinhold (1881), Johanna
Hofmann (1926), Julius Hofmann (1892), Ludwig Hofmann (1923), Selma Hofmann geb.
Schlorch (1894), Lina (Karoline) Kimmelstiel geb. Reinhold (1891), Samuel Kohl (1881),
Eleonore Kremer geb. Wildberg (1880), Josef Ledermann (1873), Betty (Betti,
Marta) Mann geb. Wolfrom (1886), Marianne
Moses geb. Kohl (1875), Hermann Neuland (1871), Ida Reinhold (1873), Josef
Reinhold (1916), Lina Reinhold (1877), Max Reinhold (1893), Siegfried Reinhold
(1885), Siegmund Reinhold (1895), Sofie (Sophie) Reinhold geb. Reinhold gesch.
Segen (1876), Feist Rosenmann (1858),
Emma Schloss geb. Ambach (1876), Hella Schwarzhaupt geb. Reinhold (1897),
Karoline (Lina) Sommer geb. Wolfrom (1875), Frieda Stern geb. Werner (1878),
Hannchen Wertheimer geb. Neuland (1868), Anna Westheimer (1898), Siegmund Wildberg
(1876), Joseph (Josef Michael) Wolfrom (1913), Martha (Merle, Marie) Wolfrom (1874), Pauline (Paula) Wolfrom geb. Adler (1885),
Johanna (Hanna) Zeilberger geb. Reinhold (1890), Julius Zeilberger (1883).
Die kursiv markierten Personen stammten aus Königshofen
und waren erst 1941 nach Kleineibstadt eingewiesen worden.
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Zum Tod des Lehrers Samuel Kahn 1891 (Lehrer in Kleineibstadt von ca. 1843 - ca.
1852)
Anmerkung (nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer auf Grund der
jüdischen Standesregister Kleinbardorf und Kleineibstadt): Lehrer Samuel Kahn
wurde am 10. November 1818 in Kleinbardorf
als Sohn (das neunte Kind) des Viehhändlers Josef Kahn und seiner Frau Rifka im
Haus Nr. 36 geboren. Er heiratete am 12. Juni 1843 in (Bad) Kissingen Hanna geb.
Goldschmidt aus Heßdorf. Beim
Heiratseintrag in Kleineibstadt findet sich keine Berufsbezeichnung von Samuel
Kahn. Im Geburtseintrag des ersten Kindes Sara am 3. Mai 1844 in Kleineibstadt
wird Samuel Kahn als "Judenlehrer" bezeichnet. In Kleineibstadt wurden
noch weitere Kinder geboren, von denen ein Junge bald starb. Das vierte Kind war
Rebekka, später Ricka genannt, geboren am 11. Dezember 1851.
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Februar 1891:
"Niederwerrn (Bayern), Januar (1891). Unsere Gemeinde ist in tiefe
Trauer versetzt worden. Sie hat ihren langjährigen Lehrer und Leiter
verloren, sie hat einen treuen Berater, einen guten Freund eingebüßt.
Herr Elementarlehrer Samuel Cahn hat am 17. Schebat nach
mehrwöchentlichem Leiden im Alter von 82 Jahren uns verlassen. Im Jahre
1808 (sc. falsch für 1818 siehe oben) in Kleinbardorf geboren, wurde er von seinem Vater, der ein sehr
gottesfürchtiger Mann und ein bedeutender Toragelehrter gewesen, in der
Wissenschaft unserer heiligen Religion unterwiesen und zum Lehrfache
bestimmt. Mit einem reichen Fond talmudischen Wissens, den man leider
heute immer seltener auf dem Lande antrifft, trat er in die Lehrpraxis
ein, nachdem er das Lehrerseminar in Würzburg absolviert hatte, und volle
50 Jahre hat der pflichttreue Mann in seinem Berufe ausgehalten. Zuerst
war er zwei Jahre als Lehrer in Rieneck tätig, alsdann 9 Jahre in
Kleineibstadt, hierauf 19 Jahre in Altenschönbach, wo er gleichzeitig die
Funktion eines Religionslehrers in dem Zuchthause in Klosterbrach
ausübte, schließlich wurde er von der Regierung als Elementarlehrer nach
unserer Gemeinde versetzt, wo er 20 Jahre tätig gewesen.
Wahrlich unsere Gemeinde betrachtete es damals als ein Glück, dass gerade
Samuel Cahn ihr Lehrer wurde. Denn seit langer Zeit war Niederwerrn die
Heimstätte bedeutender Lamdonim gewesen; nachdem nun in dem
Rabbinatskandidaten J. Friedrich - das Gedenken an den Gerechten ist zum
Segen -, der die Stelle des Lehrers inne hatte, einer der letzten zu Grabe
getragen, und auch der Rabbinatssitz endgültig nach dem benachbarten
Schweinfurt von der Königlichen Regierung verlegt worden war, war man
froh, in Samuel Cahn einen streng seminaristisch gebildeten Lehrer
bekommen zu haben, der auch im Gebiete der Tora und des Talmuds kein
Fremdling war. Und er verstand es auch den reichen Schatz seiner
Midraschkenntnisse in populärer, anziehender Form in seinen
Lehrvorträgen, deren er an jedem Sabbat drei hielt, seiner Gemeinde
zugänglich zu machen, die stets mit gespannter Aufmerksamkeit seinen Erklärungen
lauscht. Er war ein pflichttreuer Mann, der - und das muss besonders
hervorgehoben werden - in seiner Schule über den Elementarunterricht
niemals den Religionsunterricht vergessen hat, der oft genug die für den
Unterricht vorgeschriebene Stundenzahl |
überschritten
hat. Er war ein freundlicher, sanftmütiger Mann, der vor allem auch bei
seinen nichtjüdischen Mitbürgern einen hohen Graf von Beliebtheit sich
zu erringen verstand. Er war ein wohltätiger Mann, der nicht nur gerne
gab, sondern vor allem ohne Aufsehen spendete.
Und dass man von diesem seinem Werte allgemein durchdrungen, das bewies
unumstößlich sein Leichenbegängnis. Seit den hohen Festtagen litt der
Verstorbene an einer heftigen Gelbsucht, die zu überwinden seine Kräfte
nicht mehr ausreichten. Er reichte bei der Königlichen Regierung sein
Ruhegesuch ein; aber bevor diese sie ihm bewilligt hatte, hat ihn Gott zu
einer ungestörten Ruhe abberufen. An seinem Leichenbegängnisse
beteiligten sich nicht nur die jüdische Gemeinde, sondern auch die
christliche Bevölkerung des Ortes, die Freunde aus Nah und Fern, die
Amtskollegen der ganzen Umgegend. Beim Abschied vom Hause sprach zuerst
Herr Distriktsrabbiner Dr. Stein aus Schweinfurt in wenigen Worten, dass
die Gemeinde, wie sie dem Toten bei seinem Einzug vor 20 Jahren ein Baruch
Ata beworech (Gesegnet seist du bei deinem Kommen!) zugerufen, ihm
heute ein wehmutsvolles Uwaruch ata bezetcha (und gesegnet seist du
bei deinem Weggehen!) zugerufen berechtigt sei, nachdem der Verstorbene
die Krone des guten namens sich erworben habe. Herr
Distriktsschulinspektor Dr. Kranpold schilderte im Anschluss an Hiob 5,26
die Erfolge seiner Lehrtätigkeit, Herr Pfarrer Hellmut auf Grund Sprüche
10,7 seine große Beliebtheit bei den Angehörigen aller Konfessionen. Am
Grabe zu Euerbach schilderte Herr Dr. Stein in längerer Rede die Schwierigkeit
des Lehrberufes, besonders in unserer Zeit, wo der Zwiespalt zwischen
Schule und Haus bereits auch auf dem Lande sich geltend mache, und wies
darauf hin, dass die bloße Tatsache einer 50jährigen Tätigkeit in
diesem Amte dem Verstorbenen den Danke der Gemeinde sichere.
Hoffen wir, dass die Königliche Regierung, die alle Zeit auf die
berechtigten Wünsche der Gemeinde Rücksicht nimmt, uns einen Mann senden
wird, der auch nach seiner religiösen Bildung einen vollwertigen Ersatz
für Samuel Kahn bietet. Dem Verstorbenen wird die Gemeinde zu allen
Zeiten ein dankbares Andenken bewahren! Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens."
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Hinweis auf Lehrer Maier Adler (gest. 1874)
Nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer (Sterbeeintrag Kleineibstadt)
ist der Religionslehrer Maier Adler in Kleineibstadt, geb. zu
Wüstensachsen,
am 24. Juni 1874 im Alter von 70 Jahren zu Kleineibstadt gestorben und am 26. Juni 1874 in Kleinbardorf
beerdigt worden.
Zum Tod von Lehrer Salomon Senger
(1929, Lehrer in Kleineibstadt bis 1904)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Januar 1929: "Salomon Senger - seligen Andenkens.
Würzburg. Am 20. Dezember wurde in Würzburg mit Salomon Senger einer der
ältesten jüdischen Lehrer Bayerns zu Grabe getragen. Geboren am 28.
Februar 1843 in Kleineibstadt, besuchte Senger nach Absolvierung der
Volksschule seines Heimatortes vom Jahre 1846 an die Talmud-Tora-Schule in
Burgpreppach und die
Präparandenschule in Unsleben, um
sich dort für den Lehrerberuf vorzubereiten. Das Lehrerexamen legte er
anfangs der sechziger Jahre am staatlichen Schullehrerseminar in Würzburg
ab (die Israelitische Lehrerbildungsanstalt trat erst 1864 ins Leben).
Seine erste Anstellung fand er in Brünnau,
um kurze Zeit darauf nach Westheim bei
Hassfurt zu übersiedeln. Nach zehnjähriger Wirksamkeit als
Religionslehrer in Westheim berief ihn seine Heimatgemeinde Kleineibstadt
auf ihre neu gegründete Volksschulstelle; die Einrichtung dieser
Schulstelle erfolgte auf Anregung von Senger; die Erfüllung des an ihn
ergangenen einmütigen Wunsches der Heimatgemeinde, die Stelle in
Kleineibstadt anzutreten, hatte er nämlich von der Umwandlung der
Religionslehrerstelle in eine Volksschulstelle abhängig gemacht. Während
der 30 Jahre seiner Wirksamkeit in Kleineibstadt wurde der Name Senger in
der Lehrerwelt in Bayern und in der ganzen Öffentlichkeit mit Achtung und
Ehrerbietung genannt. Senger (Kleineibstadt) gehörte zu den
Mitbegründern des Israelitischen Lehrervereins für Bayern. Die von ihm
geführte Schule erfreute sich in den achtziger und neunziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts des Rufes einer Musterschule sowohl bei den Behörden
als auch im Kreise der Kollegen. Senger gehörte zu den Persönlichkeiten,
welchen Erziehen und Bilden junger Menschen inneres Bedürfnis,
Herzenssache, Lebenselement ist. In seinem Hause hatte er stets eine
größere Zahl auswärtiger Schüler aufgenommen, denen er mit seiner
gleichgesinnten und gleichstrebenden Gattin der liebevolle Pflegevater,
der väterliche Erzieher, der treue Führer zur Lebenstüchtigkeit und
beruflichen Vorbildung war. Zahlreiche seiner Jünger, darunter solche,
deren Name in der Lehrerwelt einen guten Klang hat, haben ihre erste
Vorbildung vor Eintritt in die Präparandenschule im Hause Sengers
gefunden; die in alle Gaue Deutschlands zerstreuten Schüler hängen noch
heute mit Begeisterung und Verehrung an ihrem ehemaligen Lehrer und
Meister. Im bayerischen Lehrerverein erregte Senger zu Anfang dieses
Jahrhunderts mit seinem Referat über die Lesebuchfrage bewunderndes
Aufsehen. Hier zeigte sich Senger als Meister der neuzeitlichen
pädagogischen Bestrebungen; auch seine glänzende Rednergabe (er sprach
stundenlang völlig frei) erregte allgemeine Bewunderung. Im Jahre 1904
trat Senger in den Ruhestand und siedelte nach Würzburg über. Auch hier
lebte er noch jahrelang seinem Berufe, der Erziehung und Betreuung von
Schülern, die in seinem Hause Aufnahme gefunden hatten.
Sengers Wesen war Bescheidenheit und Menschenfreundlichkeit, Milde und
Güte, die auf alle, die mit ihm zusammen kamen, einen unauslöschlichen
Eindruck machten. Am Grabe zeichnete Bezirksrabbiner Dr. Hanover das
Charakterbild dieser naturechten Erzieherpersönlichkeit, deren
Bescheidenheit und Seelenadel hervorhebend, die im persönlichen,
freundnachbarlichen Verkehr ihm selbst sich offenbart hatten. Namen des
jüdischen Lehrer rief Kollege Mandelbaum, ein Schüler des Verewigten,
der von ihm in früher Jugend als Vater und Lehrer betreut wurden, Worte
des Dankes und der Verehrung nach.
Bescheidenheit, Güte, Hilfsbereitschaft und Selbstaufopferung stempeln
Senger zu einer Pestalozzinatur. Im Geheimnis seiner Persönlichkeit liegt
die eigenartige Wirkung seiner Erziehungserfolge begründet. Wenn
jüdische Erzieher das Andenken ihrer Führer und Vorbilder feiern, wird
stets der Name Salomon Senger in Ehren genannt
werden." |
Zum Tod von Hanna Sänger, Witwe von Lehrer Salomon
Senger (1929)
Mitteilung
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
September 1929: "Am 7. August verschied in Würzburg Frau Hanna Senger, die Witwe unseres vor einigen Jahren dahingegangenen Salomon
Senger, früher Volksschullehrer in Kleineibstadt." |
Hinweis auf Lehrer Samuel
Schwarzenberger (gest. 1934 in Bödigheim, wo er seit 1919 Lehrer war; zuvor in
Kleineibstadt)
Anmerkung: Samuel Schwarzenberger ist 1867 in
Thundorf geboren als Sohn von Isaak und Jette Schwarzenberger. Er studierte
an der Israelitischen Lehrerbildungsanstalt in
Würzburg (Examen 1886) und war danach Lehrer in
Hüttenheim. Spätestens ab 1907 war er
(nach Hinweisen in Kollektenergebnissen der Zeitschrift "Der Israelit" Lehrer in
Kleineibstadt, ab 1919 in Bödigheim.
Mitteilung
in "Mitteilungen des Jüdischen Lehrervereins in Bayern" vom 15. Januar 1935:
"Vereinsmitteilungen
1. In den letzten Wochen sind uns die Kollegen Siegmund Pollack und
Salomon (falsch für Samuel) Schwarzenberger in
Bödigheim (Baden), früher in
Kleineibstadt, durch den Tod entrissen worden. Pollack war Gründungs-
und Ehrenmitglied des Vereins (sc. Jüdischer Lehrerverein in Bayern) und
Schwarzenberger zählte seit 1887 zu unseren Mitgliedern. Wir werden den
treuen Freunden und Kollegen ein ehrendes Andenken bewahren. " |
Weitere Dokumente
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller, Kirchheim / Ries)
Postkarte
von Moses Wildberg
in Kleineibstadt (1874) |
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Die Karte von Moses Wildberg wurde am 10.
Juli 1874 an die Eisenhandlung Eisenheimer in
Schweinfurt geschickt. Moses
Wildberg ist in Kleinbardorf am
20. oder 21. Februar 1846 geboren und am 16. Mai
1897 in Kleineibstadt gestorben. Er war verheiratet mit Fanny geborene
Strauß (geboren 1848 in Kleineibstadt, gestorben 24. August 1897 in
Kleineibstadt; in
erster Ehe war sie verheiratet mit Julius Strauß). Die beiden hatten
vier Kinder: Isaak
(1878-1936), Sigmund (1876, Opfer der Wagner-Bürckel-Aktion, erwähnt in der
Liste der Umgekommenen oben), Eleonore verh. Kremer (1880,
gleichfalls erwähnt in der
Liste der Umgekommenen oben) und Abraham (1885, vor 1914 in Karlsruhe
wohnhaft, gefallen 1916, siehe Liste der aus Kleineibstadt Gefallenen
oben).
(Obige Informationen wurden teilweise ergänzt auf Grund der
Recherchen von Elisabeth Böhrer) |
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Zur Geschichte der Synagoge
Eine Synagoge wurde 1827 erbaut. Diese Jahreszahl ist
bis heute über dem Eingangsportal an der Westseite zu lesen. Sie blieb über 100 Jahre
Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in Kleineibstadt.
Im Mai 1937 wurde sie geräumt und für RM 715 verkauft. In dem Gebäude
sollte ein Bullenstall eingerichtet werden. Auf Einspruch des Ortspfarrers kam es
nicht dazu. Es wurde - auch nach 1945 - als Lagerhaus der Firma Raiffeisen für
Kohle und chemische Dünger zweckentfremdet. Acht Torarollen und die übrigen
Ritualien waren dem Verband der Bayerischen Israelitischen Gemeinden nach
München übergeben worden. Sie wurden beim Novemberpogrom 1938 zerstört. Das
Synagogengebäude wurde - auch nach 1945 - als Lagerhaus der Firma Raiffeisen
für Kohle und chemische Dünger zweckentfremdet und später an einen
Privatmann verkauft.
Derzeit befindet sich das ehemalige Synagogengebäude in
Privatbesitz und wird als Lager verwendet. Es zeigt inzwischen erhebliche
Bauschäden. Doch sind viele Bestandteile des Gebäudes noch im Originalzustand
erhalten, darunter der Fußboden, die Frauenempore und die Eingangstüre. Auch
sind an der Decke noch Teile des Sternenhimmels erkennbar.
Im Februar 2015 sprach sich der Gemeinderat Großeibstadt dafür aus,
die ehemalige Synagoge von Kleineibstadt abzubrechen und im Fränkischen
Freilandmuseum Fladungen neu aufzustellen. Dort könnte das Gebäude neben
der katholischen Kuratiekirche St. Bartholomäus aus Leutershausen ein
weiterer Anziehungspunkt für Besucher werden.
Vgl. Artikel von Hanns Friedrich in der "Main-Post" vom 4. März
2015: "Synagoge
fürs Museumsdorf? Gemeinde möchte die Synagoge Kleineibstadt ins Fränkische
Freilandmuseum translozieren..."
Adresse/Standort der Synagoge: An der Barget 18 /
Ecke Hüttengasse.
Fotos
(Quellen: Foto des
Memorbuches von Theodor Harburger, Aufnahmedatum 15. Januar 1930; Quelle: Central Archives for the
History of the Jewish People, Jerusalem; veröffentlicht in Th.
Harburger: "Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern.
1998 Band I, S. 326; neuere Fotos: Jürgen Hanke, Kronach, Aufnahmen von 2004,
aus: www.synagogen.info).
Historisches |
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Titelblatt des
"Memorbuches" (oberste Zeile) der jüdischen Gemeinde
Kleineibstadt.
Geschrieben: Dienstag, 27. April 1802 - 10. Tag im
Omerzählen 5562 |
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Neuere Fotos |
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Das
Synagogengebäude 2004
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Innenaufnahme von der
ehemaligen
Frauenempore
(Quelle: www.synagogenprojekt.de) |
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Fotos 2007
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 29.5.2007) |
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An der Ostfassade wurde eine
Laderampe
erstellt mit einem Zugang und Durchbruch
im Bereich des
früheren Toraschreines |
Ansichten des
Gebäudes von Südosten (links) und von Westen |
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Bereich über dem
ehemaligen Eingangsportal zur Synagoge mit der Jahreszahl 1827 |
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Erhebliche
Bauschäden zeigt das Gebäude inzwischen an der Außenmauer |
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Gedenktafel für die
jüdische Gemeinde
an der Trauerhalle im
christlichen Friedhof |
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Gedenktafel im christlichen
Friedhof mit der Inschrift: "In Kleineibstadt bestand bis
1937 eine
Jüdische Kultusgemeinde. Synagoge: An der Barget 18. Die Gemeinde
gedenkt
ihrer ehemaligen jüdischen Mitbürger. Zur Erinnerung und Mahnung". |
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Denkmal für die in
den
Weltkriegen Gefallenen
im christlichen Friedhof |
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Auf den Tafeln des
Ersten Weltkrieges stehen auch die Namen der jüdischen Gefallenen:
Gustav
Reinhold, Wolf Reinhold und Abraham Wildberg. |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Juni
2015:
Auf den Spuren der jüdischen
Geschichte in Kleineibstadt und Umgebung
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Artikel
von Reinhold Albert in der "Main-Post" vom 2. Juni 2015:
"RHÖN-GRABFELD. Von der Synagoge zum Friedhof
Teilnehmer aus ganz Unterfranken nahmen am Sonntag an einer Exkursion zu
jüdischen Orten in den Landkreisen Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen teil.
Organisiert wurde die Fahrt mit Teilnehmern aus der ganzen Region vom
Kooperationsprojekt Landjudentum in Unterfranken unter Leitung von Tabea
Bauer. So wurden unter anderem die ehemalige Synagoge in Kleineibstadt sowie
der jüdische Friedhof in Neustädtles
besucht. Das im November 2011 gestartete Kooperationsprojekt Landjudentum in
Unterfranken hat sich die Erhaltung und Präsentation des jüdischen Erbes im
Regierungsbezirk Unterfranken zur Aufgabe gemacht. In Kleineibstadt öffnete
die Familie Joachim, welcher die ehemalige Synagoge gehört, die Türen des
historischen Gebäudes für die Gäste. Kreisheimatpfleger Reinhold Albert und
Elisabeth Böhrer aus Sondheim/Rhön gaben Einblick in die Geschichte der
ehemaligen jüdischen Gemeinde Kleineibstadt und deren Synagoge.
Schutzjuden in der Gemeinde. Die Freiherren von Münster, die in
Kleineibstadt ein Schloss besaßen (es wurde im Jahr 1900 durch einen
Blitzschlag zerstört), holten sich in ihre Gemeinde sogenannte Schutzjuden.
1753 besaßen die Juden in Kleineibstadt 13 Wohnhäuser. Die jüdische Gemeinde
zählte damals rund 50 Mitglieder. 1832 wurden 98, 1925 nur noch 24 jüdische
Einwohner in Kleineibstadt gezählt. Hauptbeschäftigung der Juden in der
Gemeinde war der Handel. Sie arbeiteten aber auch als Strumpfweber,
Lichterzieher, Seifensieder, Papierhändler oder Schuhmacher. Ihr
Begräbnisort lag auf dem Judenhügel im benachbarten
Kleinbardorf. Die Kleineibstädter
Juden besuchten zunächst die Synagoge in
Kleinbardorf. 1827 errichteten sie dann eine eigene Synagoge, in deren
Nachbarschaft eine jüdische Schule sowie eine Mikwe (ein rituelles Tauchbad)
lagen. 1933 lebten nur noch sieben jüdische Personen in Kleineibstadt. Die
jüdische Gemeinde wurde 1937 vom Verband der Bayerischen Israelitischen
Gemeinden aufgelöst. Im August 1941 wurden die letzten sechs Juden aus
Königshofen nach Kleineibstadt
eingewiesen. Damit lebten wieder elf jüdische Personen am Ort. Sie wurden
1942 deportiert und von den Nazis ermordet. Lediglich eine in sogenannter
Mischehe lebende Frau, Jenny Stumpf, geborene Reinhold, überlebte in
Kleineibstadt die NS-Zeit. Im Mai 1937 wurde die Synagoge geräumt und für
715 Reichsmark verkauft. In dem Gebäude sollte ein Bullenstall eingerichtet
werden. Auf Einspruch des Ortspfarrers kam es nicht dazu. Acht Thorarollen
und die übrigen Ritualien waren dem Verband der Bayerischen Israelitischen
Gemeinden nach München übergeben worden. Sie wurden beim Novemberpogrom 1938
von den Nationalsozialisten zerstört. Das Synagogengebäude in Kleineibstadt
wurde nach 1945 als Lagerhaus der Raiffeisenkasse für Kohle und chemische
Dünger zweckentfremdet und 1966 an die Familie Joachim verkauft, die es
nunmehr dem Fränkischen Freilandmuseum Fladungen für Museumszwecke anbot.
Die ehemalige Synagoge dient gegenwärtig als Reifenlager und zeigt
inzwischen erhebliche Bauschäden. Viele Bestandteile des Gebäudes sind aber
noch im Originalzustand erhalten, darunter der Fußboden, die Frauenempore
und die Eingangstüre. Auch sind an der Decke noch Teile des Sternenhimmels
erkennbar.
Elisabeth Böhrer führte anschließend über den
jüdischen Friedhof von Neustädtles.
Es war der Bezirksfriedhof für die Gemeinden
Oberelsbach mit Weisbach,
Nordheim und
Willmars. Äußerlich ist der jüdische
Friedhof, der 1736 angelegt worden sein dürfte, als Waldparzelle zu
erkennen. Der jüngste lesbare Grabstein ist aus dem Jahre 1938. Die älteren
Grabsteine stehen im südlichen, die neueren (1885-1938) im nördlichen Teil,
der angesetzt wurde. Die älteren Grabstätten – die älteste soll von 1749
sein – sind in noch erkennbaren Reihen angeordnet, die jedoch größere Lücken
aufweisen. Hier sind bereits etliche Grabsteine umgestürzt oder versunken.
Im neueren Teil des Friedhofs stehen die Grabsteine in regelmäßigen Reihen.
Der sehr große alte Teil beherbergt heute rund 390, der neuere Teil 113
Gräber.
Mit Ornamenten verziert. Im älteren Teil weisen die Grabsteine eine
ungewöhnliche Formenvielfalt auf. Einige stehen auf Sockeln und sind reich
mit Ornamenten verziert. Die neueren Steine sind im Vergleich dazu relativ
schlicht gehalten und meist mit Schrifttafeln versehen. Die Inschriften sind
im älteren Teil fast nur hebräisch. Manchmal sind Name und Daten in Deutsch
auf der Rückseite. Auf den jüngeren Steinen ist oft auch nur deutsche
Schrift zu erkennen oder hebräische auf der Vorder- und deutsche auf der
Rückseite. Schändungen des Friedhofs sind aus den Jahren 1926, 1948 und 1978
bekannt. Grabsteine sind abgebrochen, Schrifttafeln herausgebrochen oder
fehlen ganz. Zur Sprache kam bei dem Rundgang auch die vor einigen Jahren
geplante Anlage eines Schweinemastbetriebs in der Nähe des Neustädtleser
Friedhofs, der dann doch nicht dort gebaut wurde. Nach einer Mittagspause in
Ostheim und der Besichtigung der historischen Kirchenburganlage war das
nächste Ziel der Gruppe das jüdische Gemeindehaus mit Betsaal und Mikwe in
Bad Kissingen. Dort wurde auch die
Dauerausstellung 'Jüdisches Leben in Bad Kissingen' besucht."
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 336-337. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 77-78. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 551-552. |
| Reinhold Albert: Geschichte der Juden im Grabfeld.
1990. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 187. |
| Beitrag von Cordula Kappner über die Familie
Wolfrom aus Kleineibstadt: Artikel "Bewegende Schicksale der
Wolfroms" in der "Main-Post" vom 1. September 2009 (als
pdf-Datei eingestellt). |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Kleineibstadt Lower Franconia. A Jewish community
existed in the mid-18th century. A synagogue was erected in 1828 and a Jewish
public school opened in the early 1870s. The Jewish population was 114 (of a
total 522) in 1880 and seven in 1933. The synagogue building was sold in 1937.
Six Jews were brought to Kleineibstadt from Koenigshofen in 1941 and of the total
of 11 present in 1942, six were deported to Izbica in the Lublin district
(Poland) on 25 April and three elderly women to the Theresienstadt ghetto in 10 September
1942 via Schweinfurt.
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