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Nordheim vor
der Rhön (VG Fladungen, Landkreis Rhön-Grabfeld)
mit Sondheim vor der Rhön (VG Ostheim vor der Rhön, Landkreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge / Jüdische Schule
(erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Nordheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Ihre Entstehung
geht mindestens in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Nach den
Recherchen von Elisabeth Böhrer waren in Nordheim nach einem Dokument im
Staatsarchiv Würzburg vom 6. Mai 1699 bereits Juden des Bischofs und des
Adelsgeschlechts derer von Thann ansässig. Nach einer Urkunde von
1736 erhielt der
damalige Gutsherr jährlich 4 Gulden für die Beisetzung der Toten aus Nordheim
in Neustädtles.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1810/11 70 jüdische Einwohner (9,5 % von insgesamt 734), 1837 80
(9,1 % von 875), 1867 54 /7,3 % von 739), 1890 86 (10,6 % von 812), 1900
59 (7,3 % von 807), 1910 47 (5,4 % von 867).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Nordheim auf
insgesamt 14 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Witwe von Joseph Abraham
Wittenberg (Pelzhandel), Koppel Salomon Stein (Viehhandel), David Joseph Hecht
(Pelzhandel), Salomon Koppel Stein (Vieh- und etwas Spezereihandel), Witwe von
Israel Maier Frank (ohne Erwerb), Israel Loeser Baum (Schlachten), Menke Loeser
Baum (Mäkler), Chye, Witwe von Haim Rosenberg (Lumpenhandel), Witwe von Joseph
Elias Siegel (ohne Erwerb), Elias Joseph Siegel (Schnitt- und Spezereihandel),
Joseph Salomon Hallstein (Viehhandel, Spezereihandel), Maier Haium Hess
(Kleinviehhandel), Simon Hirsch (Lichterhandel), Sameier Stein (Feldbau, seit
1821, übernimmt die Stelle des im Mai 1820 verstorbenen Meier Haim Hess),
Samuel Wittenberg (Pelz- und Rauchhandel, seit 1822, übernimmt die Stelle
seiner inzwischen verstorbenen Mutter, der Witwe von Joseph Abraham Wittenberg),
Judas Baum (Metzger, seit 1825).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule (gemeinsam mit dem benachbarten Oberelsbach)
sowie ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem Bezirksfriedhof in Neustädtles,
teilweise auch in Kleinbardorf
beigesetzt. Zur
Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - gemeinsam mit
Oberelsbach - ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und
Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Zwischen 1886 und
1893 wird Lehrer Fulder genannt. Die jüdische
Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld,
danach zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen.
In den Kriegen 1866 und 1870/71 nahmen auch jüdische Männer aus der
Gemeinde teil (drei Brüder aus der Familie Schuster).
Im Ersten Weltkrieg
fielen aus der jüdischen Gemeinde Hermann Sachs (geb. 30.8.1887, gef.
16.6.1915), Gustav Rosenthal (geb. 28.3.1886 in Nordheim, gef. 10.11.1916) und
Vizefeldwebel Justus Baum (geb. 27.1.1880 in Nordheim, gef. 14.4.1918). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen der
Weltkriege in der Ortsmitte am Marktplatz zwischen dem Rathaus und dem Flüsschen
Streu. Außerdem ist der zur jüdischen Gemeinde Nordheim gehörende Julius
Schloß aus Sondheim v.d. Rhön gefallen (geb. 22.9.1893 in Sondheim, gef.
24.7.1916). Sein Name steht - nach Auskunft von Elisabeth Böhrer - auf dem
Gefallenendenkmal im kommunalen Friedhof in Sondheim.
Um 1924 gehörten der jüdischen Gemeinde noch 32 Personen
an (3,5 % von insgesamt 919 Einwohnern). Zum Synagogenvorstand
gehörten damals H. Goldmann, Louis Freimark und Julius Adler. Den
Religionsunterricht der sechs schulpflichtigen jüdischen Kinder hielt Lehrer
Viktor Gottlieb aus Mellrichstadt. Er wurde den Nordheimer Kindern gemeinsam mit den
Kindern der Nachbargemeinden Willmars und Oberelsbach
erteilt.
1933 wurden noch 25 jüdische Einwohner gezählt (2,6 % von insgesamt 968
Einwohnern). Bis Mai
1937 ging die Zahl auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des
wirtschaftlichen Boykotts durch Auswanderung oder Abwanderung in andere Ort auf
11 Personen zurück. Beim Novemberpogrom
1938 wurde nicht nur die Synagoge, sondern auch die Häuser und
Geschäfte fast aller letzten jüdische Einwohner zerstört. Ein von einem
jüdischen Ehepaar bewohntes Haus war bereits in nichtjüdischem Besitz; der
neue Besitzer sorgte dafür, dass niemand in das Haus kam, wodurch dem Ehepaar
nichts geschah. An den Folgen des Pogroms
starb am 10. November 1938 Karl Schuster. Insgesamt konnten 1934 bis
1940 12 jüdische Einwohner emigrieren, zwei weitere (nicht eingerechnet Karl
Schuster) starben.
Die letzten fünf wurden 1942 nach Izbica = Krasniczyn bei Lublin (im von
Deutschen besetzten Polen) beziehungsweise
in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Auch deportiert wurde von Nordheim aus
Siegfried Schild aus Willmars, der nach geleisteter Zwangsarbeit in einem
Forsteinsatzlager bei Frankfurt/Oder in Nordheim die letzten Monate wohnen
musste.
Von den in Nordheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jette (Jettchen) Adler
geb. Schön (1877), Jette (Jetti) Kann geb. Baum (1871), Betty Katzenstein geb.
Stein (1869), Pauline Kowalski geb. Baum (1873), Sabina Levenbach geb. Baum
(1876), Emma Oppenheimer geb. Oppenheimer (1886), Heinrich Rosenblatt
(1878), Alexander (Alex) Schuster (1886), Karl Schuster (1883), Max Schuster (1876), Siegbert Gerhard
Schuster (1925), Hedwig Spier geb. Rosenblatt (1876), Rosalie Steinmann geb.
Schön (1891), Thekla Voß geb. Hecht
(1887).
Aus Sondheim ist umgekommen: Rosa Schloß (1891).
Hinweis: für Pauline Sanders geb. Schuster (geb. 1875 in Nordheim als
Tochter von Samuel Schuster und Amalia geb. Gaßenheimer; emigrierte 1941 in die
USA, wo sie 1971 in Paramus NJ starb) wurde im November 2014 ein
Stolperstein in Nettetal verlegt (Neustraße 18); vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Nettetal.
Berichte aus
der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Religionslehrerstelle 1893 / 1895 / 1907 / 1908
Die Religionslehrerstelle in Nordheim wurde
gemeinsam mit Oberelsbach besetzt.
Der Lehrer wohnte in Nordheim. |
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1893:
"Lehrer-Vakanz".
Die Religionslehrerstelle Nordheim-Oberelsbach,
verbunden mit Vorsänger- und Schächterfunktion in erstgenannter
Gemeinde, mit einem fassionsmäßigen Einkommen von 967,57 Mark soll wieder
besetzt werden.
Seminaristisch gebildete Kandidaten wollen sich baldigst unter Beifügung
ihrer Zeugnisse und Angabe ihres Lebenslaufes an den Unterzeichneten
wenden.
Nordheim v. Rh., 4. Januar 1893. Abraham Schön, Kultusvorstand". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1895: "Durch
Berufung unseres Lehrers auf eine staatliche Schulstelle ist die
Religionsschulstelle Nordheim-Oberelsbach, verbunden mit Vorsänger- und
Schächterdienst in erstgenannter Gemeinde vakant. Das fassionsmäßige
Einkommen beträgt 967 Mark 57 Pfennig. Nur seminaristisch gebildete
Bewerber wollen ihre Zeugnisse baldigst an Unterfertigten einsenden.
Nordheim v. Rhön, 5. März 1895.
Abraham Schön, Kultusvorstand". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1907: "Die
Religionslehrerstelle
mit Vorbeter- und Schächterfunktion
Nordheim-Oberelsbach mit dem Sitze in Nordheim Rhön, ist sofort zu
besetzen. Fixer Gehalt Mark 1100, nebst erheblichen Nebeneinkünften.
Seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden.
Nordheim Rhön, den 20. Februar 1907.
Jakob Baum". |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1908: "Die
Religionslehrer, Vorbeter- und Schochetstelle
in Nordheim (Rhön),
Oberelsbach mit dem Sitze Nordheim fassionsmäßiger Gehalt Mark 1100 und
erheblicher Nebenverdienste ist alsbald zu besetzen. Meldungen nebst
Zeugnisabschriften an
Jacob Baum,
Nordheim, Rhön". |
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Ausschreibungen im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 24. Juli 1908: "Aus der Lehrerwelt.
Frankfurt am Main. Vakanzen. - Lambsheim
in der Pfalz (4300 Einwohner, 19 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter
und Schächter per sofort oder später, 700 Mark, freie Wohnung, 800 bis
1000 Mark Nebenverdienst. - Trabelsdorf
bei Bamberg (500 Einwohner, 15 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter und
Schächter per bald, 700 Mark, freie Wohnung und Heizung, 3-400 Mark
Nebenverdienst. - Eberbach in Baden,
Hilfsvorbeter für die hohen Feiertage, - Braunfels
an der Lahn (1500 Einwohner), 1300 Mark Gehalt. - Hechingen
in Hohenzollern (4400 Einwohner, 82 jüdische Familien), Lehrer und
Vorbeter, 1400 Mark Anfangsgehalt (2400 Mark Höchstgehalt), freie
Wohnung, 1000 Mark Nebeneinkommen. - Nordheim
a.d. Rhön (1200 Einwohner, 15 jüdische Familien), 1100 Mark
Gehalt." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Über die Kriegsteilnehmer am Krieg 1866 und 1870/71
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1896:
"Gochsheim. Als Gegenstück zur der kürzlich in diesen Blättern erwähnten
Dörnigheimer Affäre – der dortige Pfarrer wollte die Aufstellung einer
Gedächtnistafel in der Kirche nicht zugeben, weil auf derselben auch jüdische
Veteranen der deutsch-französischen Krieger 1870/71 verzeichnet waren –
möge folgende Tatsache aus unserem, ehemals reichsfreien Dorfe an dieser
Stelle registriert werden. Auch die hiesige Gemeindeverwaltung errichtete
zu Ehren ihrer Veteranen ein prachtvolles Denkmal in Form eines Obelisken
mit dem Reichsadler gekrönt. Unter den Namen der auf dem Sockel
verzeichneten Krieger figuriert auch ein Jude, der Metzgermeister Nathan Heldmann.
Derselbe erhält sogar als Kriegsinvalide eine entsprechende Pension
ausgezahlt.
Zur Ergänzung der im verflossenen Jahre erschienenen Krieger- und
Veteranenliste sei noch erwähnt, dass die drei Gebrüder Schuster von Nordheim
v. Rhön im Kriegsjahre unter den Waffen standen und zwei derselben
die Kämpfe in Frankreich mitmachten; der älteste Bruder ist übrigens
schon Kriegsveteran aus dem Jahre 1866.
A." |
Berichte zu
einzelnen Personen aus der Gemeinde
Zum Tod von Rabbi Schmajo Stein und Natan Hirsch, dem Sohn von Naphtali Hirsch (1872)
Anmerkung: Natan Hirsch (geb. 4. Februar 1848) war Sohn von Naphtali Hirsch
aus dessen zweiter Ehe. Bereits in der ersten Ehe gab es einen Sohn mit dem
Namen Natan. Dieser wurde am 13. Januar 1843 geboren und starb bereits mit einem
Jahr (Hinweis von E. Böhrer).
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. April 1872: "Nekrolog.
Es sind kaum 30 Tage, dass Rabbi Schmajo Stein aus Nordheim v.d.
Rhön, ein gelehrter und geachteter Mann, im Alter von 76 Jahren starb;
als der liebe Gott ein noch größeres Opfer von dort gefordert, den
einzigen Sohn des Naphtali Hirsch, 24 Jahre alt, einziger Sprosse seiner
Mutter, fromm, brav und solid, von Jedermann geachtet und geehrt. Der
Schmerz der alten Eltern ist groß, unvergesslich. Ersterer verstarb am Montag,
dem 17. Adar Rischon (= 26. Februar 1872). Letzterer am Heiligen
Schabbat, 13. Adar Scheni (= 23. März 1872). M.B.
in O." |
Spendenaufruf für eine in Not geratene jüdische
Familie (1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juli 1885:
"Barmherzige Glaubensgenossen! Es ist kein gewöhnlicher Fall, der
uns veranlasst uns in dieser Form an die Wohltätigen in Israel und an
alle wahren Menschenfreunde mit der bescheidenen Bitte zu wenden, uns in
der Linderung von Not und Elend hochherzig unterstützen zu wollen. Ein
hier wohnhafter, fleißiger und redlicher Familienvater ist seit mehreren
Jahren in Folge wiederholter Krankheits- und Unglücksfälle trotz
angestrengter Bemühungen nicht im Stande gewesen, die sechs Seelen, seine
Frau und fünf unmündige Kinder, die von ihm anhängig sind, selbst nach
dem bescheidensten Maßstabe zu ernähren.
Unsere Gemeinde ist klein und selbst unter den wenigen Mitgliedern gibt es
nur wenige, die als bemittelt gelten könnten, aber trotzdem haben wir
bisher aus eigenen Mitteln nach unseren Kräften und über unsere Kräfte
hinaus zur Unterstützung und Erhaltung dieser unglücklichen Familie
beigetragen.
Wäre keine Veränderung eingetreten, so hätten wir gerne nach wie vor
uns dieser Aufgabe unterzogen und hätten uns auch jetzt nicht gestattet,
das sonst auch mit Wohltätigkeitsangelegenheiten aller Art so sehr in
Anspruch genommene Publikum zu belästigen. Aber leider ist es nun so weit
gekommen, dass die letzten Besitztümer dieser Unglücklichen, ihr
Wohnhaus und ihr bisschen Feld verkauft werden sollen. Dieses zu
verhüten, ist uns allein unmöglich. Die Kosten, welche die Rettung der
Ärmsten vor Obdachlosigkeit und Jammer erfordert, sind für unsere kleine
unbemittelte Gemeinde unerschwinglich. Deshalb und deshalb allein wenden
wir uns an die Wohltätigen und Barmherzigen in Israel, und rufen Euch zu:
'übet doch diese große Mizwa (Gebot), seid uns behilflich, diese
unglücklichen Menschen vor entsetzlichem Elend zu bewahren.
Erinnert euch: 'wer eine Seele in Israel vor dem Untergange rettet, ist,
als ob er eine ganze Welt gerettet,' und der Segen nicht bloß der
Unglücklichen, die Ihr rettet, sondern auch unser Aller wird Eure
Belohnung sein. - Beiträge nimmt gern entgegen der unterzeichnete
Vorstand. Abraham Schön. Vorstand der israelitischen
Kultusgemeinde Nordheim a.d. Rhön.
Vorstehend Angabe beruht nach ihrem ganzen Inhalte auf voller Wahrheit und
so kann ich nicht umhin, diese auf Verlangen allen Glaubensbrüdern und Schwestern
aufs Wärmste zu empfehlen.
Gersfeld, im Juli 5645 (1885) Wormser,
Distrikts-Rabbiner.
Auch wir sind gern bereit, Gaben entgegenzunehmen und weiterzubefördern. Die
Expedition des 'Israelit'. |
|
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Juli
1885: "Barmherzige Glaubensgenossen!! ..."
Derselbe Spendenaufruf erschien auch in der "Allgemeinen Zeitung
des Judentums"- |
Prozess gegen den Kaufmann Ernst August Völker von
Kaltennordheim nach einem Viehhandel mit Viehhändler Schuster in Nordheim
(1892)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. April
1892: "Eisenach, 14. April (1892). In der gestrigen Sitzung
der Strafkammer des hiesigen Landgerichts wurde gegen den Kaufmann
Ernst August Völker von Kaltennordheim
wegen Verleitung zum Meineid verhandelt. Angeklagter hat wegen
eines Viehhandels mit dem Viehhändler Schuster in Nordheim vor der
Rhön einen Prozess vor dem Gerichte zu Schweinfurt. Der Maurer
Greifzu in Mittelsdorf, der von dem Handel wusste, sollte in dieser
Sache als Zeuge vernommen werden. Vor dem Termin ließ nun Völker den
Greifzu in seinen Laden kommen, um ihn gewissermaßen zu instruieren, was
er aussagen sollte, damit er, der Völker, den Prozess gewinne. Völker
fragte zuerst den Greifzu, was er aussagen wolle. Als dieser sich darüber
äußerte, sagte Völker: 'Das darfst Du nicht sagen, Du musst so und so
sagen'. Da erwiderte Greifzu: 'Das kann ich nicht sagen, ich muss
schwören: und da sage ich eben einfach die Wahrheit.' Darauf entgegnete
Völker: 'Ach was, Wahrheit, komme mir nicht immer mit Deiner Wahrheit, Juden
gegenüber braucht man's nicht genau zu nehmen.' Greifzu ließ sich
indessen nicht beirren, sagte in Schweinfurt vor dem dortigen Zivilgericht
die Wahrheit und - Völker verlor den Prozess. Da sein Verhalten bekannt
wurde, stand er nun gestern wegen Verleitung zum Meineide vor der
Strafkammer hiesigen Landgerichts. Die großherzogliche Staatsanwaltschaft
hielt die Klage in vollem Umfange aufrecht und beantragte eine
Zuchthausstrafe von 1 Jahr 6 Monaten und Verlust der Ehrenrechte auf 3
Jahre. Der Gerichtshof erkannte auf ein Jahr Zuchthaus und schloss
sich in letzterem Punkte der Staatsanwaltschaft an." |
Über den langjährigen
Kultusvorstand Abraham Schön (1897)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1897:
"Nordheim v. Rhön. Über 25 Jahre wirkte Herr Abraham Schön
in
hiesiger Gemeinde als Kultusvorstand. Derselbe leitete die Angelegenheiten
der Gemeinde mit größter Umsicht und erwarb sich durch seine
pflichttreue Rechtlichkeit und seine Gewissenhaftigkeit volles Vertrauen
bei der Gemeinde. Als Beweis sei dafür, dass derselbe bei der im Dezember
stattgefundenen Vorstandswahl wieder einstimmig gewählt wurde. Derselbe
lebte aber die Wiederwahl ab und es wurde infolgedessen Herr Seckel
Schuster als dessen Nachfolger bestimmt. Möge es auch diesem vergönnt
sein, recht segensreich für seine Gemeinde zu wirken!
Noch möge erwähnt werden, dass Herr Abraham Schön auch schon eine Reihe
von Jahren ehrenamtlich als Mohel (Beschneider) fungiert und als solcher
schon im Jahre 1888 sein 25jähriges Jubiläum gefeiert hat. Zahlreich
sind daher die Verdienste, die Herr Schön sich als Kultusvorstand und
Mohel angeeignet hat. Es sei ihm daher öffentliche Anerkennung
ausgesprochen und möge ihm idealer Lohn beschieden sein!" |
Zum 60. Geburtstag des aus Nordheim stammenden Rabbiner Dr. Salomon Stein (geb. 1866,
1890-1934 Rabbiner in Schweinfurt, gest. 1938)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeit" vom 2. April
1926: "60. Geburtstag von Rabbiner Dr. Stein.
Rabbiner Dr. Stein, Schweinfurt,
dessen Feder wir wieder einmal einen in dieser Nummer veröffentlichen
Aufsatz verdanken, hat am 27. März seinen 60. Geburtstag begangen.
Aus
Nordheim v.d. Röhn stammend hat Dr. Stein seine rabbinischen und
akademischen Studien am Hildesheimer Rabbinerseminar und an den
Universitäten Berlin und Würzburg durchgemacht. In jungen Jahren schon
wurde er seines ehemaligen Lehrers, des Distriktsrabbiners Dr. Lebrecht,
Schweinfurt, Nachfolger, erst als Verweser, dann als der Rabbiner von
Schweinfurt, als welcher er nun schon seit 35 Jahren segensreich
wirkt.
Seine Tätigkeit an dieser Stelle zu schildern erübrigt sich, zu bekannt
sind seiner Verdienste um das religiöse Leben nicht nur in seiner
Gemeinde. Über ihre Grenzen hinaus reicht seine Arbeit und als 2.
Vorsitzender der bayerischen Rabbinerkonferenz, als Mitglied des Rates
bayerischer israelitischer Gemeinden, als Vorsitzender des Verbandes
bayerischer gesetzestreuer israelitischer Gemeinden wird er nicht müde,
in Wort und Schrift zu wirken. Seiner von wahrhafter Religiosität
erfüllten vornehmen Natur, seiner warm und menschlich fühlenden
Persönlichkeit wird in allen Lagern des deutschen Judentums Vertrauen und
Verehrung entgegengebracht, und so ist es denn auch oft sein Amt,
Gegensätze auszugleichen und das kostbare Gut des Friedens zu
erhalten.
Dem verehrten Jubilar seien auch an dieser Stelle herzliche Glückwünsche
dargebracht." |
Stiftung des Herrn Hirschhaus aus New York, ehemaliger Vorstand der Gemeinde
Nordheim (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1898:
"Nordheim v. Rhön. Herr Hirschhaus, New York, seinerzeit Vorstand
der hiesigen Gemeinde, übergab der Gemeindeverwaltung ein Legat mit der
Bestimmung, es möge an seinem Jahrzeitstage dafür Kaddisch gesagt
werden. Die Gemeinde besitzt zwei weitere Stiftungen. Herr Rabbiner Dr.
Stein, Schweinfurt, ließ eine Gedenktafel anfertigen, auf welcher die
Namen der edlen Stifter verzeichnet sind." |
Gerichtsverhandlung gegen Aron Baum in Nordheim in
antisemitischem Kontext (1902)
Antisemiten vor Ort und ein in gleicher Weise antisemitisch eingestelltes
Schwurgericht verschwören sich in skandalöser Weise gegen Metzgermeister Aron
Baum.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 9. Oktober 1902: "Würzburg, 2. Oktober (1902). Zwei
Tage lang wurde am Schwurgericht gegen den verheirateten Metzgermeister
Aron Baum in Nordheim (Rhön) wegen Meineids verhandelt. Im August
vorigen Jahres hatte der Bäckermeister Johann Schmitt in Nordheim wegen
eines Viehkaufes Differenzen mit Baum. Kurz darauf fand der sog. Fleischbesudelungsprozess
in Würzburg statt, den Memminger in einer Hetzbroschüre, betitelt
'Jüdische Schweinereien', zur antisemitischen Agitation verwertete. Schmitt
las eine solche Broschüre, und da fiel es ihm nun auf einem ein, dass
auch er im Jahre 1896 gesehen habe, wie Baum in seinem Schlachthause das
Hinterteil eines geschlachteten Tieres verunreinigt habe. Er erzählte
dies im Wirtshaus und in Dörfern der Umgegend von Nordheim, die Kunden
Baum's blieben in Folge dessen aus. Durch solche Verdächtigungen
aufgebracht, stellte Baum den Schmitt zur Rede, es kam zu gegenseitigen Schimpfereien,
und nun lief Schmitt zur Gendarmerie, um seine angeblichen Wahrnehmungen anzugeben.
Zwei Bekannte beider Parteien erschienen darauf bei Schmitt und machten
ihm Vorhalt. Jetzt erklärte dieser, seine Angaben seien nicht wahr und
nur aus Zorn gegen Baum erhoben worden. Er unterschrieb einen Widerruf,
der dreimal in einer Zeitung veröffentlicht und auch der Gendarmerie
mitgeteilt wurde. Aber am gleichen Tage wiederholte Schmitt seine Angaben
wieder im Wirtshause. Nun stellte Baum Klage. An der Strafkammer erzählte
Schmitt, er sei im April 1896 eines Abends zwischen 10 und 11 Uhr in das |
Haus Baum's gegangen, um von diesem eine Auskunft zu erlangen. Bei dieser
Gelegenheit habe er über die Pforte /Türe) des Schlachthauses hinweg
gesehen, wie Baum ein geschlachtetes Tier, das durch zwei Hölzer gehalten
auf dem Boden lag, am Hinterteil verunreinigt habe. Baum dagegen beschwor,
in seinem Schlachthaus nie uriniert zu haben und auch keine Hölzer zum
Schlachten verwendet zu haben. Schmitt wurde wegen falscher Anschuldigung
zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem ist eine Zivilklage auf
2.000 Mark Ersatz wegen Geschäftsschädigung anhängig. Nun sammelte Schmitt
weiteres Material und veranlasste die Einleitung der Meineidsuntersuchung
gegen Baum, der auch Folge gegeben wurde. Auffällig ist dabei, dass
Schmitt, obwohl er die Schweinereien im Schlachthaus gesehen haben will,
nach wie vor bis zum Jahre 1901 sein Fleisch von Baum bezog. Trotz der
langen inzwischen verstrichenen Zeit ist dieser Hauptzeuge in der
gestrigen Verhandlung noch deutlicher gewesen wie das erste Mal. Jetzt
will er sogar genau gesehen haben, dass das Tier durch zwei Scheithölzer
gestützt war. Weiter sagt er, er sei am kritischen Abend in das Schlachthaus
eingetreten und habe Baum beim Urinieren überrascht. Der Vergleich oder
Widerruf im vorigen Jahre sei ihm abgepresst worden, als er betrunken
gewesen sei. Hier gab sich die Verteidigung alle Mühe, die Widersprüche
in den Aussagen des Zeugen aufzuklären, allein der Vorsitzende machte ihr
den Vorwurf, sie wolle den Zeugen nur verwirren. Da der Zeuge auch
erklärt hatte, er habe 'keine Feindschaft' gegen Baum, fragte ihn die
Verteidigung, wie es denn komme, dass er sein Kind gelehrt habe, den Baum
zu markieren. Darauf erklärte der Vorsitzende: 'Es werden oft Juden
nachgeäfft, das kann auch im Humor geschehen sein!' Von seiner
Beobachtung will der klassische Zeuge einiger Ortsnachbarn erzählt haben,
aber diese bekunden, dass das nicht wahr sei. Außer Schmitt traten noch
vier andere Zeugen auf, die bei anderen Gelegenheiten Baum beim Urinieren
im Schlachthause beobachtet haben wollen. Darunter ist ein Schuhmacher
Benkert, der wegen eines Hausfriedensbruches bei Baum 14 Tage Haft
erhalten hatte. Auch dieser hatte über den Vorfall geschwiegen, angeblich
weil 'er sich nicht mit Juden behängen wollte, die sich doch überall
herauslügen'. Mehrere Zeugen deponieren dann wegen der Hölzer im
Schlachthaus. Einige wollten Scheithölzer, andere sog. Schrotleitern
gesehen haben. Dies bestreiten aber der Fleischbeschauer von Nordheim, ein
Fleischergeselle, der Lehrer und Schächter Fulder, der (von 1886-93) in
Nordheim wirkte, ebenso ein Geschäftsmann, der manchmal beim Schlachten
mithalf. Bemerkenswert ist, dass die Beobachtungen der Ersteren aus 12-18
Jahre zurückliegen. Heute Nachmittag fällten die Geschworenen ihren
Wahrspruch, der auf schuldig unter Ausschluss mildernder Umstände
lautete. Das Gericht erkannte auf 1 1/2 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre
Ehrverlust.
Dies Urteil gibt der ganzen vorurteilsfrei urteilenden Bevölkerung, auch
der nichtjüdischen, zu denken. Zugegeben, Aron Baum hätte tatsächlich
im Schlachthause uriniert, aber er sei nach Art logisch undurchbildeter
Leute, gewissermaßen zur Bekräftigung, dass er auf das Fleisch nicht
uriniert habe, in das Extrem verfallen und habe behauptet, er habe
überhaupt niemals im Schlachthaus seine Notdurft verrichtet, so wäre es
doch Pflicht der urteilenden Richter gewesen, diese Umstände
psychologisch zu analysieren, diese zwei Fakten auseinander zu halten und
auf das geistige Niveau und die Denkart derartiger Leute Rücksicht zu
nehmen. Wenn man aber die Qualität der Zeugen, den Hauptbelastungszeugen
Zechbruder Schmitt etc. und ihre Beziehungen zu Baum betrachtet, so wird
man auch kaum diese Belastung Baum's aufrecht erhalten können,
vorausgesetzt, dass der obige Zeitungsbericht sachlich gehalten.
Hoffentlich wird das Urteil einer nochmaligen Revision unterzogen
werden." |
Zum Tod von Karoline Stein, der
Mutter von Rabbiner Dr. Stein (1903)
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1903: "Nordheim
v.d. Rhön. Am 1. Cheschwan hauchte die Mutter des Herrn Rabbiners Dr.
Stein – Schweinfurt, Frau Karoline Stein, in der letzten Zeit in
Schweinfurt wohnhaft, nach langem schweren Leiden, im Alter von 68 ½
Jahren, ihre Seele aus. Mit ihr ist eine der edelsten Frauen, ein
Biederweib in des Wortes wahrster Bedeutung, dahin gezogen. Die selig
Entschlafene war ein Muster unter den Frauen. (hebräisch und deutsch:) von
den Frauen im Zelte gesegnet. Ihr Haus war ein Tempel, getragen von
der Weihe religiöser Gesinnung. Was die Selige gewesen, ihre wahre Frömmigkeit,
ihre Herzensgüte, ihre edle Bescheidenheit, lässt sich kaum in Worten
ausdrücken. Als ein wahres Vorbild kann uns diese dahingeschiedene treue
Mitschwester in Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) voranleuchten. Mit Freuden
unterstützte sie die Armen und Dürftigen, und zwar im Geheimen; bei ihr
hieß es: wer hungrig ist, komme und esse mit.
Eine noch weitere schöne Perle verherrlicht das musterhafte Leben der
Frau K. Stein. In vereinter Kraft mit ihrem schon vor neun Jahren zu
letzten Ruhe vorausgegangenen, gottesfürchtigen Gatten erzog sie ihre
Kinder mit klugem Geschick und wirklichem Herzens- und Geistesadel zu
echten Jehudim und zu tüchtigen, braven Menschen. Allgemeiner Beliebtheit
erfreute sich die treue Verblichene, der Krone des guten Namens; ihr
Andenken wird darum in uns fortleben als eine wahrhaft Fromme und
Redliche.
Möge diese teure, verblichene Mitschwester für ihre Hinterbliebenen und
für uns alle eine Fürsprecherin sein vor dem Throne des richtenden Königs." |
Über Emma Schuster geb. Oppenheimer (1868-1942) und
die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 in Nordheim
Zu Ihrer Lebensgeschichte eine
Zusammenfassung von Elisabeth Böhrer: "Emma Schuster war eine geborene Oppenheimer aus
Großheubach. Sie wohnte mit ihrem Mann Karl Schuster in Nordheim, Haus Nr. 110, der Viehhändler war. Dieser betrieb das Geschäft gemeinsam mit seinem Bruder Alex. Dort wurden auch die Töchter Erna (*1911) und Hilde Schuster (*1919) geboren. Am 10. November 1938, nach 2 Uhr morgens, kamen Ostheimer SA-Männer nach Nordheim. Sie warfen durch das Fenster im
Erdgeschoss eine Wagendeichsel. Der in diesem Zimmer neben dem Fenster im Bett gelegene Karl Schuster war u. a. wegen eines Kriegsleidens schon längere Zeit krank. Aufgrund dessen verstarb ihr Mann um 3.30 Uhr an einem Gehirn- bzw. Herzschlag. Ihre Wohnung wurde demoliert und die Einrichtung stark beschädigt. Die jüdische Bevölkerung war in dieser Nacht während der vorgenommenen Gewalttätigkeiten geflüchtet und hatte sich versteckt. Es soll in der Ortschaft damals ein derartiger Lärm und eine Aufregung geherrscht haben, dass die gegenüber von Karl Schuster wohnhafte Landwirtsfrau Mathilde G. einen Nervenschock bekam. Von Nordheimer Bürgern, auch von der SA, soll sich niemand an den Ausschreitungen beteiligt haben. Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen. Gemeinsam mit ihrem Schwager Alexander, dem Neffen Gerhard Schuster und Siegfried Schild kam Emma Schuster am 24. April 1942 nach Würzburg in den Platz’schen Garten. Hier wurden ihr bei der Durchsuchung 2 Esslöffel abgenommen. Am nächsten Tag wurden sie nach Krasnystaw deportiert und dort im Raum Lublin ermordet. Den Töchtern Erna und Hilde Schuster gelang im September 1934 die Ausreise in die USA." |
Hinweis auf jüdische Ehrenbürger und Ehrenmitglieder
bei der Freiwilligen Feuerwehr in Nordheim
Ehrenbürger der Gemeinde Nordheim
wurde Kommerzienrat Direktor Adolf Stein
(1864-1932), ein Bruder des Schweinfurter Rabbiners Dr. Salomon Stein.
Adolf Stein war gemeinsam mit Georg Leimbach 1898 Gründer des Basaltwerkes
am Rotenberg in Nordheim (Produktion vor allem von Basaltschotter für den
Eisenbahnverkehr; die Firma war im Bereich des heutigen Holzwerkes BM
Massivholz GmbH, die u.a. das originale Firmengebäude wieder als
Bürogebäude benutzt).
Adolf Stein war verheiratet mit Henriette geb. Isaak, die beiden hatten
zusammen sieben Kinder. 1903 zog die Familie nach Schweinfurt (damalige
Schultesstraße
54, später Ernst-Sachs-Str. 24. "Steinsche Villa" genannt,
teilweise kriegszerstört, später abgebrochen)
Seit 1926 war Adolf Stein alleiniger Generaldirektor der Firma. Nach
seinem Tod übernahmen seine Söhne Jakob und Fritz Stein die
Geschäftsleitung. Die Firma beschäftigte in verschiedenen Werken etwa
600 Arbeitskräfte. In der NS-Zeit traf der Boykott die Firma. Seit 1934
erhielt die Firma keine öffentlichen Aufträge mehr. 1936 wurden Jakob
und Fritz Stein wegen angeblicher Devisenverschiebung verhaftet. Darauf
mussten sie alle Betriebe ihrer Firma aufgeben. Jakob Stein (1896-1963)
konnte in die USA emigrieren; Fritz Stein (1899-1956) überlebte nach der
Emigration in Amsterdam.
Nach Adolf Steins Tod am 21. September 1932 war in einem Nachruf auf ihn zu
lesen: "Herr Kommerzienrat Adolf Stein hat sich um die wirtschaftliche Hebung Nordheims außerordentlich große Verdienste erworben.
Er war ein großer Wohltäter der Armen und hatte für jede gute Sache stets eine offene Hand. In dankbarer Anerkennung seiner großen Verdienste um seine Heimatgemeinde wurde er am 19. Nov. 1925 zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt. Ganz Nordheim trauert um ihn und wird ihn nie vergessen.
Er ruhe in Frieden.
Der Gemeinderat Nordheim v. Rhön: (Muss "v. d." Rhön heißen). Schloth, 1. Bürgermeister."
Vgl. Presseartikel in der "Main-Post" vom 21. Oktober 2016: "Nordheim.
Sieben Stolpersteine für Nordheim..."
Anmerkung zu diesem Presseartikel: Leslie Samuel ist nicht der Enkel von
Adolf Stein! Die Verlegung von "Stolpersteinen" ist geplant.
Wikipedia-Artikel über die Firma Leimbach & Co. GmbH (ab 1926
Basaltstein GmbH): https://de.wikipedia.org/wiki/Leimbach_&_Co.
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Laut dem Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr Nordheim v. d. Rhön wurde
der oben genannte Direktor Adolf Stein 1925 zum Ehrenmitglied ernannt.
Im Jahre 1928 wurde das Gründungsmitglied (1875 war Gründung) Jacob Baum
ebenfalls Ehrenmitglied (er starb 1930). Hinweis: Jacob Baum dürfte
identisch sein mit dem in den Anzeigen von 1907 und 1908 oben
(Ausschreibungen der Lehrerstelle) genannten Jakob Baum.
Auch Bernhard Schuster war Ehrenmitglied, er starb 1932 in Nordheim mit über 86 Jahren. Das Jahr der Verleihung konnte nicht festgestellt werden. |
Hinweise auf die Lehrer Dr. Emanuel Hecht und
Simon Hecht
Aus Nordheim stammte der bekannte Lehrer Dr. Emanuel Hecht (geb. 1821 in
Nordheim; studierte am Israelitischen Lehrerseminar
in Würzburg, 1841 Vorbereitungslehrer am Ende seines Studiums in
Schmalnau), der sich mit diversen Publikationen für die jüdische Schule einen
Namen machte und zuletzt in Hoppstädten
Lehrer war, wo er 1862 früh verstorben ist. Zu
Emanuel Hecht siehe Wikipedia-Artikel:
https://en.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Hecht.
Sein Bruder Simon Hecht ist am 9. März 1825 in Nordheim geboren
[1825 lt. Geburtseintrag nach
Angaben von E. Böhrer; auf Grabstein 1828]),
studierte am Israelitischen Lehrerseminar in
Würzburg und war Lehrer in
Sulzdorf an der Lederhecke,
Weimarschmieden,
Kraisdorf,
1852-53 Ritzebüttel (Cuxhaven), 1856 Jever und
1857-60
Münchweiler. Nach dem Tod seines Bruder
Emanuel 1862 ist Simon Hecht nach Amerika ausgewandert und war in Evansville,
Indiana als "Reverend" und "Rabbi" der jüdischen Gemeinde Bnai Israel tätig
(Foto der 1866 eingeweihten Synagoge
http://www.evansvilleago.org/organs/evv_bnai_Israel.htm). Eine seiner ersten
Amtshandlungen in der Synagoge Bnai Israel war eine Hochzeit am 18. Oktober 1866
(Quelle
S.8). 1868 erschien in Evansville von Salomon Herxheimer und Simon Hecht: "Der
israelitische Confirmand oder: Glaubens- und Pflichtenlehre für den Schul- und
Privatgebrauch in Reformgemeinden". Zahlreiche weitere Publikationen folgten,
u.a. in der Zeitschrift "Die Deborah". 1878 erschien die Sammlung von "Jewish
Hymns for Sabbath Schools and Families".
Über Simon Hecht vgl. u.a. Judah M. Cohen: Jewish Religious Music in
Nineteenth-century America. Buch erschien Indiana University Press 2019
https://www.amazon.com/Jewish-Religious-Music-Nineteenth-Century-America/dp/0253040213.
Vgl. in diesem Buch u.a. die
Anmerkungen auf der verlinkten Seite zu Beiträgen von Simon Hecht.
Simon Hecht starb am 17. März 1908 und wurde im Rose Hill Cemetery in Evansville
beigesetzt: Grab siehe
https://de.findagrave.com/memorial/11252550/simon-hecht.
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe oder Privatpersonen
Danksagung nach der Trauerfeier für die aus Nordheim stammende und in Pfungstadt
verheiratete Klara Katzenstein geb. Stein (1893)
Anzeige
in der Zeitschrift 'Der Israelit' vom 25. Mai 1893: "Danksagung!
Für die vielen Beweise herzlicher Teilnahme und inniger Liebe während
der Krankheit und beim Tode unserer teueren, unvergesslichen Gattin,
Tochter und Schwester – seligen Andenkens -,
Frau Klara Katzenstein geb.
Stein,
sagen wir allen lieben Freunden aus Nah und Fern, insbesondere auch
den wohllöblichen Mitgliedern der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg
und der verehrlichen, aufopferungsbereiten Familie Oster, den Verwaltern
des israelitischen Spitals daselbst, tief gefühltesten Dank.
Nathan Katzenstein, Pfungstadt. Familie Stein,
Nordheim v.d. Rhön." |
Anzeige des Imkers L.
Hartmann in Sondheim (1930)
Anmerkung: es handelt sich nach Angaben von E. Böhrer um eine Anzeige einer
nichtjüdischen Familie (L. = Leopold Hartmann)
Anzeige
in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 22. August 1930: "Mehr Honig
essen sagen die Ärzte! Seit Jahrzehnten liefere ich an Tausende
Familien meinen gar allerfeinsten deutschen Bienenhonig aus dem
Rhöngebirge, Thüringen und Franken. 5 Pfd. Mark 8.-, 10 Pfd. Mark 14,50
in Posteimer frei Haus inklusive Verpackung per Nachnahme. Imker L.
Hartmann, Sondheim (Rhöngebirge)." |
Sonstiges
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Nathan Middle aus Unsleben (1820-1900) und Mathilda
Middle aus Nordheim (1830-1894)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn.
Nach Angaben von Elisabeth Böhrer (auf Grund von Recherchen im Staatsarchiv
Würzburg) ist Nathan Middle als Nathan Mittel am 25. April 1820 in
Unsleben geboren als Sohn des Viehhändlers Simon Mittel und seiner Frau Reitz
geb. Zucker; seine Frau Mathilda bzw. Madel geb. Hecht ist geboren am 14.
November 1830 in Nordheim v.d. Rhön
als Tochter des Schächters David Hecht und seiner Frau Rebecca geb. Stein) .
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Grabstein "in Memory of our Dear Father
Nathan Middle
Born in Unsleben Bavaria April
25th 1820
Died July11th 1900" und
"In Memory of my Beloved Wife and our Dear Mother
Mathilda Middle
Born in Nordheim Bavaria Nov. 14th 1830
Died Febr. 6th 1894". |
Zur Geschichte der Synagoge
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Betsaal im Turm des 1578 von den
Freiherren von der Thann erbauten "Gelben Schlosses" (daher auch
"Judentempel" genannt) eingerichtet. Dieses Schloss war 1803 von der
Freiherrenfamilie verkauft worden und in Privatbesitz gekommen.
1852
wurde eine Synagoge in der Judengasse erbaut, in der bis um 1935 Gottesdienste
abgehalten wurden. Durch den Rückgang der Gemeindeglieder konnte seitdem kein
Minjan mehr gebildet werden.
Aus der Geschichte der Synagoge: Feibel Fuld schenkt
der Synagoge ein Tass (Toraschild)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1882:
"Nordheim vor der Rhön. Ein für unsre Gemeinde erfreulicher und
erhebenden Vorgang fand am ersten Tage von Rosch Haschana (Jüdischer
Neujahrstag) in dieser hiesigen Synagoge statt. Herr Feibel Fuld, ein 76-jähriger Greis, überreichte dem Kultusvorstande ein gleich schön, wie
wertvolles, silbernes Tass, die heilige Tora damit zu schmücken. Dies
Geschen rief allgemeine Freude hervor" |
Am 3. Oktober 1938 wurde die Synagoge erstmals verwüstet: Ortsbewohner
drangen in die Synagoge ein, zertrümmerten Fenster und Mobiliar und zerrissen
Toraschrein-Vorhänge und Gebetbücher. Ein zweites Mal wurde die Synagoge in
der Pogromnacht im November 1938 verwüstet. SA-Leute waren aus dem
benachbarten Ostheim v.d. Rhön gekommen und drangen mit örtlichen SA-Leuten
sowie Einwohnern von Ostheim und Nordheim in die Synagoge und in die jüdischen
Häuser ein. Fenster, Möbel und Hausrat wurde zerstört, in der Synagoge
gleichfalls die Ritualien. Anschließend zog man weiter, um das Werk der
Zerstörung in Oberelsbach
fortzusetzen.
Das Synagogengebäude blieb erhalten und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut.
Adressen/Standorte der Synagogen und der Schule:
| Alte Synagoge ("Judentempel") im Hinterhof des Anwesens
Alexander-Hösl-Straße 20 (durch einen Torbogen erreichbar; Hinweistafel
vorhanden) |
| Neue Synagoge in der Judengasse 4 (eine Hinweistafel ist nicht angebracht) |
| Israelitische Schule in der Unteren Torgasse 7 mit Inschrift über dem
Eingang "18 ISRAELITISCHE SCHULE 93" (eine Hinweistafel ist nicht
angebracht) |
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 11.8.2005)
Die alte Synagoge |
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Das "Gelbe
Schloss" der Herren von der Thann, in dem sich bis Mitte des
19.
Jahrhunderts der Betsaal befand (daher "Judentempel" genannt) |
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Ansicht des "Gelben
Schlosses" von Süden |
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Die Hinweistafel |
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Blick in die Judengasse mit der
neuen
Synagoge (bis 1938) |
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Straßenschild
"Judengasse" |
Blick in die Judengasse mit
dem
Synagogengebäude |
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Die (neue) Synagoge
(bis 1938) |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge in der Judengasse 4 |
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Das Gebäude der ehemaligen
israelitischen
Schule |
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Das Gebäude der
ehemaligen Israelitischen Schule |
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Über dem Eingang befindet
sich die
Inschrift
"18 ISRAELITISCHE SCHULE 93" |
Spur der
früheren Mesusa |
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Denkmal für die Gefallenen
des
Ersten Weltkrieges am Marktplatz |
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Oben erkennbar der
Name von
Gustav Rosenthal; auch die Namen
von Hermann Sachs und Justus Baum
stehen
auf dem Denkmal |
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Gedenktafel an einer
Mauer
gegenüber des Rathauses
(Foto: Elisabeth Böhrer, aufgenommen
im Sommer 2009) |
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Text: "In Nordheim v.d.
Rhön bestand bis
1942 eine jüdische Kultusgemeinde.
Zur Erinnerung und
Mahnung" |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Oktober 2016:
Geplante Verlegung von
"Stolpersteinen" in Nordheim |
Artikel
in der "Main-Post" vom 21. Oktober 2016: "NORDHEIM. Sieben Stolpersteine
für Nordheim
'Stolpersteine' heißt ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig aus Köln, das
im Jahr 1992 begann. Mit kleinen, im Boden verlegten Gedenktafeln soll an
das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des
Nationalsozialismus schikaniert und ermordet wurden. Dieses Projekt war am
Donnerstagabend Thema der jüngsten Gemeinderatssitzung in Nordheim: Ein
Nachfahre der aus dem Ort deportierten Familie Schuster möchte solch einen
Gedenkstein installieren, wo einst das Haus der Familie stand. Zu diesem
Thema war Elisabeth Böhrer aus Sondheim/Rhön zur Sitzung eingeladen worden,
so Bürgermeister Thomas Fischer. Sie befasst sich mit der Geschichte der
Juden im Landkreis und hat auch den jüdischen Friedhof in Schweinfurt
dokumentiert. Unter anderem ruht dort der Nordheimer Bürger Adolf Stein, ein
Bruder des Rabbiners Salomon Stein. Adolf Stein, 1864 geboren, war 1898
Gründer des Basaltwerkes am Rotenberg in Nordheim, wo heute das Holzwerk
steht. Adolf Stein wurde 1925 das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Nordheim
verliehen. Die Familie Stein hatte damals viele Arbeitsplätze in Nordheim
geschaffen. Man heiratete untereinander, und so ist auch die Familie
Schuster – eine Generation weiter – mit involviert, hieß es in der Sitzung.
Adolf Steins Enkel Leslie Samuel – sein Vater stammt aus Bad Königshofen –
ist der Nachfahre, der die Stolpersteine beantragt hat, informierte
Elisabeth Böhrer. Künstler Demnig verlegt die Stolpersteine für alle Opfer
des Nationalsozialismus. In Ostheim war dies relativ einfach, weil es nur
zwei Personen gab, für die im Jahr 2003 die Steine gelegt wurden. Im Falle
Schuster hieße das, dass Steine für sieben Familienmitglieder aus zwei
Familien verlegt werden müssten. In der Von-der-Tann-Straße 27, wo heute ein
neu gebautes Anwesen steht, wohnte eine Familie, in einem danebenliegenden
Haus, das abgerissen wurde, eine weitere. Beide Häuser waren durch einen
gemeinsamen Hof verbunden. Die Steine – jeweils ein Betonwürfel mit
Messingoberfläche – sollen auf öffentlichem Grund vor dem ehemaligen Haus
verlegt werden. Dabei hätte Elisabeth Böhrer gern den heutigen
Hauseigentümer miteingebunden. 20 Mitbürger jüdischen Glaubens lebten zu
Beginn 1933 noch in Nordheim. Davon starben zwei, sechs wurden Opfer des
Holocaust und zwölf Personen hatten die Möglichkeit, zu emigrieren. Für die
Mitglieder des Gemeinderats war es keine Frage, für das Verlegen von
Stolpersteinen zum Gedenken an die Familie Schuster zu stimmen. Als Standort
ist der freie Platz vor dem Anwesen 'Von-der-Tann-Straße 27' in Nordheim
vorgesehen. Der Standort muss aber noch genau festgelegt werden. Die Kosten
trägt die Familie Leslie Samuel."
Link zum Artikel |
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Oktober 2017:
In Nordheim werden sieben
"Stolpersteine" verlegt |
Am 18. Oktober 2017 wurden beim Anwesen Von-der-Thann-Straße 27 sieben
"Stolpersteine" verlegt zur Erinnerung an die beiden Nordheimer
Familien Schuster, die bis zur NS-Zeit in Nordheim gelebt hatten. Die
Verlegung war vom Nordheimer Gemeinderat am 20. Oktober 2016 beschlossen
worden. Anwesend waren Leslie Samuel, Nachkomme der jüdischen
Familie Schuster aus Nordheim, und seine Frau Ruth. In ihrem Vortrag berichtete Elisabeth
Böhrer, wie es den Angehörigen der Familien Schuster in der NS-Zeit und
vor allem von der Pogromnacht im November 1938 bis 1942 ergangen war. Die
Häuser der Schuster-Familien waren durch SA-Leute demoliert worden,
später mussten die Häuser zwangsweise verkauft werden. Leslie Samuel
sprach für die Nachkommen und Angehörigen der Familie. Leslie Samuel ist
als Sohn von Erna Samuel geb. Schuster und Siegfried Samuel 1946 in Ohio
geboren.
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Nach der
Verlegung von links: Bürgermeister
Thomas Fischer, Elisabeth Böhrer, Ruth Samuel,
Gunter Demnig und Leslie Samuel
(Bildrechte für alle Fotos: Elisabeth Böhrer) |
Die
"Stolpersteine" für Alexander Schuster
(1886, ermordet), Ida Schuster geb. Samuel
(1894-1940),
Siegbert Gerhard Schuster (1925, ermordet) |
Die
"Stolpersteine" für Karl Schuster (1883, starb aufgrund
der Ereignisse beim Novemberpogrom 1938), Emma Schuster
geb. Oppenheimer (1886, ermordet), Erna Schuster (1911,
1934 emigriert), Hilde Schuster (1919, emigriert) |
Die sieben
"Stolpersteine" nach der Verlegung
mit weißen Rosen; die rechten Steine sind für
die Familie deswegen gedreht, damit sie in
Richtung des ehemaligen Hauses zeigen |
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Ansprache
von Leslie Samuel, 1946 in Ohio geborener Sohn von Erna Schuster
aus Nordheim, die 1938 in New York Siegfried Samuel aus Königshofen im
Grabfeld geheiratet hatte. Leslie Samuel war nach dem Studium in
Washington als Lehrer tätig, bis er eine Restaurantkette gründete und 45
Jahre leitete. |
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Artikel von Fred Rautenberg in der
"Main-Post" vom 20. Oktober 2017: "Nordheim.
Stolpersteine für Familie Schuster.
'Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.' Damit traf Leslie Samuel, der Gast aus den USA, mit größter Präzision das, worum es am Mittwoch in Nordheim ging. Dort waren in einer Feier sieben sogenannte Stolpersteine in den Gehsteig beim Anwesen Von-der-Thann-Straße 27 eingelassen worden – gegen Gleichgültigkeit und zur Erinnerung an die beiden Nordheimer Familien Schuster, deutsche Mitbürger jüdischen Glaubens. Sie hatten einst hier gewohnt, bis sie, von den Nazis verfolgt, flohen beziehungsweise in einem Vernichtungslager umgebracht wurden.
Der Nordheimer Gemeinderat hatte am 20. Oktober 2016 den Beschluss zum Verlegen der Stolpersteine gefasst, blickte Bürgermeister Thomas Fischer zurück. Den Auftrag hatte Gunter Demnig aus Frechen in Nordrhein-Westfalen erhalten – der Künstler, der die Idee zu den Stolpersteinen entwickelt und verbreitet hatte. Während Demnig mit Kelle und Mörtel bei der Arbeit war, begrüßte Fischer zahlreiche Bürger, Pfarrvikar Paul Reder und dessen evangelischen Kollegen Pfarrer Oliver Englert sowie Elisabeth Böhrer, die sich wesentlich darum bemüht hatte, dass das Setzen der Gedenksteine zustande kam. Ein besonderer Willkommensgruß galt Ruth und Leslie Samuel, Nachkommen der jüdischen Familie Schuster aus Nordheim. Die Samuels hatten zudem zwei Freunde aus Amerika mitgebracht.
Die Schrecken der Pogromnacht Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand der Beitrag von Elisabeth Böhrer. Sie hatte recherchiert, wie es den Angehörigen der verschwägerten Familien Schuster – Karl und Emma Schuster mit ihren Töchtern Erna und Hilde sowie Alexander (Bruder von Karl) und Ida Schuster mit ihrem Sohn Gerhard – von der Pogromnacht am 10. November 1938 bis 1942 ergangen war. Dabei wurde deutlich, dass die Juden früher gut in Nordheim integriert waren. Die Männer hatten ihren Militärdienst absolviert und waren in den Ersten Weltkrieg gezogen, wo Karl Schuster 1914 ein Bein verlor, aber auch mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. Doch in der Pogromnacht wurden die Demütigungen für die Familien unerträglich. Die zwei Häuser der Schuster-Familien wurden durch SA-Leute, die nicht aus Nordheim kamen, demoliert. Karl Schuster, der nicht fliehen konnte, starb dabei. Wenige Tage später wurde das geringe Vermögen der Juden beschlagnahmt und ihnen der letzte Besitz genommen. Ihre Häuser mussten sie zwangsweise verkaufen. Am 24. April 1942 traten Emma, Alexander und Gerhard Schuster ihre Reise in den Tod über Mellrichstadt und Würzburg bis nach Lublin in Polen an. Das Jahr 1942 haben sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ida Schuster war schon im Jahr 1940 gestorben, Erna und Hilde Schuster waren mit Hilfe eines in den USA lebenden Onkels 1934 vor den Nazis geflohen. Diese erschütternden Informationen ergänzte Hermann Spiegel mit Erinnerungen dreier Zeitzeugen, die beobachtet hatten, in welcher Angst Nordheims Juden in diesen Jahren leben mussten.
Freude über die Gastfreundschaft Nicht weniger ergreifend war die Rede, die Leslie Samuel danach in deutscher Sprache hielt. Der Sohn von Erna Samuel, geborene Schuster, und Siegfried Samuel aus Königshofen im Grabfeld wurde 1946 in Ohio geboren. In New York hatten seine Eltern 1938 geheiratet. In Jefferson hatte Leslie die Schule besucht, hatte dort studiert, in Washington als Lehrer gearbeitet, bis er eine Restaurantkette gründete und 45 Jahre leitete. Er fühle sich in Nordheim zuhause, sagte er, durch die vielen herzlichen Begegnungen mit den Bürgern. Er erzählte, dass es den beiden Töchtern von Emma Schuster nicht gelungen war, ihre Mutter in die USA zu holen. Leslie Samuel erkannte an, dass
'nach dem Zweiten Weltkrieg ein anderes Deutschland geboren' worden war, das den Juden und dem Staat Israel vielfach geholfen habe. Er dankte dem Künstler Gunter Demnig und auch dem Hausnachbarn Anton Heurung für das Anbringen der Stolpersteine bei dessen Anwesen; und er dankte für die Gastfreundschaft und Toleranz, die seine Frau und er erfahren hatten. Das letzte Wort ergriff Pfarrvikar Reder. Zur Erinnerungskultur gehöre, die Unmenschlichkeiten der Nazizeit nicht zu vergessen, aber sich auch an Beispiele großer Mitmenschlichkeit zu erinnern, der es immer die Oberhand zu verschaffen gelte. Die sieben Gedenksteine gäben dazu den Anstoß. Elisabeth Böhrer umrahmte dann symbolträchtig diese golden glänzenden Denkmale mit sieben weißen Rosen und teilte abschießend mit, dass fünf der Steine von Bürgern aus Nordheim finanziert worden waren."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 372-373. |
| Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 111. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 528-529. |
| Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 116. |
| Elisabeth Böhrer: Zur jüdischen Geschichte in
Nordheim v.d. Rhön. Unveröffentlichte Recherchen. 2015/17. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Nordheim v.d. Rhoen Lower
Franconia. Jews settled around the turn of the 19th century. A new synagogue was
erected in 1852. In 1890 the Jewish population was 86 (total 812) and in 1933 it
was 25, soon reduced to penury under the Nazi economic boycott. The synagogue
was vandalized on 2nd October 1938 and again on Kristallnacht (9-10
November 1938) along with Jewish homes and stores. Twelve Jews emigrated in
1934-40; the last six werde deported to Izbica in the Lublin district (Poland)
and to the Theresienstadt ghetto in 1942.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|